Mysterium und Kontolle des Geistes

Auszüge aus dem Buch "Mind - Its Myteries and Control" von Swami Sivananda

4. Kapitel

Die psychischen Stadien

Sitze ruhig an einem einsamen Platz und achte auf die verschiedenen geistigen Erscheinungen, Zustände, Impulse, Gefühle, Empfindungen, Einfälle, Phantasien usw., die sich im Geist ereignen. Es ist höchst interessant, die feinen Zustände der inneren psychischen Welt zu studieren. Im menschlichen Wesen, wie auch in den Tieren, existieren zwei mächtige Instinkte: der Selbsterhaltungs- und der Fortpflanzungstrieb. Hunger ist eine Offenbarung des Selbsterhaltungs-, und Lust eine Offenbarung des Fortpflanzungstriebes. Instinkte und Triebe sind unfreiwillige Handlungszwänge. JIVA, die individuelle Seele, wünscht sich zur Stärkung ihrer selbst Macht, Ruhm und Ehre. Gier führt zu Ausbeutung von etwas für selbstsüchtige Zwecke. Über andere zu herrschen ist JIVA-BHAVANA. Gier und Selbsterhaltungsneigung sind die Basis, auf der sich Industrie, Handel und Geschäftigkeit aufbauen. Es gibt noch einen dritten Instinkt unter dem Namen ‘Herdentrieb’, der Suche nach Gesellschaft. Frauen fühlen sich wohl in der Gesellschaft von Männern und umgekehrt, was dem Fortpflanzungstrieb zugeschrieben werden darf; außerdem gewinnt ein schwacher Mensch in der Gesellschaft von starken Menschen Kraft. Jemand, der Gott in seinem Leben verwirklichen möchte, sollte allein leben. Er wird auf diese Weise eine starke Individualität entwickeln. Es gibt drei Impulsarten: Gedanken-, Sprech- und Handlungsimpulse. MAUNA13 zügelt die Sprechimpulse und Meditation, die Impulse falschen Denkens und Handelns. Die Vorstellungskraft läutet Impulse ein, die mit den Mitteln der Vernunft, des Willens und der Meditation auf Gott kontrolliert werden können.
Gemütsbewegungen sind eine Verbindung aus Gedanken und Wunsch. RAGA und DVESHA8 sind die zwei wichtigsten Gemütsbewegungen, denen alle anderen untergeordnet sind. ‘Wunder’ sind Gemütsbewegungen, die sich aus Bewunderung und Furcht ergeben. ‘Hochachtung’ resultiert aus Ehrfurcht und Achtung. AMARSHA27 ergeben sich aus Ärger und Eifersucht gemeinsam. Der Ärger eines untergeordneten Menschen, der auf jemanden eifersüchtig ist, löst sich in dem Augenblick, wo der übergeordnete Mensch auf eine niedere Stufe gezogen wird, auf.
Viele der körperbezogenen Wünsche und Gemütsempfindungen sind denen von niederen Tieren ähnlich. Wut und Geschlechtstrieb beim Menschen zählen zu den brutalen Instinkten. Vorhandene Gemütsbewegungen im Geist sind ein Zeichen der Schwäche. Sie sollten durch den Intellekt und den Willen beherrscht werden. Wenn man zu sehr von Gefühlen und Impulsen bedrängt wird, sollte man gleichmütig sein und sich fragen: „Wer bin ich? Bin ich dieses Geistorgan? Nein, ich bin ÂTMAN16 . Wie sollten mich all diese Empfindungen berühren? Ich bin frei davon. Ich bin Zeuge dieser Gemütsbewegungen. Nichts kann mich wirklich beunruhigen.“ Diese Jnana-Methode zur Kontrolle der Gefühle ist einfacher als die Yoga-Methode, mit der man das Gemütsleben zu vertreiben versucht und schwer mit dem Geist ringt.
Gefühle und Empfindungen sind trügerisch. Sie sind die Schöpfung des Geistes und haben in ÂTMAN16 keinen Bestand . Stimmungen und Launen sind ein wechselnder Geisteszustand. Menschen mit negativen Stimmungen wie Ärger, Wut, Depression, Hass und Zorn verletzen damit andere. Sie verursachen damit große Schäden in der Gedankenwelt, wohingegen Menschen mit glücklicher und heiterer Stimmungslage ein Segen für die Gesellschaft sind. Im Zustand von Sorgen, Depression, Hass oder Eifersucht sollte sich niemand in der Öffentlichkeit zeigen und unter die Leute begeben.
Ein JIVANMUKTA28 ist absolut frei von jeglicher Art von Stimmung. In ÂTMAN16 gibt es keine Stimmungen. Es ist reines Bewusstsein, darum identifiziere Dich mit ÂTMAN16, dem göttlichen SELBST17.
Spirituell Strebende sollten versuchen, Depressionen usw. durch Gebete, Meditation, Gedanken der Freude, das Singen von OM, Selbsterforschung und die Rezitation des göttlichen Namens, ausmerzen. Gewähre den keimenden Verstimmungen keinen Einlass. Es gibt verschiedene Ursachen für den Ausbruch von Depressionen: Bewölkter, regnerischer Himmel, Verbindungen zu bösen Menschen, Verdauungsbeschwerden, Einfluss durch Geistwesen im Astralbereich, Aufflammen alter SAMSKARAS108 in Form von Depressionen usw.. Wenn Du zu Geschwätzigkeit neigst, praktiziere sofort MAUNA13. Wenn Dich Hassgefühle bedrängen, dann entfalte die entgegengesetzte Tugend der Liebe. Alle Stimmungen können auf diese Weise ausgemerzt werden. Jene, die sich der einen guten Stimmung namens ‘Meditation’ hingeben, befinden sich in der ‘Meditationsstimmung’. Sobald sich diese Stimmung offenbart, muss man unverzüglich das lesen, Schreiben, Sprechen usw. aufgeben und sich in die gewohnte, stabile Sitzhaltung zur Meditation begeben. Meditation stellt sich ohne eigene Bemühung von selbst ein. Achte auf diese besondere Art von Stimmung.
Wenn sich ein plötzlicher Sinneswandel im Denkorgan erhebt, handelt es sich um so genannte Launen. Diese Launen treiben und stoßen einen Menschen ziellos umher, solange er auf sie eingeht. Launenhafte Handlungen bringen nur Unglück. Durch die Launen des Geistes wird der Mensch in Versuchung geführt, getäuscht und auch betrogen. Launen müssen mit der Kraft der Vernunft beherrscht werden. Handle nicht nach dem Diktat der Launen, sondern aufgrund von VIVEKA10, der Unterscheidungskraft und Weisheit. Entferne die Launen unmittelbar nach der Gewahrwerdung durch VICHARA24 . Sei stets wachsam. Der Begriff ‘Launenhaftigkeit’ ist gepaart mit dem Begriff der ‘Phantasie oder Einbildung’.
Phantasie ist eine Form der Vorstellungskraft, die für einen Poeten, aber nicht für einen spirituell Strebenden, hilfreich ist. Phantasie ist in der Meditation hinderlich, da sie stets mit dem Bau von Luftschlössern beschäftigt ist. PRAKRITI29 lässt niemals ein Vakuum im Geist entstehen, sondern erzeugt immer wieder neue Ängste und Sorgen. Das Geistorgan kann niemals leer werden. Es ist voller, unendlicher Beschäftigungen. Achte sorgfältig auf die Unternehmungen des Geistes, der durch leere Vorstellungen, unbegründete Furcht und Sorgen, sowie durch nichts sagende Ahnungen im Sinne von Übertreibungen, Betörungen und Verzerrungen von der Wirklichkeit abzulenken versucht. Kostbare Energie geht aufgrund von eingebildeten Ängsten verloren. Der Geist versucht und täuscht durch die Kraft der Vorstellung, die eine bedeutende Rolle im geistigen Dramatisierungsprozess spielt. Wenn sich der Geist tief konzentriert, scheinen zwei Stunden wie fünf Minuten zu vergehen. Sobald sich das Geistorgan zerstreut und umherwandert, erscheint eine halbe Stunde wie zwei Stunden. Zeit ist nicht mehr als eine Veränderung im Geist. Sie ist eine Vortäuschung von etwas, das ebenso wenig Bestand hat, wie die vielen Objekte. Endokrine Drüsen des Körpersystems (Ohrspeicheldrüse, Thymusdrüse, Schilddrüse, Nebennierenrindendrüse usw.) sondern Säfte ab, die direkt in den Blutkreislauf gelangen. Diese Säfte spielen eine wichtige Rolle im Aufbau des Temperamentes eines jeden Individuums. Das Temperament eines Menschen kann durch Umgebung, Erziehung und Erfahrung großen Veränderungen unterliegen, jedoch schwerlich vollständig umgewandelt werden. Selbst ein Weiser verhält sich seiner Natur gemäß, sagt die GITA (Kapitel III, Vers 33).
In jedem Menschen sind gewaltige Kräfte verborgen. Wie flink und gewandt Du bist, wenn sich in Deiner nähe ein Unfall ereignet oder Feuer ausbricht! Offenbarst Du da nicht wunderbare Kräfte? Du springst über hohe Mauern, um Kinder zu retten und rennst kühn mitten durch das Feuer, um Personen oder Gegenstände in Sicherheit zu bringen. Tapferkeit, Unerschrockenheit, heller Verstand, Barmherzigkeit und verschiedene andere edle Tugenden zeigen sich in Dir. Woher kommen wohl all diese Fähigkeiten und Kräfte? Finde ihre Quelle in Dir durch Meditation und zapfe sie an, Du wirst alles erhalten. Vertraue auf diese Quelle, das SELBST17, in Dir. Der Geist besitzt verschiedene Kräfte und Fähigkeiten, die noch schlafend in Dir ruhen. Du wirst sie erwecken müssen.