7. Kapitel - Mantraeinweihung

Swami Vishnu-devanandas Lebensphilosophie wurde in allem offenbar, was er tat. Er glaubte, lebte und lehrte, dass ein einziger Mensch einen wesentlichen Unterschied im Leben anderer ausmachen konnte. Weil er ein Glied in der überlieferten Kette des Yoga war, gab er auch die große Macht der Yoga-Einweihung (Mantra Einweihung) weiter. Swamiji sprach oft darüber.

Wörtlich heißt Einweihung „anzünden“. Wenn du ein Feuer anzündest, wie fängst du das an? Du beginnst mit kleinen, dünnen Zweigen und Papierschnipseln, du zündest die Zweige an, fügst dann langsam größere Holzscheite dazu und hast bald ein großes Feuer! Aber wieviel Feuer brauchst du für den Anfang? Nur ein kleines Streichholz oder nicht? Ein kleines Streichholz kann diese versteckte Energie im Feuerholz anzünden. Daher kommt das Feuer. Wir sind alle nichts anderes als schlafende Energie. Wie bei dem Feuerholz ist Energie vorhanden, aber es ist  schlafende Energie. Das Holz, das wir ins Feuer geben, wird ein Teil des Feuers und steigert die Energie. Das ist das ganze Geheimnis der Einweihung. Einweihung  bedeutet, das Mantra als Mittel zu nutzen, das Herz zu erleuchten oder anzuzünden.

Schon vor dem Entstehen der Erde gab es die Mantra energie in einem bestimmten Zustand. Newton hat die Schwerkraft nicht erschaffen. Er hat die Existenz einer Energie entdeckt, die man Schwerkraft nennt. Sie war nicht neu, als Newton sie entdeckt hat. Auch Edison hat die Elektrizität nicht erschaffen. Elektrizität war bereits vorhanden. Edison entdeckte die Existenz einer bestimmten Energie, die  Elektrizität genannt wird. In gleicher Weise hat die Mantra-Energie existiert, sogar vor der Schöpfung.

Alles ist in einem Zustand der Schwingung; alles sind Energiewellen. Dein Körper schwingt auch auf einer bestimmten Wellenlänge. Du lernst, dich auf eine bestimmte Wellenlänge einzustimmen, um eine bestimmte Energie, Stärke oder Kraft zu  bekommen. Ein Mantra ist eine besondere Wellenlänge eines spirituellen Symbols.

Schließlich stimmt sich der Geist darauf ein. Dann hast du kosmisches Bewusstsein oder bist in Meditation. Das ist die geheime Formel dazu. Jeder braucht ein Mantra, das zu seinem besonderen Geist passt. Aber wir können keine 4 Billionen Mantras haben. Wir kochen auch nicht für 4 Billionen Menschen 4 Billionen unterschiedliche
Mahlzeiten.

Was für eine Art Nahrung haben wir? Manche Nahrung mögen wir lieber als andere, oder? Was gab es heute zum Frühstück? Müsli, Früchte, Brot und Butter, Joghurt. Manche haben mehr Müsli genommen, manche mehr Brot und Butter, andere mehr Joghurt, oder? Obwohl wir alle das gleiche Essen bekommen, mögen wir das eine oder andere eben lieber. Aber aus welchem Grund? Um unseren Körper zu ernähren, essen wir Müsli, immer mehr.

So ist es auch mit den Mantras. Es gibt kein über- oder untergeordnetes Mantra. Alle Mantras sind gleichwertig und haben die gleiche Wirkung, genau wie das Feuer.  Jedes Feuer brennt. Natürlich kann manches Holz besser brennen, wenn es nicht nass ist. Aber selbst das nasse Holz wird brennen.

In Indien wissen wir, welches Mantra zu welchem individuellen Geist passt, weil wir die entsprechenden Aspekte des Göttlichen kennen. Jeder Name hat eine Form, jede Form hat einen Namen. Wir können nicht jedes beliebige Wort als ein Mantra nutzen; die Form des Wortes spiegelt sich in deinem Geist wider. Gemäß der Yoga-Psychologie nimmt der Geist die Form des Objektes an, an das man denkt oder worüber man meditiert. Wenn du an eine Orange denkst, nimmt dein Geist die Form einer Orange an, um die Orange wahrzunehmen. Das ist ein Gesetz, dessen müsst ihr euch deutlich bewusst sein. Wenn ich also Orange, Orange, Orange denke, nimmtder Geist die Form der Orange an. Nur dann ist Wahrnehmbarkeit und Wahrnehmung möglich. Wenn keine Form der Orange im Geist ist, auch wenn du „Orange, Orange,  Orange, Orange, Orange, Orange, Orange“ wiederholst, wenn es keine Form gibt, hat es keinen Einfluss auf den Geist. Der Geist weiß nicht, was es ist; es ist nur ein Wort.

Ebenso ist nicht nur die Form allein ausreichend. Wenn du nur die Form ohne den Namen der Orange visualisierst, hat das keinen Effekt auf den Geist. Du brauchst Name und Form. Wenn du das Feuer sehen möchtest, es aber in deinem Geist keine Form des Feuers gibt, kannst du „Feuer, Feuer“ wiederholen. Den noch kannst du dir kein Bild des Feuers denken. Name und Form gehören zusammen.

Wenn das nicht so wäre, könntest du jedes Wort zur Meditation benutzen. Du kannst wiederholen „Blume, Blume, Blume, Blume, Blume, Blume, Blume“, aber dein Körper und Geist werden durch eine Blume nicht erhoben, durch die Energie oder die Ausstrahlung der Blume. Die Wellenlänge der Blume und das Objekt Blume haben keinen dauerhaften Einfluss auf den Geist. Nur spirituelle Worte können dich erheben. Diese Worte werden spirituelle Mantras genannt.

Das Höchste Wesen ist eins und wird OM genannt. Das höchste Mantra ist OM:  A-U-M. Alle anderen Mantras sind aus diesem OM entstanden: A-U-M. Jedes Mantra, das wir kennen und tatsächlich jede Sprache, ist in dieser einen kosmischen Silbe OM vorhanden. Die Bedeutung von OM ist für den durchschnittlichen Geist sehr schwer  zu verstehen. Aus diesem Grunde weihen wir sehr selten jemanden in OM ein, obwohl es das höchste Mantra ist. Normalerweise haben Menschen nicht den höchsten feinen Intellekt, um über eine abstrakte Form wie OM zu meditieren. Dennoch kannst du über OM meditieren, wenn du möchtest. Es schadet nicht, weil es abstrakt ist. Alle anderen Mantras sind konkret, sie haben eine spezielle Form und einen Namen. Bist du ein Krishna-, ein Rama-, ein Shiva- oder ein Devi-Typ? Das sind die grundlegenden Persönlichkeitstypen.

Bist du ein Familienmensch, denkst du an Ehefrau oder Ehemann, Kinder, eine nette, beständige, gesunde Familie und an den Zusammenhalt einer Familie? Du möchtest Frieden in der Familie und eine wahre Verbindung zu deinem Mann/deiner Frau, eine spirituelle Verbindung. Du denkst, dass Kinder ihre Eltern respektieren sollten. Wenn das das Leben ist, das dich anzieht, dann bist du eine Rama-Persönlichkeit. Rama ist die Verkörperung dieses Charakters, er ist die Verkörperung des vollkommenen Ehemanns, vollkommenen Sohnes, des vollkommenen Gottes, des vollkommenen Zerstörers der Dämonen und des Begründers von Gesetz und Ordnung. Er ist vollkommen in allem, er ist perfekt. Er hatte während seines Lebens nur eine Frau. In seinem ganzen Leben hat er noch nicht einmal nach einer anderen Frau geschaut. Er hatte nur diese eine Frau, keine andere, das war seine Einstellung. Wahre Familienmenschen und solche, die Verantwortung für eine Familie übernehmen, fühlen sich davon angezogen. Wenn du einen solchen Charakter hast, solltest du über Rama meditieren. Du solltest in ein Rama Mantra eingeweiht werden.

Andere sind eher introvertiert. Sie gehen wie Shiva zum Berg Kailash, für immer in die schneebedeckten Berge, fern von Lärm und Hektik. In den eisigen Höhen lebt und meditiert Shiva. Jeder interessierte Verehrer wird zu ihm kommen, er ist nicht daran interessiert, aktiv Anhängern entgegenzukommen. Er ist ebenfalls ein introvertierter Typ. Wenn du eher diese Einstellung hast, auch wenn du in einer Familie lebst, einen Haushalt hast oder Geschäftsmann bist, wenn dein Temperament eher zurückhaltend ist und es dir sinnlos erscheint, zuviel am aktiven sozialen Leben teilzunehmen und dich sozialen Dingen zuzuwenden, wenn du ruhig, entspannt und zurückgezogen leben möchtest, dann solltest du in ein Shiva-Mantra eingeweiht werden.

Die überwiegende Mehrheit der Menschen sind Krishna-Typen. Krishna hat alle Eigenschaften jedes menschlichen Wesens, von der Kindheit bis ins hohe Alter. In einem Leben spielte er alle  Rollen, die wir kennen. Er war Staatsmann, Lehrer, König und Spieler. Er verkörperte alles, was du dir vorstellen kannst in einem einzigen Leben. Der Großteil der Menschen mag daher dieses besondere Naturell wegen der verschiedenen Charaktere, die Krishna gespielt hat. Wir geben dann das Krishna-Mantra, wenn jemand ein solches Naturell hat.

Andere sind mehr an der göttlichen Mutter interessiert. Sie fühlen sich mehr zu göttlicher, kreativer Energie und Kraft hingezogen. Sie haben mehr Liebe und Mitgefühl in sich wie eine universelle Mutter und sie sind näher an ihrem Herzen. Gott manifestiert sich auch als Mutter, nicht nur als Vater. Er hat alle Aspekte,
auch die weiblichen. Dann können wir über diesen Aspekt meditieren, indem wir ein Mantra von Durga oder Devi bekommen.

Wenn du einmal eine Gottheit, ein Mantra und einen guru gewählt hast, ändere sie dein ganzes Leben lang nicht mehr. Man ändert sein Mantra, seinen Lehrer oder seinen Aspekt Gottes nicht. Das gilt für das ganze Leben. Wenn du deine Einweihung erhalten hast, solltest du dein Mantra nicht ändern oder dir ein neues suchen. Das ist nicht gut für dich. Wenn du deinem Lehrer keinen Glauben schenkst, dann nimm von diesem Lehrer kein Mantra an. Versuche einen Lehrer zu finden, an den du glaubst und dem du vertraust. Du musst deinem Lehrer bestimmte Gefüle  entgegenbringen, um den Nutzen einer Einweihung zu erfahren. Nur dann kann der Lehrer das Feuer in dir entfachen.

Wir vergeben die Mantras nicht aus kommerziellen Gründen. Wir sind nicht daran interessiert, Geld oder etwas anderes von dir zu bekommen. Es ist ein Brauch aus alten Tagen, dass Schüler dem Lehrer ein dakshina (Spende) zukommen lassen. Das ist eine alte Sitte und es gibt sie immer noch, da die Lehrer kein Geld oder Einkommen haben. Was die Schüler von Herzen geben, nutzen die Lehrer für sich selbst oder um der Menschheit zu helfen. Die Schüler können alles spenden: Früchte, Blumen, Geld, Blumengirlanden, einfach alles. Was immer sie entbehren  können. Sie geben all das, was sie zum Wohlergehen des Lehrers und der Organisation beitragen können. Das ist erlaubt.

Aber man kann kein Mantra verkaufen oder festlegen: „Ich möchte das oder das für die Mantraweihe.“ Diese Forderung darf der Lehrer nicht stellen. Das ist gegen jegliches spirituelles Wachstum. Kein Mantra kann verkauft werden, man kann sich weder eins ausdenken, noch gibt es neue Mantras. Es existieren spezielle Mantras, es gibt keine neuen. Wir können keine neuen erfinden oder jedem Menschen ein anderes geben. Es ist  unmöglich, niemand kann so etwas tun und sich spiritueller Guru nennen.

Oft wird gefragt: „Müssen wir unser Mantra geheim halten?“ Man muss es geheimhalten, aber das bedeutet, dass du es nicht einfach jedem erzählst. Wenn ich mein Mantra rezitiere, sage ich nicht jedem, „Ich wiederhole jetzt mein Mantra!“ Wenn jemand es wissen will und es gibt einen Grund dafür, kannst du es ihm sagen; es schadet nicht, weißt du. Das ist alles. Das ist das ganze Geheimnis.

Was machst du nach der Mantra-Einweihung? Die Einweihung allein reicht nicht aus. Einweihung ist wie das Feuer anzünden. Wir benutzen nur ein kleines Stück Holz, um das Feuer anzuzünden, oder? Gut, angenommen, du entzündest ein Feuer mit einem kleinen Streichholz, aber du hast kein Holz und Papier zur Hand, was passiert?
Es wird wieder ausgehen. Dieses Streichholz, die Einweihung, hat dann keinen Wert. Sofort, wenn das Feuer zündet, musst du Papier und Brennstoff dazugeben, damit das Feuer größer und größer wird. Dadurch wird das Feuer riesig. Dann wird es dir genug Kraft und Energie geben; es wird nicht so leicht ausgehen.

Je öfter du dein Mantra wiederholst, desto mehr wird das Feuer wachsen, es wird größer und größer. Dann kommt irgendwann eine bestimmte Ebene, eine sehr hohe Ebene, du meditierst schon fast auf der transzendentalen Ebene. Auf dieser Ebene kommt dein Geist automatisch in die Meditation. In dem Moment, wo du mit Om Namah Shivaya beginnst, geht dein Geist direkt in die Meditation und du meditierst auf einer höheren Ebene. Dort gibt es keinen Klang in irgendeiner Form, keine  gesprochene oder tele pathische Form, der Klang schwingt nur im transzendentalen
Stadium. Die Schwingung von Om Namah Shivaya, Om Nama Shivaya setzt sich intensiv immer weiter fort. Die Kraft dieser Energie schwingt jetzt auf einer sehr   hohen Ebene; das nennt man Meditation.

Du beginnst als Anfänger mit Om Namh Shivaya, Om Namah Shivaya. Du beginnst mit Worten, dann gehst du über zur mentalen Wiederholung. Die geistige  Wiederholung ist kraftvoller als die gesprochene. Schließlich hört sogar die geistige Wiederholung auf und du betrittst die telepathische Ebene, wo Klang und Name  verschmelzen. Dann transzendierst du das und kommst zum unsicht baren Energiezustand, wo du eins wirst mit der Form, über die du meditierst. Du und Shiva oder du und Krishna, ihr werdet ein und dasselbe. Es gibt in diesem Stadium keine Unterscheidung mehr, der Meditierende und die meditierte Form werden eins. Du wirst das Objekt der Meditation, genauso wie dein Geist die Form der Orange annimmt, um die Orange zu sehen, so wirst du Krishna, um Krishna zu sehen oder du wirst Shiva. Aber es gibt keine verschiedenen Gottheiten, Shiva unterscheidet sich nicht von Krishna, auch ist Krishna nicht verschieden von Rama oder Rama anders als Devi. Sie sind alle eins. Abhängig von deiner Beziehung dazu oder deinem Charakter ist eins davon nur einfacher zu erreichen und einfacher, um darüber zu
meditieren.

Wiederhole dein Mantra nach deiner Einweihung. Lass es nicht einfach fallen.  Meditiere regelmäßig. Hat das jeder verstanden?

Swamiji gab jedem eine Mantraeinweihung, der ihn darum bat. Es gibt keine Aufzeichnungen darüber, wie viele Menschen er persönlich eingeweiht hat, aber es müssen Tausende sein. Er glaubte, dass Mantra einweihung der notwendige erste Schritt zur Gottesverwirklichung war und er war stets gewillt, jedem zu helfen, der diesen ersten Schritt gehen wollte. Zusammen mit der Mantraeinweihung gab er auch einen spirituellen Namen, wenn man wollte. Dieser Name war der Name einer Hindugottheit, ein Aspekt Gottes, der normalerweise in Bezug zu deinem Mantra stand. Es war ein Ideal, auf das man sich hin entwickeln sollte. Wenn dein Name
ein Name Gottes war, kamst du Gott einfach näher. Jedesmal, wenn du jemanden in der Gemeinschaft mit diesem spirituellen Namen ansprachst, sprachst du zu Gott. Auf diese Weise ermutigte Swamiji uns, Gott in uns und jedem anderen zu sehen. Mantraeinweihung hatte auf viele Menschen einen tiefen Effekt. Es war ein symbolischer Übergang von einem Leben zum anderen, von einem weltlichen zu einem spirituellen Leben.

*Schüler:

Es war im März 1978 im Yogaretreat in Nassau. Unsere Yogalehrer-Ausbildung ging zu Ende und es wurde angekündigt, dass Swamiji für interessierte Schüler Mantraeinweihung geben würde. Ich beschloss, mich nicht daran zu beteiligen, da ich im Laufe des Monats gelernt hatte, dass im direkten Kontakt mit Swamiji die Ereignisse oft eine andere Wendung nahmen, als ich vorher angenommen hatte. Der Kurs hatte mir bereits eine ungeheure Menge zum Grübeln gegeben und ich fühlte mich nicht bereit, noch tiefer zu gehen.

Die Mantraeinweihung kam und ging vorüber und dann kam der Nachmittag, an dem Swamiji nach Indien abreisen wollte. Wir hatten ein wenig freie Zeit. Ich hatte beschlossen, ein wenig zu lesen und mich zu sonnen und setzte mich in Badekleidung und Shorts auf die Terrasse, gegen die untere Wand des Tempels gelehnt.

Einige ganz in weiß gekleidete Personen, die Früchte und Blumen trugen, kamen herein und setzten sich im Tempel hinter mich auf den Boden. Einige Minuten später kam Swamiji herein und fing an zu beten. Ich vermutete, dass diese Zeremonie etwas mit seiner Abreise zu tun hatte und fragte einen der Mitarbeiter, der gerade vorbeikam, was es bedeutete. Er erklärte mir, dass Swamiji noch einmal Mantraeinweihung gab und zwar für die Schüler, die das erste Mal nicht dabei sein konnten oder sich erst später dazu entschlossen hatten. Swamiji würde sofort danach zum Flughafen fahren, in 20 Minuten. Ich dachte, „Gut. Nun kann ich es selbst sehen und dann entscheiden, ob ich es später selbst machen möchte.“

Also drehte ich mich um und schaute über die Wand, um Swamijis Gebete zu hören. Dann kamen die ersten beiden Aspiranten nach vorne und setzten sich direkt zu seinen Füßen. Er begann mit der Wiederholung der ausgewählten Mantras, Om Namah Shivaya. Mein Geist war von der ersten Sekunde an davon erfasst. Mein Atem ging im Rhythmus mit und es schien, als ob ich es gleichzeitig innerhalb und
außerhalb meines Kopfes hören würde, in einer sehr kraftvollen und konkreten Weise. Obwohl ich während des ganzen Kurses in meiner Meditation OM benutzt und mir kein Mantra ausgesucht hatte, dachte ich nun, „O.k., das muss mein Mantra sein.“

Und dann, eine Sekunde später, „Und das muss meine Mantra einweihung sein!“

Obwohl Swamiji weiterhin verschiedene Schüler in verschiedene andere Mantras einweihte, hörte ich fortwährend immer nur Om Namah Shivaya. Bevor ich realisierte, dass alles vorüber war, stand Swamiji plötzlich auf und verließ den Tempel durch eine hölzerne Tür, die nur einige Zentimeter von der Stelle entfernt war, wo ich in meiner Badehose, an die Wand gelehnt, saß. Er hielt eine Sekunde inne, sah mich direkt an und lächelte. Ich muss völlig verblüfft ausgesehen haben.

5 Minuten später kam eine große Menschenmenge auf die Terrasse, um Swamiji zu verabschieden. Ich ging zu meinem Zelt zurück, machte den Reißverschluß bis oben hin zu und saß einfach nur da.


Medalasa

Ottawa, Ontario, Canada

In den frühen 1980er Jahren hatte ich in Century City in Kalifornien meine eigene Rechtsanwaltspraxis, welche auf Betriebsrecht spezialisiert war. Der Stress und die Frustration begannen mich langsam um zubringen, ich wurde ein nervöses Wrack. Mir war klar, dass ich etwas tun musste.

Nach dem Rat von Freunden und Bekannten begann ich im Sivananda Yogazentrum auf dem Sunset Boulevard mit Hatha Yoga. Es ging mir sofort besser und ich wusste, dass ich „nach Hause“ gekommen war.

Kurz nachdem ich begonnen hatte, ins Zentrum zu gehen, wurde Swami Vishnus Besuch angekündigt, bei dem er einen Vortrag halten wollte. Ich beschloss, mir anzuschauen, wie er war und ging zum Vortrag. Nach dem Vortrag wollte Swamiji allen, die gerne bleiben wollten, eine Mantraeinweihung geben. „Warum nicht?“, dachte ich. „Vielleicht eine andere interessante Erfahrung; ganz bestimmt etwas, was sich erheblich von der Juristerei unterscheidet.“

Alle, die nach Swamijis Vortrag blieben, suchten sich ihr Mantra aus und wurden in Gruppen eingeteilt. Swamiji arbeitete mit jeder Gruppe getrennt und übte mit ihnen die exakten Worte der Mantras, bis sie korrekt ausgesprochen wurden, so schien es jedenfalls.

Dann kam die Lakshmi-Gruppe dran, die ich ausgesucht hatte. Wir saßen auf dem Boden in der Mitte des Meditationsraumes um Swamiji herum und wiederholten mit ihm so lange unser Mantra, bis wir es alle richtig konnten. Es war auf einer gewissen Ebene, die ich nicht verstand, total elektrisierend. Es war einschüchternd, in Swamijis Augen zu sehen, auch nur den kleinsten Kontakt mit ihm aufzunehmen. Es gab dort soviel Energie und Kraft. Es war alles so neu und unbekannt. Nachdem jeder in der Gruppe es genau verstanden hatte (oder aussprach oder es fühlte oder was auch immer, wer weiß schon, auf wie vielen Ebenen Swamiji lehrte?), schickte Swamiji uns in eine Ecke, um das Mantra 108x zu wiederholen. Als ich mein neues Mantra wiederholte, wusste ich, dass etwas anders war, aber es war mir unmöglich, es zu benennen.

In dieser Nacht schlief ich nicht eine einzige Minute. Ich schien zu vibrieren (ich meine es wörtlich, es war wie ein Prickeln) mit einer seltsamen, neuen Energie. Es war nicht unheimlich oder beängstigend. Als die Sonne endlich aufging, ging ich zur Arbeit, überhaupt nicht müde oder erschöpft, sondern angefüllt mit etwas Aufregendem, einer Schwingung und einer Energie, die so verschieden von der zermürbenden Energie meiner Rechtspraxis war, dass in mir ein neues völlig unbekanntes Gefühl von Freude und Hoffnung aufstieg. Es war der Anfang einer grundsätzlichen Änderung meines Lebens.

Larry Allman
Los Angeles, California

Swamiji schlug mir vor, ein neues Mantra auszuwählen. Ich erwog eine Anzahl von Mantras, bis schließlich 2 in die nähere Auswahl kamen. Da ich nicht in der Lage war, mich zu entscheiden, ging ich zu Swamiji.

Er stellte mir einige Fragen und weil ich Yogalehrer war, sagte Swamiji mir, welches der beiden ich benutzen sollte und dass er mich dann einweihen wollte.

Zur verabredeten Zeit wurde ich in Swamijis Haus in seinen eigenen Meditationsraum geführt. Was für eine Überraschung und welche Ehre! Ich trat ein und überreichte Swamiji die Blumen und die Früche, die ich mitgebracht hatte. Er sagte, ich solle sie nicht ihm sondern Gott und Swami Sivananda darbringen. Ich war beeindruckt von diesem Unterschied zwischen Swamiji, der nichts wollte, nicht einmal die symbolischen Früchte und Blumen, und meinem ersten spirituellen Lehrer, der 350$ für die Mantraeinweihung kassiert hatte.

Ich stellte die Gaben auf den Altar und setzte mich Swamiji gegenüber. Was dann passierte, ist wahrhaftig nicht zu beschreiben. Mein Körper löste sich auf. Mein Geist schien sich unendlich auszuweiten. Mein Bewusstsein veränderte sich und anstatt Formen und Farben wahrzunehmen, wurde ich mir reiner Erkenntnis bewusst. Es war kein angesammeltes Wissen wie im täglichen Leben. Es war einfach da und enthüllte sich mir ganz und strahlend.

Einem zufälligen Beobachter würde das Ganze so erscheinen, als würde Swamiji einfach das Mantra rezitieren und mich dann bitten, es zu wiederholen, erst mit ihm und dann allein. Das passierte zwar, aber was eigentlich geschah, war, dass Swamiji meinen Geist und meine Energie mit einer Kraft emporhob, formte und sie zur höchstmöglichen Ebene führte. Ich wurde in die volle Kraft des Mantras eingeführt, versank darin und verankerte sie in meiner Psyche. Das war eine wahre transzendentale Erfahrung und zwar eine, nach der ich gesucht hatte.

Dann ließ Swamiji diese Kraft los und meine Vision begann zu verblassen, weil ich nicht die Fähigkeit hatte, dieses Reich der reinen Wahrheit aufrecht zu erhalten. Ich fühlte einen Stich des Bedauerns, dass diese Erfahrung wieder verschwand und einen Moment lang dachte ich, ich würde alles verlieren. Dann erkannte ich, dass ich nichts verloren hatte. Swamiji hatte die Kraft des Mantras in mir aktiviert. Meine Aufgabe war es, das Mantra oft genug zu wiederholen, so dass mein Geist in diesen Zustand zurückkehren konnte, um mir die Kraft des Mantras direkt zugänglich zu
machen, dieses Mal durch meine eigenen Bemühungen.

Swamiji hatte mich in die Kraft und das Geheimnis des Mantras eingeweiht. Er gab mir das Werkzeug und das Zutrauen, diese Kraft und dieses Geheimnis direkt zu erleben. Er gab mir auch Vertrauen. Durch diese Einweihung hatte mir Swamiji die eigentliche Wahrheit der Vedantalehre gezeigt. Alle Zweifel waren ausgeräumt.

Shankara Ottawa,

ON, Canada

In einem Sommer im Yogacamp in Val Morin entschloss ich mich, Swami Vishnu über ein Mantra zu befragen, das ich benutzte. Einige Jahre zuvor hatte ich einen anderen guru, aber ich hatte mit ihm gebrochen. Obwohl ich mittlerweile ganz mit Swamiji und der Sivananda Yoga-Gemeinschaft verbunden war, benutzte ich immer noch das Mantra, das mir mein erster Lehrer gegeben hatte.

Morgen würde Swami Vishnu 50 Jahre alt werden. Ein großes Fest und Dinner waren geplant. Heute wollte er Mantras vergeben und ich sollte meins bekommen. Wir standen schlotternd in einer langen Schlange, knietief im Schnee. Wir hatten seit dem Vortag gefastet. Ich war hungrig, mir war kalt und ich war nörgelig. Die meisten hielten Früchte in den Händen, Geschenke für Swamiji, aber ich hatte nur eine kleine Plastiktüte mit klumpigen Keksen, die meine Kinder gebacken hatten. Ich wollte ihm ein bedeutungsvolles Geschenk geben, ein Geschenk, das von Herzen kam. Und ich vermisste meine Kinder. Phil, mein Lebenspartner und Yogalehrer, stand mit mir in der Schlange.

Er erzählte mir, wie wunderbar es sein würde, wenn ich mein Mantra bekäme und dass etwas Magisches geschehen würde. Wie erhaben ich mich fühlen würde, wie glücklich. Ich war immer zur Hälfte Zynikerin und zur Hälfte Gläubige gewesen. Eine Hälfte von mir glaubte, dass dieser ganze Mantrakram lächerlich war. Die andere Hälfte war aufgeregt, hoffnungsvoll und ein bisschen ängstlich. Phil zeigte mir eine Liste von Mantras in einer Yogabroschüre. Es gab ein bestimmtes Mantra, das mich anzog, aber Phil meinte, ein anderes sei besser. Ich wusste nicht, welches ich wählen sollte. Die Schlange wurde kleiner und kleiner und ich konnte mich einfach nicht entscheiden.

Dann war ich alleine mit Swamiji. Er fragte mich, für welches Mantra ich mich entschieden hätte. Ich sagte es ihm. Er gab mir ein Zeichen mich hinzuknien. Er wiederholte das Mantra, legte seine Hände auf meinen Kopf und das Mantra wurde lebendig, setzte sich in mein Herz und begann, sich selbst zu wiederholen. Der Klang machte mich ganz krank. Ich drückte ihm die Kekse in die Hand und schwankte aus dem Raum, mir war übel und schwindlig. „Wie war es?“, fragte Phil und lächelte sein weites, einladendes Lächeln. Ich konnte noch nicht einmal antworten.

An diesem Abend konnte ich nichts essen. Ich konnte nicht mit Phil die Nacht verbringen. Die ganze Nacht kauerte ich im Badezimmer, ich schluchzte und musste mich übergeben. Das Mantra war wie eine Krankheit, wie eine ungewollte  Schwangerschaft. Es hatte sich in meiner Brust festgesetzt, ein fetter, schwarzer Klumpen in meinem Herzen und es hörte nicht auf, sich selbst zu wiederholen.

Der Morgen kam, der Silvestertag und dann der Zeitpunkt für Swamijis Geburtstagsfest. Der Speisesaal war voll mit Menschen aus der ganzen Welt, die in allen Sprachen dieser Welt lächelten. Wir knieten oder saßen auf Kissen an dem langen Esstisch. Swamiji saß am Kopfende des Tisches und lächelte. Nur ich lächelte nicht. Mir war so schlecht, dass ich kaum atmen konnte. Ich konnte noch nicht einmal mein Essen probieren.

Dann war es so, als würde ich mir selber zuschauen, wie ich aufstand, den Tisch entlang taumelte, über die Arme der Menschen, über ihre Köpfe, ihre Kinder hinweg, „Entschuldigung, Entschuldigung, Entschuldigung…“, bis ich am Kopfende neben Swamiji angelangt war. „Bitte“, flehte ich, „Ich muss Sie sprechen.“ Er sagte mir, ich solle gegen 2 Uhr in sein Häuschen kommen.

Um 2 Uhr war ich dort. Er hatte noch andere Gäste, eine Familie aus Indien, Mutter, Vater und Sohn. Als ich zu Swamijis Tür kam, sagte er zu dem Jungen, sein Name heiße „Unterscheidungsvermögen“ auf Sanskrit und das sei ein sehr bedeutender Name. Er solle über seine Bedeutung nachdenken. Während er sprach, ging Swamiji im Raum herum und reichte von einem kleinen Tablett die Kekse, die meine Kinder gebacken hatten. Die Gäste aßen die Kekse und sagten ihm, wie gut sie seien.

Dann gingen die Gäste und ich war allein mit ihm. „Und?“, fragte er mich. „Es ist das Mantra“, stammelte ich. „Ich habe das falsche Mantra ausgesucht. Bitte, ich brauche ein neues Mantra.“

Swamiji lachte in sich hinein. „Du brauchst kein neues Mantra“, sagte er. „Das Mantra hat kein Problem. Du hast ein Problem. Komm hierher.“ Also kam ich näher und er ließ mich vor sich niederknien. Dann murmelte er einige Worte in Sanskrit und legte seine Hände auf meinen Kopf. Als er das tat, gingen durch meinen Körper kraftvolle Wellen, durch mein ganzes Sein. Als ich aufstand, war mir schwindlig vor Glück.

Eigentlich hatte sich nichts verändert. Das Mantra war noch da, stärker als jemals zuvor. Es wiederholte und wiederholte sich in meinem Herzen, aber anstatt wie ein Parasit fühlte es sich warm an, wie Liebe, die in mir pulsierte. Später traf ich Phil auf dem Weg zum Krishnatempel und schenkte ihm ein breites Lächeln. „Siehst Du?“, sagte er zu mir.

Das Mantra hörte nie auf und verließ mich nie. Heute, 15 Jahre später, fast ein Jahrzehnt, seitdem ich Phil das letzte Mal gesehen habe, 5 Jahre nach dem Tod meines Vaters, 1 Jahr nach dem Auszug meines jüngsten Kindes, 6 Monate nach Swamijis Tod, ist es das Einzige, worauf ich mich verlassen kann.

Joan Dobbie
Eugene, Oregon

Ich erhielt meine Mantraeinweihung 1978 auf der Yogaranch in Wood bourne. Ich kann immer noch die Berührung seines Fingers auf meiner Stirn fühlen.

Charlene Gordon
Victoria, British Columbia