Swami Krishnananda:

Antwort auf deine Fragen

Kapitel 46

Das Selbst im Zustand des Tiefschlafes

Dawn: Swamiji, wie kann ich das Selbst durch meine Meditation erkennen?

Swamiji: Du meditierst, um das Selbst zu erkennen. Was ist nun das Selbst? Man kann sagen, daß Du vor mir sitzt und zu mir sprichst; dies ist das Selbst und doch ist es nicht das SELBST. Der physikalische Körper kann nicht als das wirkliche SELBST betrachtet werden, denn man existiert selbst im tiefen Schlaf, auch wenn man sich des Körpers nicht bewußt ist. Wenn man also ohne Körperbewußtsein existieren kann, dann kann man auch ohne Körper existieren, wie die Erfahrung zeigt; was bedeutet, daß man nicht der Körper ist.

Diese Analyse mag jemanden in die Lage versetzen, nicht zu sehr an diesen körperlichen Bequemlichkeiten, physischen Verbindungen, sozialen Verpflichtungen usw. zu hängen. Soziale, politische und physikalische Verpflichtungen sind alle mit dem Körper verbunden; wenn man nicht wirklich der physikalische Körper ist, sondern etwas mehr als das, verliert das Lebensdrama seine Anziehungskraft. Man gehört dann vollständig, - oberhalb und transzendent der physikalischen Welt -, zu einer anderen Welt.

Unter welchen Bedingungen existiert man im Schlafzustand? Man ist geneigt zu sagen, davon nichts zu wissen. Vielleicht, doch woher weiß man, daß man im Schlafzustand nichts weiß? Hier ist ein Widerspruch in der Aussage, denn es ergibt keinen Sinn zu sagen, daß man wüßte, nichts zu wissen. „Ich weiß, daß ich im Schlafzustand nichts wußte,“ ist ein Satz, der keinen Sinn macht, und dennoch benutzen wir diese Aussage immer wieder. Dies bedeutet, daß man ein Bewußtsein hatte, das durch irgendeinen eigentümlichen Schleier verdeckt wurde.

Du möchtest wissen, woraus der Schleier besteht, warum er so störend ist und die Sicht versperrt. Dieser Schleier wurde aus Wünschen erschaffen. Jeder Mensch hat Wünsche. Erfüllte Wünsche erzeugen Eindrücke und verhalten sich wie Wolken vor dem Bewußtsein. Unerfüllte Wünsche verhalten sich noch schlimmer. Wenn Du etwas über Psychologie kennst, wirst Du wissen, daß der Verstand verschiedene Schichten hat - die bewußte, die unterbewußte und die unbewußte Ebene, usw.. Die unbewußte Ebene ist eine Art Gefühlsebene. Dies sind alles Formen, die durch unerfüllte Wünsche angenommen werden. Sie sind verantwortlich dafür, daß man sich nicht wirklich der eigenen Existenz im Tiefschlaf bewußt ist, und erst danach folgert, daß man geschlafen hat, obgleich man nicht wußte, was rings herum geschah.

Anhand dieser Analyse konzentriert man sich nun auf das Bewußtsein des eigenen Seins, ohne den Körper einzubeziehen. Man konzentriert sich tief auf die Idee, selbst Bewußtsein und weder der Körper, noch mit dem Körper verbunden, - sondern ausschließlich reines Bewußtsein, Intelligenz, strahlendes Licht zu sein.

Bewußtsein kann nirgendwo begrenzt werden, denn, wenn Bewußtsein begrenzt wäre, müßte man sich der Begrenzung bewußt sein. Um sich seiner Begrenzung bewußt zu sein, muß ES sich über seine Begrenzung hinaus ausdehnen, da ES ansonsten nicht wissen kann, daß es begrenzt ist. Diese zweite Schlußfolgerung zeigt nun, daß das Bewußtsein unbegrenzt ist. Es ist eine erstaunliche Schlußfolgerung, zu der man hier kommt, nämlich, daß das eigene wesenhafte SELBST all-durchdringend ist, und daß man kein gewöhnlicher Mensch ist.

Natürlich ist dies nur eine kurze Einführung zu einem großen Thema; denke für die Dauer, die Du hier bist, stets daran, daß Du Bewußtsein bist, das alle Dinge durchdringt, das Universal ist in seiner Natur, und daß Du nicht dieser sterbliche Körper bist. Mach es Dir immer wieder klar, daß Du das unsterbliche SELBST und unsterbliches Bewußtsein bist. Dann wirst Du herausfinden, daß Du aufgrund der Tatsache, Universales Bewußtsein zu sein, mit allem verbunden und von nichts ausgeschlossen bist. Alle Wünsche werden versinken und bessere Dinge, die Du selbst erkennen wirst, werden sich einstellen.

Dawn: Aber Swamiji, ich habe Probleme mit der Konzentration. Meine Gedanken wandern immer umher.

Swamiji: Dann mußt Du eine Formel singen - irgendeine Formel, die Dir gefällt. In Indien singen die Menschen Formeln, die Mantra genannt werden. Wer kein Mantra hat, kann irgend etwas singen, zu dem er bestimmte Beziehungen hat. In der Christlichen Theologie benutzt man den Namen Jesus. Man singt ihn laut, so daß man sich konzentrieren kann. In Indien singt man Rama, Krishna oder irgendeinen anderen Gottesnamen, oder man intoniert mehrere Male OM. Am Anfang singt man das Mantra, die Formel oder den Namen Gottes, zu dem man Zuflucht sucht, laut, bis der Verstand den Punkt der Konzentration erreicht; sobald er sich konzentrieren kann, wird das Mantra nicht mehr laut gesungen, sondern leise vor sich hin gemurmelt. Der beste Weg, den Verstand zu kontrollieren, ist das Rezitieren einer Formel - wie OM, oder irgendein anderes Mantra, das man mag, doch es muß vernehmlich sein.

Sollte diese Praxis nicht möglich sein, hefte man seinen Blick auf ein Bild, Statue, Form usw., etwas, das sich außerhalb befindet, das man gern mag und als geeignetes Objekt zur Konzentration empfindet. Nimm ein Bild, schau es an und schließe dann die Augen. Wenn der Verstand umherwandert, öffne wieder die Augen und sieh das Bild erneut an, denn wo die Augen sind, ist auch der Verstand. Wenn man sich nach einiger Zeit erfolgreich auf eine Sache konzentrieren kann, schließt man die Augen und fühlt im Geiste die begriffliche Gegenwart des Objektes. Sobald der Verstand wieder zu wandern beginnt, öffnet man die Augen und schaut auf das Objekt. Dies ist eine andere Methode.

Mantra singen ist eine Methode, und die Konzentration mit offenen Augen auf ein Porträt, Bild oder Symbol ist eine andere Methode. Sollte auch das nicht möglich sein, dann studiere die Schriften oder lies ein spirituelles Buch. Lies es immer wieder, bis der Verstand in jene Gedanken aufgesaugt wird. Wenn nichts funktioniert, dann singe fünfzehn oder zwanzig Minuten lang OM. Dies muß jeden Tag erfolgen, und nach ein bis zwei Monaten wird man feststellen, daß der Verstand sich beugt.