Karma Yoga von Swami Sivananda

 

Kapitel 4: Karma und Freiheit

1. Freier Wille

Inwieweit der Mensch seine Handlungen überhaupt frei ausführt, muss intellektuell im Lichte des Vedanta verstanden werden. Erst dann kann man eine befriedigende Antwort erhalten. Im Westen haben verschiedene kompetente Menschen diesen Sachverhalt aus unterschiedlichen Betrachtungsweisen beleuchtet. Dennoch sind sie noch zu keinem bestimmten Schluss gelangt. Sie haben nur die Gegenwart in Betracht gezogen. Dies ist ein trauriger Fehler. Die Gegenwart ist bloß ein Teil der Unendlichkeit. Wenn die unendliche Vergangenheit und die unendliche Zukunft auch in Betracht gezogen würden, so gelängen sie sicher zu einem Endergebnis, das dem ruhelosen Geist Frieden und Trost spendet. So wie ein Mensch, der die eine Seite des Schilds sieht, mit einem anderen Menschen kämpft, der nur die andere Seite des Schilds sieht, kämpfen auch Menschen, die nur die Teilwahrheit kennen, gegeneinander und verstricken sich in unnötige Kontroversen und Debatten. So wie ein Mensch, der beide Seiten des Schilds kennt, einen Streit zwischen zwei Personen leicht beilegen kann, die jeweils nur eine Seite des Schilds sehen, so kann auch der Vedantin, der im Bewusstsein der ganzen Wahrheit ist, einen Streit unter jenen Leuten beilegen, die versuchen herauszufinden, ob und inwieweit der Mensch freiheitlich handeln kann.

Deterministen meinen, dass der menschliche Wille ebenso an das Kausalgesetz gebunden ist wie die übrigen Phänomene des Universums. Die Ethik fällt in sich zusammen, wenn es keine Freiheit für den Menschen gibt. Sicherlich kann es keine moralische Verantwortlichkeit geben, wenn es an Freiheit fehlt. Wie könnte man sonst einen Menschen für seine Handlung verantwortlich machen, wenn er nicht in Freiheit handelte? Wie könnte man einen Menschen gerecht belohnen oder bestrafen, wenn er zwanghaft handelte und nicht aus freien Stücken? Der Mensch wäre wie ein Automat oder Holzblock, an Händen und Füßen gefesselt.

Das Bewusstsein des Selbst bewirkt, dass ein Mensch fühlt, dass er immer frei ist. Die Vorstellung der Freiheit ist in jedem Menschen verwurzelt. Sie liegt im Bewusstsein des Selbst verborgen. Auch wenn er nichts zu essen hat oder sich in einer sehr misslichen Lage befindet, hat er immer noch den besonderen Instinkt, der ihn denken lässt, er sei immer frei. Da der Nitya Mukta Atman (das für immer freie Selbst) im Hintergrund seines Geistes, seiner Gefühlsregungen schwebt, fühlt er, dass er frei ist. Er weiß, er ist gebunden und steckt in seiner fleischlichen Hülle. Er ist sich völlig bewusst, dass er der Sklave von Maya und Avidya  ist, dennoch sagt ihm innerlich etwas, er sei zugleich frei. Er besitzt dieses doppelte Gefühl, weil er in seiner Essenz die alles durchdringende Masse an Weisheit ist (Vijnanaghana Atman). Er erfährt diese Blitze oder Ahnungen der Freiheit sogar unter eingeschränkten Verhältnissen. Damit soll der kämpfenden Seele in seinem Inneren Mut zugesprochen werden. Er befindet sich im Sterben. Die Ärzte haben den Fall als völlig hoffnungslos bezeichnet. Dennoch meldet sich eine schrille innere Stimme: „Ich bin unsterblich, ich bin frei.“ Er genießt das angeborene Gefühl „Ich bin frei, obwohl ich allem Anschein nach gebunden bin. Diese Bindung ist unwirklich“.

Lasst mich hier die Worte Shri Krishnas wiedergeben, die von der Freiheit des Menschen beim Karma-Ausüben handeln:

uddharet atmana atmanam natmanam avasadayet
atmaiva hyatmano bandhuratmaiva ripuratmanah

„Der Mensch möge durch das Selbst nur erhoben werden; er erniedrige sich nicht selbst; denn allein das Selbst ist sein Freund und allein das Selbst ist sein Feind.“
[BhG 6.5]

bandhuratmatmanastasya yenatmaivaatmana jitah
anatmanastu satrutve vartetatmaiva satruvat

„Das Selbst ist der Freund des Menschen, der sich selbst durch das Selbst bezwungen hat; für den Menschen jedoch, der sich selbst nicht bezwungen hat, ist dieses Selbst ebenso ein Feind wie ein (äußerer) Widersacher.“
[BhG 6.6]

Die Upanishaden spiegeln dieselbe Vorstellung:

uttishthata jagrata prapya varan nibodhata

„Erwache, erhebe dich und nachdem du einen weisen Lehrer gefunden hast, lerne.“
[Katha Upanishad]

Zusammenfassend möchte ich nochmals betonen, dass der Mensch frei handelt. Er ist Swatantra (unabhängig in seiner relativen Natur). Wie auch immer sein gegenwärtiger Zustand sein mag, so kann er doch durch richtiges Handeln und richtiges Denken eine glänzende Zukunft erlangen. Viele erreichten durch richtiges Handeln Erfolg, Bedeutung und viele auch ihr Lebensziel. Dies gilt für alle. Der Mensch ist immer frei. Möge die Freiheit dein Lebensziel sein! Mögen sich alle von uns in die richtige Richtung bemühen, um Freiheit zu erlangen, das Geburtsrecht des Menschen! Möge das höchste Wesen, Antaryamin, uns in all unseren Handlungen leiten!

2. Die Philosophie von Richtig und Falsch

Richtig und Falsch, Dharma und Adharma (das Fehlen von Rechtschaffenheit und Tugend), sind beides relative Begriffe. Es ist sehr schwierig, diese Begriffe zu präzisieren. Sogar Weise sind gelegentlich um eine Antwort verlegen, wenn es darum geht, unter bestimmten Umständen Richtig oder Falsch zu definieren. Deshalb sagt Shri Krishna:

„Was ist Handeln? Was ist Nichthandeln? Darüber herrscht selbst bei den Weisen Verwirrung. Daher werde ich dich das Handeln [das Wesen von Handeln und Nichthandeln] lehren, durch dessen Kenntnis du vom Übel [von Samsara, dem Rad von Geburt und Tod] befreit werden wirst.“ – „Denn wahrlich, die [wahre] Natur des Handelns [wie es die Schriften sagen] muss erkannt werden, wie auch des verbotenen [ungesetzmäßigen] Handelns und des Nichthandelns. Schwer zu verstehen ist die Natur [der Lauf] des Handelns.“ – „Wer Nichthandeln im Handeln sieht und Handeln im Nichthandeln, ist weise unter den Menschen; er ist ein Yogi und führt alle Handlungen aus.“
[ BhG 4.16-18]

Ich werde versuchen, die Begriffe „richtig“ und „falsch“ zu erklären. Rishi Kanada, der Begründer der Vaisheshika -Philosophie, sagt im Eröffnungs-Sutra:

„Das, was Nishreyasa und Abhyudaya (höchste Wonne und Erhebung) bringt, ist Dharma. Das, was dich erhebt und näher zu Gott bringt, ist richtig. Was dich herunterzieht und von Gott wegbringt, ist falsch. Das, was in strengem Einklang mit den Verfügungen der Shastras (Schriften) getan wird, ist richtig und das, was gegen die Anweisungen der Shastras getan wird, ist falsch.“

Das ist eine Möglichkeit, diese Begriffe zu definieren. Es ist richtig, im Einklang mit dem göttlichen Willen zu arbeiten; ihm zuwider zu handeln, ist falsch. Für den einfachen Mann auf der Straße ist es sehr schwierig, herauszufinden, was der göttliche Wille in bestimmten Situationen verlangt. Deshalb empfehlen Weise den Menschen in den Shastras, bei studierten Pandits und selbstverwirklichten Personen Rat zu suchen. Einem reinen Menschen, der mehrere Jahre lang Nishkamya Karma Yoga geübt hat und der Ishwara (höchster persönlicher Gott) lange Zeit verehrt hat, fällt es leicht, den göttlichen Willen bei bestimmten Handlungen herauszufinden. Er kann deutlich eine innere und leise Stimme hören. Durchschnittsmenschen hingegen könnten die Stimme des unreinen Geistes mit der Stimme Gottes verwechseln und somit getäuscht werden.

Die Arbeit, die einen erhebt, erfreut und dem Geist Frieden bringt, ist die richtige; jene, die Niedergeschlagenheit, Schmerz und geistige Unruhe hervorbringt, ist falsch. Dies ist ein leichter Weg herauszufinden, was richtig oder falsch ist. Selbstsucht verschleiert das Verständnis. Wenn ein Mensch auch nur eine Spur von Selbstsucht besitzt, kann er nicht herausfinden, was richtig und falsch ist. Ein sehr reiner, feinsinniger, scharfer Verstand ist zu diesem Zwecke vonnöten. Die Bhagavad Gita beschreibt die Eigenschaften sattwiger, rajasiger und tamasiger Naturen wie folgt:

„Der Verstand, der den Pfad des Handelns und auch die Entsagung kennt, der weiß, was zu tun und was zu unterlassen ist und der sowohl Furcht als auch Furchtlosigkeit, Bindung wie auch Befreiung kennt – dieser Verstand ist sattwig, o Arjuna.“ – „Das, wodurch irrtümlich Dharma für Adharma gehalten wird und das, wodurch verwechselt wird, was es zu tun und was es zu unterlassen gilt – dieser Verstand, o Arjuna, ist rajasig.“ – „Das, was in Dunkelheit gehüllt Adharma als Dharma sieht und alles verdreht, dieser Verstand, o Arjuna, ist tamasig.“
[ BhG 18.30-32]

Zahlreiche weitere Definitionen sind von Weisen aufgestellt worden, um den Suchenden auf ihrem Weg zur Rechtschaffenheit zu verhelfen. In der Bibel heißt es: „Tue anderen so, wie du willst, dass sie dir tun.“ Dies ist ein guter Leitgedanke. Die wesentliche Aussage von Sadachara (richtiges Verhalten) liegt darin verborgen. Wird dies sehr sorgfältig befolgt, handelt man nicht unrecht. Ahimsa paramo dharmah – „Nichtverletzen ist die höchste Tugend“. Ist jemand in Gedanken, Worten und Werken fest in Ahimsa verwurzelt, kann er nie falsch handeln. Deshalb hat Patanjali Maharshi in seiner Raja-Yoga-Philosophie Ahimsa große Bedeutung beigemessen. Ahimsa kommt zuerst bei der Ausführung von Yama (den fünf Grundlagen ethischen Verhaltens). Anderen Freude zu bereiten, ist richtig – anderen Unheil und Schmerz zuzufügen, ist falsch. Dies kann man täglich anderen gegenüber befolgen und sich somit auf dem spirituellen Weg entwickeln. Tue nichts, was Scham und Furcht hervorruft. Du bist auf der sicheren Seite, wenn du diese Regel befolgst. Halte an jeder Regel fest, die deinen Verstand und dein Gewissen anspricht und folge ihr gläubig und aufmerksam. Du wirst dich zum ewigen Glück hin entwickeln.

Nun werde ich über einen weiteren wichtigen Punkt sprechen. Ich habe bereits zu Beginn dieses Kapitels herausgestellt, dass „richtig“ und „falsch“ relative Begriffe sind. Sie hängen von der Zeit und den jeweiligen Umständen ab, von Varna (Kaste, sozialem Umfeld) und Ashrama (Lebensstadium). Moral ist ein wechselnder und relativer Begriff. Einen Feind zu töten, ist für einen Kshatriya (Krieger, König) richtig. Ein Brahmane oder ein Sannyasin sollte niemanden töten, auch nicht aus Notwehr in Momenten der Gefahr. Er sollte äußerste Nachsicht und Vergebung üben. Die Unwahrheit zu sagen, um das Leben eines Mahatmas (bedeutender spiritueller Lehrer) oder eines Gurus zu retten, der von einem ungerechten Staatsbeamten zu Unrecht angeklagt wurde, ist richtig. Die Unwahrheit wird in diesem speziellen Fall zur Wahrheit. Eine Wahrheit auszusprechen, die vielen schadet, wird zur Unwahrheit. Einen Dacoit (Räuber) zu töten, der täglich Reisende umbringt, ist letztlich nichts anderes als Ahimsa. Himsa (Verletzen) wird unter bestimmten Umständen zu Ahimsa.

In kritischen und gefährlichen Situationen gibt es besondere Dharmas. Sie werden Apad-Dharma genannt. Als schlimmer Hunger herrschte, nahm Rishi Vishwamitra verbotenes Fleisch von einer Chandala (Kastenlose) an und opferte es den Devas. Ushashti, ein studierter Weiser, nahm, als er unter furchtbarem Hunger litt und von niemandem Essen bekommen konnte, Ucchishta (übrig gebliebene) Bohnen aus den Händen eines Elefantenführers an. Seine eigenen Pflichten zu erfüllen, bringt Glück, schnelle Entwicklung und Freiheit.

3. Was du säst, wirst du ernten

Diese Welt funktioniert auf der Basis bewährter Gesetze. Es gibt kein Chaos. Unfälle oder Zufälle gibt es im Leben nicht. Vorfälle ereignen sich in ihrer Abfolge oder nach einer bestimmten Ordnung. Es herrscht perfekte Harmonie. Ein Kind wächst heran, lebt Kindheit und Jugend, zeugt Kinder, verfällt und stirbt. Das Kind wird Vater und der Vater zeugt ein Kind. Wie kommt es, dass ein Mensch von einem Menschen geboren wird, ein Pferd von einem Pferd, eine Katze von einer Katze, ein Hund von einem Hund, ein Affe von einem Affen? Ein Same keimt und entwickelt Blätter, Stängel, Zweige und Blüten. Er bringt zur rechten Jahreszeit Früchte und Samen hervor. Ein Same dieser Frucht bringt den gleichen Baum hervor. Aus dem Kern einer Mango kann kein Jambu-Baum entstehen. Wie kommt es, dass ein Mangobaum nur aus einem Mangokern entsteht und ein Jambu-Baum aus einem Jambu-Kern, ein Apfelbaum aus einem Apfelkern? Dies ist wahrlich ein großes Geheimnis. Eine geheimnisvolle Macht wirkt hinter diesen Phänomenen. Diese geheimnisvolle alles durchdringende Macht oder Intelligenz ist Gott. Wer Reis sät, erntet Reis. Wer gelbe Bohnen sät, erntet gelbe Bohnen. Wer Orangen sät, erntet Orangen. Man sät den Samen dessen, was man anbauen möchte. Genauso erntet der Mensch die Früchte des Schmerzes, wenn er schlechte Taten begeht. Wer dagegen tugendhaft handelt, erntet gute Früchte. Man erntet die Früchte gemäß seines Karmas bzw. seiner Handlungen.

Wie kommt es, dass ein Mensch König ist, ein anderer Bettler, einer ein Genie, während ein weiterer ein Dummkopf ist; ein Mensch ist sehr wohlhabend, während ein anderer bedürftig ist, einer ist immer gesund, wohingegen ein zweiter ständig leidet, jemand ist stattlich und ein anderer hässlich, einer ist böse, ein anderer ein Heiliger, einer stirbt mit zehn Jahren und ein anderer erst mit neunzig?

Liegt dies am Erbe? Sicherlich nicht. Der Grund liegt im Karma. Wer Tapas (Askese) und Meditation geübt hat, Satsang mit Mahatmas  hatte, wer Heiligen und Gottgeweihten diente und ein reines Leben führte, ist Yogi vom Tage seiner Geburt an. Wer in seinem vorherigen Leben gottabgewandte Handlungen begangen hat, wird als Bösewicht geboren. Wer in seinem Vorleben sehr wohltätig war, wird als König geboren. Nur die Karma-Lehre kann die Dinge schlüssig und zufriedenstellend erklären. Shri Krishna sagt:

„Jeder, der am Ende den Körper verlässt und an irgendein Wesen denkt, geht durch sein ständiges Denken an dieses Wesen allein zu diesem Wesen, o Sohn Kuntis (Arjuna).“
[ BhG 8.6]

Avidya (Unwissenheit), Kama (Wunsch) und Karma (selbstsüchtiges Handeln) sind die drei Granthis (Knoten), die den Menschen an das Rad des Samsara (Kreislauf von Geburt und Tod) fesseln. Um eine Decke zu besitzen, hegt der Mensch zunächst den Wunsch dazu. Er sagt: „Der Winter ist jetzt sehr hart. Ich wünsche mir eine Decke.“ Dann denkt er darüber nach, wo er sie erwerben kann. Er entscheidet sich, sie aus dem Kaufhaus vor Ort zu besorgen. Er nimmt Geld, geht ins Geschäft und kauft die Decke. Zuerst bestand aber der Wunsch. Dann tauchte der Gedanke auf. Anschließend entstand Karma, Handlung, durch die Bewegung und den Kauf. Die drei Dinge, nämlich Wunsch, Gedanke und Handlung gehen immer zusammen. Wunsch und Gedanke sind innerliche Handlungen. Die Tat ist äußerlich. Hegt ein Mensch gute Wünsche, entwickelt er gute Gedanken und begeht gute Handlungen. Hegt ein Mensch dagegen unheilvolle Wünsche, entwickelt er böse Gedanken und begeht üble Handlungen. Der Gedanke entwickelt den Charakter eines Menschen. Kultiviert jemand Gedanken der Vergebung, Liebe, Toleranz, Großzügigkeit und des Verstehens, spiegeln sich diese Tugenden in seinem Charakter und seinem Verhalten anderen gegenüber wieder. Es verhält sich so wie beim Aussäen von Saatgut in die Erde. Sät man die Tugend des Erbarmens, dann erntet man viel Erbarmen. Man wird zu einem barmherzigen Menschen. Sät man Grausamkeit, erntet man viel Grausamkeit. Man handelt grausam. Seine Gewohnheiten, Gedanken und seinen Charakter kann man ändern, indem man gute Gewohnheiten und Gedanken entwickelt. Der Gedanke bringt den Körper zur Handlung. Hinter jeder Handlung steht ein Gedanke. Hinter jedem Gedanken steht ein Wunsch.

Erlaube den Wünschen nicht, deine Gedanken zu kontrollieren. Lass dich nicht durch deine Gefühle zu allen möglichen Gedanken verleiten. Stellt sich ein Wunsch ein, sinne gut darüber nach. Wäge ab, ob dieser spezielle Wunsch nach einem besonderen Objekt dir höchstes Glück und geringsten Schmerz einbringt. Stellt sich das Gegenteil heraus, dann weise ihn rücksichtslos ab. Versuche nicht, ihn zu erfüllen. Du musst die Wünsche mit den Gedanken kontrollieren. Du darfst einem Wunsch nicht erlauben, die Kontrolle über die Gedanken zu erlangen. Langsam musst du die Kraft entwickeln, einen Wunsch zu kontrollieren. Kontrolliert man einen Wunsch, so wird er zum Willen transformiert. Du gewinnst Willensstärke. Viele Menschen fallen ihren Wünschen zum Opfer und werden hilflos hin und her geworfen wie ein Strohhalm im Wind. Dies ist sehr schade. Wer Kontrolle über seine Wünsche und Gedanken gewonnen hat, ist in der Tat ein mächtiger und glücklicher Mensch.

Lerne, weise zu werden. Lerne zu unterscheiden. Lerne, Gedanken und Wünsche zu kontrollieren. Beobachte deine Gedanken sorgfältig. Erlaube keinem bösen Gedanken, durch das Tor deiner Denkfabrik zu gelangen. Reiße ihn an der Wurzel aus. Hege immer heilige, erhabene Gedanken und Wünsche. Entwickle Leidenschaft für die Selbstverwirklichung. Dieser starke und heilige Wunsch wird alle anderen weltlichen Wünsche auslöschen. Begreife die Karma-Lehre richtig. Durchtrenne die drei Knoten von Avidya und verwirkliche Satchidananda (reines Sein, Wissen, Glückseligkeit). Dann kann dir das Gesetz des Karmas nichts mehr anhaben. Dann bist du schon zu Lebzeiten ein Jivanmukta (in diesem Leben befreit). Dies ist das höchste Ziel im Leben. Dies ist deine oberste Pflicht. Alle anderen Pflichten sind zweitrangig und durch Abhimana (Stolz), Unwissenheit und Täuschung selbst auferlegt.

4. Der Mensch kann über sein Umfeld hinauswachsen

Oft hört man, dass der Mensch das Ergebnis der ihn umgebenden Einflüsse ist. Dies ist nicht wahr. Wir können dies nicht glauben, weil die Tatsachen immer dagegen sprechen. Viele der bedeutendsten Menschen auf der Welt sind in Armut und widrigen Umständen geboren worden. Viele, die in Slums und schmutziger Umgebung geboren wurden, haben die höchsten Positionen in der Welt erreicht. Sie sind berühmt geworden und haben sich in Politik, Literatur und Dichtkunst ausgezeichnet. Sie sind brillante Genies und Leuchtfeuer für die Welt geworden. Wie erklärst du dir das?

Shri T. Muthuswamy Aiyer, der erste indische Richter am Obersten Gerichtshof in Madras, wurde in völliger Armut geboren. Er musste nachts unter der Straßenbeleuchtung studieren. Er hatte nicht ausreichend zu essen. Er trug nur Lumpen. Er kämpfte hart und erreichte Größe. Mittels seines starken Willens und eiserner Bestimmtheit erhob er sich über sein Umfeld.

Im Westen erlangen Söhne von Flickschustern und Fischern hohe Positionen. Jungen, die Stiefel in den Straßen putzten, Bier in Kneipen verkauften und in Hotels kochten, wurden berühmte Dichter und fähige Journalisten. Johnson wuchs in recht widrigen Umständen auf. Goldsmith „hielt sich mit fünfzig Pfund im Jahr für reich“. Sir Walter Scott war sehr arm. Er hatte kein Dach über dem Kopf. Das Leben des James Ramsay Macdonald verlief bemerkenswert. Er war ein Mensch mit viel Purushartha (Streben). Er erhob sich aus der Armut zur Macht, vom Feldarbeiter zum Premierminister Großbritanniens. Bei seiner ersten Arbeitsstelle musste er für zehn Schillinge die Woche Umschläge adressieren. Er konnte sich keinen Tee leisten und trank stattdessen Wasser. Seine tägliche Hauptmahlzeit bestand monatelang aus einem Beefsteakpudding zu drei Pennys. Er war Nachhilfelehrer. Mit großem Interesse verfolgte er Politik und Wissenschaft. Er war Journalist. Durch richtige Anstrengung stieg er mit der Zeit zur Stellung des Premierministers auf.

Shri Shankaracharya, der Vertreter der Adwaita-Philosophie, ein religiöses und geistiges Genie, wurde in sehr arme und ungünstige Verhältnisse geboren. Es gibt Tausende derartiger Beispiele mehr. Deshalb ist es ziemlich offensichtlich, dass ungünstige Verhältnisse dem Potential und der Exzellenz eines zukünftigen Genies nichts anhaben können und dass man Umfeldbedingungen abschütteln kann durch Fleiß, Integrität, ernsthafte Zielverfolgung, eisernen Willen und Bestimmtheit.

Jeder Mensch wird mit seinen Samskaras (unbewussten Eindrücken) geboren. Der Geist ist kein unbeschriebenes Blatt Papier. Er enthält die Eindrücke der Gedanken und Handlungen früherer Geburten. Samskaras sind die verborgenen Potentiale. Die guten Samskaras sind ein wertvolles Kapital für den Menschen. Auch wenn er in widrige Umstände gestellt wird, schützen ihn diese Samskaras gegen äußerliche, unerwünschte und feindliche Einflüsse. Sie unterstützen sein Wachstum und seine Entwicklung. Shri Krishna sagt:

„Hier kommt er mit dem Wissen in Berührung, das er sich in seinem früheren Körper angeeignet hatte und strebt mehr als zuvor nach Vollkommenheit, o Arjuna.“
[ BhG 6.43]

Verpasse keine Gelegenheit. Mache dir alle Möglichkeiten zunutze. Jede Möglichkeit ist dazu da, dich aufzurichten und weiterzuentwickeln. Siehst du einen hilflosen Kranken im Straßengraben, nimm ihn auf deinen Rücken oder Karren zum nächsten Krankenhaus. Pflege ihn. Flöße ihm heiße Milch, Tee oder Kaffee ein. Wasche seine Beine mit göttlichem Bhava. Spüre den alles erfüllenden, alles durchdringenden innewohnenden Gott in ihm. Erkenne die Göttlichkeit im Glanz seiner Augen, in seinem Rufen, seinem Atem und der pulsierenden Bewegung seiner Lungen. Gott hat dir diese Möglichkeit gegeben, Erbarmen und Liebe zur Reinigung deines Herzens zu entwickeln und um Ghrina (Widerwille, Ekel), Hass und Eifersucht zu entfernen. Manchmal, wenn du sehr schüchtern bist, setzt Gott dich Umständen aus, die dich zwingen, Mut und Geistesgegenwart unter Lebensgefahr zu zeigen. Die hoch angesehenen Persönlichkeiten auf der ganzen Welt haben all ihre Gelegenheiten bestmöglich genutzt. Gott formt den Geist der Menschen, indem er ihnen Möglichkeiten gibt.

Denke daran, dass in deiner Schwäche Stärke liegt, weil du immer auf der Hut bist, dich zu schützen. Armut hat ihre eigenen Tugenden. Armut fördert Bescheidenheit, Stärke, Ausdauer, Kampfgeist und Durchhaltevermögen, während Luxus faul, stolz, schwach, träge und anderweitig schlecht macht.

Deshalb beschwere dich nicht über schlechte Bedingungen. Schaffe dir deine eigene geistige Welt und Umgebung. Jener Mensch, der versucht, sich unter widrigen Umständen zu entwickeln oder zu wachsen, wird tatsächlich ein sehr starker Mensch. Ihn kann nichts erschüttern. Er wird aus einem harten Holz geschnitzt sein. Er wird starke Nerven haben. Sicher ist der Mensch weder ein Geschöpf seiner Umgebung, noch der Umstände. Er kann diese durch seine Fähigkeiten, Gedanken, durch gute Handlungen und sein Bemühen kontrollieren und ändern. Theevra Purushartha (intensive Anstrengung) kann das Schicksal ändern. Deshalb haben Vasishtha und Bhishma  dies über das Schicksal gestellt. Daher, liebe Brüder, strengt euch an, bezwingt die Natur und erfreut euch am ewigen Satchidananda Atman.

5. Der Mensch ist Meister seines Schicksals

Manche unwissenden Menschen sagen: „Karma bewirkt alles. Es ist alles Schicksal. Wenn es mir mein Karma bestimmt, so oder anders zu sein, warum sollte ich mich dann noch anstrengen? Es ist einfach mein Schicksal.“ Dies ist Fatalismus. Es bringt Trägheit, Stillstand und Unheil. Das ist ein ausgesprochenes Missverständnis der Gesetze des Karmas. Das ist ein Trugschluss. Ein intelligenter Mensch stellt eine solche Frage sicher nicht. Du hast dir dein Schicksal aus dir selbst, durch deine Gedanken und Handlungen geschaffen. Du hast jetzt einen freien Willen, dich zu entscheiden. Du hast im Handeln Swatantrata (freien Willen). Ein Gauner ist nicht auf Ewigkeit ein Gauner. Geselle ihn zu einem Heiligen. Er wird sich sofort ändern. Er denkt und handelt nun anders und ändert sein Schicksal. Er wird heilige Wesenszüge annehmen. Der Raubmörder Ratnakar  wurde durch den Einfluss von Rishi Narada  in den Weisen Valmiki verwandelt. Jagai und Madhai, zwei Gauner ersten Ranges, wurden durch den Einfluss von Nityananda, einem Schüler von Gauranga, verwandelt. Du musst nur wollen, denken und handeln. Du kannst Karma beliebig verändern. Durch richtiges Wünschen, rechtes Denken und rechte Handlung kannst du ein Yogi oder Jnani werden. Durch gutes Karma kannst du die Stellung von Indra oder Brahma erreichen. Der Mensch ist kein hilfloses Wesen. Er besitzt einen freien Willen.

Der Mensch sät eine Handlung oder einen Gedanken und erntet eine bestimmte Gewohnheit zu handeln oder zu denken. Er sät eine Gewohnheit und erntet einen Charakter. Er sät einen Charakter und erntet sein Schicksal. Die Gewohnheit ist die zweite Natur oder noch besser seine erste Natur. Der Mensch schafft sein Schicksal durch seine Denk- und Handlungsweise. Er kann sein Schicksal ändern. Er ist der Meister seines Schicksals. Darüber besteht kein Zweifel. Durch richtiges Denken, Vichara (Unterscheidung) und starkes Purushartha (Streben) kann er Meister seines Schicksals werden. Markandeya  änderte sein Schicksal durch Tapas und die Verehrung Shivas. Vishwamitra wurde durch strenges Tapas ein Brahmarishi (ein Seher brahmanischer Abkunft) und änderte sein Schicksal. Ebenso kannst du handeln, wenn du einen starken Willen und eiserne Bestimmtheit besitzt. Im Yoga Vasishtha lehrte Vasishtha den Rama Purushartha. Savitri ändert das Schicksal ihres Ehemanns Satyavan  durch die Macht ihres Pativrata Dharma (eheliche Treue). So wie du deinen Schreibstil von einer schrägen zu einer aufrechten Schrift abändern kannst, so gelingt es dir auch, dein Schicksal durch eine veränderte Denkweise zu ändern. Momentan denkst du: ‚Ich bin Herr bzw. Frau Soundso‘, indem du dich mit dem Körper und anderen Upadhis (einengende Attribute) identifizierst. Nun lasse deine Gedanken anders fließen. Denke: „Ich bin Brahman. Ich bin das unsterbliche Selbst in allem. Ich bin alles durchdringendes Licht, Intelligenz oder reines Bewusstsein.“ Dein Schicksal wird anders. Gerade so, wie du denkst, wirst du auch werden. Dies ist Sadhana. Dies ist Ahamgraha Upasana (Meditation über den transzendentalen Brahman). Übe dich ständig darin. Fühle und verwirkliche dich.

Ein Anwalt aus Lahore fragte mich einmal: „Swamiji , du sagst, dass das Gesetz des Karmas mit unfehlbarer Präzision in allen Menschen arbeitet. Ein Mensch wünscht, denkt und handelt. Wenn die Handlungen, die ich jetzt ausführe, das Ergebnis meiner vergangenen Gedanken sind und wenn weiter meine vergangenen Gedanken das Resultat meiner Wünsche aus einer noch entfernteren Vergangenheit sind, bin ich dann nicht hilflos gebunden? Ich bin wie ein Strohhalm, der hin und her geweht wird. Ich muss im Einklang mit meinen Gedanken handeln. Ich muss im Einklang mit meinem Wunsch denken. Es gibt keine Hoffnung auf eine Freiheit der Handlung und des Denkens. Dies spricht meinen Verstand überhaupt nicht an. Sei so freundlich und kläre mich über dieses wichtige Thema auf.“

Ich antwortete: „Schauen Sie, Herr Dowlatram! Der Mensch gewinnt täglich neue Erfahrungen und neues Wissen. Der Geist entwickelt sich unentwegt. Es besteht jede Möglichkeit für ihn, seine Wünsche, Gedanken und Handlungen zu ändern. Stellen Sie sich einen Dieb vor, der plündert. Er nimmt die Dinge anderer Menschen ohne deren Wissen und wird ins Gefängnis gesteckt. Die Menschen hassen ihn. Er macht viele Erfahrungen. Er fühlt sich elend. Nun entscheidet er sich, das Stehlen aufzugeben. Er ändert seine Wünsche. Er möchte nun ein ehrliches Leben führen. Seine alten Samskaras, seine alten Gedanken, versuchen ihn zu hindern und tauchen immer wieder auf. Aber durch starke Anstrengung kann er seine Gedanken, Wünsche und Handlungen ändern und ein sehr guter, wohltätiger Mensch werden und Vollkommenheit, Freiheit und Unsterblichkeit erlangen.“

Nachlese
Beherzige die Worte des Yoga Vasishtha in diesem Zusammenhang:

1.) „Schicksal ist nichts anderes als die Auswirkungen unserer früheren Bemühungen. [YV II.6-4] Unsere früheren Bemühungen werden Schicksal genannt. [YV II.6-36]Unsere Leistungen werden durch unsere Bemühungen bestimmt. Deshalb ist unsere Bemühung unser Schicksal. [YV II.6-2] Unsere früheren und jetzigen Bemühungen, so sie in gegensätzliche Richtungen verlaufen, sind zwei Böcke, die gegeneinander kämpfen. Der stärkere der beiden stürzt immer den anderen. [YV II.6-10] Ob es nun die früheren oder die jetzigen Bemühungen sind, die stärkeren bestimmen unser Schicksal. In jedem Fall bestimmt das eigene Bemühen kraft seiner Stärke das Schicksal. [YV II.6-8] Der Mensch bestimmt sein eigenes Schicksal durch seine Gedanken. Er kann auch Dinge geschehen lassen, die nicht vorgesehen waren. [YV V.24-28] Die Seele des Menschen ist machtvoll genug. In der Welt geschehen nur die Dinge, die sie durch eigene freie Bemühungen selbst geschaffen hat, nicht durch andere. [YV V.24,35-36] Man sollte deshalb die Zähne zusammenbeißen und sein eigenes ungünstiges Schicksal (die Auswirkung der eigenen früheren Bemühungen) durch größere Bemühungen in der Gegenwart überwinden.“ [YV III.96-8]

2.) „Schicksal ist einfach die Beschränkung, die durch eine schon gelebte Freiheit der Wahl auferlegt wird, also das, was gemeinhin als freier Wille bezeichnet wird.“ [Kingsland, Rational Mysticism, S. 353]

3.) „Die Vergangenheit kann nie aufgehoben werden, kann jedoch nutzbar gemacht werden. Im menschlichen Leben haben wir einen guten Teil momentaner Einschränkungen und früherer Notwendigkeit. Aber Notwendigkeit sollte nicht mit Schicksal verwechselt werden, dem wir uns weder widersetzen, noch es täuschen können. Obwohl das Selbst von den Bindungen der Bestimmung nicht frei ist, kann es die Vergangenheit zu einem bestimmten Ausmaß bezwingen und sie in eine neue Richtung bringen. Auswahl ist die Behauptung der Freiheit über die Notwendigkeit, wobei sie die Notwendigkeit in ihren eigenen Gebrauch umwandelt und sie somit von sich selbst befreit. Der menschliche Agierende ist frei – er ist nicht Spielzeug des Schicksals oder Treibholz auf einer Welle unkontrollierter Ereignisse. Er kann aktiv die Zukunft formen, anstatt passiv unter der Vergangenheit zu leiden. Die Vergangenheit kann zur Gelegenheit oder zum Hindernis werden. Alles hängt davon ab, was wir daraus machen und nicht, was es aus uns macht.“ [Prof. S. Radhakrishnan, An Idealist View of Life, S. 279]

6. Freier Wille versus Fatalismus

Im Westen besteht immer noch die Kontroverse zwischen freiem Willen und Fatalismus (Schicksalsglauben) und niemand ist bisher zu einem endgültigen Schluss gekommen. Es ist sehr schade, dass die Karma-Lehre fälschlich für Fatalismus gehalten wird. Unter Fatalismus versteht man die Lehre, dass alle Ereignisse dem Schicksal unterliegen und aus unvermeidlicher Notwendigkeit geschehen.

Schicksal wird auch als Glück oder Zufall verstanden. Jenes unerklärliche geheimnisvolle Etwas, das dem Menschen Prüfungen, Erfolge und Misserfolge bringt, das ihn durch Lektionen unterschiedlicher Art, die es ihm erteilt, formt und bildet. Das für ihn wie eine Mutter sorgt, das ihm alle möglichen Erfahrungen zuteilt, das trübe und sonnige Tage bringt, das einen Bettler zum Grundbesitzer erhebt und einen mächtigen Potentaten auf die Stufe eines Straßenbettlers sinken lässt, das unterschiedliche Früchte und Erfahrungen an zwei Menschen verteilt, die gleiche Talente und Kapazitäten haben, das, was Napoleon zeitweise zur Schreckgestalt in den Augen der Menschen werden ließ und dann zum Gefangenen und das, was einen bestimmten Lebensabschnitt eines Menschen ziemlich stürmisch macht und einen anderen Teil recht ruhig, wird Schicksal genannt. Das Schicksal erzieht und lehrt den Menschen. Wie seltsam das Schicksal auch erscheinen mag, es arbeitet in Harmonie mit dem Gesetz der Kausalität.

Das Schicksal ist jedermanns Eigenwerk. Der Mensch handelt, denkt und entwickelt seinen eigenen Charakter. Er webt ein Netz wie eine Spinne oder eine Seidenraupe und verfängt sich aufgrund der drei Knoten, nämlich Avidya, Kama und Karma, selbst in dessen Maschen. Er selbst hat das Schicksal zum König gekrönt und gehorcht aufgrund seines Unwissens und darauf beruhender Folgen dessen Befehlen.

Die Lehre vom Karma ist das Gegenteil der Lehre des Fatalismus. Fatalismus verursacht Trägheit, Lethargie, Willensschwäche und Verhaftung. Fatalismus zerstört den Glauben. Er ruft schreckliche Furcht bei den Menschen hervor. Er zerstört die Ethik. Er kontrolliert Wachstum und Entwicklung, während die Karma-Lehre einen ermutigt, seine Lage zu verbessern. Sie ist eine Quelle des Trostes. Sie sichert dem Menschen ein reicheres und glücklicheres Leben. Sie setzt Willensfreiheit voraus. Freiheit ist die Essenz des Karmas. Sie schafft Wachstums- und Entwicklungsmöglichkeiten. Die Karma-Lehre bietet die rationalste und wissenschaftlichste Erklärung für das, was man Schicksal nennt. Sie versichert uns, dass, obwohl die Gegenwart, deren Schöpfer oder Verursacher man selbst ist, unabänderlich und unwiderruflich ist, man seine Zukunft doch verbessern kann, indem man seine Gedanken, Gewohnheiten, Tendenzen und Handlungsweisen ändert. Dies ist für den Verzweifelten sehr beruhigend, tröstlich, stärkend und ermutigend. Dies ist auch ein großer Ansporn für den Menschen, zu kämpfen und sich anzustrengen, um sich selbst zu verbessern. Auch ein verlassener und hilfloser Mensch wird fröhlich, wenn er diese Lehre versteht. Die Karma-Lehre bringt den Hoffnungslosen Hoffnung, den Hilflosen Hilfe, den Freudlosen Freude und den Schwachen neue Stärke. Sie richtet den am Boden liegenden Menschen wieder auf. Sie ist eine ideale Motivation für Niedergeschlagene und Bedrückte. Die Karma-Lehre besagt: „Beschuldige niemanden, wenn du leidest. Beschuldige nicht Gott. Beschuldige zuerst dich. Du musst ernten, was du im früheren Leben gesät hast. Dein momentanes Leiden geht auf dein eigenes Karma in deinem letzten Leben zurück. Du bist selbst der Urheber deines gegenwärtigen Zustands. Die Gegenwart ist unabänderlich. Weine nicht. Jammere nicht wegen vergossener Milch. Es ist sinnlos. Du gewinnst nichts dabei. Statt über die Missernte des letzten Jahres zu weinen, gehe und pflüge dieses Jahr. Du bekommst dieses Jahr ausreichend Regen und reiche Ernte. Handle jetzt tugendhaft. Denke recht. Handle recht. Du wirst eine glänzende und herrliche Zukunft haben.“ Wie wunderschön und bewegend ist diese großartige Karma-Lehre! Sie entwickelt Glauben und unterstützt die Ethik. Sie besagt: „Wenn du jemanden verletzt, dann verletzt du dich selbst.“ Jede Handlung bewirkt beim Handelnden einen Doppeleffekt, einen in der inneren Natur in Form einer Tendenz, sei sie gut oder schlecht und den anderen in Form einer Frucht, Belohnung oder Bestrafung. Das vergangene Karma beeinflusst das gegenwärtige Leben auf zweierlei Weise, erstens über den Charakter oder die innerliche Tendenz und zweitens äußerlich als Schicksal. Führst du eine Handlung aus, so schafft sie einen Samskara (Eindruck) im Chitta (Unterbewusstsein). Der Eindruck verursacht eine Tendenz. Die Tendenz entwickelt sich durch wiederholte Handlungen zur Gewohnheit. Die Handlung manifestiert sich zum Charakter. Der Charakter entwickelt sich zum Schicksal. So ist die Abfolge: Samskara, Tendenz, Gewohnheit, Charakter und Schicksal.

Die Entscheidungsfähigkeit ist fester Wille. Dieser Wille ist seiner eigenen Natur nach frei. Der Mensch hat durch sein Geburtsrecht einen freien Willen. Er behauptet sich zu jedem Moment in unserem Leben. Halte dir vor Augen, dass jede noch so kleine Handlung, die du ausführst, das Ergebnis dreier zusammenlaufender Kräfte ist, nämlich dem freien Willen, Charakter und Schicksal. Die Bandbreite der Handlungen hängt von der Natur deines Karmas und dem daraus geformten Charakter ab. Hast du in deinem früheren Leben tugendhaft gehandelt und einen beispielhaften Charakter entwickelt, wird dein Wille ein größeres Betätigungsfeld vorfinden und umgekehrt.

Unter Determinismus versteht man die Lehre, das alle Dinge, einschließlich des Willens, von Ursachen bestimmt sind. Dies ist das Gegenteil zum freien Willen. Es steht in der Macht des Menschen, zwischen Alternativen, die das Schicksal ihm bringt, zu entscheiden. Durch die Wahl zwischen ihnen, kann er entweder seinen Tendenzen folgen, die seine vergangenen Handlungen hervorbrachten oder gegen sie ankämpfen. Der Wille eines Menschen ist immer frei. Die von den Deterministen hervorgebrachten Argumente, dass der menschliche Wille determiniert sei, sind nicht schlüssig und nicht haltbar; sie lösen sich auf. Liebe Freunde! Der Mensch ist Herr seines Schicksals. Wacht jetzt aus dem Schlaf der Unwissenden auf. Werdet keine Fatalisten. Denkt recht. Handelt recht. Führt ein tugendhaftes Leben. Verletzt nie die Gefühle anderer. Formt euren Charakter. Reinigt euren Geist. Konzentriert euch. Ihr seid Nitya Mukta Purusha (für immer freies Wesen). Tat Twam Asi – Du bist Das.