Die Verwirklichung des Absoluten

Kapitel 1

Einführung

Ganzheitlichkeit und Bestrebung

Das Erreichen von VOLLKOMMENHEIT ist die BEWUSSTE VERGANZHEITLICHUNG des SEINS. Dies ist das zentrale Thema der UPANISHADEN. Die UPANISHADEN sind intuitive Offenbarungen, und Intuition ist eine ganzheitliche Erfahrung. Ihren Verlautbarungen mangelt es nicht darin, in sich selbst die absolute Bandbreite der verschiedenen Methoden zur Annäherung an die EINE WIRKLICHKEIT zu sein, denn GANZHEITLICHKEIT schließt nichts aus. Keine zwei Individuen denken das gleiche, denn das Denken, die objektive Bewegung der Spirituellen Kraft, unterscheidet sich in seiner Art und Bestimmung aufgrund verschiedener Druckpunkte in der Ganzheitlichen Existenz. Aber dennoch müssen alle Individuen trotz dieser, aufgrund ihrer unterschiedlichen Denkweise bestehenden Trennung, das Erreichen eines gemeinsamen Zieles, d.h. den Erwerb eines gemeinsamen Zweckes ansteuern, denn es gibt für alle nur EINE WAHRHEIT und alle Wege müssen sich in der EINEN VOLLKOMMENHEIT treffen. Vollkommenheit oder Wahrheit kann nicht geteilt sein, und es kann keine zwei Absolutheiten geben. Deshalb müssen die Methoden zur Annäherung an die Wirklichkeit alle fundamentalen Naturkräfte oder Qualitäten erben, welche zur eigenen Natur der Reinen EXISTENZ gehören. Es ist diese unleugbare Tatsache, die sich anschickt, die logische Übereinstimmung zu beweisen und die inmitten der Vielzahl der von den relativen Individuen angewendeten Methoden zur Erfahrung der Wahrheit, wie sie wirklich ist, existiert.

Der eine und wohl wichtigste Punkt, an den wir uns in all den Prozessen zum Durchdenken der Natur der Existenz erinnern müssen ist der, daß wir in ihr nicht, - aus Treue zur Vernunft - , solche relativen Unterscheidungen wie 'subjektiv' und 'objektiv' machen, da diese Differenzen natürlich auf rein eigenmächtigen Vorstellungen und Wahrnehmungen beruhen. Wir trennen im reinen SEIN das Subjekt und Objekt nur aus dem Zugeständnis zu einem Glauben in eine 'Innerlichkeit' und 'Äußerlichkeit', die sich auf eine, jeder Verständlichkeit beraubten, unmittelbare empirische Erfahrung stützt. Die objektive Welt und der subjektive Körper befinden sich beide im Verhältnis zum erkennenden Wesen, doch EXISTENZ ist eine unterschiedslose Erkenntnismasse, deren Tatsache durch das Nichterklärbare einer objektiven Erfahrung, die frei ist von unserem Beharren auf einer bewußten Wirklichkeit, die beides, sowohl das Subjekt als auch das Objekt beinhaltet, bewiesen wird. Die Wirklichkeit des Universums ist, sowohl in ihren objektiven als auch subjektiven Aspekten, in sich EXISTENZ, die erst erkannt werden kann, wenn sie zum Inhalt des Bewußtseins selbst wird. Wenn dieser Inhalt nicht verschieden vom Bewußtsein ist, wird er keine Beziehung zum Bewußtsein haben und somit auch nicht erkannt werden. EXISTENZ muß dasselbe wie BEWUSSTSEIN sein, damit Existenz überhaupt erkannt werden kann. Wird sie nicht erkannt, dann ist sie auch nicht existent. Existenz ist wahrhaftig die EXISTENZdes BEWUSSTSEINS. Dasjenige Organ, das erkennt und welches das zugrundeliegende Bewußtsein abändert, geht aus der Existenz hervor. Doch da Bewußtsein unteilbar ist, wird eine solche Unterscheidung innerhalb der Existenz anhand des Untrennbaren in dem Nichtunterscheidbaren, die weder ein innen noch ein außen hat, zu einem natürlichen Erkennungsmerkmal verengt. Nichts, was mit etwas in Beziehung steht, ist wirklich. Beziehung bedeutet immer gegenseitige Abhängigkeit und nicht ‘Selbständige Existenz’. EXISTENZ ist immer absolut, - ohne jede Ausnahme. Die gewöhnliche Wahrnehmung ist jedoch kein geeignetes Kriterium für den Nachweis der WAHRHEIT. Die Sonne hört nicht auf 'zu sein', selbst wenn allen Menschen und Tieren die Augen zum Sehen fehlten; noch wird sie deshalb zum ewigen Wesen, weil wir sie wahrnehmen können. Eine unbewußte Unruhe, die von jeder individualistischen Persönlichkeit in ihrem eigenen Befinden empfunden wird, wie auch die Unmöglichkeit, ewig in diesem abgesonderten Bewußtsein zu verweilen, deutet auf das Wesen des HÖCHSTEN ZUSTANDES der ABSOLUTEN VOLLKOMMENHEIT hin. Wünsche, die im allgemeinen Sprachgebrauch als Kräfte verstanden werden, die das Individuum in Richtung der verhältnismäßigen Existenz hinziehen, sind ein klarer Beweis für die Unfähigkeit des individuellen Wesens, sich mit seiner Endlichkeit zufrieden zu geben; - gekoppelt mit der Forderung nach weiteren Erfahrungen im weiten Feld des Bewußtseins. Das Verweilen in einem relativen Zustand des Bewußtseins verschafft keine Befriedigung, unabhängig davon, wie weit das Stadium seiner Ausdehnung auch sein mag im Vergleich mit den niederen Ebenen des Bewußtseins. In jedem Individuum ist ein innewohnendes Verlangen, andere Bewußtseinszustände zu erfahren und andere Spielarten von Objekten in diesem Universum zu besitzen. Dieses Verlangen findet erst Ruhe, wenn unendliche Bewußtseinszustände erfahren und unendliche Objekte besessen werden, was jedoch keine Vielfältigkeit in der Unendlichkeit bedeutet, denn das UNENDLICHE ist UNGETEILTE EXISTENZ. Selbst die Herrschaft über das gesamte Universum kann keine dauerhafte Befriedigung verschaffen, solange sie nicht dem UNENDLICHEN entspricht. Die Herrschaft über Himmel und Erde ist nur eine relative Existenz, wenn auch von einer hohen Ebene der Verdienste aus, aber die Zufriedenheit erreicht dort, - selbst für die absolute Individualität -, noch nicht ihren Höhepunkt. Vollkommene Zufriedenheit ist in keinem dualen Lebenszustand zu finden, - und sei es auchabsolute Dualität -, sondern einzig in der UNENDLICHEN ERFAHRUNG und dem UNENDLICHEN SEIN.

Die Methode der bewussten Ausdehnung

Das UNENDLICHE SEIN wird nicht durch bloße metaphysische Spekulation erfahren, vielmehr findet ES seine Bedeutung in der unmittelbaren, nicht-relativen Erfahrung. Eine ganzheitliche Erfahrung benötigt ein sich ganzheitlich darauf zuzubewegen, - eine Umwandlung der vollständigen Persönlichkeit. Das ist der Grund, warum der Intellekt, der ein Teil des vollständigen Menschen ist, die WIRKLICHKEIT, welche das GANZE ist, nicht erreicht. Das gesamte Bewußtsein muß auf das zu erreichende Ideal konzentriert werden. Bis zum Erreichen des Zieles ist es unbedingt erforderlich, die sich zerstreuenden Strahlen des persönlichen Bewußtseins in ihre ursprüngliche relative Quelle, in die Wurzel der individuellen Persönlichkeit, - in das geläuterte Ego - , zurückzuziehen. Dem geläuterten Ichbewußtsein, solchermaßen von den abweichenden Anziehungen der Sinneswahrnehmung befreit, ist es gestattet, sich selbst vollständig dem Höheren Zweck der bewußten Ausdehnung in die feineren und weiteren Zustände des Bewußtseins hinzugeben. Jeder höhere Zustand ist ausgedehnter, feiner und umfassender als die niederen Zustände, und die Kraft der VERGANZHEITLICHUNG (Integration) nimmt im Verlauf der fortschreitenden Zustände zu. Kräfte, die in einem bestimmten Zustand des Bewußtseins nicht kontrolliert werden können, fallen leicht unter die Herrschaft eines nächst höheren Zustandes, und die Fähigkeit des Individuums, einen bestimmten Zweck zu erfüllen, nimmt in ausgedehnteren Zuständen weiter zu. Demzufolge sollte die angeborene und letztendliche NATUR des BEWUSSTSEINS notwendigerweise allumfassend, äußerst ausgedehnt und deshalb unendlich sein. Das BEWUSSTSEIN und die KRAFT dieses Höhepunktes im SEIN ist unbegrenzt, da es nichts Zweites mehr zu dieser wesenhaften Bedingung der EXISTENZ gibt. Die bewußte Verankerung des Selbst in dieser homogenen Essenz wird durch ein Opfer der individuellen Getrenntheit zugunsten der FÜLLE des UNENDLICHEN erreicht. Die UPANISHADEN sind das Vermächtnis derjenigen, die das endliche Bewußtsein einer erbärmlichen Individualität transzendiert und das HÖCHSTE in der GANZHEIT der ERFAHRUNG angerufen haben. Die Begrenztheit des mannigfaltigen Lebens wird durch die Tatsache betont, daß das Individuum, welches ein solches Leben lebt, dazu gezwungen wird, sich Dinge und Zustände zu wünschen, die anders sind als seine eigenen. Objektive Existenz als solche ist eine Grenzziehung in der Einheit der beständigen Natur der Existenz, und die Darstellung der Unwahrheit aller Relativität im unterschiedslosen SEIN kann schließlich keinen Sieg erringen. Selbst gegen das oberflächliche Bewußtsein stemmt sich aus den innersten Tiefen eines jeden Wesens ein Drang, mit dem ALL EINS zu werden, wobei es unwesentlich ist, ob dies als Vollkommenheit oder anders empfunden wird. Die UPANISHADEN sind die reifen Früchte solch herrlicher Blumen, wie sie im Licht der Weisheitssonne aufgeblüht sind. Sie führen uns zum GANZEN, von dem sie lediglich dessen psychologische Teile sind.

Die UPANISHADEN sind durch und durch spirituell, und sie vertreten deshalb die höchst umfassende Lehre des YOGA als VERWIRKLICHUNG der WAHRHEIT. Ihre Lehren sind nicht das Ergebnis eines intellektuellen Wunders oder irgendeiner Absonderlichkeit, sondern die Wirkung eines angestrengten und unwiderstehlichen Druckes und entsprechen somit dem praktischen Bedürfnis, aus dem Teufelskreis der Anhaftung an die individuelle Existenz emporzusteigen. Die Aufgabe der SEHER bestand darin, diese Störung im Leben zu beheben, welche, - und das verwirklichten sie, - im Bewußtsein der Getrenntheit des Wesens und dem (daraus resultierenden) Wunsch, etwas zu erwerben und zu werden, was jemand 'nicht ist', angesiedelt ist. Die Heilung liegt (allein) im Erwerb und im Werden von allem, wenn dies auch nur ungenügend durch die Worte 'UNSTERBLICHKEIT', 'UNENDLICHKEIT' usw. ausgedrückt wird. Das zentrale Problem eines jeden einzelnen von uns besteht in der Überwindung der Krankheit des individuellen Lebens und im Erwerb des Zustandes der VOLLKOMMENHEIT, des FRIEDENS und der WONNE. Die UPANISHADEN verdeutlichen den "ZWECK" und die "MITTEL" und, - da jene Weisen das GANZHEITLICHE WISSEN der WIRKLICHKEIT hatten -, betonten sie im Rahmen der Methoden zur Annäherung an das Ziel die Wertigkeit des IDEALES, vorausgesetzt, daß es ganzheitlich ist. Die Praxis eines solch idealen 'SADHANAS ' (spirituelle Praxis) zur Befreiung aus der Knechtschaft des relativen Lebens führt zur leuchtenden Region der ungetrübten Glückseligkeit. Die Unterschiede zwischen den Vorstellungen bezüglich der Wirksamkeit der verschiedenen Methoden zur Umwandlung der Persönlichkeit in das HÖHERE BEWUSSTSEIN entsprechen den verschiedenen Temperamenten und Erfahrungsebenen derjenigen, die sich mit der Aufgabe, die GÖTTLICHE EXISTENZ zu verwirklichen, befassen. Jedes Ego unterscheidet sich im Bewußtsein und in seinen Erfahrungen vom anderen. Sie alle benötigen höhere Erfahrungsberührungen, die im Grad und in der Verhältnismäßigkeit zur Feinheit der Bedingung ihres gegenwärtigen Bewußtseinszustandes voneinander abweichen. Obwohl es die, in den Erklärungen der UPANISHADEN vorliegende, grundlegende Ansicht ein vollkommener intuitiver ABSOLUTISMUS ist, die von der höchsten Klasse der Wahrheitssucher aufgegriffen wird, können wir behaupten, daß man nicht fehl damit geht, in ihnen (auch) die tiefsten Verlautbarungen zu finden, die alle Aspekte der psychischen Konstitution des menschlichen Wesens im allgemeinen berühren. Das Licht und die Wärme der Sonne sind für kein existierendes Wesen im Universum ohne jeden Nutzen, - was auch immer der Weg und der Grad sein mag, in dem es von der Gegenwart der Sonne profitiert -, so daß die Erklärungen der UPANISHADEN zur ganzheitlichen WAHRHEIT in keinerlei Hinsicht nutzlos für den Menschen und dessen Methoden zur Annäherung an die WIRKLICHKEIT sind; denn: "GANZHEITLICHES" beinhaltet alle "ASPEKTE".

Das GANZHEITLICHE des SEINS kann selbst in diesem bestehenden Leben erreicht werden. Es ist nicht notwendig, deshalb noch einige Runden im Rad von Geburt und Tod zu absolvieren, vorausgesetzt, die VERVOLLKOMMNUNG hat sich durch beständige MEDITATION auf die WIRKLICHKEIT und die Verneinung des abgeschiedenen Bewußtseins noch vor dem Ablegen der gegenwärtigen physischen Körperhülle ereignet. Die Schnelligkeit des Prozesses zum Erreichen (des Zieles) hängt von der Intensität der Kraft in der MEDITATION ab, und dies sowohl in ihren verneinenden als auch den sich behauptenden Aspekten. Ein Enthypnotisieren des Bewußtseins von dessen (Wahn der) Verkörperung und individualistischem Dasein ist der wahre Zweck aller Methoden der spirituellen MEDITATION.

Die Lehren der UPANISHADEN sind in der Sprache des SELBST, nicht in der des Intellektes, zum Ausdruck gekommen, und daher dringen sie nicht so leicht in die Tiefe der Seele, wenn diese nicht eine verlangende und brennende Sehnsucht nach der absoluten ERFAHRUNG besitzt. Aufgrund ihrer Abweichung von der WAHRHEIT und dem Umherwandern zwischen den Schatten ist es für die Seele schwer, die STIMME der STILLE zu vernehmen. Die UPANISHADEN betonen, daß selbst der höchste Gewinn in der relativen Welt, vom letzten gültigen Standpunkt aus gesehen, lediglich unter den fließenden Schatten angesiedelt ist. Die schmackhaften Neigungen, welche sich selbst im Prozeß des Erblühens der Individualität in das UNENDLICHE hinein offenbaren, versuchen die Gegenwart der WAHRHEIT im innersten Kern unseres Wesens zu verschleiern. Solcherlei physische Schichten, wie glänzend sie auch sein mögen, sind trotz allem Schichten des Nichtseins, und sollten nicht für das WIRKLICHE gehalten werden. Selbst die feinste Schicht ist nichts als ein Schleier über der WAHRHEIT, ein 'Goldenes Gefäß', das die Essenz verbirgt und das transzendiert werden muß, bevor der wahre Kern des SEINS erreicht wird. Die WONNE des ungefesselten SEIN' übersteigt alle Zustände der relativen Freude, wie ausgefallen diese Freude auch sein mag. Die WONNE des unbegrenzten BEWUSSTSEINS ist der absolute Höhepunkt der EXISTENZ und alles andere muß als unwahr verworfen werden. Der Zustand ISHVARAS ist kein ewiger, da er in Beziehung zum Universum steht, das vergänglich ist. ISHVARA taucht in BRAHMAN ein, wenn das Bewußtsein vom Universum transzendiert wird.

Die WONNE des SELBST ist die WONNE des SEIN'. Es ist die WONNE des ABSOLUTHEITS-BEWUSSTSEIN'. Das Wesen des BEWUSSTSEINS ist das Wesen EWIGER WONNE. Es liegt nicht im ERWERB (von etwas), sondern in der VERWIRKLICHUNG und in der ERFAHRUNG; nicht in der Erfindung, sondern in der Entdeckung. Die Intensität des Bewußtseins nimmt zu, je mehr sich die objektive Existenz dem Subjekt nähert; sie wird um so vollständiger, je intimer das Verhältnis zwischen Subjekt und Objekt wird, und sie ist dann vollendet und zur ABSOLUTHEIT ausgedehnt, wenn Subjekt und Objekt identisch sind. Dieses REINE BEWUSSTSEIN ist dasselbe wie die REINE WONNE, die Quelle der KRAFT und der Gipfel der FREIHEIT. Es ist die Höchste STILLE der leuchtenden FÜLLE des WIRKLICHEN, wo das Individuum im Ozean des SEIN' ertrinkt.

Die Wahrheit und ihre Suche

Die UPANISHADEN erklären nicht, daß die WAHRHEIT ein Zustand der dynamischen Veränderung und Handlung ist, was ja alles auf Begrenzung und Unvollständigkeit hinweist, sondern daß ES eine immerwährende RUHE, unbegrenzte FREUDE und beständige ZUFRIEDENHEIT ist. Wandel bedeutet 'anders zu werden', Veränderung, Bewegung, Handlung und eine Anstrengung, die unternommen wird, um ein unerreichtes Ziel zu erreichen, was wiederum charakteristisch ist für ein unbefriedigtes und unvollkommenes Wesen. Dies kann nicht die Natur der WAHRHEIT sein, da WAHRHEIT immerwährend ist und keine Notwendigkeit zur eigenen Veränderung in sich trägt.
 
Wandel ist die Eigenschaft der Unwahrheit, und die UPANISHADEN behaupten, daß die WIRKLICHKEIT Selbstzufrieden, Selbstsein, Nichtdual, Ruhend und höchst Vollkommen ist. Der Hinweis auf die INNERLICHKEIT und die in sich ausdehnende UNBEGRENZTHEIT des BEWUSSTSEINS ist der immer wiederkehrende Refrain im Lied der UPANISHADEN, die in dieser Hinsicht äußerst mystisch sind, solange der Mystizismus keine irrationalen Gedanken oder sonstigen Verrücktheiten des Geistes in sich trägt. Der transzendentale Mystizismus der UPANISHADEN ist nicht die Wirkung eines emotionalen Ausbruches, sondern eine stille Transzendenz des Intellektes und der Vernunft anhand einer verinnerlichten Entwicklung in das GANZHEITLICHE BEWUSSTSEIN hinein.
 
Die WAHRHEIT, durch die, "wenn einmal erkannt, alles erkannt wird", ist in den UPANISHADEN das Subjekt der Untersuchung und das Objekt der Suche. Die SEHER tauchten in die wahren Tiefen der EXISTENZ ein und kosteten die Natur des UNBEGRENZTEN LEBENS. Sie traten in die WURZEL des Universums ein und das innere Wesen der Zweige konnte durch die Erforschung der innewohnenden Kräfte der GROSSEN LEBENSWURZEL leicht verwirklicht werden. Wenn die Wurzel bewässert wird, erhalten die Zweige ganz von selbst Wasser; wenn das Gold erkannt ist, sind alle (daraus resultierenden) Verzierungen ebenfalls erkannt; wenn die WAHRHEIT verwirklicht ist, ist alles verwirklicht; denn: dieWAHRHEIT ist EINS. Welche Philosophiesysteme auch immer aus den UPANISHADEN erwachsen sein mögen, die offenkundige WAHRHEIT besteht unausgesprochen darin, daß sie alle eine Theorie vorlegen, welche die WIRKLICHKEIT als unteilbar, ohne Objekt und transzendent betrachtet. Sie behaupten, daß der ‘Glaube in eine Verschiedenheit’ aus der Unwissenheit des Bewußtseins herrührt, und daß die WAHRHEIT vom Innersten her eine ungebundene EINHEIT ist. Sie führen uns weg vom falschen Glauben in die objektive Wirklichkeit des Universums, hin zu einer inneren Erforschung des wahren SELBST, das als die feinste ESSENZ unseres Wesens existiert. Und was mit Nachdruck betont wird, ist ihr unermüdliches Beharren auf dem Erreichen der SELBSTVOLLKOMMENHEIT. Einzig ihrer unsterblichen Ehre wegen, ergreifen sie die EWIGE TATSACHE, daß die Erkenntnis des SELBST das Höchste Ziel des Lebens und dessen einzige Bedeutung und Zweck ist, ja, daß die Wesen nur für diesen großen ERWERB des LICHTES, der FREIHEIT und der UNSTERBLICHKEIT existieren! Gesegnet sind diejenigen, die ihr Leben wahrlich sinnvoll gelebt haben, indem sie diese Höhe der unsterblichen Freude in diesem Leben erreichen; diejenigen jedoch sind die großen Verlierer, die ihr Leben vertan haben, indem sie es versäumen, die WAHRHEIT hier (und jetzt) zu verwirklichen (VIDE KENA UPANISHAD II,5.).

Die UPANISHADEN bestätigen in mehrfacher Weise, daß im Festhalten an der phänomenalen Unterscheidung im Sinne einer beständigen Wirklichkeit keinerlei Bedeutung liegt, und daß die WAHRHEIT einzig UNENDLICHKEIT ist. Der gewöhnliche Impuls, das eigene Selbst zum Ausdruck zu bringen, zu entfalten und zu verwirklichen, ist in allen Wesen in unterschiedlichen Stärkegraden gegenwärtig. Der gesamte Prozeß der bewußten Ausübung zur VERWIRKLICHUNG der WAHRHEIT beruht in der Offenbarung dieses tiefsten Impulses im Menschen und einem Miteinander, um sich selbst in das UNENDLICHE auszudehnen. Als Hintergrund jeglicher Art von Ringen im Leben existiert dieser Drang mit dem Ziel, sich im unveränderlichen BEWUSSTSEIN niederzulassen. Selbst dann, wenn jemand blind in seinen Anhaftungen an das persönliche Leben nach äußerem Gewinn strebt, wird derjenige tatsächlich, - wenn auch unbewußt und fehlerhaft -, durch diesen Drang, sich selbst zur VOLLKOMMENHEIT hin auszudehnen, vorwärtsbewegt.

Abstufungen innerhalb der empirischen Wirklichkeit

Die Stufen der WIRKLICHKEIT sind lediglich Stufen innerhalb der Wahrnehmung der WIRKLICHKEIT. In der WIRKLICHKEIT kann es keine Abstufungen oder Ebenen geben, da sie ungeteilt und nicht objektiv ist. Fortschritt, Rückfall, Stufen und Veränderungen aller Art sind nicht Teile des ABSOLUTEN, sondern Formen der verschiedenartigen Phasen des objektivierenden BEWUSSTSEINS, das mit den Mitteln oder Instrumenten der wechselseitigen Erkenntnis im Universum verbunden ist. Diese Stufen oder Schritte des relativen BEWUSSTSEINS werden jedoch in ihren jeweiligen Bereichen als wahr erfahren und müssen von all jenen durchschritten werden, die eine Individualität besitzen, durch die sie vom REINEN SEIN getrennt sind. Diese objektiven Stufen oder Stadien sind so wirklich wie die Subjekte, die diese Stufen in den Kloaken der Erscheinungswelt erfahren. Die Fähigkeit zu einer solchen Ausdehnung unterscheidet sich, gemäß dem Umfang der sich in ihnen offenbarenden WIRKLICHKEIT, stufenweise in den verschiedenen Wesen. Gemäß den Abstufungen der Intelligenz, die ihre Natur erleuchtet, sind die Wesen jeweils auf einer höheren oder niedrigeren Stufe. Die Wesen im Universum unterscheiden sich durch die Art ihrer Denkweise, welche durch die Intensität der in ihnen gegenwärtigen WAHRHEIT kontrolliert wird. Die Natur scheint eine in vielfacher Hinsicht verdrehte und unterschiedlich abgestufte Offenbarung des GEISTES zu sein. Die Individuen, in sich selbst abgetrennt und begrenzt durch Raum und Zeit, unterhalten mannigfache Beziehungen untereinander, je nach dem Verhältnis zur Tiefe des durch sie verwirklichten BEWUSSTSEINS. Je tiefer das verwirklichte BEWUSSTSEIN in einem Individuum, desto näher ist es der EWIGKEIT. Der Drang hin zum Individuum und die Verwurzelung des Ego-Sinnes ist die trennende Kraft. Je größer die Kraft ist, mit der dieser Trennungshang zum Versiegen gebracht oder zur UNENDLICHKEIT erweitert wird, desto umfassender und tiefer ist das LICHT und die FREUDE, die verwirklicht und erfahren wird. Hieraus wird ersichtlich, daß, - mit Ausnahme jener großen feurigen Methode zum Erwerb der UNMITTELBAREN SELBST-ERFAHRUNG

Die Methode der REINEN ERKENNTNIS

Der Prozeß der SELBST-VERWIRKLICHUNG ein fortschreitender sein muß, und daß niemand in einen höheren Bewußtseinszustand hineinfliegen kann, ohne vorher die Bedingungen der niederen, geringeren und gröberen Stadien zu erfüllen. Zunächst muß den Erfordernissen der begrenzten Abschnitte der Offenbarung entsprochen werden, bevor man das HÖCHSTE METAPHYSISCHE SEIN erreichen kann. Eine gestrenge Unterscheidungsfähigkeit mag den Ausblick auf einen fortschreitenden Prozeß innerhalb der WIRKLICHKEIT zurückweisen, und dennoch findet in allen relativen Bedingungen ein Prozeß statt, der solange gültig ist, solange die Dualität auf sich beharrt. Wie auch immer, alles geschieht demjenigen zum Besten, dessen Herz sich jenem Handeln zuneigt, das mit dem unsterblichen GESETZ des UNENDLICHEN LEBENS übereinstimmt. Keine Erkrankung, weder eine physische noch eine geistige, kann ihn jemals angreifen.

Der Weg zum Gesegnetsein

Dieser wichtige Faktor wird durch den modernen Menschen, wie gelehrt und gut erzogen er auch sein mag, gerne vergessen. Er hat es abgelehnt, sich dem Wirken der SPIRITUELLEN NATUR frei zu übergeben und hat statt dessen sein Bestes versucht, sich selbst in den Zustand einer individuellen Existenz zu zentrieren. Die Leiden der modernen Welt mögen dieser verkrampfenden Neigung entsprechen, die stets versucht, den Weg zur Erweiterung des SPIRITUELLEN BEWUSSTSEINS im menschlichen Wesen zu blockieren. Als Beispiele mögen stellvertretend für jene Kräfte die halb ausgegorene Naturwissenschaft und Psychologie erwähnt werden, die den glücklichen Prozeß der WAHRHEITSVERWIRKLICHUNG hemmen. Die, durch falsche Erziehungsmethoden, sozialen und politischen Hader, individuelle Boshaftigkeiten und durch die Degeneration der Welt verursachten Krankheiten, sind alle durch die eine schreckliche Tatsache bewirkt, nämlich, daß sich die Menschheit gegen das GESETZ der SPIRITUELLEN WIRKLICHKEIT gewendet hat. Solange diese selbstzerstörerische Neigung im menschlichen Geist nicht beherrscht und den Menschen nicht der richtige Weg des Fortschrittes gezeigt wird, muß die unglückliche Welt zufrieden sein mit ihrem Schicksal. Das Heilmittel liegt allein in unserem aufrichtigen Bestreben, Zuflucht zur DIREKTEN METHODE einer solchen VERWIRKLICHUNG, und zwar hier und jetzt, zu nehmen. Die Menschheit muß stufenweise spirituell werden. Jene, die denken, daß sie aufgrund ihres Handelns im Sinne von SELBST-VERWIRKLICHUNG der Welt ein Unrecht antun, müssen natürlicherweise wie jemand erscheinen, der noch nicht über das Stadium der Leichtgläubigkeit der Kindheit hinaus gewachsen ist. Denn sie haben offensichtlich vergessen, daß das SELBST, was nichts anderes als das ABSOLUTE ist, das gesamte Universum beinhaltet und noch weit übersteigt. ES ist die Stütze von allem und nicht der Verlierer von irgend etwas. Die Wohlfahrt der Gemeinschaft beruht letztlich in ihrer SPIRITUALITÄT. Gesellschaft ist eine Ansammlung von Körpern, die durch das unbewußte spirituelle Band, das zwischen den Wesen gleichen Geschlechtes oder der Art besteht, bewirkt wird. Die sozialen Fesseln sind zwischen denjenigen, die ähnlich denken und dasselbe Verhalten pflegen, stärker. Das stärkste Band ist jedoch dasjenige, das all jene miteinander verbindet, die sich auf der gleichen Ebene der Bewußtseinstiefe befinden. All dies deutet spiegelbildlich auf die innewohnende Natur der UNTEILBARKEIT der EXISTENZ hin, die EINS ist. Die menschlichen Wesen müssen diesem SPIRITUELLEN GESETZ gemäß erkennen und handeln. Dieses GESETZ anzuerkennen sollte nicht nur dem Zweck akademischer Untersuchungen dienen, sondern muß ganz allgemein die Grundlage des täglichen Lebens eines jeden einzelnen sein. EINHEIT in der Welt benötigt ein das Herz verbindendes Gefühl der EINHEIT zwischen den Bewohnern dieser Welt. Dies ist das Gebot der Stunde! Dies ist die Aufgabe der politischen und religiösen Führer! Das ist es, was den Weg zum GESEGNETSEIN des gesamten Universums pflastern wird. Die UPANISHADEN sind unsere Leuchttürme in diesem Höchsten Versuch. Laßt sie uns verstehen und ihnen mit Aufrichtigkeit, Glaube, Ruhe, Sicherheit und Beständigkeit folgt.