Shri Aurobindo

Aurobindo Ghose (* 15. August 1872 in Kolkata; † 5. Dezember 1950 in Puducherry) war ein indischer Politiker, Philosoph, Mystiker und Guru. Seine spirituellen, philosophischen und lyrischen Schriften veröffentlichte er unter dem Namen "Sri Aurobindo".

Kommentar von Swami Sivananda

Bei der Quelle des folgenden Textes handelt es sich um die freie Übersetzung (mit Überarbeitungen) von Auszügen aus Swami Sivanandas Buch "Lives of Saints"(vgl.ebenda:2009:S.453-458).

Herkunft und Ausbildung

Am Dienstag, den 15. August 1872, gegen 5 Uhr morgens, wurde Sri Aurobindo in Kalkutta, Bengalen geboren. Seine Eltern waren Sri Krishnadhan und Swamalata, die einer wohlangesehene Familie in Konnagar angehörten. Sri Krishnadhan ging nach England und kehrte voller Ehren mit dem Titel des M.D. zurück. Sri Aurobindos Großvater mütterlicherseits war Raj Narayan Bose, ein anerkannter Führer in der bengalischen Literatur, ein Autor für die "Modern Review" und der Großvater des indischen Nationalismus. Aurobindo verdankt seine reiche spirituelle Natur sowie seine außerordentlichen literarischen Fähigkeiten der Linie seiner Mutter.

Westlich geprägte Bildung

Aurobindio war ein fähiger Gelehrter. Mit 4 Jahren wurde er auf die Loretto Klosterschule in Darjeeling geschickt. Als er sieben Jahre alt war, sandte Dr. K. D. Ghosh ihn nach England, um seine westliche Erziehung zu vertiefen. Dieses junge Alter wurde vorsätzlich ausgewählt, damit Aurobindo seine ursprüngliche kulturelle Prägung vergisst und stattdessen die westliche Kultur lernt und annimmt. Der alte Schuldirektor bemerkte: "Von all den Jungen hier, die in den letzten 25 bis 30 Jahren durch meine Hand gingen, war Aurobindo bei weitem am bestem mit intellektuellen Fähigkeiten ausgestattet". Nach der Schule ging Aurobindo auf das King's College in Cambridge, wo er sich als Student für europäische klassische Literatur auszeichnete. Im Jahr 1890 bestand er die Indian Civil Service Examination mit großer Annerkennung. Jedoch bestand er die erforderliche Prüfung in der Reitkunst nicht und konnte daher nicht dem Verwaltungsdienst der indischen Regierung beitreten.

Vizepräsident und anerkannter Gelehrter

Im Jahr 1893 kehrte Sri Aurobindo nach Indien zurück und wurde Vizepräsident der staatlichen Hochschule in Baroda. Selbst der Maharaja von Baroda behandelte ihn großem Respekt behandelt. Aurobindo bekam ein Gehalt von 750.- Rs. vom Baroda Erziehungsdienst. Von 1893 bis 1906 vertiefte er sich sehr in die Quellen des Sanskrit und in die bengalische Literatur, Philosophie und politische Wissenschaft. Aurobindos Gelehrsamkeit erregte bald die Aufmerksamkeit seiner Umgebung. Er wurde von der gebildeten Bevölkerung in Baroda geliebt und war außerdem in der allgemeinen Öffentlichkeit außerordentlich populär. Einer seiner Studenten war Sri K.M. Munshi, der Aurobindo bewunderte und liebte. Für die jüngere Generation wur-de Aurobindo zu einem wahrhaften Gott und wurde von ihnen als "Aru Da" bezeichnet, als "älterer Bruder Aurobindo". Er heiratete Mrinalini Devi. Dann gab er seine Stellung auf und arbeitete fortan am Bengal National College, in Kalkutta, für eine Gehalt von 150.- Rs.

Fachliche Kenntnisse

Aurobindo war ein vollendeter Gelehrter des Griechischen. Er erhielt hohe Auszeichnungen in Latein. Auch lernte er sehr gut Französisch und eignete sich ein wenig Deutsch und Italienisch an, um Goethe und Dante in ihrer Originalsprache zu studieren. Er war gefestigt in der Weisheit der alten vedischen Schriften. Sri Aurobindo war ein Genie in Geschichte und Dichtung, ein Gelehrter in Englisch und Latein und lebte vierzehn Jahre lang in England.

Politisches Engagement

Sri Aurobindo stürzte sich kopfüber in die revolutionäre Bewegung und wurde zu einer großen Figur der nationalistischen Bewegung dieser Zeit. Aurobindo gab das englische, tägliche erscheinende Journal "Bande Mataram" heraus und schrieb furchtlose und treffende Artikel. Während der folgenden Monate gab er außerdem das englische, wöchentlich erscheinende "Dharma" heraus. Er verbreitete seine Botschaft: "Unser Ideal von Swarajya (staatliche Unabhängigkeit) ist absolute Autonomie, absolute Selbstherrschaft, Freiheit von fremder Kontrolle." In diesen Tagen befürwortete Aurobindo öffentlich den Boykott von britischen Gütern, britischen Gerichten und allem, was britisch war. Er weiste Menschen immer wieder dazu an, passiven Widerstand zu leisten. Sri Aurobindo, der Prophet des indischen Nationalismus, war einer der Pioniere des politischen Erwachen Indiens. Er war der Führer der revolutionären Bewegung und spielte eine große Rolle im nationalen Kampf des Landes im Jahr 1908. Er befand sich an vorderster Front während dieses nationalen Kampfes während der Tage der Teilung von Bengalen.

Spirituelles Erwachen

Der berühmte Alipore Bombenfall war der Wendepunkt in Sri Aurobindos Leben. Ein Jahr lang verbrachte Aurobindo ohne offiziellen Prozess im Alipore Zentralgefängnis in Einzelhaft. Es war in einer schmutzigen Zelle in diesem Gefängnis, als er den Traum über sein zukünftiges Leben hatte, die göttliche Mission, die ihm von Gott zugedacht worden ist.

Der Ashram in Pondicherry

Sri Aurobindo zog von Kalkutta nach Chandranagar und später dann, am 04. April 1910, nach Pondicherry. In Pondicherry wohnte er einige Zeit bei einem Freund, wo 4-5 Kameraden zusammenlebten. Nach und nach erhöhte sich die Zahl der Bewohner und langsam bildete sich ein Ashram um ihn herum. Heute gibt es Hunderte von Bewohnern im Ashram, die in mehr als hundert Häusern untergebracht sind. Sie engagieren sich in verschiedenen Aktivitäten, die mit dem Ashram verbunden sind, einige in der Molkerei, andere im Gemüsegarten, wieder andere in der Wäscherei und in der kleinen Bäckerei. Viele der jungen Mädchen arbeiten in der zum Ashram zugehörigen Druckerei. Für die Ashrambewohner sind alle Arbeiten teil des Sadhana. Das Leben wird als ungeteiltes Ganzes angesehen, ohne die üblichen Aufs und Abs. Der Ashram hat auch eine eigene Schule. Der Schwerpunkt dort liegt auf körperlicher Erziehung. Die Berufsausbildung wird den Schülern im Alter zwischen 14 und 18 Jahren vermittelt.

Leben und Wirken im Ashram

Im Jahr 1920 gesellte sich Mira, eine Französin und Frau von Paul Richard, zu Sri Aurobindos Zirkel. Sie wurde zur Mutter und übernahm den Vorsitz über den Ashram. Jeden Morgen gab sie den begierigen Devotees Darshan vom Balkon, der zu ihrem Zimmer gehörte. Sie überwachte jede noch so kleinste Angelegenheit in der Organisation des Ashram. Alle Aktivitäten des Ashrams werden von Sadhaks bewerkstelligt. Die Ashrambewohner im Sri Aurobiondo Ashram sind keine Sannyasins, denn auch Aurobindo selbst war kein Sannyasin, aber er war ein Rishi. Der Ashram ist weltoffen. Es gibt dort Christen, Zoroastrier, Moslems and Mitglieder von anderen Konfessionen. Der Ashram begann, das "Arya", ein in englischer Sprache verfasstes Journal, unter dem Management der Mutter und Paul Richard herauszugeben. Die wichtigsten Arbeiten von Aurobindo erschienen als Serie in diesem Magazin. Nach 6 ½ Jahren wurde jedoch die Herausgabe des "Arya" eingestellt. Sri Rabindranath Tagore besuchte einmal den Sri Aurobindo Ashram und sagte zu Aurobindo: "Du hast die Worte und wir warten darauf, sie von dir entgegenzunehmen. Indien wird durch deine Stimme zur Welt sprechen".

Aurobindos Lehre

Aurobindos Philosophie

Sri Aurobindos Weltanschauung ist auf eine Art und Weise sehr praktisch. Sie basiert auf Fakten, Erfahrung und persönlicher Verwirklichung und darauf, die Vision eines Seher, eines Rishi zu haben. Aurobindos Spiritualität ist untrennbar verbunden mit Vernunft. Das Ziel, auf das Sri Aurobindo abzielt, ist nicht nur die Befreiung des Individuum von den Fesseln, die ihn behindern, sondern auch "den Willen des Göttlichen zu erfüllen, eine spirituelle Transformation zu bewirken und die göttliche Natur und ein göttliches Leben in das mentale, vitale und physische Leben der Menschheit zu bringen". "Eine gefestigte und unfehlbare Bestrebung, die von unten her ruft, und eine Höchste Gnade, die von oben herab antwortet sind zwei Kräfte, die in ihrer Zusammenbringung dieses bewirken können. Wenn die Transformation integral sein soll, dann sollte integral die Zurückweisung von allem, was sich dem in den Weg stellt, bedeuten", sagt der Meister Sri Aurobindo.

"Unsere Aufgabe ist es", sagt Sri Aurobindo, "in das Ebenbild Gottes hineinzuwachsen, in Ihm zu wohnen, ein Kanal Seiner Freude und Macht und ein Instrument für Seine Arbeit zu sein. Geläutert von allem das asubha (böse) ist, sollten wir in der Welt als Dynamos der Göttlichen Elektrizität wirken und sie begeisternd und strahlend unter der Menschheit verbreiten, sodass wo auch immer sich jemand befindet, Hunderte von Menschen um ihn herum mit Seinem Licht und Seiner Kraft angefüllt werden, angefüllt werden mit Gott und Ananda (Glückseligkeit). Kirchen, Theologien und Philosophien haben in der Errettung der Menschheit versagt, da sie sich mehr mit intellektuellen Weltanschauungen und Institutionen beschäftigt haben - als ob dies die Menschheit erretten könnte – und haben die eine notwendige Sache ver-nachlässigt - die Macht und Läuterung der Seele".

Persönliche Yogapraxis

Sri Aurobindo begann seine Yoga Praxis im Jahr 1904. Er hatte keinen Guru oder jemanden, der ihn unterwies, bis er Lele in Baroda traf, ein Maharashtrian Yogi. Mithin war diese Bekanntschaft auf sehr kurze Zeit beschränkt. Nach nur drei Tagen Meditation mit Lele, folgte Aurobindo den Anweisungen des Yogi um den Geist zum Schweigen zu bringen und ihn von den konstant vorhandenen Gedanken zu befreien. Aurobindo schrieb einmal einen Brief über seine Yoga Praxis: "Ich begann Yoga im Jahr 1904 ohne einen Guru. Im Jahr 1908 erhielt ich bedeutsame Hilfe von einen Mahratti Yogi und habe dann die Grundlage meines Sadhana gefunden". Er begann für sich selbst, wobei er einige Grundsätze von einem Freund vermittelt bekam, einem Schüler von Brahmananda von Ganga Mutt. Zu Beginn war seine Praxis beschränkt auf Pranayama, oft sechs oder mehr Stunden am Tag. Außerdem praktizierte und meditierte Aurobindo über die Lehren der Gita und Upanishaden.

Schriften und Werke

Aurobindos Life Divine ist und wird immer eine Kraft bleiben, die die Gedanken der Menschen überall auf der Welt anleiten werden. Seine anderen Publikationen sind: Essays on Gita, Ideal and Progress, Isa Upanishad, The Superman, Evolution, Heraclitus, The Ideal of the Karmayogin, The Brain of India, The Renaissance in India, Bases of Yoga, Kalidasa, Vikramorvasi oder The Hero and the Nymph, Poems, The Riddle of This World und Weitere.

Ableben und Vermächtnis

Sri Aurobindo starb um 1.30 Uhr am 5. Dezember 1950 in Pondicherry. Er war 78 Jahre alt und litt vierzehn Jahre unter Nierenprobleme und wurde in dieser Zeit von Dr. Prabhakar Sen. behandelt. Somit legte sich ein weiteres glorreiches Kind von Mutter Indien in ihrem Schoß zur Ruhe. Eine weitere Lampe, die ihr Licht der göttlichen Weisheit überall in die Welt ausstrahlte, löste sich in ihrem eigenen Glanz auf, so wie Kampfer sich im Feuer auflöst. Sri Aurobindo erreichte die Einheit mit Sri Aravinda, dem lotusäugigen Herrn des Universums. Er war ein Poet, Politiker und Philosoph. Seine Aufzeichnungen - philosophisch und poetisch – sind in ihrem Geist indisch und in ihrem Rhythmus und in ihrer Färbung westlich. Er war der größte Intellektuelle unserer Zeit und eine große Kraft für das Leben des Geistes. Indien wird seinen Dienst in der Politik und Philosophie nicht vergessen. Die Welt wird mit Dankbarkeit seiner unschätzbaren Werke im Bereich der Philosophie und Religion gedenken.

Aurobindo war eine der größten Persönlichkeiten der Welt und war eine Inspiration für die Nationalisten Indien. Als religiöser Lehrer werden seine schriftstellerischen Werke so lange leben, wie die Welt existiert. Als das Kronjuwel des wiederauflebenden Indiens, der Tapferste unter den Patrioten, der Scharfsinnigste unter den Intellektuellen und der Subtilste unter den Sehern, erfüllte Sri Aurobindo das glorreiche Ziel, der Welt zu zeigen, dass das wahre Indien, das Indien der vedischen Seher, überleben und alle fremden Kulturen in sich absorbieren kann und dass jemand, der die richtige Synthese kennt, östliche und westliche Kulturen glücklich vereinen kann, ohne dass dabei notwendigerweise Feindschaft entstehen muss. Sri Aurobindos "Life Divine", das göttliche Leben das er lebte und lehrte, wird für immer weiterleben und die Menschheit inspirieren. Die Nachwelt wird ihm als ein Mitglied der Galaxie der vedischen Seher zujubeln. Möge sein Licht für immer erstrahlen.