Swami Krishnananda:

Antwort auf deine Fragen

Kapitel 59

Zuneigung und die Natur der Unwissenheit

Patrick: Kann Zuneigung, wie beispielsweise bei den Gopis zu Krishna, zu Unterscheidung führen?

Swamiji: Die Unterscheidung kommt zuerst, erst danach kommt die Zuneigung und Hingabe. Ohne Unterscheidung kann es keine Zuneigung geben. Zuneigung gibt es nur zu etwas, das letztendlich wirklich ist, und wie will man die Wirklichkeit ohne Unterscheidung erkennen? Darum setzt Zuneigung Unterscheidung voraus. Wie wollte man sich der Wirklichkeit hingeben, solange man sie nicht wirklich kennt? Die Gopis haben erkannt, was letztendlich Wirklichkeit bedeutet; darum wenden sie sich Krishna zu und betrachten Krishna als letztendliche Wirklichkeit. Sonst würden sie sich irgend etwas anderem zuwenden.

Ein Amerikanischer Besucher: Führt das Entfernen von Unwissenheit zu intuitivem Verstehen oder aufgeweckter Erkenntnis, oder muß intuitives Verstehen erlernt werden?

Swamiji: Wenn die Unwissenheit beseitigt wird, bleibt nichts mehr zu tun. Alles ist klar wie das Tageslicht. Unwissenheit ist wie die Nacht; wenn sie vorübergeht, ist man im Tageslicht der Erleuchtung. Es bleibt nichts weiter zu tun. Nachdem die Unwissenheit vorüber ist, gibt es keinen Handlungsbedarf mehr. Alles ist vollkommen, denn das Ziel der Suche ist die Erleuchtung, was gleichbedeutend mit der Abschaffung der Unwissenheit ist. Wenn also die Unwissenheit vergeht, gibt es auch keine Probleme mehr. Alle Hindernisse beruhen auf Unwissenheit. Wenn diese Unwissenheit vergeht, gibt es also auch keine Hindernisse mehr.

Besucher: Kann man Unwissenheit dadurch ausrotten, in dem man damit aufhört unwissend zu reagieren?

Swamiji: Unwissenheit kann nicht durch Unwissenheit entfernt werden. Das wäre sonst so, als würde ein Dieb der Freund eines anderen Diebes werden. Unwissenheit kann nur durch Erkenntnis entfernt werden. Man sagt, daß es verschiedene Grade der Unwissenheit gibt: Viel Unwissenheit im Tamas; ein wenig Unwissenheit in Rajas; und transparente Unwissenheit in Sattva. Die transparente Unwissenheit kann, obgleich es eine Art Unwissenheit ist, einen Suchenden in die Lage versetzen, von den niederen, Rajasischen und Tamasischen Unwissenheiten, befreit zu werden. Von diesem Standpunkt aus kann man sagen, daß Unwissenheit die Unwissenheit entfernen kann.

Lehrer und Schüler führen beide ein menschliches Dasein, und doch unterscheiden sie sich im Grad des Verstehens. Obwohl es Stufen der Unwissenheit gibt, kann die höhere Form der Unwissenheit dem Suchenden helfen, die niedere Form zu entfernen. Wenn dies angewandt wird, verschwindet auch die höhere Unwissenheit.

Normalerweise verwendet man hier ein Beispiel, das als „Seifennuß“ bekannt ist. Es handelt sich dabei um eine Nuß, die am Baum wächst und in Indien zum Wäsche waschen genutzt wird. Selbst heutzutage kann man sie auf dem Markt kaufen. Wenn man sie reibt, kommt Schaum heraus, genauso wie bei richtiger Seife. Diese „Seifennuß“ beseitigt den Schmutz und setzt sich danach ab. Bei der „Seifennuß“ handelt es sich aber auch um eine Art von Schmutz, denn es verbleibt eine Ablagerung, die jedoch nicht an der Kleidung kleben bleibt, sondern den Schmutz von der Kleidung entfernt und sich dann absetzt. Genauso verhält es sich mit der höheren Unwissenheit Sattvischer Natur, die die niederen Rajasischen und Tamasischen Unwissenheiten entfernt und sich schließlich selbst absetzt.

Manchmal, wenn man sich einen Dorn in den Fuß getreten hat, entfernt man diesen Dorn mit einem anderen Dorn in Form einer Nadel aus dem Fuß. Beides sind lediglich Dornen, doch ein Dorn hilft beim Entfernen eines anderen Dornes. Auf diese Weise kann eine Unwissenheit beim Entfernen einer anderen Art von Unwissenheit helfen. In diesem Sinne hast Du recht, daß eine Unwissenheit beim Entfernen einer anderen Unwissenheit helfen kann.