Rückführung bis vor die Geburt

Bei der Reinkarnationstherapie wird diese Rückführung bis vor die Geburt weitergeführt. Der Therapeut hilft dem Klienten, in eine Art Trance zu gehen und bittet ihn, in der Zeit soweit zurückzugehen, bis er auf ein Ereignis vor der Geburt stößt.
Heutzutage bestehen die meisten Reinkarnationstherapeuten darauf, dass der Klient die ganze Zeit voll bewusst sein soll. Der sogenannte Trance-Zustand ist dabei ein entspannter, bewusster Zustand mit verstärkten Alpha-Wellen im Gehirn und reduziertem Hautwiderstand, eben das, was man im Yoga „Tiefenentspannung“ nennt und was auch in der modernen medizinischen Hypnotherapie angewendet wird. Wie der Klient weiter in vergangene Leben geführt wird, ist von Therapeut zu Therapeut unterschiedlich.

Reinkarnationstherapie, Rückführung, Hypnose

Seit den 70er Jahren hat sich die Reinkarnationstherapie als alternative Methode etabliert, um besser mit psychischen und körperlichen Problemen umzugehen bzw. sie zu heilen.
Reinkarnationstherapie ist eine Weiterentwicklung der Regressionstherapie aus der Hypnose. Bekannt ist, dass sich Menschen unter Hypnose besser an frühere Ereignisse und auch an die Kindheit erinnern können als im Wachbewusstsein. Menschen unter Hypnose können sogar wieder in derselben Kinderschrift schreiben wie früher. Manche Menschen erinnern sich unter Hypnose an Krankheiten als Baby und auch an Geburtskomplikationen, die ihnen nie erzählt worden waren.

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Rückführung nach Patanjali Yoga Sutra

Patanjali beschreibt im Yoga-Sutra III 18 eine Methode, sich an frühere Leben zu erinnern: „Durch die direkte Erfahrung von Samskaras (Eindrücken im Unterbewusstsein) erlangt man Wissen um die vorige Geburt.“
Samskaras sind Eindrücke im Unterbewusstsein. Dazu gehören Neigungen, Talente, Wünsche, Fähigkeiten, Ängste. Manche unserer Wünsche, Talente und Ängste können aus diesem Leben erklärt werden. Wer zum Beispiel als Kind von einem Hund gebissen wurde, hat eine nachvollziehbare Erklärung für Ängste vor Hunden. Wessen Eltern beide Musiker sind, wird sich nicht fragen, woher seine besondere musikalische Begabung stammt. Interessant ist es, wenn man Phobien hat, die in diesem Leben keine Erklärung haben (z.B. Angst, über Brücken zu gehen, Klaustrophobie oder Angst vor Schlangen), außergewöhnliche, in der Familie sonst nicht vorkommende Talente oder eine Vertrautheit mit einem bestimmten Kulturkreis. Wenn es einem gelingt, sich in einen entspannten Zustand zu versetzen und dann den Geist zu entspannen und erwartungslos ganz mit dem Inhalt und auch der Emotion dieser Samskaras zu erfüllen, kann es passieren, dass Bilder aus früheren Leben hochkommen. Wenn man das angstfrei weiter geschehen lässt, können diese Bilder recht klar werden. Manche Reinkarnationstherapeuten arbeiten mit einer an dieses Modell angelehnten Technik, manche mit anderen.

Rückführung nicht immer sinnvoll
Ich möchte hier aber auch zu Vorsicht gemahnen. Man sollte sich zwei kritische Fragen stellen, bevor man allein oder zusammen mit einem Reinkarnationstherapeuten versucht, in frühere Leben zu gehen:

  • Ist es überhaupt wünschenswert und hilfreich, in frühere Leben zu gehen?
  • Ist das, woran man sich erinnert, überhaupt ein früheres Leben oder ein Fantasieprodukt des Geistes?

Ist es überhaupt wünschenswert, Rückführung in frühere Leben zu erleben?

Mein Meister Swami Vishnu-devananda hat, ähnlich wie die meisten mir bekannten Yoga-Meister, diese Frage verneint. Es gibt gute Gründe, weshalb bei der Geburt ein Gedächtnisschwund einsetzt. So können wir vorurteilsfreier mit den Menschen um uns herum umgehen. Wenn man in einer Rückführung erfährt, dass der jetzige Chef im letzten Leben der fremdgehende Ehemann, im vorletzten Leben der prügelnde Vater und im vorvorletzten Leben die Geliebte war, wird man diesem Chef künftig ganz anders begegnen und vielleicht nicht die Lektionen lernen, die für dieses Leben vorgesehen sind. Oder wenn man erfährt, dass die Tochter im früheren Leben die ältere Schwester gewesen ist, wird man sie vielleicht nicht mehr mit einer kindgemäßen Liebe, Offenheit und Neugier behandeln. So kann das vermeintliche oder echte Wissen über Begegnungen in früheren Leben den Umgang mit Menschen stark beeinflussen, das Leben verkomplizieren und zu neuen Vorurteilen führen. Außerdem kann die starke Beschäftigung mit der Vergangenheit und mit der Aufarbeitung des Vergangenen einem die Zeit und die geistige Energie für das gegenwärtige Erleben und Erfahren rauben. Das ist ja schon jetzt das Problem bei manchen Psychotherapierichtungen. Manche Menschen verbringen viele Jahre oder gar Jahrzehnte ihres Lebens, sich mit Problemen aus den ersten Kindheitsjahren zu beschäftigen und vergessen darüber ihr eigentliches Leben, nämlich die Gegenwart. Ähnlich kann ein übermäßiges Beschäftigen mit früheren Leben das Erleben der Gegenwart vergessen lassen.
Ein weiteres Argument dagegen, in frühere Leben zurückzugehen ist: Viele Menschen gehen in frühere Leben, um zur vermeintlichen „Ursache“ ihrer jetzigen Probleme zu kommen. Nehmen wir an, jemand hat in diesem Leben Probleme mit seinem Vater. Nehmen wir auch an, er erfährt in einer Rückführung, dass er in einem früheren Leben von seinem Vater geprügelt wurde. Da läge die Interpretation nahe, dass seine Vaterprobleme in diesem Leben die Ursache darin haben, dass sein Vater ihn im vorigen Leben geprügelt hatte. Vielleicht ist die Sache ganz anders: Vielleicht hat der Mensch seit mehreren Leben die Aufgabe, an seiner Vaterbeziehung zu arbeiten und er wird solange Probleme mit seinem Vater haben, bis er diese Lektion gelernt hat. Da hat das Problem keine Ursache in einem Fehlverhalten irgendeines Vaters, sondern es liegt einfach eine Lernaufgabe vor, an der niemand schuld ist.

Ist das, woran man sich erinnert, überhaupt ein früheres Leben oder ein Fantasieprodukt des Geistes?

Der menschliche Geist ist sehr kreativ. Jede Nacht träumt der Durchschnittsmensch mehrere Male. Oft baut er sich im Traum ein eigenes Leben auf. Viele Menschen haben Tagträume, wer sie in Zukunft sein wollen. Die Gedächtnisforschung hat gezeigt, dass Erinnerung durch einen Fragenden stark beeinflusst werden kann. Viele Geständnisse sind durch manipulative Befragungen entstanden. Manche Menschen glauben schließlich selbst daran, eine Tat begangen zu haben, an der sie unschuldig sind und erinnern sich sogar an Teile davon. Wenn man also in einem Entspannungszustand Bilder hat, müssen sie nicht aus früheren Leben stammen. Es können, ähnlich wie in griechischen Tragödien, in Märchen und Mythen, fantasievolle Verkörperungen von Anteilen in der Psyche sein.
Diese kreative Fähigkeit des menschlichen Geistes wird in Therapierichtungen wie „Psychodrama“ und Techniken wie „innere Familienkonferenz“ genutzt.

Woran erkennt man, ob man tatsächlich in ein früheres Leben gelangt ist?

Wenn man etwas sicherer sein will, ob das „Erinnerte“ tatsächlich ein Indiz für ein Vorleben ist, müssen die Erinnerungen konkret genug sein, dass sie nachprüfbar sind. Wer zum Beispiel in Hypnose in einer Sprache oder einem Dialekt spricht, den er vorher nie gehört hatte oder wer sich an Namen, Jahreszahlen und Ereignisse erinnern kann, die nachprüfbar sind, kann diesen Erinnerungen einen höheren Stellenwert zuweisen, als wenn er nur sehr diffuse Bilder hat oder sich erinnert, ein ganz bekannter Mensch zu sein. Mir selbst haben z.B. etwa ein halbes Dutzend Menschen versichert, sie hätten sich in einer Rückführung als Wolfgang Amadeus Mozart gesehen.
Wer also Rückführungen macht, könnte seinen Therapeuten darum bitten, ihm in der Trance konkrete Namen, Orten und Jahreszahlen zu entlocken. Anhand der Aufzeichnungen in Standesämtern und Kirchenregistern kann man diese Angaben anschließend prüfen.
Verantwortungsvolle Reinkarnationstherapeuten sind sich sehr bewusst, dass erinnerte Bilder oft nicht aus früheren Leben stammen. Sie sagen, dass man aber trotzdem damit arbeiten kann. Sie sagen, innere Bilder geben immer wertvolle Informationen, mit denen man arbeiten kann. Wenn jemand unterbewusst meint, ein bestimmtes früheres Leben gehabt zu haben, sagt das viel über den Menschen aus. Und wenn er seine gegenwärtigen Probleme auf bestimmte Weise in einem früheren Leben repräsentiert sieht, gibt dies Hinweise, wie der Mensch diese Probleme angehen kann.
Ich selbst habe einmal an einer kollektiven Rückführung im Rahmen des „Reinkarnations-Symposiums“ 1986 teilgenommen, welches Swami Vishnu-devananda organisieren ließ. An diesem Kongress nahmen Ian Stevenson, Raymond Moody und die bekanntesten amerikanischen Reinkarnationstherapeuten teil. Eine Referentin hat dabei einen Workshop mit Gruppenrückführung angeleitet. Sie ließ uns auf den Rücken legen und führte uns in eine Entspannung. Dann leitete sie uns zu verschiedenen Visualisierungsübungen an. Schließlich sollten wir uns vorstellen, auf eine Wolke zu gehen und mit der Wolke in die Vergangenheit zu reisen. Von dort sollten wir dann immer wieder herunter schauen, bis wir Bilder aus einem früheren Leben bekämen. Ich habe gesehen, wie ich irgendwo in den Eukalyptuswäldern Australiens war und von Koalabären umgeben war. Dann kamen plötzlich Piraten, die die Koalabären jagen wollten. Ich habe versucht, die Koalabären zu beschützen und bin dabei erschossen worden. Mir kam es nicht vor wie die Erinnerung an ein früheres Leben. Als Kind hatte ich von Koalabären gelesen und auch Abenteuergeschichten über Piraten. Das muss ich in der Trance-Entspannung miteinander verknüpft haben. Aus Meditationen habe ich sehr viel klarere Erinnerungen an andere Leben und meine, eine solche australische Inkarnation für unwahrscheinlich halten zu können. Nach dem Workshop habe ich daher mit der Reinkarnationstherapeutin gesprochen und habe sie gefragt: „Meinen Sie, dass das wirklich ein früheres Leben war?“ Sie sagte, dass sie das nicht wüsste. Und sie meinte, es sei für den therapeutischen Zweck überflüssig, ob es tatsächlich ein früheres Leben wäre oder nicht. Mit dem Material könne man in jedem Fall arbeiten. Sie würde z.B. aus dem von mir Gesehenen schließen, dass ich eine Tendenz hätte, mich für andere aufzuopfern, andere beschützen wolle und bereit sei, dafür auch zu sterben. Wenn eine solche Neigung für mich ein Problem wäre, könne man damit arbeiten. Wenn das kein Problem sei, könne ich mich für meinen Altruismus glücklich schätzen.

Einschätzung zu Reinkarnationstherapie und Rückführung

Meine persönliche Meinung zur Frage der Rückführung ist wie folgt: Normalerweise ist eine Rückführung nicht hilfreich. Wenn jemand sich weitgehender psychischer Gesundheit erfreut, sollte man nicht aus Neugier versuchen, in frühere Leben zu gehen. Wenn man aber gute Gründe hat, psychotherapeutische Hilfe zu suchen und die anerkannteren Verfahren wenig erfolgreich waren, kann man vielleicht über Rückführungen dazu kommen, sein jetziges Leben besser und glücklicher zu leben. Ansonsten kommen Erinnerungen an frühere Leben in der Meditation von selbst, wenn der Zeitpunkt dafür gekommen ist.