Swami Krishnananda:

Anwort auf deine Fragen

Kapitel 6

Das höhere Selbst

Swamiji: Woran denkt der Tropfen in dem Augenblick, wenn er sich im Ozean auflöst? Diese Erfahrung ist das Höhere Selbst. Verstehst Du das?

Malaya: Ich glaube, daß ich nur ein Tropfen bin, Swamiji.

Swamiji: Nein. Wer hat Dich gebeten, so zu denken? Andererseits, was bedeutet eigentlich die Macht des Willens? Ein Mensch hat Gefühle, Verständnis und auch Willen. Weißt Du, was Willen bedeutet? Willen bedeutet Bestimmen: Wir bestimmen, daß “es” so ist, wie “es” ist. Du bist in den Ozean versunken, und dieser Ozean ist das Höhere Selbst.

Malaya: Kann der Ozean sich selbst nicht sehen?

Swamiji: Warum möchtest Du Dich sehen können? Wie kannst Du erkennen, was Du bist? Du kannst etwas anderes sehen, ja, aber wie willst Du Dich selbst sehen?

Malaya: Es gibt da den Denkprozeß, Swamiji.

Swamiji: Es gibt keinen Denkprozeß. So lange Du als Tropfen existierst, hast Du Gedanken, aber der Ozean denkt nicht, weil es nichts zu denken gibt. Was sollte es da zu denken geben, wenn es nur das Selbst gibt ? Alle Tropfen sind im Selbst enthalten, woran soll ES denken? ES ist das Höhere Selbst. Der Tropfen ist das niedere Selbst; der Ozean ist das Höhere Selbst. Aber das bedeutet nicht, daß das Höhere Selbst in irgendeiner Weise getrennt ist, so wenig der Ozean vom Tropfen getrennt ist. Du gebrauchst Deinen Willen nicht richtig. Vielleicht bist Du auch nicht mit dem ganzem Herzen bei der Sache. Das Herz ist nicht begierig genug. Willen bedeutet nichts anderes als die Anwendung von Interesse.

Malaya: Das Verständnis ist da, aber......

Swamiji: Nein, nein. Interesse, nicht Verständnis. Es gibt einen Unterschied zwischen Verständnis und Interesse. Wenn Du an einer Sache interessiert bist, wirst Du sie nicht vergessen. Wenn Du nicht vollkommen interessiert bist, wirst Du ganz viele Ausreden haben.

Du kannst keinen Berg zerbrechen. Wieviel Mühe Du auch anwendest, Du wirst ihn nicht zerbrechen können. Wenn Du aber Dynamit benutzt, wird er in tausend Stücke zerbersten. Du mußt Deinen Willen am Beispiel von Dynamit trainieren. Wenn Du dies nicht möchtest, ist das eine andere Sache. Wenn Du an der Möglichkeit zweifelst, dann wird es auch nicht möglich sein. Wenn Du Dir aber sagst: “Ja, es ist mir möglich,” dann wird es Dir auch möglich sein. Das, wovon Du fühlst, daß Du es bist, das bist Du auch wirklich. Du solltest nicht sagen, daß es schwierig ist.

Dich selbst zu tragen, ist nicht schwierig; jemand anderes zu tragen ist schwierig; - Oh, dies ist eine sehr schwere Person, wer kann sie tragen? Welches Gewicht Du auch immer hast, Du kannst Dich selbst tragen. Sogar dicke Menschen tragen sich selbst, aber sie können nicht so einfach jemand anderen tragen. Somit ist es auch kein Problem, mit Dir selbst zu verfahren.

Malaya: Swamiji, im praktischen Leben.......

Swamiji: So etwas wie das praktische Leben gibt es nicht. Du erschaffst unnötigerweise Unterschiede. Dieses “praktische Leben” ist eine Aktivität des niederen Selbst’, und das niedere Selbst ist im Höheren Selbst enthalten. Somit geht die Aktivität auch nur vom Höheren Selbst aus. Wer sagt mir denn, daß es ein praktisches Leben gibt? So etwas wie das praktische Leben gibt es nicht. Verstehst Du den tieferen Sinn?

Malaya: Ja. Swamiji.

Swamiji: Wenn das Höhere Selbst die vollständige Arbeit der Magazin-Abteilung bewältigt, dann steht der aktive Kosmos hinter dieser Tätigkeit. Die ganze Welt pulsiert, wenn Du in das Büro gehst. In Wirklichkeit gehst Du nicht in das Büro, sondern trittst nur in Dein Selbst ein. Das Büro ist Dein eigenes Selbst. Wohin Du auch immer gehst, Du findest nur Dich selbst, wie im Fall des Ozeans, - wohin Du auch schwimmst, Du findest überall den Ozean. Ob Du zum Bahnhof, oder zum Markt, oder zur Kantine gehst, tatsächlich trittst Du nur in Dein Selbst ein. Du solltest nicht sagen, daß Du zur Kantine und all dem anderen gehst. Es gibt keine Kantine. Du betrittst Dein Selbst in verschiedenen Formen.

Malaya: Es gibt kein......, Swamiji?

Swamiji: Das ist die Bedeutung vom Eintreten in das Selbst. Das Selbst tritt in das Selbst ein. Dies ist bildlich gesprochen. Alles findet nur innerhalb einer einzigen Sache statt. Du mußt Dich nur ein bißchen im Denken üben, um die tatsächliche Bedeutung zu verstehen. Sage nicht, daß Du zum Markt usw. gehst. Selbst wenn Du zum Markt gehst, gehst Du nur zu Deinem Selbst. Der Markt befindet sich in Dir.

Denke darüber nach und Du wirst eine wundervolle Erfahrung machen; ein Wunder wird geschehen. Aber, wenn Du zweifelst, wird nichts geschehen. “Gott ist irgendwo, und das tägliche Leben ist etwas anderes” - dieses Argument wird von jedem benutzt, obwohl es ein dummes Argument ist, weil der Verstand diesen Knackpunkt nicht lösen kann. Du erzählst mir, daß “praktisches Leben etwas anderes ist”. So etwas wie das “praktische Leben” gibt es nicht. Es existiert nicht. Dein eigenes Selbst bewegt sich innerhalb des Selbst’.

Der riesige Ozean ruht in sich und enorme Wellen stürzen über ihn herein. Der Ozean wird niemals sagen: “Ich bleibe ruhig sitzen, währenddessen die Wellen als das praktische Leben über mich hereinstürzen.” Die Wellen sind nicht das praktische Leben des Ozeans. Es gibt kein vom Ozean verschiedenes praktisches Leben. Der Ozean ist die Wellen und die Wellen sind der Ozean. Das Selbst ist in sich selbst das praktische Leben.

So etwas wie das weltliche und das spirituelle Leben gibt es nicht. Es gibt keinen Unterschied. Die Menschen unterscheiden Himmel und Erde, Gott und die Welt, spirituelles und weltliches Leben. Die Dinge existieren in Wirklichkeit nicht. Das sind alles nur üble Spiele des Verstandes, die Dich von lohnenderen Dingen abhalten. Sage nur nicht, “Ich arbeite jeden Tag in der Fabrik und habe somit keine Zeit zum Nachdenken”. Du arbeitest nicht in der Fabrik; Du arbeitest nur in Deinem Selbst. Außerhalb Deines Selbst’ gibt es keine Fabrik. Verstehst Du, was ich sage?

Malaya: Ja. Swamiji.

Swamiji: Du wirst innerhalb eines Tages ein anderer Mensch sein. Du wirst dann nicht mehr so sein, wie Du jetzt bist. Um eine solche Transformation stattfinden zu lassen, braucht es einen Tag oder sogar weniger als einen Tag. Die ganze Erde wird erzittern, wenn Du so denkst.

Malaya: Der Verstand muß.....

Swamiji: Es gibt keinen Verstand. Es ist Bewußtsein. Du bist weder Verstand noch Körper, weil Du im Zustand des Tiefschlafes weder Verstand noch Körper hast. Deine wahre Natur ist reines Bewußtsein, - wie im Zustand des Tiefschlafes. Sprich also nicht von “Verstand” und all den anderen Dingen. Was Du meinst, ist ein anderes “praktisches Leben”, das es nicht gibt. Du hast gesehen, daß es im Tiefschlaf weder Verstand noch Körper gibt. Wer war dort anwesend? Es war nicht Malaya, die da existierte, sondern ES, das dort war. Wer war dort? Das mußt Du begreifen und darüber nachdenken.

Im Schlaf hattest Du keinen Vater, keine Mutter, keine Verwandten, - nichts war dort. Nur Du warst dort. Der Schlaf brachte Dir so viel Freude, daß Du keine andere Freude erleben wolltest, die hiermit vergleichbar ist. Selbst ein König kann sich nicht so freuen wie ein Mensch, der gerade eingeschlafen ist, denn dieser Mensch ist in sein Selbst eingetreten, - in den Ozean des Selbst’. Und Du hattest zu jenem Zeitpunkt weder Verwandte noch Freunde, weder Besitztümer noch Körper und auch keinen Verstand. Was war dort? “Du” warst dort.

Dies ist es, was ich den Ozean nenne. Mache keinen Unterschied zwischen dem praktischen Leben und dem Leben in der Fabrik, dem Leben im Büro usw.. So etwas gibt es in Wirklichkeit nicht. Schau, dies ist ein sehr interessanter und wichtiger Punkt. Du mußt immer glücklich und glückselig sein, - alles ist schön; nichts ist falsch. Alles ist gut; mit mir ist alles in Ordnung. Warum sollte es nicht so sein, wie es ist? Es muß so sein. Niemand kann Dir Sorgen bereiten. Wer sollte Dir Sorge bereiten? Du machst Dir selbst die Sorgen, denn Du bist selbst derjenige, der Dir die Sorgen bereitet. So, warum beklagst Du Dich? Der Verstand ist sehr feinfühlig und nicht gewöhnt, so zu denken. Wenn er anfängt so zu denken, dann wird ihm schwindelig, und Du wirst wieder einschlafen.

Dies ist der höchste Reinigungsprozeß, den ich empfehlen kann. Durch diese Art der Meditation wirst Du von all Deinen Fehlern und Deinen Sünden vollständig reingewaschen. Du wirst von all Deinen Sünden aus vielen Leben, die Du gelebt hast, befreit, so wie hunderte von Jahren der Dunkelheit in einer Sekunde verschwinden, wenn die Sonne aufgeht. Die Dunkelheit mag für hunderte von Jahren angedauert haben, aber das Entfernen jener hunderte von Jahren tiefer Dunkelheit bedarf nur einer Minute des Sonnenaufgangs. So, welche Fehler Du auch immer in vielen Leben gemacht haben magst, sie haben keine Konsequenzen angesichts dieser Art von Lichterfahrung. Dein ganzes altes Karma ist wie ein Strohgebirge. Es kann durch ein einziges Streichholz zu Asche verbrannt werden.