Die Essenz der Brahma Sutras



Die Vorbereitungen zum Sadhana

Dass so viele Kommentatoren und Acharyas, die die Brahma Sutra ausgelegt haben, keine allgemeine Definition über die Natur der Befreiung dargelegt haben, besagt, dass die Befreiung keine so einfache Sache ist. Dies ist kein Witz. Eine Schwierigkeit ergibt sich, ob nun wegen des Verstehens der Bedeutung der Befreiung oder wegen der zum Ziel führenden Methode zur Befreiung, weil wir in die Welt sinnlicher Wahrnehmungen und in ein Körperbewusstsein eingebunden sind. Diese Dinge hindern uns daran richtig zu denken. Alle logischen Argumente basieren letztendlich auf dem Körperbewusstsein und darauf, wie wir die Welt durch unsere Sinnesorgane wahrnehmen, wovon niemand befreit ist.

Niemand kann den Einfluss der Sinneswahrnehmung verleugnen, und nie­mand kann Körperbewusstsein verleugnen. Mit dieser Art von Behinderung versuchen wir Brahman zu verstehen. Selbst die Kommentatoren stehen unter diesem Einfluss. Auch die Acharyas mit ihren gut gemeinten Absichten sehen die Welt durch ihre Sinnesorgane, und sie haben auch eine Persönlichkeit, obwohl sie eine besondere Begabung für die Intuition haben.

Wie weit müssen wir uns diesen unentrinnbaren Hindernissen entziehen, und welcher Art von Tapas (Strenge, Disziplin) müssen wir uns unterziehen, um Befreiung zu erlangen. Unsere Wertvorstellungen haben letztendlich auf dem spirituellen Weg keine Bedeutung. Wir müssen zuerst alle Vorbedingungen aus unserem Geist entfernen und neugeboren werden.

Die Idee ist, dass man in den Spirit wieder geboren werden muss. Geistig gehören wir überhaupt nicht zu dieser Welt. Wenn wir uns eine unbefangene Meinung bilden möchten, sollten weder in körperlichen Bedingungen noch weltlichen Bezügen denken. Alle Gesetze und Regeln wurden von den Menschen erschaffen. Alles, was gesagt wird, alle Gesetze, Regeln, Disziplinen, Verhaltensweisen, von denen die Menschen reden, haben letztendlich keine Bedeutung, denn die Menschen wurden mit bestimmten falschen Grundmustern des Geistes geboren, die durch die Sinnesorgane und das Körperbewusstsein bestimmt sind. Dies ist auch der Hauptgrund, warum Yama die Antwort auf die schwierige Frage Nachiketas schuldig blieb: Du kleiner Junge! Sprich nicht so viel zu mir!‘

Doch wir wollen Befreiung. Die schwierige Aufgabe, die vor uns liegt, ist Sadhana. Was ist Sadhana? Es ist nicht nur das Singen von Liedern, Bücher lesen und das frühe Aufstehen zum Gebet. Sadhana ist eine langsames und schrittweises Lösen des Geistes, in körperlichen Bedingungen und weltlichen Objekten zu denken.

Gott ist nicht so leicht zu erreichen. In gewissem Sinne ist ER leicht zu erreichen; doch, auf Grund des körperlichen Hindernisses, auch wiederum nicht. ER ist schwer zu erreichen. Gebildete Menschen, große Gelehrte, selbst Heilige werden ärgerlich, wenn man sie beschimpft. Es gab Visvamitra, Durvasa (große Heilige), empfindliche Menschen. Warum sind sie so empfindlich? Welch großes Tapas sie auch immer vollbracht haben, sie konnten nicht vergessen, dass sie sich in einem Körper befinden. Dies ist der schlimme Vorhang, der sich in das Bewusstsein aller Menschen gesenkt hat.

Rechtschaffenheit mit Gott ist wirkliche Rechtschaffenheit. Der ehrliche Umgang mit anderen Menschen, mit Ladenbesitzern usw., ist eine Art von gesellschaftlicher Rechtschaffenheit. Gott gegenüber ehrlich zu sein, ist etwas vollkommen Anderes; dies hat nichts mit Ethik zu tun. Spiritualität steht über menschlicher Ethik, da Gott in dem Sinne keine bindende Ethik hat. So zu denken, ist ein wirklicher Schlag gegen die Denkweise der Menschen. Man kann nicht die Denkweise der Menschen beibehalten und in Gott eintreten. Und wenn du die Denkweise der Menschen nicht ablegen willst, dann bleibe wer du bist und sei glücklich!

Ich werde dir alles geben, was du wünschst, alle Schönheiten, alles Silber, ein langes Leben, gutes Essen!‘ erzählte Yama, sei glücklich! Warum machst du dir Gedanken über das Jenseits‘ und all das?‘ Jeder sollte die Kathopanishad gelesen haben. Es gibt einige Ashrams in Indien, wo es eine Pflichtübung ist, die Kathopanishad jeden Tag zu rezitieren. Es ist eine kurze Darlegung der ganzen Spiritualität, - von Anfang bis hin zum Absoluten, in wundervoller Dichtkunst, sehr klangvoll und erbaulich zu lesen und zu hören.

Wenn man Schüler der Befreiung ist, muss man sich die Zeit nehmen, in sich selbst zu forschen. Du bist nicht das, was andere Leute von dir glauben, das du bist. Ich bin nicht, was andere Mensch von mir glauben, das ich bin‘, dies muss von jedem akzeptiert werden. Geh in dein Badezimmer, deine Küche, dein Schlafzimmer, - dort findet sich niemand, der dir irgendetwas sagt, der dich lobt; du bist allein und musst dich selbst beurteilen. Welchen Wert habe ich in den Augen Gottes?‘ Stell dir vor, die Allmacht schaute von überall mit Millionen von Augen auf dich. ER sieht dich. Das Gewissen wird dir die Gedanken Gottes widerspiegeln. Du solltest nicht sagen: Gott könnte irgendetwas denken. Ich weiß es nicht; - wie sollte ich SEINE Gedanken erahnen?‘ Wir können es wissen, denn Gott hat sich selbst in unser Herz eingepflanzt. Die innere Stimme sagt uns, was Gott über uns denkt. Wir mögen erschrecken, wir wollen nicht gern SEIN Gesicht sehen. Wir wollen nicht, dass ER uns sieht. Oh, lass IHN ein wenig weiter weg sein‘, denn wir wissen, dass wir in uns solche dummen Sachen haben, die wir selbst nicht einmal vor Gott preisgeben möchten.

Reinigung ist notwendig. Was heißt das? Die Menschen bemühen sich viele Jahre mit ihren Gurus, um das Geheimnis der Meditation auf Gott kennen zu lernen. Sie befreien sich von Bindungen, Vorlieben und allem Hass, Verbindungen jeglicher Art, Wünschen, Leidenschaften und Gier. - Sie schwiegen und lebten zufrieden mit dem, was sie zur Körpererhaltung erhielten. Sie baten ansonsten um nichts. Sie zogen es vor, allein zu leben. Wenn Gott etwas Alleiniges‘ ist, müssen wir lernen, mit uns selbst allein zu sein.

Das Alleinige wird zum ALLEINIGEN gehen‘, wie es richtig heißt. Eine Gesellschaft kann Gott nicht erreichen. Eine politische Organisation kann Gott nicht erreichen. Eine Vereinigung kann Gott nicht erreichen. Das Alleinige geht zum ALLEINIGEN. Was bedeutet es, alleine zu sein? Ich fühle mich alleine; Fünfhundert Meilen um mich herum gibt es keinen Menschen‘; - niemand kann dir sagen, wer du bist. Du musst dich nicht besonders benehmen, und weil niemand da ist, musst du niemandem Respekt erweisen, - man stelle sich das einmal vor. Das gesellschaftliche Verhalten verschwindet, denn Verhaltensweisen bedingen einer gesellschaftlichen Grundlage. Die Menschen sagen: Du musst dich ordentlich benehmen.‘ Doch wie soll man sich verhalten, wenn man alleine bist? Warum sollte man sich selbst gegenüber gut benehmen?

Es ist notwendig allein zu leben. Es ist nicht gut, mit einer Vielzahl von Menschen zusammenzuleben, sonst nimmt man künstliche Verhaltensweisen an. Was denken die Menschen von mir, und was sollte ich von ihnen denken? Was sagen sie über mich?‘ Diese Fragen stellen sich nicht, wenn man alleine ist. Dies ist der Grund, warum die Lehrer von ihren Schülern zu Anfang ein zurückgezogenes Leben verlangen: Geh an einen entfernten Ort und lebe alleine, verweile dort für drei Monate. Schreibe niemandem irgendwelche Briefe. Sprich mit niemandem.‘

Drei Monate lang alleine zu leben, kann man mit Willenskraft aushalten, dann wehrt sich der Geist und macht dir das Leben schwer. Man spürt ungeahnte Furcht, die Furcht wird durch das Ego erzeugt. Das Ego glaubt, es würde sich selbst verlieren und schlägt sofort Alarm. Menschen, die längere Zeit an entfernten Orten alleine leben, entfernen sich von allen menschlichen Bindungen und bekommen Todesängste. Plötzlich erschauern sie: Irgendetwas ist mit mir nicht in Ordnung‘.

Um diese Art extremer Isolierung aus den vorgenannten Gründen zu vermeiden und sein Leben nicht zu riskieren, ist es besser langsam mit täglicher Übung voranzugehen. Jeder hat einen Platz, wo er sich mal für eine Stunde zurückziehen und sich folgende Frage stellen kann: Was bin ich in den Augen Gottes, der mein Ziel ist?‘ Dein Bewusstsein wird diese Frage beantworten. Du kannst dir die Frage selbst beantworten, und gleichzeitig fühlst du als Antwort Gottes über dich, dass du ein wertloser Narr bist. In den Augen Gottes bin ich ein Narr? Ist das so?‘ - Anstelle, dass dich die Welt als Nobelpreisträger oder sonst irgendetwas ehrt, sollst du ein Narr sein. Worin liegt der Nutzen einer Auszeichnung, die von Menschen verliehen wird? Lass die Auszeichnung von Gott kommen. Wenn man von Herzen rein und ehrenhaft ist, das Ziel klar ist, gibt es keine solche Furcht, sondern es erhebt sich Zufriedenheit.

Warum vertragen die Menschen nicht, für einige Zeit allein zu sein? Warum sind sie so nervös und müssen von einem Ort zum anderen wandern, um überall ein paar Worte zu wechseln? Worin liegt der Grund für diese Schwierigkeit? Besteht denn keine notwendig, sich von der Hölle der Wiedergeburt zu befreien? Warum ist es für viele Menschen so ein Problem, ohne jeden Kontakt zur übrigen Welt, allein zu sein und dann Selbstanalyse zu betreiben? Auf Grund unserer Armseligkeit und auf Grund unserer Endlichkeit, befällt uns immer wieder eine Art von Hilflosigkeit.

Der Wunsch nach dem Absoluten Sein, dem allmächtigen Gott, ist keine wirklich schreckliche Übung. Es ist ein Weg, sich selbst mit Freude zu überfluten. Die Kontemplation auf Gott, im wahrsten Sinne der Universalität SEINER Existenz, kann innerhalb einer Minute das Gefühl verleihen, dass die Welt der Mächte in dich eintritt. Das Eintreten der Macht Gottes nimmt keine Zeit in Anspruch. Der subtile Teufel wird wiederum sagen: Gott? Wie lange wird das dauern? Ich weiß es nicht. Ich bin dafür nicht bestimmt‘. Wann wird ER kommen? Wir wissen es nicht; ich leide‘. Der Gedanke an Gott ist keine Furcht Erregende Übung. Wenn du dich als Niemand und unvollkommen vor Gott fühlst, dann wirst du dich, auf Grund der Wertlosigkeit deiner Existenz im Angesicht Gottes, vor IHM fürchten. Doch warum solltest du dieses Gefühl entwickeln? Warum solltest du dich wertlos fühlen?

Stelle dir selbst folgende Frage: Wo liegt mein Fehler? Ich bin ein guter Mensch‘. – Dann sprich zu dir: Ich bin wirklich ein guter Mensch. Ich tue niemandem etwas zu Leide, und ich sage niemandem etwas Schlechtes nach‘. – Schließe deine Augen: Bin ich ein guter Mensch? Hatte ich jemals die Absicht, jemanden zu verletzen?‘ – Du fühlst: Nein! Ich bin wirklich ein guter Mensch‘. – Du sprichst zu Gott: Ich bin ein guter Mensch. Ich bin ehrlich. Ich habe keine Wünsche, keine Laster, keine Gier und empfinde keine Leidenschaften. Ich bin nicht gereizt. Ich will nichts‘. – Gott wird seine Augen öffnen und SEINE Gnade über dich ergießen. Da Gott keine Zeit kennt, braucht ER auch keine Zeit, um SEINE Gnade auszugießen. Zweifle nicht, hab Vertrauen. Ich versichere dir, eines Tages wirst du dich ändern, - an nur einem Tag. Sei nicht verzweifelt, fühle dich nicht wertlos oder dies sei nicht für dich bestimmt. Sage nicht: Dies sei eine zu große Sache, die nicht für dich bestimmt sei!‘ – Du bist nicht klein oder dumm, sondern sage zu dir: Ich nicht dumm. Ich bin ehrenhaft. Ich habe keine Gier. Ich bin ein guter Mensch‘. Nur dann wirst du ein guter Mensch. Es ist wie ein Mantra, und du wirst zu ihm werden. – Sag dies einhundert Mal: Ja, ich bin sicher, ein guter Mensch zu sein, und Gott ist mir freundlich gesinnt. Ich werde alles von IHM bekommen. Ich will IHN. Ich will nichts anderes‘. – Das ist ein mächtiges Sadhana.

Diese allgemeinen menschenbezogenen Einzelheiten finden sich nicht in der Brahma Sutra, doch sind sie stillschweigend einbezogen. Ehrlichkeit mit Gott ist die Sadhana. Um Gott gegenüber ehrlich sein zu können, musst du wie Gott denken. Wie denkt Gott? ER denkt in einer totalen Übersicht. Das ganze Universum hat sich selbst in einem einzigen Erfahrungszentrum überflutet. Du spürst es sofort auf deiner Haut. Du spürst ein Vibrieren deiner Haut, so als würden Ameisen auf deinem Körper herumkrabbeln. Irgendetwas geschieht mit dir. Oh Erde, Wasser, Feuer, Luft und Himmel! Ihr seid meine Freunde‘. – Bhartrihari sagt in seiner Vairagya Satakam: Oh Mutter Erde, du hast mich so lange ausgehalten. Oh Bruder Wasser, du hast mich so lange ausgehalten. Oh lieber Freund Agni, Feuer, du hast mich so lange ausgehalten. Oh Vayu, ich habe dich so lange geatmet, und du warst so freundlich zu mir. Oh Akasha, Raum, du hast mir die Erlaubnis gegeben, hier zu bleiben. Nun möchte ich euch Lebewohl sagen! Ich befreie mich von diesen Verpflichtungen. Nehmt alles zurück, was ihr mir geliehen habt. – Leeye Para Brahmani – Nun trete ich in das ALL-Sein ein.‘ Dies ist das abschließende Gebet von Bhartrihari.

Es finden sich auch ähnliche Verse in der Manu Smriti, die sehr anrührend sind. Was ich letztendlich sagen möchte ist, dass jeder in der Lage sein sollte, täglich eine Stunde lang allein zu sitzen. Dies sollte nicht in einer Menschenmenge geschehen, sondern du solltest allein mit IHM sein und dabei spüren, dass du allein mit Gott bist. – Gott ist sehr nett zu mir und ER ist mit mir zufrieden.‘ – Wenn du dies empfindest, ist ER wirklich mit dir zufrieden. – Ich spüre, dass Gott mit mir zufrieden ist. ER kommt mir näher. Er tritt in mich ein. ER ist in mich eingetreten. Ich schaudere auf Grund der Weite, die in mein endliches Selbst eingetreten ist.‘

Dies ist Vaishvanara Vidya Meditation, die in den Upanishaden erwähnt wird und in der Brahma Sutra wiederholt wird. Dies entspricht auch der Bhuma Vidya, die in der Brahma Sutra ausgelegt wird. Diese Lehre erscheint in der Chhandogya Upanishad: Beim Eintritt des ALL-Sein in mir, gibt es in mir keine Gedanken.‘ Das Sein überflutet das Sein, Licht betritt Licht, das Ich‘ betritt das Ich‘, Luftblasen betreten den Ozean.

Denke jeden Tag darüber nach. Dies ist kurz gefasst Bhuma Vidya oder Vaishvanara Vidya, die höchste Art der Meditation, die man sich vorstellen kann. Das Schlimme ist, wir glauben nicht, dass es möglich ist. – Es ist mir nicht möglich. Ich bin nicht reif dafür.‘ – Ich habe viele Probleme. Ich habe vielerlei Schwierigkeiten.‘ – All diese Schwierigkeiten werden dahinschmelzen. Berge von Sünden können durch die Flamme des Wissens zerstört werden. Die Bhagavad Gita sagt:

Jnanagnih sarvakarmani Bhasmasat kurute tatha‘ (Gita IV.37)

So wie ein Strohhaufen durch einen Streichholz zu Asche werden kann, können Berge von Irrtümern, zu denen man sich in vielen Leben zuvor bekannt hat, durch den Eintritt in dieses Wissens des ALL-Seins fortgewischt werden.

Es gab einen großen Heiligen namens Raikva, der in der Chhandogya Upanishad erwähnt wird. Raikva hat eine modifizierte Form der Meditation der Vaishvanara Vidya entwickelt. Ein Schüler ging zu seinem Meister und bat ihn: Bitte sag mir, was du weißt.‘ Er lehrte eine Vidya namens Samvarga Vidya. Samvarga Vidya bedeutet: Die Kunst, alles in sich aufzusaugen.‘

Die Idee von der Vaishvanara Vidya ist, sich selbst mit allem zu identifizieren. Hier haben wir nur eine kleine Modifikation. – Du saugst die Sonne in dich auf; ich strahle wie die Sonne‘. – Sauge den Mond in dich auf. Sauge den ganzen Raum in dich auf. Sauge die ganze Welt in dich auf. Sauge alle Menschen in der Welt in dich auf. Sauge alles Endliche in dich auf. Sauge alle vierzehn Welten in dich auf. – Und stehe da, wie ein mächtiger Eroberer des Universums. Dies ist Samvarga Vidya, die Kunst des Aufsaugens, sodass man zu Allem wird, und, wie die Upanishad sagt, die guten Taten sammeln sich in diesem Menschen, und die Tugenden aller Menschen sind seine Tugend.‘