Swami Krishnananda:

Antwort auf deine Fragen

Kapitel 7

Das Gute und das Schlechte

Malaya: Wie kann ich das Gute mit dem Erfreulichen vergleichen?

Swamiji: Das hast Du mich schon zwei- oder dreimal gefragt. Ich habe es Dir bereits erklärt, doch Du hast mir wohl nicht zugehört, was ich Dir letztes Mal gesagt habe. Erinnerst Du Dich, daß Du mir die Frage bezüglich des Höheren und des niederen Selbst’ gestellt hast? Du sprichst den selben Punkt auf unterschiedliche Weise an. Du hast mich gefragt, was das Höhere und was das niedere Selbst bedeuten würden. Du wiederholst dieselbe Sache immer wieder, - die Unterwerfung des niederen Selbst’ durch das Höhere Selbst. Das niedere Selbst ist das Selbst der Empfindung, das physische Selbst, das wahrnehmende Selbst. So weit es das niedere Selbst betrifft, gibt es viele niedere Selbst’.

Viele Menschen sitzen hier. Es sind alles niedere Selbst’, zwischen denen keine Verbindung besteht. Dennoch gibt es eine permanente unterschwellige Verbindung aller niederen Selbst’ untereinander. ES ist wie der Ozean des Selbst; das ist das Höhere Selbst. Niemand weiß, daß ES existiert, weil die Sinnesorgane das individuelle Selbst zwingen, nach außen zu schauen. Du kannst nicht nach innen schauen und sehen, was sich auf der Rückseite befindet. Falls Du die Rückseite siehst, wirst Du ein Meer des Bewußtseins erkennen. Das ist das Höhere Selbst. Darüber mußt Du meditieren, und wenn Du es tust, wird sich das niedere Selbst im Höheren Selbst auflösen, was als Erlösung bzw. Befreiung bekannt ist. Es ist eine einfache Sache, wenn Du es verstehst, doch Du mußt darüber meditieren.

Malaya: Was gibt es dort, dessen man sich erfreuen kann, Swamiji?

Swamiji: Ich habe bereits vorher darüber gesprochen. Du verzichtest nicht wirklich auf irgendein “Ding”. Du verzichtest auf das “Ding” der Dinge. Du sitzt vor mir als ein “Ding”, aber es gibt noch etwas in Dir, das kein “Ding” ist. Du siehst wie eine Person aus, aber in Wirklichkeit bist Du keine Person. Deine Persönlichkeit ist die kondensierte Form eines inneren Dranges, der aus dem Universellen Sein kommt. Diese kondensierte Form soll­te sich auflösen und mit dem Originalimpuls, der aus dem Universellen Sein kommt, wieder verschmelzen. Du kannst nicht auf irgend etwas verzichten, denn letztlich kannst Du nur auf etwas verzichten, das Dir gehört.

 

Malaya: Dann stellt sich die Frage des Erfreuens nicht, Swamiji.

 

Swamiji: Letztendlich erfreust Du Dich nur Deines Selbst’ - und

das ist die höchste Freude. Es ist das Verschmelzen des ganzen Dinges (im Sinne von Objekt) mit Deinem Selbst, welches weit größer ist als jeglicher Besitz. Du besitzt keine Dinge, aber Du solltest Dir wünschen, daß sie zu Deinem Selbst werden, weil das eine größere Freude hervorbringt als der Besitz der Dinge.

 

Sogar dann, wenn eine Person eine Sache wünscht, ist es der tiefere Wunsch, “EINS” damit zu werden. Das ist der Grund, warum Du Dich glücklich fühlst, wenn Du hörst, daß das Wunsch­objekt nahe ist. Wenn das Objekt näher kommt, und Du es sehen kannst, wird die Freude größer; die Freude steigert sich, wenn es noch näher kommt. Wenn Du es schließlich berührst, wächst die Freude noch mehr an, - aber selbst das ist noch nicht genug, - doch unglücklicherweise kannst Du nicht darüber hinaus gehen. Du kannst ein Wunschobjekt berühren, aber Du kannst nicht in das Objekt eintreten. Darum fühlst Du als Folge der Wünsche schmerzlichen Verlust, Leid, Tod, Geburt und all das. Der letzte Wunsch ist es, das Objekt zu veranlassen, sich mit Dir zu verschmelzen. Du möchtest nicht außerhalb bleiben. Du wünschst ewige Freude, aber der Raumzeit-Komplex, der sich außerhalb befindet, hindert das Objekt daran, sich mit Dir zu vereinigen, weil jedes Objekt unabhängig ist; wie aber kann es dennoch in Deinen Besitz gelangen?

 

So etwas wie “der Besitz von irgend etwas” gibt es nicht. Es ist lediglich eine törichte Idee; die tatsächliche Absicht aber ist es, Dein Selbst mit dem Selbst des Objektes zu vereinigen, so daß zwei Selbst’ zu einem größeren Selbst werden. Wenn alle Selbst’ verschmelzen, wird es ein noch größeres Selbst ergeben. Dort, wo alle Objekte zu einem Selbst werden, wer könnte da die Freude mit irgend etwas anderem vergleichen? Es ist unvergleichbare Glückseligkeit, weil das Objekt nicht in Besitz genommen wurde, es wurde zu Deinem Selbst. Kannst Du Dir vorstellen , was das für ein Zustand ist? DAS wirst Du danach niemals mehr verlieren, weil Du einzig und allein DAS bist. Kannst Du das verstehen?

 

Es ist eine wundervolle Sache, davon zu hören. Allein davon zu hören, ist wundervoll. Denke in Zukunft jeden Tag darüber nach, und siehe, was mit Dir geschieht. Ein Wunder wird geschehen. Jeden Tag mußt Du, wie jetzt, darüber nachdenken, und fortfahren darüber zu brüten und daran festzuhalten: “Es ist wie DAS, es ist wie DAS.” Dann wirst Du erfahren, daß sich ein Geheimnis vor Deinen Augen öffnen wird. Du wirst danach kein normaler Mensch mehr sein. Ungeheuerliche Freude, Macht, Glückseligkeit, alles wird sich von innen heraus erneuern. Du mußt täglich damit fortfahren, so zu denken, und intensiv darüber zu meditieren.

 

Malaya: Swamiji, welche Dinge sind gut?

 

Swamiji: Einige Dinge sind gut, während andere schlecht sind; aber warum ist das eine schlecht und das andere gut? Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. Was bedeutet es, wenn etwas gut ist ? Was ist damit gemeint, wenn man sagt, daß etwas gut ist? Ist es deshalb, weil es Dir Freude macht? Bedeutet es, daß das, was Dir Freude macht, gut ist? Kann man das so sagen? Doch es ist ebenso möglich, daß das, was Dich erfreut, nicht gut ist, und daß Dir das, was gut ist, keine Freude bereitet. Woher weißt Du, was gut ist? Welche Regel willst Du anwenden, um zu entscheiden, was gut ist?

 

Wenn Du letztendlich, ohne ins Detail gehen zu wollen, eine schnelle und kurze Antwort haben willst , - gut ist, was gut für Deine Seele ist. Alles, was für Deine Seele gut ist, kann als “gut” bezeichnet werden; aber, was ist gut für Deine Seele ? Gut für Deine Seele ist das, was Deine Seele zufriedenstellt.

 

Was wird Deine Seele zufriedenstellen? Wer wird Deine Seele zufriedenstellen? Wird Dich ein Mensch, wie Du, zufriedenstellen? Und wird er, obwohl er sich von Dir unterscheidet, so sein wie Du? Was also wird die Seele zufriedenstellen? Dasjenige wird die Seele zufriedenstellen, was ihr entspricht. Was entspricht der Seele? Welche Natur hat die Seele?

 

Zunächst mußt Du wissen, daß die Seele all-durchdringend und allgegenwärtig ist. Alles das, was diese alldurchdringende Gegenwart beinhaltet, wird die Seele zufrieden stellen. Gibt es

et­was, das all-durchdringend und allgegenwärtig ist ? Es gibt nichts dergleichen. Alles befindet sich nur an einem bestimmten Ort. Nichts kann als allgegenwärtig bezeichnet werden. In diesem Sinne kann nichts auf der Welt die Seele zufrieden stellen. Du wärest nicht einmal damit zufrieden, König der ganzen Erde zu sein, weil die Erde nicht all-durchdringend ist.

 

Die Seele wird durch all das zufriedengestellt, was die Tendenz hat, Universell zu werden. Obwohl nichts vollständig universell ist, gibt es doch bei bestimmten Dingen eine Tendenz hin zum Universellen. Alles, was sich auf das Universelle zubewegt, wird ebenfalls die Seele zufriedenstellen, und muß unsterblich sein, denn die Seele ist nicht sterblich. Sterbliches kann die Seele nicht zufriedenstellen. Das, was die Seele zufriedenstellt, ist ein unsterblicher Charakter, der sich in allem befindet. Ein sterblicher Charakter verschafft keine Zufriedenheit. Es gibt nichts Unsterbliches auf der Welt; - alles ist Sterblich. Nur die schon erwähnte Eigenschaft, mit der Tendenz hin zum Universellen, gibt Zufriedenheit.

 

Derjenige ist ein guter Mensch, der nach dem Universellen Sein strebt. Es mag sein, daß er das Universelle Sein selbst nicht verkörpert, weil er diesen Zustand noch nicht erreicht hat, aber er strebt danach. Ein Mensch, der nach dem Universellen Sein strebt, kann als guter Mensch bezeichnet werden. Letztendlich ist nur Gott gut, und jeder, der diesen Zustand erreichen möchte, ist ebenfalls gut.

 

Jemand, der bildungsfähig wird, möchte sich erziehen lassen. Mag dies im Kindergarten, der Hauptschule, der höheren Schule oder was auch immer sein. Jede Stufe der Ausbildung, mit welchem Abschluß auch immer, bedeutet Erziehung. Auf gleiche Wei­se ist alles gut, was danach strebt, die Eigenschaft der Unsterblichkeit einzubeziehen, weshalb nur der spirituelle Sucher als guter Mensch bezeichnet werden kann. Die anderen Menschen sind selbstsüchtig. Ab dem Zeitpunkt, wo Du nach nichts anderem als der Unsterblichkeit verlangst, - und die Seele ist unsterblich - wirst Du Dich nur noch in der Gesellschaft jener Menschen wohl fühlen, die nach dem Universellen suchen. Die Menschen mögen sterblich sein, aber die Seele dieser Menschen ist unsterblich.

 

Von allen Heiligen und Weisen wird angenommen, daß sie in diesem Sinne gute Menschen sind, da sie nach dem Universellen streben. Darum möchtest Du gemeinsam mit solchen Menschen an Satsangas teilnehmen. Du nimmst nicht mit dem Körper am Satsanga der Heiligen teil. Du nimmst am Satsang mit der Sehnsucht und dem Bedürfnis teil, das der Heilige von innen her spürt. Tatsächlich trägt Deine Seele die Sehnsucht in sich, mit der Seele zusammen zu sein, die auch diese Sehnsucht hat. Darum magst Du auch Heilige und Weise.

 

Malaya: Sind jene, die nicht nach Gott suchen, keine guten Menschen.

 

Swamiji: Sie sind meistens etwas selbstsüchtig.

 

Malaya: Sind sie nicht gut?

 

Swamiji: Nein. Alles, was sich entgegen der Universalität bewegt und verhält, kann nicht als gut bezeichnet werden und wird schließ­lich sterben. Alle Könige und Eroberer werden sterben, weil sie nach sterblichen Dingen suchen. Die Eroberer werden als unglückliche Menschen sterben; der König stirbt wie ein Bettler. Wenn er stirbt, dann ist auch er nur ein Bettler. Er wird nichts mitnehmen können. Der Besitz von Eigentum, alle Werte und jegliche Pracht auf dieser Welt sind so flüchtig wie alles andere auch. Aber das Streben nach Vollkommenheit wird nicht sterben, weil dieses Streben eine Funktion der Seele ist. Es wird deshalb nicht sterben, weil es mit der Seele verbunden ist.

 

Nur ein Gottmensch ist ein guter Mensch; jeder, der versucht, ein Gottmensch zu sein, ist ebenfalls ein guter Mensch. Selbst dann, wenn er sich noch auf der Einführungsebene befindet und sozusagen auf der ersten Stufe steht, sollte er als gut bezeichnet werden. Er ist kein Gottmensch, aber er versucht, ein Gottmensch zu sein. Alles was zur Universalität tendiert, erfreut die Seele. Nichts anderes kann sie zufriedenstellen.

 

Darum kannst Du kein wahrer Freund von irgend etwas sein, - nicht einmal von Deinem Vater und Deiner Mutter. Eines Tages wirst Du sie aufgrund von irgendwelchen Verhaltensweisen nicht mehr mögen. Eltern mögen ihre Kinder nicht mehr, und Kinder mögen ihre Eltern nicht mehr. Die Sympathie ist nur bedingt. Sie mögen Dich nur unter bestimmten Bedingungen; wenn diese Bedingungen nicht mehr erfüllt werden, schauen sie Dich nicht mehr an. Angenommen, Du verhältst Dich auf eigenartige Weise gegenüber Deinen Eltern; dann glauben sie, daß Du nicht gut bist und wollen nicht mehr mit Dir reden. Ähnlich verhält es sich auch mit Dir, - würden sich Deine Eltern Dir gegenüber merkwürdig verhalten, dann würdest Du sie nicht mehr so gerne sehen wollen. Die Liebe der Eltern, Söhne und Töchter, Ehemänner und Ehefrauen ist ein bedingter, sterblicher Wunsch.

 

Nichts auf dieser Welt, außer der Seele, kann überleben, weil die Seele den Charakter der Universalität hat. Andere Dinge auf dieser Welt, alle Freundschaften, die Du hast, sind sterblich, weil sie nur auf den Körper bezogen sind. Jede Liebe ist sterblich, weil sie mit dem Körper des Menschen verbunden ist. Sobald es aber eine Liebe ist, die aus der Seele geboren wurde, hat sie eine Tendenz hin zur Universalität, und es ist eine Liebe von Seele zu Seele, - was nur schwer zu erkennen ist.

 

Alles hat eine Seele, aber Du mußt die Seele in allem erkennen. Du solltest nicht das sehen, was sie bedeckt. Wenn Du einen Menschen ansiehst, siehst Du dann den Körper oder die Seele? Was siehst Du? Wenn du mit jemandem sprichst, mit wem sprichst Du dann? Du sprichst zu der Absicht, zu dem Wunsch, zu dem Bedürfnis, zu der Sehnsucht, zu der Gedankenbewegung der Person. Dann liebst Du nicht den Körper der Person. Vielmehr wirst Du durch seine Absicht, seine Bedürfnisse, seine Art zu Denken, seine Vision angezogen. Das ist der Punkt. Es ist die Idee, die eine Idee liebt. Es ist nicht der Körper, der einen Körper liebt. Ideen ziehen Ideen an. Schließlich besteht die ganze Welt nur aus einer Idee. Du magst es Geist oder Bewußtsein nennen. Die Seele liebt die Seele; Gott liebt sich Selbst.