Mysterium und Kontolle des Geistes

Auszüge aus dem Buch "Mind - Its Myteries and Control" von Swami Sivananda

10. Kapitel

Kontrolle der INDRIYAS9, VIVEKA10, VAIRAGYA11, TYAGA12 UND MOUNA13

Das Geistorgan ist eine Masse von Sinnesorganen/INDRIYAS, und in seiner Gesamtheit ein höheres Kraftzentrum, als die einzelnen Sinnesorgane. Der Geist ist sozusagen ein in sich fest gegründetes Sinnesorgan, das sich als Geistorgan offenbart. Wer das Geistorgan beherrscht, kontrolliert damit automatisch auch die Indriyas. Die Nase und der After sind verschwisterte Indriyas. Sie entstammen beide dem feinstofflichen Element der Erde, - PRITHVI TANMATRA49 -, wobei die Nase den sattvischen und der Anus den rajasischen Anteil einnimmt. Diese beiden Indriyas sind die harmlosesten. Der Geruchssinn und Geruchsnerv stören am wenigsten; sie sind am leichtesten beherrschbar. Die Zunge und die Geschlechtsorgane sind die Kinder des feinstofflichen Wasserelementes - JALA TANMATRA50 -, wobei die Zunge dem sattvischen und Geschlechtsorgane dem rajasischen Anteil entspringt. Das Essen und Schmecken stärkt die Zeugungsorgane. Augen und Füße sind die Kinder der feinstofflichen Feuerelementes - AGNI TAMATRA51 -, wobei die Augen den sattvischen und die Füße den rajasischen Anteil einnehmen. Als Geschwisterpaar lieben es die Augen „Dinge zu sehen“, zu denen die Füße dienstbereit hinführen. Haut und Hände sind Geschwister des feinstofflichen Luftelementes - VAYU TANMATRA52 -, wobei die Haut den sattvischen und die Hände den rajasischen Anteil einnehmen. Wenn die Haut spricht, „ich wünsche mir zu meinem Vergnügen Seide und andere feine Gegenstände“, dann fühlen sich die Hände sogleich dazu fähig, die feinste Seide usw. herzustellen. Die Sprache und die Ohren sind die Kinder des feinstofflichen Ätherelementes - AKASHA TANMATRA53 -, wobei die Ohren den sattvischen und die Sprache den rajasischen Anteil innehaben. Beide helfen sich im sparsamen Umgang mit den Kräften der Natur. Das hinterlistigste und sorgenbringendste Sinnesorgan ist das Geschlechtsorgan; es schließen sich die Zunge, die Sprache, Ohren, Augen usw. an. Wer den Geschmackssinn der Zunge beherrscht, ist Meister über alle anderen Indriyas. Die drei Organe, Augen, Ohren und Zunge veräußerlichen den Geist und drängen somit einen Menschen in die Welt mit ihren zahllosen Objekten hinein.
Schließe die Augen und Ohren und beherrsche die Zunge, nur dann ist das Geistorgan unter Kontrolle zu bringen und vor dem Verlust von nach außen gerichteter Energie zu bewahren. Es gibt sechs Möglichkeiten, die Sinnesorgane zu beherrschen:

1. durch VICHARA24
2. durch Willenskraft
3. durch KUMBHAKA54
4. durch DAMA39
5. durch PRATYAHARA55
6. durch VAIRAGYA11 und TYAGA12.

Vollkommene Beherrschung der Sinnesorgane kann nur durch VICHARA24 erreicht werden. Man sollte sich während seiner SADHANA56-Zeit nicht unnötig unter die Leute mischen; nicht zuviel reden; nicht zuviel umherreisen; nicht zuviel essen und nicht zuviel schlafen. Beherrsche die Zunge, denn sie ist die Quelle aller Sorgen. Sobald die wahre Unterscheidungsfähigkeit erwacht, wird die Willenskraft immer stärker. Gedankenkontrolle ist unerlässlich und eine wesentliche Erfordernis für jeden. Die Indriyas können nichts ohne die Einwilligung und Unterstützung durch das Geistorgan, ihren Meister und Befehlshaber, unternehmen.
VAIRAGYA11 beinhaltet geschlechtliche Enthaltsamkeit sowohl in Gedanken, Worten und Taten. Es gibt zweierlei VAIRAGYA, einerseits resultiert es aus der Erfahrung unliebsamer Dinge und andererseits aus der Unterscheidung zwischen dem, was wirklich, und dem, was unwirklich ist. Ein VAIRAGI des ersten Typs wartet eine günstige Gelegenheit ab, um das zunächst abgelehnte Objekt doch noch zu bekommen und erleidet damit einen Rückfall in den früheren Zustand. Derjenige aber, der aufgrund seiner Unterscheidungskraft die täuschende Natur der Objekte erkannt hat, wird sich spirituell weiterentwickeln und nicht zurückfallen.
Die vergängliche Natur der Dinge erzeugt im Geist der Menschen eine Art Widerwillen. Wer sich von der Idee eines reichen, bequemen Lebens nicht beeindrucken lässt, wird sich auch nicht von solch einer Lebensweise anziehen lassen. Das gleiche gilt für den Verzehr von Fleisch, Wein usw., denn, wer nicht von der Idee, dass diese Dinge notwendig sind und Freude bereiten, beeindruckt ist, wird davon auch nicht in Versuchung geführt. Sobald sich VAIRAGYA11 im Geist ausbreitet, öffnet sich das Tor zur Göttlichen Weisheit. Aus der Unzufriedenheit (mit den Sinnesobjekten und den Freuden durch die Sinne) erwacht die Sehnsucht (nach Weisheit). Aus der Sehnsucht heraus kommt es zum Rückzug und zur Konzentration des Geistes. Aus der Konzentration erwächst schließlich die Meditation oder die innere Versenkung, aus der sich der Zustand des SAMADHI14 oder der Selbstverwirklichung offenbart. Nichts ist ohne Zufriedenheit und Leidenschaftslosigkeit möglich.
Die Täuschung wird durch Zuneigung am Leben erhalten. Zuneigung ist stets mit Sorgen verbunden, denn den erhofften Freuden folgt auch immer Leid. Freude und Leid sind wie Zwillinge. Lang anhaltender Sinnengenuss stärkt den Knoten der Zuneigung, die um das Herz der Menschen ihre Fäden spinnt. Das wesentliche Mittel, dem Spinnennetz der Zuneigung zu entkommen, ist die Erkenntnis, dass diese Objekte Teile einer fließenden und veränderlichen Existenz sind.
Hoffnung und Erwartung sind das glatte Gegenteil von VAIRAGYA11 und TYAGA12; sie mästen den Geist mit übermäßigen Verlockungen. Meide die irdischen Objekte wie Feuer oder Gift und entsage allen Wünschen und allem Verlangen. Die Entsagung der Wünsche fördert das Austrocknen des Geistorgansumpfes und folglich die Auflösung von MAYA47, der täuschenden Kraft, die mit dem Geist identisch ist.
Begib Dich in einen abgeschiedenen Raum und reflektiere häufig auf die Unstetigkeit dieser Welt. Der Geist und somit auch die Sinne werden sich von den Objekten abwenden, und die Zuneigung zu den Sinnesobjekten wird allmählich verschwinden. Wahre Entsagung beruht auf dem Verzicht des Geistorganes (und dessen ständiges Verlangen). TYAGA12 bedeutet, den Wünschen und egoistischen Neigungen, und nicht der Welt, wie sie existiert, zu entsagen. Durch diese Art des geistigen Verzichts wird man dazu fähig, sich von allem Leid zu befreien. Frei vom Ego wird sich Unsterblichkeit ins Leben und die Freude unendlicher Wonne in die Existenz begeben, die sich auf der Einheit mit allem in Gott gründet. SANNYASA57 ist einzig und allein eine geistige Bedingung. Derjenige ist wahrer Sanyasin, der von Leidenschaften und Egoismus frei ist, und der, auch wenn er mit seiner Familie in der Welt lebt, alle sattvischen Eigenschaften besitzt. ‘CHUDALA’ war eine Königin, und obwohl sie ein Königreich regierte, war sie eine Yogini-Sanyasini. Ein Sanyasin, der im Wald lebt und voller Leidenschaften ist, ist schlimmer als ein Haushälter oder ein weltlicher Mensch.
Wahre Entsagung bedeutet Entsagung aller Leidenschaften, Wünsche, Selbstsucht und latenten Neigungen. Wenn jemand einen fleckenlosen Geist ohne Anhaftung, Egoismus und Leidenschaft hat, dann ist dies zweifellos ein Sanyasin, unabhängig davon, ob er im Wald oder im Dschungel einer Großstadt lebt. Zwei Dinge gilt es zu entfernen, einerseits den Giftzahn namens „ich“, und andererseits die Fallgrube des „mein“; dann, und nur dann ist es möglich, dem Geist freie Hand zu gewähren, denn dann wird sich alles im Zustand des SAMADHI14 befinden. Man muss selbst der Idee „entsagt zu haben“ entsagen.
Durch bloßes Reden wird viel Energie verschwendet. Vermischtes Alltagsgeplauder ist eine schlechte Angewohnheit, die den Geist beständig nach außen zieht und unspirituelle Gedanken züchtet. Wenigstens einmal pro Woche sollte für längere Zeit geschwiegen werden. Dem Schweigen - Mauna - folgt automatisch Frieden. Die Sprechenergie wird in spirituelle Energie umgewandelt, wodurch die Willenskraft gestärkt wird. Der spirituell Strebende sollte für einige Stunden täglich Mauna einhalten. Bevor man spricht, sollte man sorgfältig seine Worte auswählen; besser dreimal nachgedacht, als einmal gesprochen! Denke stets daran, welch eine Wirkung gesprochene Worte auf die Gefühle anderer Menschen ausüben können. Rechtfertige Dich nicht unnötigerweise, denn Rechtfertigungen erzeugen Feindseligkeit, erhitzte Gemüter und Energieverlust. Jedermann hat seine eigenen Ansichten, Meinungen, Ideen, Empfindungen, Glauben und Überzeugungen. Es ist äußerst schwierig, die Ansichten anderer zu ändern. Versuche nicht, andere zu überzeugen. Vorstellungen des Geistes neigen zu Übertreibungen, und Übertreibungen sind eine Spielart der Lüge. Strebende sollten niemals übertreiben, sondern ihre Worte mit mathematischer und wissenschaftlicher Genauigkeit auswählen. Worte sind wie Pfeile, sie können die Gefühle anderer verletzen. Im Einhalten von Schweigezeiten und dem Vermeiden irgendwelcher Gesellschaft, kann man das Sprechorgan beherrschen und RAGA8 beseitigen, wodurch der Geist ruhig wird.
Zu Beginn der Schweigezeit steht man einigen Schwierigkeiten in Form von ernsthaften Angriffen seitens verschiedener VRITTIS4 gegenüber. Die unterschiedlichsten Gedanken werden sich erheben und mit Macht auf die Unterbrechung der Schweigezeit drängen. Mit kühner Entschlossenheit müssen alle Energien auf Gott gerichtet werden, denn der Geist hat seit undenkbaren Zeiten die schreckliche Angewohnheit, sich nach außen zu bewegen. Seit frühester Kindheit wurde Dir beigebracht, auf die äußere Welt und nicht so sehr auf die innere, psychische Welt zu schauen, so dass die Fähigkeit der Innenschau nahezu verloren gegangen ist. Um ein umfassendes Verständnis von dem zu gewinnen, was sich in der inneren „geistigen Fabrik“ ereignet, bedarf es einer reinen Vernunft und eines gereinigten Intellektes mit der kraft der Innenschau. Man muß die Geisteskräfte nach innen lenken und sich auf das Denkorgan selbst konzentrieren, damit es seine eigene, nach außen strebende Natur erkennt und zu analysieren beginnt. Dies ist RAJA-YOGA35.

D er höhere Geist studiert die Arbeit des niederen Geistes wie ein Wachmann, so dass der ausführende Anteil des Geistes durch den vorstehenden Anteil desselben Geistes in seinen Bewegungen überwacht wird. Wer sich selbst mit dem Geist identifiziert und eins mit ihm geworden ist, der kann seine Fehler und Störungen nicht selbst erkennen. Wer jedoch ein stiller und aufsichtführender Zeuge der Geistesarbeit ist und die notwendige Innenschau betreibt, der wird allerlei Fehlerquellen entdecken. Sei stets wachsam; viele Störungen können durch sachgemäßes SADHANA56 beseitigt werden. Lebe allein, in Abgeschiedenheit oder ziehe Dich für wenigstens eine Stunde in einen ruhigen Raum zurück und schaue nach innen. Sitze ruhig, mit geschlossenen Augen und achte auf die Gedankentätigkeit des Geistes. Die ständige Wiederholung des Heiligen Namen Gottes reinigt die Geistsubstanz und verhilft dem Geist zur Innenschau. Finde die Natur Deiner VRITTIS4 und die im Augenblick vorherrschende GUNA2 heraus. Wie lange bleibt der Geist auf Gott oder ein anderes Konzept bzw. Objekt, sei es innen oder außen angesiedelt, fixiert? Vertraue vollständig auf Dein eigenes Selbst. Du kannst Dein eigener Erlöser und Retter sein; niemand sonst wird Dir Befreiung gewähren. Du allein wirst den spirituellen Pfad Schritt für Schritt gehen müssen. Bücher und GURUS58 können dir dazu den Weg zeigen und Dich führen. Weltliche Menschen nehmen sich keine Zeit dafür, über die Probleme und Geheimnisse des Lebens wirklich nachzudenken. Sie stehen frühmorgens auf und lassen ihrem Geist freien Lauf, sich zu den jeweiligen Objekten der Sinnenfreuden hinzubewegen. Ihre Geisteskraft ergießt sich in die eingestanzten Rillen der Gewohnheiten, in Gedanken der körperlichen Bedürfnisse, wie Essen, schicke Kleidung, Frau und Kinder, Freunde, Büroarbeit, Geschäft usw., und dies tagaus und tagein. Wochen, Monate und Jahre, ja das gesamte Leben wird damit vertan. Nur derjenige, der rigoros reflektiert, und nach innen auf die Gedankenströmungen schaut, kann seine weltliche Natur verändern.