Birbal und sein Schwager

Birbal war der Lieblingsminister von Akbar. Er war landauf, landab berühmt für seine Weisheit und seinen Scharfsinn. Aber Birbals Schwager war eifersüchtig und dachte: „Warum liebt der Badshah (islamischer Herrscher, Kaiser oder König) diesen Mann mehr als mich? Ich kann die Staatsangelegenheiten genau so effizient erledigen wie Birbal.“ Durch Bestechung und Erpressung gelangte er schließlich zum Badschah und riet ihm Birbal abzusetzen. „Ich kann die Aufgaben des Ministers viel effizienter erfüllen und bin dir noch treuer ergeben“, erklärte er. Als Birbal dies hörte, lächelte er und beschloss seinem Schwager eine Lektion zu erteilen. Er trat von seinem Amt zurück, bat den Badshah seinen Schwager an seiner Stelle zum Minister zu ernennen und verließ das Königreich.

Um die Wahrheit der Worte seines neuen Ministers zu überprüfen, gab ihm Akbar 500 Rupien und stellte ihm folgende Aufgabe: „Ich wünsche, dass du dieses Geld so ausgibst, dass ich 500 Rupien hier auf dieser Erde erhalte, 500 Rupien in der anderen Welt, 500 Rupien weder hier noch dort; und dann will ich die 500 Rupien wieder vollständig zurückbekommen.“ Der neue Minister war sehr bekümmert. Ihm fiel beim besten Willen nicht ein, wie er das bewerkstelligen könne. Er verbrachte viele schlaflose Nächte. Er konnte sein Essen nicht mehr genießen und wirkte nach ein paar Tagen bereits vollkommen erschöpft. Seine Frau riet ihm schließlich sich an Birbal zu wenden. Er tat das, denn er hatte keine andere Wahl. Birbal sagte zu ihm: „Gib mir das Geld. Ich mache das schon.“ Der neue Minister gab Birbal die 500 Rupien. Birbal betrat das König - reich wieder und ging durch die Strassen. Da fand er einen reichen und bekannten Geschäftsmann, der die Hochzeit seiner Tochter feierte. Birbal betrat das Haus und erklärte im offenen Pandal (provisorischer Bau bei einem Fest):

„Oh Kaufmann! Badshah hat dir diese 500 Rupien als Hochzeitgeschenk geschickt. Er hat mich gesandt, dir dieses Geschenk zu überreichen.“ Der Kaufmann war höchst erfreut. Er bewirtete Birbal gut und gab ihm viele, viele Geschenke und dazu noch eine große Summe Geld als „Gegengeschenk“ für den Badshah. Mit diesen Dingen ging Birbal in ein nahegelegenes Dorf. Dort kaufte er Lebensmittel und Süßigkeiten für 500 Rupien und verteilte sie im Namen Badshahs an die Armen. Dann kam er in die Stadt zurück und gab ein Nautch (Tanz)-Fest. Er lud alle ihm bekannten Tänzer und Musiker ein und gab 500 Rupien für das Vergnügen aus. Schließlich betrat Birbal den Durbar (Empfangshalle im Palast) von Akbar. Akbar war sehr erfreut, dass Birbal zurückgekommen war. „Badshah Saheb (Herr), hier sind die 500 Rupien. Ich habe alles erledigt, um das du meinen Schwager gebeten hast.“ „Wie das?“, fragte Badshah. „500 Rupien habe ich als dein Geschenk dem Kaufmann gegeben – das ist für hier. 500 Rupien habe ich unter die Armen verteilt – das bekommst du dort, in der anderen Welt. 500 Rupien habe ich für ein Nautch Fest ausgegeben – das bekommst du weder hier noch dort. Und hier sind 500 Rupien, wie du es befohlen hast.“ Birbals Schwager ließ beschämt den Kopf hängen. Er sah sein Unrecht ein und seine Eifersucht verschwand. Die Geschichte hat noch eine andere Moral:

das Geld, das du für Freunde ausgibst erhältst du in Form von Diensten und Hilfe in diesem Leben zurück; das Geld, das du für Wohltätigkeiten ausgibst, erhältst du im Himmel in der Form von reinstem Segen Gottes und einem guten Leben in der anderen Welt zurück; das Geld das du für sinnliche Vergnügungen ausgibst, ist reine Verschwendung und du wird dir weder hier noch dort helfen. Tue daher Gutes, spende für wohltätige Zwecke und du wirst ewige Freude erfahren.