ShivaOh Shiva,
Herr der Pasus oder Jivas,
Oh blaukehliger Gott,
Du bist der Zerstörer von Dakshas Opfer,
Du bist der Geliebte von Uma,
Du bist der Gott mit den fünf Gesichtern,
Du trägst den Dreizack,
Du hast das Gift der Welt geschluckt!
Ich werfe mich demütig zu Deinen Füßen
Durch Deine Gnade erkenne ich
die Einheit mit Dir,
Sivoham, Sivah Kevaloham.
Chidanandarupah Sivoham,

 

SHIVA stellt den zerstörenden Aspekt von Brahmandar. Jener Teil von Brahman, der
umhüllt ist von Tamo-Guna-Pradhana-Maya, ist Shiva, der alles durchdringende Ishvara, der auf dem Berg Kailash wohnt. Er ist  Bhandar, der Speicher von Weisheit.
Shiva ohne Parvati, Kali oder Durga ist reiner Nirguna Brahman (das nichtmanifeste Absolute). Zusammen mit Maya (Parvati) wird Er zu Saguna Brahman (mit Eigenschaften) für die fromme Hingabe Seiner Verehrer. Anhänger Ramas müssen auch Shiva verehren. Rama selbst verehrte Shiva in der berühmten Rameswaram. Shiva ist der Gott der Asketen und der Gott der Yogis, eingehüllt im Weltenraum (Digambara).
In Wirklichkeit ist Shiva der Erneuerer und nicht der Zerstörer. Wann immer der
physische Körper für seine weitere Entwicklung in diesem Leben, ob durch
Krankheit, hohes Alter oder aus anderen Gründen, untauglich wird, ersetzt
Shiva diese verdorbene körperliche Hülle und gibt einen neuen, gesunden,
kraftvollen Körper für die schnelle Weiterentwicklung. Er möchte alle seine
Kinder schnell zu Seinen Lotusfüßen bringen. Er wünscht ihnen Seinen herr -
li chen Shiva-Pada zu geben. Es ist einfacher, Shiva zufrieden zu stellen als Hari
(Vishnu). Ein wenig Prem (Liebe) und Hingabe, ein wenig Singen seines Mantras
(Pancha kshari) sind genug, um Shiva Freude zu bereiten. Sehr bereitwillig gibt
er seinen Anhängern den Segen.
Shiva ist der Gott der Liebe. Seine Gnade ist unendlich. Er ist der Retter und
Guru. Er ist derjenige, welcher die Seelen aus der materiellen Knechtschaft des
Lebens befreit. Aufgrund Seiner großen Liebe zur Menschheit nimmt Er dieGestalt des Gurus an. Sein Wunsch ist es, dass alle Ihn kennen sollten und Sein geweihtes Shiva-Pada (den Segen seiner Füße) erhalten. Er kennt die Aktivitäten der einzelnen Seelen und hilft ihnen, auf ihrem weiteren Weg voranzukommen. Shiva ist eine Verkörperung der Weisheit. Er ist das Licht der Lichter. Er ist Parama Jyoti, das höchste Licht. Er ist aus sich selbst leuchtend (Swayam Jyoti). Der Tanz Shivas repräsentiert den Rhythmus und die Bewegung des Weltengeistes. Bei seinem Tanz erzittern und verschwinden die negativen Kräfte und die Dunkelheit. Der Name Shiva bedeutet das, was immerwährend oder glückverheißend ist(Parama-Mangala). Om und Shiva sind ein und dasselbe. In der Mandukya Upanishad heißt es: Shantam Shivam Advaitam (Friede und Shiva sind eins). Jeder kann über den Namen Shivas meditieren. Shiva ist die höchste Realität. Er ist ewig, formlos, unabhängig, allgegenwärtig, eines ohne ein zweites, ohne Anfang, ohne Ursache, makellos, aus sich selbst heraus existierend, immer frei, immer rein. Er ist nicht durch Zeit begrenzt. Er ist endlose Freude und endlose Intelligenz.

 

Shiva und Vishnu sind identisch

Shiva und Vishnu sind ein und dasselbe Wesen. Sie sind im Wesentlichen ein und dasselbe. Sie sind Namen, die den verschiedenen Aspekten der alldurchdringenden Höchsten Seele oder dem Absoluten gegeben wurden.
Shivasya Hridayam Vishnur Vishnoscha Hridayam Shiva: Vishnu ist das Herz Shivas und genauso ist Shiva das Herz Vishnus.
Die konfessionsgebundene Verehrung ist neueren Ursprungs. Die Shiva Siddha nta (Schrift) von Kantacharya ist erst 500 Jahre alt. Die Vaishnava-Kulte von Madhva und Sri Ramanuja sind nur 600 bzw. 700 Jahre alt. Davor gab es keine konfessions gebundene Verehrung.
Brahma verkörpert den erschaffenden Aspekt, Vishnu den erhaltenden und
Shiva den zerstörenden Aspekt von Paramatma (dem Höchsten Selbst). Das ist
zu ver gleichen mit unterschiedlicher Kleidung, die man zu diversen Anlässen
trägt. Ein Richter trägt bei der Ausübung seines Berufes eine bestimmte Kleidung.
Ist er zu hause, trägt er ein anderes Kleidungsstück. Wenn man in einem Tempel betet, trägt man wiederum ein anderes Kleidungsstück. Man präsentiert sich unter schiedlich zu diversen Anlässen. Genauso wird Gott in Seiner Eigenschaft als Erschaffer und in Verbindung mit Raja Guna (der Qualität der Aktivität) Brahma genannt. Er erhält die Welt, wenn Er in Verbindung mit Sattwa Guna (Qualität der Reinheit) kommt und wird dann Vishnu genannt. Er zerstört die Welt, wenn Er mit Tamo Guna (Qualität der Dunkelheit) in Verbindung kommt.
Dann nennt man Ihn Shiva oder Rudra.
Brahma, Vishnu und Shiva entsprechen den drei Avasthas oder Bewusstseins -
zuständen. Im Wachzustand dominiert Sattwa, während des Traumzustandes
dominiert Rajas und im Tiefschlaf dominiert Tamas. Dementsprechend sind also
Vishnu, Brahma und Shiva die Formen (Murtis) der Jagat, Svapna und Sushupti-
Bewusstseinszustände (Wach, Traum, Tiefschlaf). Turiya, der vierte Bewusstseinszustand ist Para Brahman (das Höchste Selbst). Der Turiya-Zustand liegt neben dem Tiefschlafzustand. Durch die Verehrung Shivas erlangt man schnell diesen vierten Bewusstseinszustand.
Die Vishnu Purana glorifiziert Vishnu und weist Shiva eine niedrigere Stellung zu.

Die Shiva Purana wiederum glorifiziert Shiva und gibt Vishnu einen niedrigeren
Status. Die Devi Bhagavatam glorifiziert Devi und gibt Brahma, Vishnu und Shiva
eine niedrigere Stellung. Dies geschieht nur, um in den Herzen der Verehrer Hingabe zu erwecken und zu intensivieren. In Wirklichkeit hat keine Gottheit eine höhere Stellung als eine andere. Man muss das Herz des jeweiligen Verfassers verstehen.

Es gibt keinen Unterschied zwischen der Trinität von Brahma, Rudra und Vishnu.
Die Arbeit der drei Gottheiten wird gemeinschaftlich vollbracht. Sie alle haben
eine Sichtweise und eine bestimmte Aufgabe, nämlich das sichtbare Universum
von Namen und Formen zu erschaffen, zu erhalten und zu zerstören. Die Shiva
Purana sagt: „Derjenige, der die drei Gottheiten als gesondert und unterschiedlich bezeichnet, ist zweifellos ein Teufel bzw. teuflischer Geist.“

Shivas Gestalt und seine Bedeutung

Shiva trägt einen Hirsch in Seiner linken oberen Hand. Er hält einen Dreizack in
Seinem unteren rechten Arm. Er hat Feuer, Damaru(Trommel) und Malu(Waffenart).
Als Schmuck trägt Er fünf Schlangen. Er trägt eine Girlande aus Totenköpfen. Mit
seinen Füßen drückt Er den Dämon Muyalaka nieder, einen Zwerg, der eine Kobra hält. Er blickt nach Süden. Panchakshara, Sein fünfsilbiges Mantra, ist sein Körper.
Sein Dreizack, den Er in der rechten Hand hält, repräsentiert die drei Gunas –
Sattwa, Rajas und Tamas. Das ist das Emblem der höchsten Herrschaft. Er regiert die Welt durch die drei Gunas. Die Trommel (Damaru) in seiner linken Hand repräsentiert Shabda Brahman (den Urklang). Sie repräsentiert OM, den Laut, aus dem alle Sprachen gebildet werden. Er ist es, der die Sanskrit-Sprache aus dem Klang des Damaru gebildet hat.

Der aufsteigende Mond, der auf Seinem Haupt zu sehen ist, zeigt an, dass Er
Seinen Geist vollkommen unter Kontrolle hat. Das Fließen der Ganga repräsentiert den Nektar der Unsterblichkeit. Symbolisch repräsentiert der Elefant Vritti, die Gedankenwelle des Stolzes. Indem Shiva die Haut eines Elefanten trägt, zeigt Er an, dass Er den Stolz unter Kontrolle hat. Der Tiger steht für Lust und das Sitzen auf der Tigerhaut symbolisiert, dass Shiva die Lust besiegt hat. Das Tragen des Hirsches an einer Hand zeigt an, dass Er die stürmischen Gedanken (Chanchalata) zerstört hat.
Der Hirsch springt rasch von einem Platz zum anderen. Der Geist springt ebenso von einer Sache zur anderen. Das Tragen der Schlangen um den Hals bedeutet Weisheit und Ewigkeit. Schlangen leben viele Jahre. Shiva ist Trilochana, der Dreiäugige, in dessen Stirnmitte sich das dritte Auge, das Auge der Weisheit, befindet.
Shiva ist von weißer Hautfarbe. Was ist die Bedeutung der weißen Farbe? Schweigend lehrt er, dass die Menschen ein reines Herz und reine Gedanken haben und frei von Unehrlichkeit, Gerissenheit, Eifersucht, Hass, etc. leben sollten.
Er trägt drei weiße Aschestreifen – Bhasma oder Vibhuti – auf der Stirn. Was ist die Bedeutung davon? Schweigend lehrt er, dass der Mensch die drei Unreinheiten zerstören sollte, nämlich: Anavam (Egoismus), Karma (Handlung mit speziellen Erwartungen) und Maya (Illusion). Die drei Wünsch (Eshanas) nach Hauseigentum, Frauen und Gold sowie die drei Vasanas (Wünsche), Loka-vasana, Deha-vasana und Shastra-vasana. Danach sollten sie Ihn mit reinem Herzen aufsuchen.
Was bedeutet Balipeeta, der Altar, der vor dem Allerheiligsten eines Shiva Tempels steht? Der Mensch sollte Egoismus und Ichdenken (Ahamta und Mamata) zerstören, bevor er vor den Altar Shivas tritt. Das ist die Bedeutung.
Rishabha, der Stier, stellt Dharma Devata dar. Shiva reitet auf einem Stier. Der Stier ist sein Transportmittel. Das zeigt an, dass Shiva der Beschützer von Dharma (natürliche Ordnung) ist. Er verkörpert Dharma und Rechtschaffenheit.
Der Lingam steht für Advaita. Er besagt: „Ich bin einer ohne ein zweites –
Ekamevadvitiyam“, genau wie ein Mensch seine rechte Hand über den Kopf hebt und dabei nur seinen rechten Zeigefinger vorstreckt.

Verehrung des Shiva Lingam

Es ist ein weit verbreiteter Glaube, dass der Shiva Lingam ein Phallus-Symbol
darstellt, das Zeichen der Zeugungskraft oder Prinzip der Natur. Dies ist nicht nur ein schwerwiegender Fehler, sondern grober Unfug. In der spätvedischen Epoche wurde der Lingam zum Symbol für die Zeugungskraft Shivas. Der Lingam ist in Wirklichkeit das Zeichen der Unterscheidung. Er ist sicherlich kein Zeichen für das Geschlecht. In der Linga Purana steht: „Der erste Lingam, welcher ursprünglich und frei von Geruch, Farbe, Geschmack, Hören, Fühlen etc. ist, wird als Prakriti (Natur) bezeichnet.“
Lingam bedeutet auf Sanskrit „Zeichen“. Es ist ein Symbol, das auf einen Rück -
schluss deutet. Wenn ein Fluss Hochwasser führt, zieht man den Rück schluss,
dass es am vorherigen Tag heftig geregnet hat. Sieht man Rauch, folgert man
daraus, dass da ein Feuer ist. Diese unermessliche Welt mit ihren unzähligen
Formen ist ein Lingam des allmächtigen Shiva. Der Shiva Lingam ist das Symbol
für Shiva. Wenn man auf einen Lingam blickt, wird der Geist sofort empor gehoben und man beginnt, an Shiva zu denken.
Shiva ist wirklich formlos. Er hat keine eigene Form und doch sind alle Formen
Seine Form. Alle Formen werden von Shiva durchdrungen. Jede Form ist die
Form bzw. das Linga von Shiva.
Im Lingam ist eine mystische, undefinierbare kosmische Energie (Shakti), die zur
Konzentration des Geistes führt. So wie sich der Geist leicht auf eine Kristallkugel konzentrieren kann, so erreicht er auch Einpünktigkeit, wenn er sich auf den Lingam konzentriert. Deswegen veranlassten die alten Rishis, Seher und Weisen Indiens, dass der Lingam in den Tempelstätten Shivas zu finden ist.
Der Shiva Lingam spricht in der unmissverständlichen Sprache der Stille:
„Ich bin Einer ohne Zweites. Ich bin formlos.“ Nur reine, fromme Seelen
können diese Sprache verstehen. Ein neugieriger Fremder, leidenschaftlich
und unrein, mit wenig Verständnis und Intelligenz sagt sarkastisch: „Oh, die
Hindus beten einen Phallus, ein Sexsymbol an. Sie sind ungebildete Menschen
und haben keine Philosophie.“ Wenn ein Fremder versucht, die Sprache der
Tamilen zu erlernen, nimmt er zuerst vulgäre Worte auf. Das liegt an seiner
neugierigen Natur. Ebenso sucht der neugierige Fremde nach Fehlern in der
Anbetung eines Symbols. Der Lingam ist und bleibt nur das sichtbare äußere
Zeichen des formlosen Shiva, der die unsichtbare, alles durchdringende, ewige,
glückverheißende, immer reine, unsterbliche Essenz dieses großen Universums
ist. Er sitzt als unsterbliche Seele in den Kammern deines Herzens. Er ist
dein innerster Bewohner, dein innerstes Selbst oder Atman und Er ist identisch
mit dem Höchsten Brahman.
Sphatikalinga (aus durchsichtigem Stein) ist ebenfalls ein Symbol für Shiva.
Er ist für Aradhana vorgeschrieben, die Anbetung Shivas. Er besteht aus Quarz
und hat keine eigene Farbe, sondern nimmt die Farben der Substanzen an, mit denen er in Kontakt kommt. Er stellt den Nirguna Brahman bzw. das attributlose
höchste Selbst oder den form- und attributlosen Shiva dar.
Für einen aufrichtigen Verehrer ist der Lingam kein Steinblock. Er ist voll erstrahlendes Feuer – Tejas oder Chaitanya (Bewusstsein). Der Lingam spricht zu ihm, lässt ihn innige Tränen verströmen und lässt sein Herz schmelzen. Der
Lingam erhebt ihn über sein Körperbewusstsein und hilft ihm, mit Shiva zu
kommuni zieren und Nirvikalpa Samadhi zu erreichen.
Rama betete den Shiva Lingam in Rameswar an. Ravana, der gelehrte Schüler,
betete den goldenen Lingam an. Welch große mystische Energie – Shakti – in
solch einem Lingam steckt!

Shiva Abhisheka

In den Shiva-Tempeln hängt ein Gefäß aus Kupfer oder Messing mit einem
Loch in der Mitte über dem Shiva-Bildnis oder dem Shiva-Lingam und Wasser
fließt Tag und Nacht auf das Symbol. Den Lingam mit Wasser, Milch, Ghee,
Yoghurt, Honig, Kokosnusswasser, Panchamrita, etc. zu begießen ist Abhisheka.
Abhisheka wird für Shiva vollzogen. Dabei wird Rudri gesungen. Shiva wird durch Abhisheka besänftigt.
Shiva trank das Gift, das aus dem Ozean strömte. Zur Kühlung trug er den Ganges und den Mond auf seinem Kopf. Er hat das feurige dritte Auge. Ständiges Abhisheka kühlt dieses Auge.
Abhisheka ist Teil einer Shiva Puja. Ohne Abhisheka ist die Verehrung von Shiva
nicht vollständig. Gangeswasser, Milch, Ghee, Rosenwasser, Kokosnusswasser,
Sandelholzpaste, Panchamrita, wohlriechende Öle, Zuckerrübensaft, Zitronensaft werden für Abhisheka verwendet. Nach jedem Abhisheka wird reines Wasser über den Kopf Shivas gegossen.
Das Abhishekawasser wird als sehr heilig angesehen und ist für diejenigen
Verehrer, die es als Prasad von Shiva nehmen, von großem Nutzen. Ähnlich ist
es auch mit anderen Dingen, die für Abhisheka benutzt werden. Das Abhisheka-
Wasser reinigt das Herz und zerstört unendlich viele Sünden. Man muss es mit
intensivem Bhava (Hingabe) und Glauben zu sich nehmen.
Wenn man Abhisheka mit Bhava und Verehrung ausführt, ist der Geist sehr
konzentriert. Das Herz ist mit göttlichen Gedanken und dem Bildnis Shivas
gefüllt. Dabei vergisst man den Körper, seine Reaktionen und die Umgebung.
Egoismus schwindet allmählich. Wenn das Vergessen eintritt, kann man Shivas Freude und ewige Wonne erfahren. Das Wiederholen von Rudri oder Om Namah
Shivaya reinigt den Geist und erfüllt ihn mit Sattwa.
Beim Opfern von Panchamrita, Honig, Milch, etc. für Shiva treten die Gedanken
an den Körper zurück. Selbstsucht schwindet allmählich. Man erfährt eine sehr
tiefe Freude und beginnt, die Opfergaben für Shiva zu vermehren. Selbstverzicht und Ergebenheit verstärken sich und auf natürliche Weise strömt es aus dem Herzen: „Ich bin Dein, mein Gott! Alles ist Dein, mein Gott!“
Ein berühmter Verehrer Shivas, Kannappa Nayanar, von Beruf Jäger, machte Abhisheka mit dem Wasser seines Mundes auf den Lingam in Kalahasti in Südindien und stimmte Shiva günstig. Shiva erfreut sich an aufrichtiger Verehrung. Es ist die geistige Einstellung (Bhava), die zählt und nicht die äußere Zurschaustellung.
Shiva sagte zu einem Tempelpriester: „Das Wasser aus dem Mund meines
geliebten Verehrers Kannappa ist reiner als das Wasser aus dem Ganges.“
In Nordindien nimmt jeder Tempelbesucher etwas Wasser und gießt es über das Bildnis Shivas. Auch das bringt gute Erfolge und die Erfüllung der eigenen
Wünsche. Sehr wirksam ist das Ausführen von Abhisheka zu Shivaratri („Heilige
Nacht Shivas“, besonderer Feiertag).
Wenn man Abhisheka mit Rezitationen von Rudripatha für einen Leidenden oder
Kranken macht, so wird dieser von seinem Leiden bzw. seiner Krankheit befreit.
Unheilbare Krankheiten werden durch Abhisheka geheilt. Abhisheka verhilft zu
Gesundheit, Reichtum, Wohlstand, Nachkommenschaft etc. Abhisheka an einem
Montag ist besonders günstig.
Wenn man um Regen bittet, sollte Abhisheka mit reinem Wasser ausgeführt werden.
Um von Krankheiten geheilt zu werden oder um einen Sohn zu erhalten,
sollte Abhisheka mit Milch gemacht werden. Wenn Abhisheka mit Milch gemacht
wird, bekommt sogar eine unfruchtbare Frau Kinder. Auch bekommt diese Person
viele Kühe. Wird Abhisheka mit Kusawasser praktiziert, wird man von
sämtlichen Leiden befreit. Wer Wohlstand erlangen möchte, sollte Abhisheka mit
Ghee, Honig oder Zuckerrübensaft ausführen. Wer Befreiung (Moksha) erlangen
möchte, sollte Abhisheka mit geweihtem Wasser durchführen.
Das größte und höchste Abhisheka ist jedoch, wenn der Atma Linga (das Selbst), der im Lotus des Herzens sitzt, mit dem Wasser der reinen Liebe übergossen wird.
Das mit unterschiedlichen Materialien äußerlich ausgeführte Abhisheka hilft, die
Verehrung und Anbetung Shivas zu intensivieren, um dann schließlich zum innerlichen Abhisheka mit einem reinen stetigen Strom der Liebe zu führen.

Die Herrlichkeit der Hymnen zur Lobpreisung Shivas

Ravana besänftigte Shiva durch das Singen Seiner Hymnen. Pushpadanta erfreute Shiva durch sein feierliches Stotrasingen, der Shiva Mahimna Stotra, welche heute noch von Shiva-Verehrern in Indien gesungen wird. Dadurch erlangte er alle Aisvarya Siddhis (übernatürliche Kräfte) sowie Mukti (Befreiung). Die Herrlichkeit der Shiva-Stotras ist unbeschreiblich.
Durch ständiges Rezitieren der Shiva-Stotras und des Namens Shivas wird der Geist gereinigt. Die Stotras sind mit reinen und guten Gedanken gefüllt. Das Rezitieren der Shiva Hymnen stärkt die guten Samskaras. Was der Mensch glaubt, das wird er.
Dies ist ein psychologisches Gesetz. Der Geist eines Menschen, der sich selbst
trainiert, Gutes zu denken, heilige Gedanken hegt, entwickelt die Tendenz, gute
Gedanken zu haben. Sein Charakter wird durch ständige gute Gedanken geformt und transformiert. Denkt der Geist während der Rezitation an die Gestalt des Gottes, nimmt die Geistsubstanz tatsächlich das Bildnis der Gottheit an. Der Eindruck des Objektes verweilt im Geist. Das wird Samskara genannt. Wird dieses Ritual oft wiederholt, werden diese Samskaras durch die Wiederholung gestärkt und somit eine Tendenz bzw. Gewohnheit im Geist geschaffen. Wer stets gött liche Gedanken hegt, wird durch dieses ständige Denken an das Göttliche tatsächlich selbst zum Göttlichen transformiert. Sein Bhava und sein Charakter werden gereinigtund vergöttlicht. Singt jemand die Hymnen über Shiva, so ist er mit Ihm im Einklang. Der individuelle Geist verschmilzt mit dem kosmischen Geist. Wer die Hymnen singt, wird eins mit Shiva.
Jeder sollte die Shivahymnen singen und von ihm Gnade und Erlösung erhalten,
nicht in einer fernen, unbestimmten Zukunft, sondern tatsächlich jetzt in dieser
Sekunde. Shiva kann leicht erfreut und zufriedengestellt werden.

Das Panchakshara Mantra

Panchakshara ist ein Mahamantra („großartiges Mantra“), gebildet aus den fünf
Silben Na-Mah-Si-Va-Ya. Diese Silben bezeichnen die fünf Handlungen (Panchakrityam) des Gött lichen:
Srishti – Schöpfung, Sthiti – Erhaltung, Samhara – Zerstörung, Tirodhana –
Verschlei erung, Anugraha – Segnung, die fünf Elemente und alle Schöpfungen
durch die Kombination der fünf Elemente.
„Namah“ bedeutet Verehrung. „Shivaya Namah“ bedeutet „Verehrung von Shiva“.
Der Jiva (individuelle Seele) ist der Diener Shivas. „Namah“ steht für Jivatma (die individuelle Seele). Shiva repräsentiert das Höchste (Paramatma). Aya bezeichnet Aikyam oder die Gleichheit von Jiva und Paramatma. Daher ist „Shivaya Namah“ ein Maha-Vakya, wie z.B. Tat Tvam Asi – „Das bist Du“, welches auf die Gleichheit
von individueller und Höchster Seele hinweist.
Panchakshara ist das beste Mantra unter den sieben Kernmantras. Es gibt sieben Skandhas im Yajur-Veda. Im Zentrum des mittleren Skandha ist Rudradhyayi mit 1000 Rudramantras. Namah Shivaya, auch Shiva Panchakshara Mantra genannt, erstrahlt im Zentrum dieser 1000 Rudra Mantras.
Yajur-Veda ist der Kopf von Parameshvara (höchster Gott), welcher der Veda Purusha (Seele der Veden) ist. Rudram, der sich in der Mitte befindet, ist das Gesicht. Panchakshara ist sein Auge. Shi-va, in der Mitte von Na-mah-shi-va-ya stehend, ist der Augapfel. Wer Japa mit dem Panchakshara macht, ist befreit vom Zyklus der Wiedergeburt und erlangt ewigen Frieden. Darauf weisen die Veden ausdrücklich hin.
Dieses Panchakshara ist der Körper von Nataraja (Shiva), die Wohnstätte Shivas.
Shiva Namaist die Seele aller Mantras. Japa, das Wiederholen dieses heiligen Namens sowie die Meditation darüber, befreit von allen Sünden und führt zum Erlangen von Shiva Jnanam (der Weisheit Shivas), zu ewiger Wonne und Unsterblichkeit.

Shivas Tanz

Shiva ist der einzige Tänzer. Er ist der Meister und Experte des Tanzes, der König der Tänzer. Er bezwang den Stolz von Kali. Shivas Tanz ist keine einzelne Handlung, sondern eine Abfolge von Handlungen und in jeder Handlung ist ein anderer Tanz.
Der Tanz Shivas dient dem Wohlergehen der Welt. Shiva tanzt, um die Seelen von den Fesseln der Maya zu befreien sowie von den drei Bindungen oder Unrein heiten:
Anava, Karma und Maya. Shiva ist nicht der Zerstörer sondern der Erneuerer. Er
ist der Mangala-data und Ananda-data, derjenige der Glück und Freude verheißt.
Er ist einfacher zu erfreuen als Hari. Für ein wenig Tapas (Askese) oder ein wenig Rezitation seines fünfsilbigen Mantras gewährt Shiva leicht Seinen Segen.
In den aufsteigenden Ozeanwellen, in den Schwingungen des Geistes, den Sinnesbewegungen und den Bewegungen des Pranas, im Rotieren der Planeten und deren Konstellationen, im kosmischen Pralaya (Auflösung des Universums), bei Epidemien infektiöser Krankheiten, bei großen Überschwemmungen und Vulkan ausbrüchen, Erdbeben, Erdrutschen, Blitz und Donner, bei großen Bränden und Zyklonen kann man den Tanz Shivas erleben.
Das ganze kosmische Spiel bzw. die Aktivität oder Lila ist Shivas Tanz. Alle Bewe gung innerhalb des Kosmos ist Sein Tanz. Er blickt auf Prakriti und gibt Ihr
Energie. Geist, Prana und feste Materie beginnen zu tanzen. Dann wird das
Uni versum mit seinen Namen und Formen projiziert. Undifferenzierbare Materie,
Energie und Klang werden differenziert.
In der Nacht von Brahman, also während Pralaya, ist Prakriti untätig, unbeweglich.
Dann ist Guna-Samya Avastha. Die drei Gunas sind im Gleich gewicht. Es kann
nicht getanzt werden, bis Shiva es will. Shiva erhebt sich aus Seiner tiefen Ruhe
und beginnt zu tanzen. Der undifferenzierbare Klang wird differen ziert durch die Bewegung Seiner Damaru (Trommel). Sabda Brahman entsteht. Die undifferenzierte Energie kann nun auch differenziert werden. Das Gleichgewicht der Gunas wird gestört. Es manifestieren sich die drei Gunas, namentlich Sattwa, Rajas und Tamas. Alle Sphären, Atome und Elektronen tanzen rhythmisch in einer bestimmten Art und Weise. Atome tanzen in den Molekülen und diese tanzen in allen Körpern.
Sterne tanzen in Raum und Zeit. Prakriti tanzt zu seiner Ehre, zur Entstehung der göttlichen Kräfte (Vibhuti). Prana beginnt auf Akasha, den Äther, einzuwirken.
Es manifestieren sich verschiedene Formen. Hiranyagarbha, „das goldene Ei“
oder „der kosmische Geist“ manifestieren sich ebenfalls.
Wenn die Zeit reif ist, zerstört das Feuer Shivas alle Namen und Formen während seines Tanzes. Dann ist wieder Stille.
Der beste Tänzer ist Nataraja (Shiva als Tänzer) von Chidambaram(Ort in Südindien mit berühmtem Shiva-Tempel). Er hat vier Hände. Er trägt den Fluss Ganges und den aufsteigenden Mond in Seinen zerfilzten Haaren. Er hält das Damaru in der rechten Hand. Mit der linken zeigt er seinen Verehrern das Abhaya Mudra (gegen Furcht).
Die Bedeutung ist: „Oh Verehrer! Fürchtet Euch nicht. Ich beschütze Euch alle.“ Eine linke Hand hält das Feuer. Die zweite rechte Hand zeigt nach unten auf den dämonischen Zwerg Muyalaka, der die Kobra hält. Der linke Fuß ist anmutig erhoben.
Der Klang Seiner Trommel lädt die Seele ein, zu Seinen Füßen zu verweilen. Er
repräsentiert Omkara. Das ganze Sanskritalphabet ist dem Spiel des Damaru
entsprungen. Die Schöpfung geht aus Damaru hervor. Die Hand, die das Abhaya Mudra zeigt, gewährt Schutz. Zerstörung entspringt dem Feuer. Der angehobene Fuß stellt Maya, die Illusion dar. Die Hand, welche zu Seinen Füßen weist, zeigt an, dass Seine Füße die einzige Zuflucht für die individuellen Seelen sind. Tiruakshi steht für Omkara (Pranava = der Laut OM).
Nataraja tanzt sehr sanft. Wenn Er leidenschaftlich tanzt, versinkt die ganze Welt sofort. Er tanzt mit geschlossenen Augen, weil die Funken aus Seinen Augen das gesamte Universum verschlingen würden. Seine fünf Aktivitäten – Srishti, Sthiti, Samkara, Tirobhava und Anugraha – sind der Tanz Shivas.

Verehrung Shivas

Ein Verehrer Shivas sollte Vibhuti, heilige Asche auf seine Stirn und seinen
Körper auftragen. Er sollte eine Rudrakshamala (Kette aus Rudrakshaperlen)
tragen. Er sollte den Shiva Lingam mit Bilvablättern verehren. Er sollte Japa mit
dem Panchakshara-Mantra „Om Namah Shivaya“ praktizieren und darüber
meditieren. So wird Shiva günstig gestimmt. Die Asche ist sehr heilig. Sie wird
von Shiva selbst getragen. Die Perle einer Rudrakshamala repräsentiert das dritte Auge in der Stirnmitte Shivas. Bilvablätter gelten als einer der fünf Wohnorte Lakshmis, der Göttin des Reichtums und Wohlstands.
Japa mit dem Panchakshara und Meditation über Shiva sollten insbesondere
in der Pradosha Kala, in der Zeit vor Sonnenuntergang praktiziert werden. Am
13. Tag nach Vollmond oder Neumond heißt die Zeit vor Sonnenuntergang
Mahapradosha. Dann besuchen die Devas den Shiva-Tempel zur Verehrung.
Verehrer von Shiva fasten an Mahapradosha-Tagen.
Mache spezielle Pujas an Montagen und Mahapradosha-Tagen. Diese Tage und der Maha Shivaratri-Tag sind sehr heilig für Shiva. Maha Shivaratri bedeutet die
große Nacht, die Shiva gewidmet ist. Maha Shivaratri fällt auf Trayodasi, den
13. Tag der dunklen zwei Wochen des Monats Kumbha (Phalguna). Die wichtigsten Merkmale dieses Anlasses sind striktes Fasten für 24 Stunden und das Wachen in der Nacht. Jeder wahre Verehrer Shivas verbringt die ShivaratriNacht in tiefer Meditation, mit Nachtwache und Fasten.
Shiva ist der Gott der Liebe. Seine Gnade ist grenzenlos. Er ist der Retter und der Guru (spiritueller Leher). Er ist der Geliebte von Uma. Er ist Satyam (wahrhaftig), Shivam (gütig), Subham (schön), Sundaram(strahlend), Kantam(mitfühlend).
Er ist das Höchste Licht, das in deinem Herzen scheint.
Meditiere über Seine Erscheinung. Höre Geschichten über ihn. Wiederhole
Sein Mantra „Om Namah Shivaya“, studiere die Shiva Purana. Verehre Ihn, bete
Ihn täglich an. Erblicke Ihn in allen Namen und Formen. Er wird Dich mit Seinem
Anblick segnen.