
Chuang Tze, ein chinesischer Philosoph, trĂ€umte einmal, er wĂ€re ein Schmetterling. Als er aufwachte, sagte er sich: »Bin ich nun ein Mensch, der trĂ€umt, er wĂ€re ein Schmetterling, oder bin ich ein Schmetterling, der denkt: âIch bin Chuangâ?«
Im Traum sieht man die Ereignisse von fĂŒnfzig Jahren innerhalb von einer Stunde. Man hat tatsĂ€chlich das GefĂŒhl, fĂŒnfzig Jahre wĂ€ren vergangen. Was ist richtig, die Zeit von einer Stunde Wachzustand oder die fĂŒnfzig Jahre TraumbewuĂtsein? Beides ist richtig.
Pascal hat Recht, wenn er sagt, daĂ, wenn wir jede Nacht denselben Traum haben, wir uns damit ebenso beschĂ€ftigen sollten wie mit den Dingen, die wir tĂ€glich sehen. Um seine Worte zu zitieren: »Wenn ein Handwerker sicher wĂ€re, daĂ er jede Nacht zwölf Stunden lang trĂ€umte, er wĂ€re König, wĂ€re er, wie ich meine, genauso glĂŒcklich wie ein König, der jede Nacht zwölf Stunden lang trĂ€umt, er wĂ€re Handwerker.«
So wie ein groĂer Fisch immer von einer Seite des Flusses zur anderen schwimmt, von rechts nach links und von Ost nach West, so gleitet der Purusha zwichen den beiden Ufern, dem Rand des Traumes und dem Rand des Wachzustandes, hin und her.
Das BewuĂtsein verĂ€ndert sich. Diese BewuĂtseinsverĂ€nderung bringt entweder eine Traum- oder eine Wacherfahrung. Die Dinge an und fĂŒr sich Ă€ndern sich nicht. Es ist nur eine VerĂ€nderung im Geist.
Der Traum heiĂt Sandhya, der Zwischenzustand, denn er ist der halbe Weg zwischen Wachen und Tiefschlaf, zwischen Jagrat und Sushupti.
Die Traumwelt ist von der Wachwelt getrennt. Der Tiefschlaf ist von beiden getrennt, von der Traumwelt und der Wachwelt.
Die Sonne ist die Quelle und der zeitweilige Aufenthaltsort ihrer Strahlen. Die Strahlen kommen aus der Sonne und verteilen sich bei Sonnenaufgang in alle Richtungen. Bei Sonnenuntergang kehren sie in die Sonne zurĂŒck, verlieren sich dort und kommen beim nĂ€chsten Sonnenaufgang wieder hervor. Ebenso kommen der Zustand des Wachens und des TrĂ€umens aus dem Tiefschlafzustand, kehren wieder in ihn zurĂŒck und verlieren sich dort, um denselben Lauf wiederaufzunehmen.
Beim Erwachen wird der Traum unwirklich. Der Wachzustand existiert nicht im Traum. Im Tiefschlaf gibt es weder Traum noch Wachzustand. Weder im Wachzustand noch im Traum gibt es Tiefschlaf. Daher sind alle drei ZustĂ€nde unwirklich. Sie werden von den drei Eigenschaften Sattva, Rajas und Tamas hervorgerufen. Brahman, das Absolute, ist der stille Beobachter der drei ZustĂ€nde. Es ĂŒbersteigt auch die drei Eigenschaften. Es ist reine Wonne und reines BewuĂtsein. Es ist Absolutes Sein.
Der Geist dreht sich immer wie ein Rad. Er spielt mit den fĂŒnf Sinnen der Wahrnehmung und macht Erfahrungen im Wachzustand. Er nimmt die verschiedenen SinneseindrĂŒcke durch die StraĂen der Sinne auf. Die EindrĂŒcke haben ihren Sitz im Kausalkörper. Ajnana, der Kausalkörper, ist wie ein schwarzes StĂŒck Tuch. Darin sind die Samskaras aller frĂŒheren Geburten enthalten.
Im Traum schafft der Geist Verschiedenes aus den EindrĂŒcken, die von der Erfahrung des Wachzustandes geschaffen werden. Manchmal tauchen die EindrĂŒcke der vergangenen Geburten, die im Kausalkörper sind, im Traumzustand auf.
Im Traum nimmt der Geist wahr und der Geist selbst ist das Wahrgenommene. Die Traumobjekte gibt es nicht unabhÀngig vom Geist. Sie haben keine vom Geist getrennte Existenz. So lange der Traum andauert, bleiben die Traumgeschöpfe, so wie der Milchmann bleibt, solange gemolken wird. Im Jagrat Zustand hingegen existiert das Objekt unabhÀngig vom Geist. Die Objekte des Wachzustandes sind uns allen gemein, wÀhrend diejenigen des Traumes dem TrÀumenden gehören.
Der Geist schafft im Traum Biene, Blume, Berg, Pferde, FlĂŒsse, usw., ohne Ă€uĂere Mittel zu Hilfe zu nehmen. Er schafft verschiedene eigenartige phantastische Mischungen. Vielleicht erfĂ€hrst du im Traum, daĂ dein noch lebender Vater tot ist, oder daĂ du in der Luft fliegst. Du siehst vielleicht im Traum einen Löwen mit einem Elefantenkopf oder eine Kuh mit einem Hundekopf. Die WĂŒnsche, die im Wachzustand nicht erfĂŒllt werden, erfĂŒllen sich im Traum. Der Traum ist ein geheimnisvolles PhĂ€nomen. Er ist interessanter als der Wachzustand.
Es sind die WĂŒnsche, die alle Erfahrungen im Wachzustand und auch im Traum beherrschen. Wachen ist das physische Wirken von WĂŒnschen. Die Sinne werden im Wachzustand von WĂŒnschen bewegt; der Geist wird im Traum von WĂŒnschen bewegt. Im Wachzustand nimmt der Geist durch die Sinne wahr; im Traum nimmt der Geist alleine wahr.
Der TrĂ€umende schafft sich im Traumzustand seine eigene Welt. Nur der Geist allein arbeitet unabhĂ€ngig in diesem Zustand. Die Sinne werden in den Geist zurĂŒckgezogen. Die Sinne ruhen. Der Geist ist dann wie ein wilder Elefant, den man losgelassen hat.
So wie ein Mensch sich von der AuĂenwelt zurĂŒckzieht, TĂŒr und Fenster seines Zimmers schlieĂt und im Zimmer arbeitet, so zieht sich auch der Geist von der AuĂenwelt zurĂŒck, spielt in der Traumwelt mit den Vasanas und Samskaras und erlebt Dinge aus feinstoffï»żlichen subtilen Gedanken, die die Produkte der WĂŒnsche sind. Der Traum ist nur ein Spiel des Geistes.
So wie Bilder auf eine Leinwand gemalt werden, so werden auch die EindrĂŒcke des Wachzustandes auf die Leinwand des Geistes gemalt. Die Bilder auf der Leinwand erscheinen mehrdimensional, obwohl alles nur auf einer ebenen OberflĂ€che ist. Ebenso, obwohl die Traumerfahrungen in Wirklichkeit nur ZustĂ€nde des Geistes sind, macht der TrĂ€umende in der Traumwelt innerliche und Ă€uĂerliche Erfahrungen. Er hat im Traum das GefĂŒhl, daĂ die Traumwelt ganz real ist.
Es scheint nur, daĂ der TrĂ€umende im Traum Dinge tut, tatsĂ€chlich liegt aber keine AktivitĂ€t vor. Wenn die Schriften ĂŒber unsere Traumhandlungen schreiben, sagen sie davon âals obâ: »Als ob man sich mit Frauen vergnĂŒgte, oder als ob man lachte...â. Gewöhnliche Menschen beschreiben TrĂ€ume genauso: »Es war, als stiege ich auf den Gipfel eines Berges....Es war, als sĂ€he ich einen Baum.« Darum, im Traum hat das trĂ€umende Selbst keine AktivitĂ€t.
Der TrÀumende wird in keiner Weise von den Ergebnissen des Guten oder des Schlechten, das ihm im Traum begegnet, in Mitleidenschaft gezogen. Weil der TrÀumende im Traum effektiv weder Heiliges noch Schlechtes tut, wird er von keinem von beiden gebunden; denn gute und schlechte Handlungen und ihre Folgen werden nicht dem Zuschauer angelastet.
Niemand betrachtet sich als SĂŒnder aufgrund der SĂŒnden, die er im Traum begangen hat. Und Menschen, die davon gehört haben, werden ihn deshalb auch nicht verurteilen oder meiden. Daher wird er davon nicht berĂŒhrt.
Der Herr schafft die Traumobjekte als FrĂŒchte der geringfĂŒgigeren Handlungen des Jiva. Um der Seele den Ertrag fĂŒr sehr geringe Karmas zu geben, schafft der Herr die TrĂ€ume.
Die universelle Seele erschafft TrÀume, und nicht die individuelle Seele; denn wenn es der letzteren möglich wÀre, ihre TrÀume zu gestalten, hÀtte sie nie einen Alptraum gehabt, sondern immer nur angenehm getrÀumt.
Viele RÀtsel des Lebens werden durch Hinweise aus TrÀumen aufgelöst. Durch TrÀume kann man richtige Hinweise zur Eigenkorrektur erhalten. Durch TrÀume kann man erfahren, wie man in einer bestimmten Situation handeln sollte. Heilige und Weise erscheinen in schweren Zeiten in TrÀumen und zeigen den Weg.
Geniale Werke wie Gedichte, usw. werden in TrÀumen gefunden. Medizinen gegen Krankheiten werden im Traum verschrieben. Manchmal sieht man genau das, was man im Traum gesehen hat, spÀter im Wachzustand wieder.
Obwohl TrÀume eigenartig und TÀuschung sind, sind sie ein guter Hinweis auf die hohe oder niedrige moralische und spirituelle Situation des TrÀumenden. Wer ein reines Herz und einen makellosen Charakter hat, wird nie unreine TrÀume haben. Ein Aspirant, der viel meditiert, wird von seinem Sadhana und von seinem Meditationsobjekt trÀumen. Er wird auch im Traum den Herrn verehren und durch die Kraft von Samskaras seinen Namen und sein Mantra wiederholen. Brahma-Jnanins, Weise, haben keine TrÀume.
TrĂ€ume enthĂŒllen uns den Aspekt unseres Wesens, der rationales Wissen ĂŒbersteigt. DaĂ es auch im rationalsten und moralischsten Menschen einen Wesenszug gibt, der absurd und unmoralisch ist, erkennt man nur durch das Studium seiner TrĂ€ume. All unser Stolz auf RationalitĂ€t und Moral löst sich in nichts auf, sobald wir ĂŒber unsere TrĂ€ume nachdenken.
Die Erfahrung des Wachzustandes ist Wahrnehmung. Die Erfahrung des Traumes ist Erinnerung. Da die Wahrnehmung vor der Erinnerung kommt, kommt Wachen vor TrĂ€umen. WĂ€hrend die Erfahrung des Wachzustandes von der Traumerfahrung und ihren Ergebnissen unabhĂ€ngig ist, ist die Traumerfahrung ein Ergebnis der EindrĂŒcke der Erfahrung des Wachzustandes.
Es gibt eine Art Ordnung oder System in den Erfahrungen des Wachzustandes, jedenfalls mehr als im Traum. Jeden Tag werden dieselben Menschen und Dinge Gegenstand der Erfahrung im Wachzustand. Es gibt ein sicheres Erinnern an Erfahrungen vorhergehender Tage und ein Weiterleben und eine KontinuitĂ€t der Persönlichkeit in der Erfahrung des Wachzustandes. Das BewuĂtsein dieser KontinuitĂ€t, RegelmĂ€Ăigkeit und Einheit fehlen im Traum.
Der Traum ist ungeordnet, wÀhrend das Wachen relativ systematisch ist.
Der Traum ist weniger real als der Wachzustand, insofern als der direkte Kontakt mit der AuĂenwelt der Wacherfahrung im Traum fehlt. Obwohl es auch im Traum eine AuĂenwelt gibt, ist sie von geringerem Wert als die Welt des Wachzustandes. Obwohl die Form der Traumwelt in der Eigenschaft derjenigen des Wachzustandes entspricht, ist die Traumwelt niedriger als die Welt des Wachzustandes.
Raum, Zeit, Bewegung und Dinge mit der Unterscheidung zwischen Subjekt und Objekt sind dem Traum und dem Wachzustand gemeinsam. Auch die Wirklichkeit, die sie zu der Zeit, in der sie erfahren werden, darstellen, ist Ă€hnlich. Aber der Unterschied liegt im Grad der Wirklichkeit, die durch sie ausgedrĂŒckt wird. Der Jiva fĂŒhlt, daĂ er sich im Wachzustand in einer höheren Ordnung der Wahrheit befindet als im Traumzustand.
Der Umstand, daà die Welt im Wachzustand eine relative Wirklichkeit besitzt, beweist nicht, daà sie im absoluten Sinn wirklich ist. Vom Standpunkt der höchsten Wirklichkeit aus ist auch die Wacherfahrung unwirklich. Da der Traum im Wachzustand transzendiert wird, wird auch die Welt des Wachzustandes im Zustand der Selbstverwirklichung transzendiert.
Der Traum ist Scheinwirklichkeit. Wachen ist relative Wirklichkeit. Turiya oder Brahman ist absolute Wirklichkeit.
Wachen ist die Wirklichkeit hinter dem Traum. Turiya ist die Wirklichkeit hinter dem Wachzustand.
Vom Standpunkt von Turiya aus gesehen sind sowohl Wachen als auch TrĂ€umen unwirklich. Wenn man aber den Wachzustand mit der Traumerfahrung vergleicht, hat er eine gröĂere Wirklichkeit als der Traum. Bis zu einem gewissen Grad verhĂ€lt sich Turiya zum Wachzustand wie Wachen zum Traumzustand.
Der Traum ist fĂŒr den TrĂ€umenden kein Traum. Nur der Wache erkennt den Traum als Traum. Genauso ist Wachen fĂŒr den, der noch im Wachzustand ist, real. Nur fĂŒr jemanden, der in Turiya ist, hat der Wachzustand keine RealitĂ€t. Wachen ist Deergha-Svapna, ein langer Traum, im Unterschied zum normalen Traum, der kurz ist.
Es gibt Grade der Wirklichkeit in den Erfahrungen des einzelnen. Die drei Hauptabstufungen sind subjektiv, objektiv und absolut. Die Verwirklichung von Atman oder Brahman ist Erfahrung der absoluten Wirklichkeit. Das Individuum ist das subjektive Wesen im Vergleich zur objektiven Welt. Das Subjekt und das Objekt haben dieselbe Wirklichkeit, obwohl sie beide im Absolten verneint werden.
Sowohl im Wach- wie auch im Traumzustand nimmt man Dinge wahr und assoziiert sie mit der Subjekt-Objketbeziehung. Das haben die beiden gemeinsam. Der einzige Unterschied zwischen den beiden ZustĂ€nden ist der, daĂ die Dinge im Traum im Raum innerhalb des Körpers wahrgenommen werden, im Wachzustand dagegen im Raum auĂerhalb des Körpers. Die Tatsache, daĂ sie gesehen werden und ihre daraus folgende illusorische Wesensart sind beiden ZustĂ€nden genmeinsam.
Die Wahrnehmung eines Objekts ist unwirklich, denn Objekte sind Schöpfungen des Geistes. Ein Objekt hat eine bestimmte Form, weil der Geist glaubt, daà es so ist. In der Tat sind sowohl die Objekte des Wach- als auch des Traumzustandes unwirklich.
Alles was eine Form hat ist unwirklich. Formen sind bestimmte Arten von Wahrnehmung und Erfahrung. Sie sind nicht endgĂŒltig. Im Wachzustand gibt es physische Formen, im Traumzustand geistige Formen. Jedenfalls sind sie alle nur Formen, begrenzt in Raum und Zeit. Eine Form besteht nur so lange wie der bestimmte geistige Zustand andauert. Wenn andere geistige Bedingungen vorliegen, verĂ€ndert sich auch die Form der Erfahrung. Deshalb verschwindet die Form der Welt, wenn Selbstverwirklichung erlangt wurde.
Traumbeziehungen werden von Beziehungen im Wachzustand widerlegt. Beziehungen des Wachzustandes werden vom ĂberbewuĂtsein widerlegt, das seinerseits unwiderlegbar ist. Unwiderlegbarkeit ist der RealitĂ€tstest.
Die unwirkliche Welt erscheint wirklich, sie ist aber in Wahrheit ein langer Traum, der im Geist entstanden ist. So wie im Traum haben die wahrgenommenen Objekte keine Substanz, obwohl sich die beiden ZustĂ€nde darin unterscheiden, daĂ der eine subtil und innerlich ist und der andere Ă€uĂerlich, grobstofflich und von langer Dauer. Diese Welt ist nichts anderes als ein langer Traum.
Wenn du mit sechzig Jahren auf deine Schulzeit zurĂŒckblickst, erscheint dir alles wie ein Traum. Ist es nicht so? Die Zukunft wird genauso sein.
Die Vergangenheit ist ein Traum. Die Zukunft ist ein Traum. Die feste Gegenwart ist auch ein Traum. Die Tatsache, daà bei der Selbstverwirklichung die Erfahrung der PhÀnomene aufhört, zeigt, daà alle PhÀnomene unwirklich sind.
Man kann sagen, Objekte des Wachzustandes dienen einer bestimmten Absicht, die des Traumzustandes nicht. Dieses Argument ist falsch, denn die Dinge, die im Wachzustand fĂŒr irgend einen Zweck oder eine Absicht eingesetzt werden, werden im Traumzustand widerlegt. Ein Mensch iĂt und trinkt im Wachzustand und stillt seinen Hunger und Durst.
Wenn er sich aber zu Ruhe begibt, findet er sich im Traum wieder hungrig und durstig, so als hĂ€tte er tagelang nicht gegessen und getrunken. Auch das Gegenteil geschieht und wird fĂŒr wahr gehalten. Die NĂŒtzlichkeit und der objektive Wert von Dingen, usw. im Wachzustand werden im Traumzustand ausgelöscht, so wie auch die Situationen und Erfahrungen im Traum im Wachzustand ihren Wert verlieren. Objekte dienen nur unter bestimmten Voraussetzungen als Mittel zum Zweck und nicht unter allen UmstĂ€nden.
Die Dinge haben nur in ihrem eigenen Bereich eine Wirklichkeit und nicht immer. Das, was nicht immer real ist, ist nur ein Schein, ist unwirklich; denn die Wirklichkeit ist immerwÀhrend. Da die Objekte des Wachzustandes im Traum nicht funktionieren, sind sie unwirklich. Da die Traumobjekte im Wachzustand nicht funktionieren, sind sie unwirklich. Daher ist alles unwirklich.
Man mag behaupten, Traumobjekte seien merkwĂŒrdig, phantastisch und unnatĂŒrlich. Und daher kann Wachen kein Traum sein. Aber die Traumerfahrungen sind fĂŒr den TrĂ€umenden nicht abnormal, mögen sie auch noch so grotesk und sonderbar sein. Nur in einem anderen Zustand, dem Wachzustand, scheinen sie phantastisch zu sein. Man kann nicht sagen, was wirklich phantastisch und was normal und real ist. Der Geist wertet die Dinge und sein Begriff von normal und abnormal verĂ€ndert sich je nach dem Zustand, in dem er sich befindet. Der TrĂ€umende hat sein eigenes Konzept von Raum, Zeit und UrsĂ€chlichkeit, so wie auch der Wachende seine eigenen Begriffe hat. Der eine Zustand ist absurd im Vergleich zum anderen. Das zeigt, daĂ beide ZustĂ€nde unlogisch und vom höchsten Standpunkt aus gesehen also absurd sind.
Man könnte sagen, daĂ Dinge, die man im Wachzustand wahrnimmt, nicht bloĂe geistige Einbildungen sind, denn die Dinge der Wacherfahrung werden auch von anderen wahrgenommen, ob der eigenen Geist sie jetzt gerade wahrnimmt oder nicht. Aber man kann sehen, daĂ auch im Traum Erfahrungsobjekte der Wahrnehmung anderer offenstehen, obwohl sowohl die Objekte als auch die Menschen subjektive Vorstellungen sind.
Man könnte sagen, daà wir im Wachzustand durch die Sinnesorgane wahrnehmen und nicht nur durch Vorstellungen. Aber es zeigt sich, daà wir auch im Traum durch die Sinnesorgane wahrnehmen, die zum Traumzustand gehören, die nicht weniger real sind, als die des Wachzustandes. Da der Traum unwirklich ist, muà auch der Wachzustand unwirklich sein.
In allen Wesen ist reines BewuĂtsein, der Atman, unendlich, ewig, alles durchdringend, aus sich selbst existierend, aus sich selbst leuchtend und in sich selbst enthalten; ohne Teile, Zeit, Raum, Geburt und Tod. Das ist das wirkliche âIchâ ! Dies âIchâ wacht nie, trĂ€umt nie und schlĂ€ft nie. Es ist immer der Lehrer und schweigende Zeuge der drei ZustĂ€nde von Wachen, TrĂ€umen und Schlafen. Es ist Turiya, der vierte Zustand. Es ist das Stadium, das die drei anderen transzendiert.
Das falsche, relative âIchâ, genannt Ahankara, Ego oder Jiva, erwacht, trĂ€umt und schlĂ€ft. Der Wachende, TrĂ€umende und Schlafende sind wechselnde Persönlichkeiten und unwirklich.
Das wirkliche Selbst, das wirkliche âIchâ erwacht nie, trĂ€umt nie und schlĂ€ft nie. Vom Standpunkt der absoluten Wahrheit, Paramarthika Satta, aus gesehen, erwacht niemand, trĂ€umt niemand, und schlĂ€ft niemand.
Lerne, im Wachzustand Beobachter deiner Gedanken zu sein. Du kannst dir im Traumzustand bewuĂt sein, daĂ du trĂ€umst. Du kannst unabhĂ€ngig im Traumzustand deine Gedanken verĂ€ndern, anhalten oder erschaffen. Du wirst im Traumzustand wach bleiben können. Wenn die Gedanken des Wachzustandes unter Kontrolle gebracht werden, kannst du die Traumgedanken in derselben Weise beherrschen.
Erlaube dem Geist nicht, in die Sinnesbahnen zu flieĂen. Festige dich, indem du den Intellekt durch Fragen ĂŒber Brahman, Nachdenken und Kontemplation entwickelst. Der Intellekt wird als starke Festung dienen. Er wird den SinneseindrĂŒcken nicht erlauben, sich im Kausalkörper abzulagern. Er wird den EindrĂŒcken des Kausalkörpers nicht erlauben, nach auĂen zu treten. Er wird einem doppelten Zweck dienen.
Brahman allein ist wirklich existent. Jiva und Welt sind falsch. Töte diesen trĂŒgerischen Egoismus. Die Welt ist unwirklich im Vergleich zu Brahman. Sie ist eine handfeste RealitĂ€t fĂŒr einen leidenschaftlichen Weltmenschen, genauso wie TrĂ€ume fĂŒr die Kindlichen real sind. Die Welt existiert nicht fĂŒr einen Jnani oder Mukta.
Du trĂ€umst, du wĂ€rest ein König. Du genieĂt alle möglichen königlichen Annehmlichkeiten. Sobald du aufwachst, verschwindet alles. Aber du spĂŒrst keinen Verlust, weil du weiĂt, daĂ die Traumgeschöpfe falsch sind. Wenn du das wirkliche Tattva, Brahman, kennst, wird das WachbewuĂtsein so relativ unwirklich wie ein Traum. Auch im WachbewuĂtsein wirst du dann nicht leiden, wenn der Gedanke, daĂ die Welt falscher Schein ist, fest in dir verwurzelt ist.
Wach auf und verwirkliche, mein Kind!