Mysterium und Kontolle des Geistes

Auszüge aus dem Buch "Mind - Its Myteries and Control" von Swami Sivananda

12. Kapitel

Wie beherrscht man das Geistorgan?

Der Geist kann nur durch unermüdliche Ausdauer kontrolliert werden. Seine beiden Arbeitsweisen beinhalten die unterscheidende und die vorstellende Fähigkeit. Durch Nichtunterscheidung und Unwissenheit unterliegt der Geist der Vorstellung, dass sich die Seele auf diesen Körper begrenzt, was ihn dann zu der Annahme verleitet, dass die Seele gefesselt sei. Die Wurzel der Fesselung ist jedoch der egoistische Geist. Man sollte sich sehr vor den Fehlinformationen und Trugschlüssen des Geistes hüten. Der Geist ist wie ein verspieltes Kind; man muss ihn mit SATTVA anfüllen und immer wieder zum Überdenken der Wahrheit und zu Gott anhalten. Das Yogasystem fordert uns zu einer Reise durch mehrere geistige und spirituelle Disziplinen auf. TAPAS72 vernichtet die Sünden, schwächt die Sinneskraft, reinigt das Unterbewusstsein und führt zu einem zielgerichteten Verhalten des Geistes. Diese Übungen verleihen geistige Ruhe; sie beseitigen die Ruhelosigkeit des Geistes und damit ein erhebliches Hindernis auf dem Weg zur Erkenntnis. Ein Leben im Zölibat73, frei von familiärer Bindung, würde eine herzensvolle Hinwendung zum spirituellen SADHANA56 wesentlich erhöhen. Wer SATYA74 und BRAHMACHARYA75 praktiziert, wird furchtlos. Gesegnet sind diejenigen, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen (DARSHAN76). Das Herz und ebenfalls der Blick (auf etwas) müssen rein sein, denn es gibt sozusagen eine Zunge in den Augen, die lustvoll die verschiedenen Arten von Schönheit schmeckt. Diese Lust der Augen ist genauso gefährlich, wie die Fleischeslust. Schönheit der Natur entspringt dem HERRN. Lenke Deine Augen gut und lass’ sie Âtman überall sehen.
Die „Bergpredigt“ Christi beinhaltet im wesentlichen die YAMA77-Praxis des RAJA-YOGA-Systems. Es ist nicht so einfach, diese Lehren auszuführen, doch wem dies gelingt, der kann sein Geistorgan leicht beherrschen. Die „Bergpredigt“ umfasst folgende Lehren:

1. „Selig sind die, die arm sind im Geiste, denn ihnen gehört das Himmelreich.“
2. „Selig sind die Trauernden, denn sie werden getröstet werden.“
3. „Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Land besitzen.“
4. „Selig sind die, die nach Gerechtigkeit hungern und dürsten, denn sie werden gesättigt werden.“
5. „Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.“
6. „Selig sind die, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.“
7. „Selig sind die Friedensstifter, denn sie werden Söhne Gottes heißen.“
8. „Selig sind die, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, denn ihrer ist das Himmelreich.“
9. „Selig seid ihr, wenn sie Euch schmähen, verfolgen und Euch verleumderisch alles Böse um meinetwillen nachsagen. Freut Euch und frohlockt, denn Euer Lohn ist groß im Himmel, denn so haben sie in früheren Zeiten auch die Propheten verfolgt.“
10.„Ich aber sage Euch: Widersteht nicht dem Bösen, sondern haltet dem, der Euch auf die rechte Wange schlägt, auch die andere hin.
„Und dem, der Euch vor Gericht bringen und Euren Rock nehmen will, dem laßt auch Euren Mantel.“
„Liebet Eure Feinde wie Euch selbst, und segnet jene, die Euch verfluchen; seid gut zu denen, die Euch hassen, und betet für jene, die Euch verachten und verfolgen.“

Studiere am Morgen, bevor Du zur Arbeit gehst, sorgfältig die „Bergpredigt“ von JESUS CHRISTUS und erinnere Dich ein- bis zweimal täglich dieser Lehren. Du wirst allmählich dazu fähig werden, Deine Gefühle und Stimmungen zu regulieren, Tugenden zu kultivieren und Laster auszurotten. Du wirst überaus großen Frieden und Willenskraft erhalten. Der spirituelle Pfad ist schroff, dornig und abschüssig, wobei einige der Dornen innerhalb und einige außerhalb angesiedelt sind. Wollust, Habgier, Zorn, Täuschung, Eitelkeit usw. sind die inneren Dornen. Die schlimmsten äußeren Dornen sind in der Gesellschaft übel gesinnter Menschen vorzufinden. Vermeide deshalb jegliche üble Gesellschaft. Vertiefe Dich in tugendhafte Handlungen. Überwache den Geist und warte ab, was geschieht. Schau nach innen und lebe ein verinnerlichtes Leben. Lass den Geist und die Hände ihren Anteil am täglichen Werk automatisch vollziehen, doch richte das innere Auge des Geistes stets auf die wonnevollen Füße des HERRN.
Der Geist ist leichtfertig, tändelnd und bequem. Man muss ihn beherrschen. Der Wunsch nach Behaglichkeit und Bequemlichkeit ist im Geistorgan verankert, weshalb spirituell Strebende wachsam und vorsichtig sein sollten. Versuche nicht, Deine Wünsche zu erfüllen. Wenn das Gemüt Dir zuflüstert, zu den abgewiesenen Objekten zurückzukehren, dann wehre es mit dem Stock der Unterscheidung ab. Sei still und sei standhaft. Wenn man seine Wünsche auch nur um einen Gegenstand erhöht und dadurch seiner Bequemlichkeit freien Zutritt verschafft, dann werden es morgen schon zwei Dinge sein usw., die als notwendig erachtet werden. Der Geist benimmt sich dann wie ein verhätscheltes Kind. Man muss den Geist für jeden begangenen Fehler, z.B. durch Fasten, bestrafen. Diejenigen, die mit nichts, was ihnen begegnet, zufrieden sind, haben einen schwachen Geist. Zufriedenheit ist eine sehr große Tugend. Nimm alles, wie es kommt, ohne Klagen und Murren an, dadurch wird jegliche Reizbarkeit verschwinden. Wer inmitten von Lärm lebt, sollte sich nicht darüber beklagen, sondern spirituellen Nutzen daraus ziehen. Äußere Störungen sollten zum Zweck der Konzentration benutzt werden. Man muss die Kraft entwickeln, ungestört von allen Störungen ringsherum, zu arbeiten. Zu lernen, unter verschiedenen Bedingungen zu arbeiten, bedeutet, Fortschritte zu machen. Die Gesellschaft spiritueller Menschen und guter Umgebung spielen in der Erweiterung des Geistes eine gewichtige Rolle. Das Studium anregender Bücher ist im spirituellen Sadhana hilfreich, doch allzu viel davon lässt das Gehirn konfus werden.
Das Geistorgan ist MAYA47, die sich selbst verwirrt. Der niedere, triebhafte Geist zieht nach unten, hin zu allerlei Sinnenfreuden, und täuscht in vielfacher Weise. Jemand mit starker Unterscheidungsfähigkeit zwischen dem, was wirklich (SAT) und unwirklich (ASAT) ist, kann von diesem niederen Geist nicht berührt werden. Entsage den Wünschen und Sankalpas nach Objekten. Kultiviere Leidenschaftslosigkeit und entsage diesem kleinen, täuschenden „Ich“. Verwöhne nicht diesen vergänglichen Körper. Streite oder kämpfe nicht mit dem Geistorgan, denn damit verschwendest Du unnötige Energien. Lebe in der Wahrheit. Laß Dich nicht von Misserfolgen entmutigen, sondern tue Dein Bestes. Brüte nicht über Deinen Fehlern und Versäumnissen, sondern schaue auf sie und versuche immer wieder aufs neue Dein Bestes. Der Denkanteil Deines Geistes sollte immer mit dem ausführenden Anteil in Harmonie zusammenarbeiten. In der Hinwendung zu einem Objekt sollten unsere Gedanken nicht umherwandern. Während man liest, sollte man nur an das Lesen denken. Das Ausüben religiöser und ethischer Regeln sollte buchstabengetreu vollzogen werden und nicht nach dem Motto geschehen, „ich werde es versuchen, so weit dies möglich ist“. Dieser Vorbehalt des „so weit dies möglich ist“, erlaubt dem Geistorgan einen Spielraum der Müßigkeit und Nachsicht. Er wird nur auf die erstbeste Gelegenheit warten, um wieder rückfällig zu werden. Sei deshalb in Deinen Bemühungen unnachgiebig.
Die Mehrzahl der Menschen erlaubt es dem Geist, wild umherzurennen, und seinem eigenen süßen Willen und Wunschdenken zu folgen. Der Geist verändert sich ständig und wandert umher; er springt von einem Objekt zum anderen. Voller Unruhe wünscht er sich stets Abwechslung; Monotonie mag er überhaupt nicht. Diese umtriebige Gewohnheit des Geistes muss durch reine Gedanken beherrscht und durch klare Selbsterforschung gezügelt werden. Man muss den Geist dazu bringen, für die Dauer von wenigstens fünf Jahren an einem Ort zu verweilen, um dort zu meditieren, um an einer bestimmten Sadhana56-Methode und einem Yogapfad, sei dies KARMA69-, BHAKTI70- oder VEDANTA80-, d.h. JNANA-YOGA112, und an einer spirituellen Führung festzuhalten.
Wer mit dem Studium eines Buches beginnt, sollte es zu Ende lesen. Wer mit einer Arbeit beginnt, sollte sich mit ganzer Aufmerksamkeit dieser Arbeit widmen und keine andere Arbeit beginnen, bevor die angefangene Arbeit beendet ist. Sei standhaft, fest und ausdauernd. Halte an einer Idee fest. Wenn der Geist ausweicht und unruhig wird, dann ziehe Dich unbeobachtet zurück und gib Dir eine Ohrfeige. Selbstbestrafung ist eine gute Hilfe zur Kontrolle des umherirrenden Geistes, der beständig versucht, verschiedene Sichtweisen einzunehmen. Mach von Deiner Unterscheidungskraft Gebrauch. Oh närrischer Geist! Was sollen diese Besichtigungsreisen? Ruhe innerlich in ÂTMAN16. Das SELBST17 ist selbsterfüllt, so dass man alles dort erblicken kann. Warum strebst Du mit Deinen Gedanken immer nach außen? Ist denn derselbe Himmel, dieselbe Erde, dieselbe Leidenschaft, dieselbe Geschwätzigkeit nicht überall dasselbe? Erlaube dem Geistorgan nicht, sich wie ein streunender Hund, überall herumzutreiben. Überwache den Geist andauernd, nur dann findest Du Frieden und Glück. Der Geist muss immer bereit sein, Dir zu gehorchen und Deinem Geheiß zu folgen. Entsage allem geistig, und löse den Geist durch das rechte ÂTMA-JNANA81, das Wissen vom SELBST17, auf. Der Geist ist ein Bündel an Gewohnheiten. Die in der menschlichen Natur verborgenen schlechten Gewohnheit und Voreingenommenheiten zeigen sich bei passender Gelegenheit an der Oberfläche des Geistes. Wenn man seine Gewohnheiten ändert, kann man auch seinen Charakter ändern, und durch eine neue Denkweise kann sich auch das Schicksal ändern. Wann immer man eine neue, gesunde Idee in den Geist einpflanzen und eine alte ausrotten möchte, kämpft der Geist dagegen an und rebelliert mit Macht. Installiere die neue Idee nahe der alten Geleise, so dass sie sich langsam überleiten kann. Immer dann, wenn man versucht, eine störende Gewohnheit durch eine neue zu ersetzen, wird sich ein innerer Kampf zwischen WILLE und NATUR abspielen. Der Geist ist soviel wie ein Spielzeug oder Instrument für Dich, mit dem man lernen muss, angemessen umzugehen. Wenn sich Empfindungen, Stimmungen und Gefühle erheben, dann sollte man ihre Eigenschaften studieren, analysieren und sich auf gar keinen Fall mit ihnen identifizieren. Der Geist wird sehr wohl zum treuen, willigen Diener, wenn man gelernt hat, ihn richtig anzuleiten. Benutze auch den unterbewussten Geist für Deine spirituelle Entwicklung; leite ihn dazu an, selbst während des Schlafes und auch im Wachzustand für Dich zu arbeiten.
Er wird alle Fakten und Formen im Nu für Dich sortieren, analysieren und ordnen. Das Geistorgan ist sehr nachgiebig und formbar, wenn Du das Geheimnis seiner Benutzung kennst. Versuche Dir die Kraft anzueignen, Dich gegen entgegengesetzte und unerwünschte Einflüsse abzuschotten, indem Du Dir eine positive Geisteshaltung verschaffst. Dadurch wird man für alle höheren Impulse der Seele von innen, und für alle höheren Kräfte und Einflüsse von außen, empfänglich. Versprich Dir selbst, gegenüber allen niederen Dingen positiv und offen, und gegenüber allen höheren Einflüssen usw., empfänglich zu sein. Wenn diese Geisteshaltung bewusst aufrechterhalten wird, wird sie bald zur Gewohnheit. Sollten sich Zweifel erheben, nach dem Motto, „gibt es Gott oder gibt es ihn nicht, bzw. werde ich Selbstverwirklichung erreichen oder nicht“, dann müssen diese Zweifel durch zielgerichtetes Festhalten mittels positiver Behauptungen wie, „es ist wahr, dass es Gott gibt; ich werde in meinen Bemühungen Erfolg haben, da gibt es keinen Zweifel“, aufgelöst werden. Solche Worte wie, “ich kann nicht“ oder „unmöglich“, „schwierig“ usw. gibt es in meinem Wörterbuch und Sprachgebrauch nicht. Sobald der Geist gefestigt ist, kann es nichts Schwieriges mehr geben. Starke Entschlusskraft und Bestimmtheit bringen in allen Unternehmungen und Angelegenheiten den sicheren Erfolg. Der Geist ist so beschaffen, dass er stets den Extremen nachläuft. Er sollte durch rechte spirituelle Praxis in einen Zustand des Gleichgewichtes gebracht werden.
Suche energisch und ernsthaft in Deinem Inneren und traue nicht dem wankelmütigen Geist und den nach außen strebenden Sinnesorganen. Um den Geist zu beherrschen, musst Du sieben Dinge beachten:

1. Du musst Dich von Wünschen, VASANAS7 und TRISHNAS114 befreien.
2. Du musst Deine Gefühle und Dein Temperament beherrschen, damit sich keinerlei Wut oder Ungeduld mehr einschleichen.
3. Du musst den Geist selbst beherrschen, so dass sich die Gedanken ruhig und nicht aufgewühlt bewegen.
4. Du musst Dein Nervenkostüm durch Gedankenkontrolle beaufsichtigen, damit es nicht für Anfechtungen jeglicher Art anfällig wird.
5. Du musst jegliche Art von ich-zentrierter Anhaftung aufgeben, denn diese Anhaftung stärkt das Denkorgan. ABHIMANA82 ist die Wurzel des Geistorganes. Wie könnten Dich Kritik, Anschuldigungen und Bevormundung noch berühren, wenn Du ein NIRABHIMANI113 geworden bist?
6. Du musst unbarmherzig alle Anhaftungen auflösen.
7. Du musst alle Hoffnungen, Erwartungen und Voreingenommenheiten aufgeben.

Die folgenden Maßnahmen werden Dir zweifellos Geistesfrieden verschaffen:
1. Vermeide die Gesellschaft übelgesinnter Menschen.
2. Lebe allein.
3. Verringere Deine Wünsche.
4. Streite mit niemandem. Streit und Rechthaberei erzeugen ein Gefühl der Feindschaft, wodurch unnötige Energie verschwendet wird.
5. Vergleiche Dich nicht mit anderen.
6. Höre nicht auf öffentliche Kritik.
7. Entsage dem Wunsch nach Name und Ruhm.