Das Yoga System

Samadhi oder Überbewusstsein

Obwohl die höheren Ebenen der Meditation untrennbar von den als Samapattis oder Samadhis in der Sprache von Patanjali sind, so kann zwischen beiden in dem Sinne unterschieden werden, dass einerseits Dhyana oder Meditation aus dem erwähnten dreifachen Prozess gebildet wird und andererseits in Samadhi der ganze Prozess sich mit dem Objekt vereint, was in gewisser Weise mit dem Fluss verglichen werden kann, der in den Ozean eintritt, wobei sich in seiner Existenz der Fluss auflöst und zum Ozean wird. Hier erzählt Patanjali von einer interessanten Angelegenheit, d.h., dass unter dieser Bedingung der Wahrnehmende, das Objekt und das Medium oder der Prozess der Wahrnehmung parallel und gleichrangig verlaufen, so als würden drei Seen oder die Inhalte dreier Wasserbehälter zu einem Gewässer, in dem alle drei Qualitäten gleichermaßen vorhanden sind. Die Drei wurden zu Einem, und niemand weiß, wer Subjekt, Objekt oder Prozess ist.

Die Meditation führt zu einem Ziel, das als Samapattis bekannt ist. Bei dem ausgewählten Objekt kann es sich um etwas Bestimmtes oder Unbestimmtes, etwas Begriffliches oder Unbegreifbares handeln, da das letzte Ziel in einer Auflösung des Bewusstseins in das kosmische Selbst, das aus den fünf großen Elementen oder Mahabhutas besteht, d.h. Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther.

Patanjali spricht bei diesen Zuständen von den Vitarka-, Vichara-, Ananda- und Asmita-Zuständen, die wiederum in die bekannten Ebenen Savitarka, Nirvitarka, Savichara, Nirvichara, Sananda und Sasmita unterteilt sind. Diese Samapattis sind abgestufte Ebenen des meditierenden Bewusstseins mit den kosmologischen Kategorien, wie sie in der Samkhya-Philosophie erwähnt werden. Die untersten Formen der Offenbarung der Prakriti sind die fünf erwähnten Elemente, die in ihrer grobstofflichen Form in jede kleinere Form der Welt eintreten und die vielen mit den Sinnen wahrnehmbaren Objekte bilden.

atanjali hat ein besonderes Rezept, um auf ein Objekt in seiner reinen Form zu kontemplieren, wobei dieses Objekt frei von seinen Verstrickungen, wie bei der Sinneswahrnehmung, ist. Wenn wir von einem Objekt sprechen, denken wir an ein bestimmtes Muster einer Idee oder eine beschriebene Charakteristik, die mit einem Ding einhergeht, das nicht bekannt ist, ausgenommen als umschriebene Idee oder als die Form, wie wir sie wahrnehmen. Hier werden wir an eine Formulierung des deutschen Philosophen Emanuel Kant erinnert, der die Möglichkeit ausgeschlossen hatte, dass ein Ding-in-sich-selbst, neben Raum und Zeit, erkannt werden kann, was er als die Kategorien des Verstehens, wie Quantität, Qualität, Beziehung und Modalität, bezeichnete. Dieses ist vielleicht der Grund, warum wir uns des Kerns nicht gewahr werden, wobei wir sogar eine Philosophie der Wirklichkeit entwickeln, denn alles Wissen ist phänomenal und von Raum, Zeit und den Kategorien begrenzt. Kant beharrte darauf, dass diese Vorstellung von Gott, der Freiheit und der Unsterblichkeit, lediglich als regelnde Prinzipien wirken, die im Verstand arbeiten, aber seit Urzeiten nicht zu Objekten des Verstandes geworden sind und werden, da seine Funktionen durch das Phänomen an sich begrenzt sind. Dieser Punkt wird durch indische Philosophen unterstrichen, was sich kritische Philosophen nicht verstellen können, d.h., dass es nicht nur möglich, sondern notwendig ist, dass das Ding-in-sich-selbst nicht nur durch den direkten Kontakt, sondern durch die Verbindung (Einheit) mit ihm, bereits bekannt sein muss, was wirklich Yoga ist. Patanjali bezeichnete die phänomenalen Kategorien als Sabda und Jnana, und das Ding-in-sich-selbst ist Artha. Das Ziel des Yoga ist, das Bewusstsein mit dem Ding-in-sich-selbst zu vereinen, d.h. mit Artha. Obwohl es unter normalen Umständen auf Grund der Einmischung von Raum und Zeit und den logischen Kategorien des Geistes nicht möglich ist, mit den Objekten Kontakt aufzunehmen, gibt es doch einen für die logische Philosophie unbekannten Weg, bei dem das Subjekt und das Objekt Eins werden, nämlich, durch Yoga als vollkommene Erfahrung.

In der Savitarka Samapatti wird auf das hinter dem Objekt oder Artha stehende Sabda und Jnana, seinen Namen und seine Idee, kontempliert. Doch dieses ist eine andere Art von Bewusstsein, das sich von der normalen Wahrnehmung der Dinge unterscheidet, denn, in einem Samapatti findet eine Auflösung des Bewusstseins in dem kontemplierten Objekt statt, und dessen Form ist nicht mehr länger als ein äußeres Objekt, das durch die Aktivität der Sinne, selbst in diesem Zustand der dreifachen Verstrickung, wahrnehmbar ist. In einer höheren Stufe, die als Nirvitarka Samapatti bekannt ist, ist die physische Form des Objektes, unabhängig von Sabda und Jnana, das Objekt der Auflösung. An dieser Stelle kann das ganze physikalische Universum der fünf Elemente oder jedes andere Objekt zur Meditation ausgewählt werden. In der kosmologischen Aufzählung der Kategorien der Samkhya, befinden sich die höher als die fünf physischen Elemente entwickelten Tanmatras oder feineren Potenziale dieser Elemente, die als Sabda, Sparsa, Rupa, Rasa und Gandha bekannt sind, und was so viel wie Klang, Berührung, Form, Geschmack und Geruch bedeutet, als Objekte der Erfahrung. Wenn diese Tanmatras zum Objekt der Meditation werden, oder mehr noch zu einem Aufgehen darin führen, wie man es sich unter den Bedingungen von Raum und Zeit vorgestellt hat, so wird dieses Ziel als Savichara Samapatti bezeichnet. Wenn dieselben Tanmatras zu Objekten des Aufgehens (Auflösens) werden, unabhängig von Raum und Zeit und darüber hinausgehen, wird diese Erfahrung als Nirvichara Samapatti bezeichnet. Wenn diese Stufe durch einen Yogi erreicht wird, dann erreicht er die vollkommene Meisterschaft über die Elemente und die Mächte der Natur; und diese Vollkommenheit verursacht immense Freude, die nicht durch die Berührung mit irgendwelchen Dingen erreicht werden kann, sondern durch das Erreichen der Freiheit durch die Vereinigung mit dem kosmischen Ahamkara und Mahat, die die Allwissenheit und Allgegenwart des ganzen Universums ist. Diese Freude bedeutet das Erreichen von Sananda Samapatti, wenn die Erfahrung ihren Höhepunkt erreicht, und das ganze Universum als der Eigene Körper und nicht mehr länger als ein Objekt der Wahrnehmung erkannt wird, wenn es kein Universum mehr gibt, sondern ein reines kosmisches Erfahrungs-Ganzes, in dem das kosmische Subjekt mit dem kosmischen Objekt eine Einheit bildet. Dann herrscht eine Verwirklichung des Absoluten ‚Ich‘ vor. Diese universale Selbsterfahrung ist als Sasmita Samapatti bekannt.

All die zuvor erwähnten sechs Stufen von Samapatti sind unter dem Begriff Sabija Samadhi oder als die Vereinigung mit dem Überrest eines Saatkorns des Selbstbewusstseins bekannt, obgleich es von universaler Natur ist. Wenn man selbst dieses Selbstbewusstsein übersteigt und nur das Absolute in der Erfahrung vorherrscht, dann nennt man es Nirbija Samadhi oder das saatlose Ziel der Absoluten Unabhängigkeit. Das höchste erfahrbare Ziel ist Kaivalya Moksha oder die Absolute Freiheit in der Absoluten Wirklichkeit.