Swami Krishnananda:

Antwort auf deine Fragen

Kapitel 15

Sexualtrieb kontra Meditation

Miyazawa (männlicher Besucher): Während der Meditations-Praxis steigt ein sexueller Wunsch - Wollust - in mir auf, so daß ich mit der Meditation nicht mehr fortfahren kann.

Swamiji: Darüber habe ich jener Frau bereits in der Versammlung hier erzählt. Was war noch Dein Wunsch?

Miyazawa: Wollust.

Swamiji: Hast Du Vater und Mutter usw.?

Miyazawa: Ja.

Swamiji: Was machen denn Dein Vater und Deine Mutter?

Miyazawa: Mein Vater hat aufgehört zu arbeiten und ist in Rente gegangen.

Swamiji: Was machst Du, wenn Du in Japan bist?

Miyazawa: Ich bin arbeitslos.

Swamiji: Warum? Ist es schwierig, eine Arbeit zu finden?

Miyazawa: Nein, es ist sehr leicht.

Swamiji: Warum arbeitest Du dann nicht?

Miyazawa: Ich möchte lieber meine Studien und meine Meditation fortsetzen.

Swamiji: Glaubst Du, daß Menschen, die im Büro arbeiten, nicht in der Lage sind zu meditieren? Ist es das, was Du glaubst? Bist Du der Meinung, daß ein meditierender Mensch einfach nur still sitzt und sein ganzes Leben lang nur meditiert?

Miyazawa: Nein, das ist es nicht.

Swamiji: Warum arbeitest Du dann nicht?

Miyazawa: Ob ich arbeite oder nicht arbeite, ist nicht so wichtig für mich.

Swamiji: Und es ist doch wichtig. Ich spreche nicht über unnütze Dinge. Arbeit hat auch etwas mit „Leben“ zu tun.

Miyazawa: Ja, ja. Ich weiß. Was auch immer ich arbeite, ich versuche auch während der Arbeit zu meditieren.

Swamiji: Nein, beantworte bitte meine Frage. Warum arbeitest Du überhaupt nicht? Über Meditation können wir später sprechen. Zuerst sagst Du mir, warum Du überhaupt nicht arbeiten möchtest. Arbeit und Meditation sollten Hand-in-Hand gehen. Andererseits würdest Du sonst nur eine Seite betonen und die andere Seite würde Dir Sorgen bereiten.

Miyazawa: Ja. Die Arbeit ist nur dazu da, um Geld zu verdienen und sich selbst am Leben zu erhalten.

Swamiji: Nein, Arbeit ist nicht nur zum Geld verdienen da. Es ist wichtig für die menschliche Persönlichkeit. Handlung und Gedanke sind zwei Aspekte der menschlichen Persönlichkeit. Du kannst nicht nur denken, ohne etwas zu tun.

Miyazawa: Ja, ja, ja.

Swamiji: Somit lautet meine Antwort: Du mußt etwas Arbeiten.

Miyazawa: Ja.

Swamiji: Eine andere Frage: Wie alt bist Du?

Miyazawa: Fünfunddreißig.

Swamiji: Möchtest Du nicht heiraten? Geht Dein Wunsch vielleicht in diese Richtung?

Miyazawa: Nein, eigentlich nicht.

Swamiji: Irgendwie besteht in diese Richtung ein sanftes Verlangen. Der Heiratswunsch ist vorhanden.

Miyazawa: Der Wunsch ist aber nicht besonders stark.

Swamiji: Überhaupt nicht? Er wird erst später stark werden. Warum willst Du so lange warten, bis er stark wird? Das ist der Grund, warum Dich der Gedanke quält. Wenn Du beständig zu Füßen eines Guru’s lebst und tust, was auch immer er von Dir verlangt, dann kommt dieses Problem nicht auf. Wenn Du keinen Guru hast, und selbst anfängst zu meditieren, dann kann dieses Problem nicht vermieden werden. Der Guru hat Methoden bzw. geheime Techniken, die nur dem Guru bekannt sind und die in der Öffentlichkeit weder demonstriert noch besprochen werden, um den Suchenden von den Schrecken dieser Art zu befreien.

Wenn es jedoch diese Möglichkeit nicht gibt, mußt Du den normalen Lebensweg gehen. Lebe ein aktives Leben. Es ist nicht falsch, verheiratet zu sein. Das Eheleben widerspricht nicht der Spiritualität, da es ebenso wie die Meditation ein Aspekt unserer Persönlichkeit ist. Es ist nicht unbedingt notwendig, daß man heiratet. Man kann auch für sich alleine leben; aber, wenn man deshalb Probleme bekommt, muß man wissen, wie man damit umgeht. Du aber hast jetzt das Problem, weil Du nicht weißt, wie Du damit umgehen sollst.

Spirituelles Leben bedeutet nicht gleichzeitig Weltflucht. Man entflieht der Verantwortung des Lebens und wendet sich dann an Gott; - so geht es nicht. Die menschliche Persönlichkeit ist eine Struktur, die von Gott anerkannt ist und die bestimmten Anforderungen unterliegt. Genauso wie Du durch das strukturelle Muster Deiner Persönlichkeit hindurchgehen mußt, müssen die Bedürfnisse Deiner Persönlichkeit beachtet werden. Zunächst glaubst Du, daß Du nicht zu heiraten und daß Du auch nicht zu essen brauchst. Warum möchtest Du essen? Wenn die eine Sache nicht erforderlich ist, dann ist die andere Sache auch nicht erforderlich. Du möchtest essen, aber nicht heiraten. Dieses sind gleich zwei Dinge, die auf die menschliche Persönlichkeit Druck ausüben.

Wenn Du unter dem Schutz eines großen Meisters lebst, dann stellen sich diese Probleme erst gar nicht. Aber im Augenblick hast Du keinen Guru. Es gibt keinen Meister, bei dem Du sitzt, und dessen Segen Du erfährst. Du hast unabhängig von einem Meister mit der Meditation begonnen.

Zwei Sachen habe ich Dir erzählt; jetzt kommt die dritte Sache: Wenn Du beständig meditierst, dann wird sich das Problem nach langer Zeit von selbst auflösen. Verstehst Du mich?

Miyazawa: Ja.

Swamiji: Entweder Du heiratest, oder Du hast einen Meister, oder aber Du wartest auf die Gnade Gottes und das Problem wird sich eines Tages von selbst auflösen. Iß nicht zu viel. Du solltest nur einmal pro Tag essen. Wenn der Körper sehr kräftig ist, dann erschafft er nur alle erdenklichen Probleme. Iß nur einmal pro Tag. Iß weder am späten Abend noch am frühen Morgen. Aber, Du solltest dabei auch nicht übertreiben.

Miyazawa: Darum meditiere ich in der Art......

Swamiji: Wie meditierst Du? Sag mir, wie meditierst Du?

Miyazawa: Es ist eine begriffliche Methode. Ich sitze und denke daran, daß das ganze Universum selbst meditiert - genau so.

Swamiji: Das ist sehr gut, wundervoll. Diese Methode ist wundervoll. Fahre fort damit. Wenn Du nicht heiraten möchtest, dann heirate nicht. Niemand zwingt Dich zu heiraten, aber Du mußt arbeiten und Freunde um Dich haben, so daß Du auch ein soziales Leben führst. Wenn Du kein soziales Leben führst, verlierst du den Kontakt zu anderen Menschen, was auch geschieht, wenn Du nicht arbeitest und sagst: „Ich will meditieren“, doch damit würde Deine Meditation erfolglos sein. Du hast keine Freunde, um Dich mit Ihnen zu unterhalten. Die Unterhaltung ist ebenfalls notwendig. Die Unterhaltung ist manchmal wie die Nahrung für den Verstand. Wenn Du das Eheleben nur wie eine Bindung empfindest, dann heirate nicht. Aber, wenn die Ehe unvermeidbar ist, dann heirate, oder warte auf die Gnade von oben. Wenn Du aufrichtig in Deiner Meditation bist, dann wird Gott für Dich sorgen. Wie lange meditierst Du jeden Tag?

Miyazawa: Ich meditiere jeden morgen eine Stunde lang.

Swamiji: Und was machst Du die übrigen dreiundzwanzig Stunden? Der Tag hat vierundzwanzig Stunden. Du meditierst eine Stunde; was machst Du die übrigen dreiundzwanzig Stunden?

Miyazawa: Jetzt?

Swamiji: Ja.

Miyazawa: Ich meditiere eine Stunde lang, dann mache ich einige Asanas und Pranayama, dann komme ich hierher zum Darshan, dann gehe ich zurück.....

Swamiji: Wenn Du nach Japan zurückgehst, wirst Du dann auch eine Stunde lang meditieren?

Miyazawa: Ja.

Swamiji: Und, was machst Du dort in den übrigen dreiundzwanzig Stunden?

Miyazawa: Ich absolviere in Japan morgens das gleiche Programm wie hier, - Meditation, ein paar Asanas und Pranayama, und dann arbeite ich hin und wieder.

Swamiji: Du arbeitest in Japan?

Miyazawa: Ja, zeitweilig.

Swamiji: Auch wenn es zeitweilig ist, arbeitest Du jeden Tag?

Miyazawa: Ja.

Swamiji: Wie viele Stunden arbeitest Du?

Miyazawa: Ungefähr sieben Stunden.

Swamiji: Das ist in Ordnung. Fünf Stunden Arbeit wären auch ausreichend. Arbeite fünf Stunden. Hast Du Freunde?

Miyazawa: Ja.

Swamiji: Gehe freundlich mit den Menschen um. Gehe spazieren. Verhalte Dich offen und ehrlich. Mach’ keine Einschränkungen. Viele Suchende glauben, daß spirituelles Suchen „Schweigen“ bedeutet. Es ist einfach nicht richtig, wenn man nur dasitzt und brütet. Du solltest Dich selbst überhaupt nicht unter Druck setzen. Mein letztes Wort für Dich ist: Fahre mit der Meditation fort, verhalte Dich sozial, sei glücklich, gehe mit den Menschen freundlich um und bleibe dabei ganz normal, arbeite ein wenig, dann wird sich nach einiger Zeit alles ganz von alleine ergeben.

Miyazawa: Ja.

Swamiji: Dieses ist meine Antwort an Dich. Was hast Du für ein Ziel?

Miyazawa: Vereinigung mit dem Absoluten.

Swamiji: Du bist eine großartiger Mensch. Ich freue mich, dieses zu hören. Wenn Du es wirklich wünschst, dann wird es geschehen. Gibt es hier noch andere, die die Vereinigung mit dem Absoluten wünschen?

Andere Besucher: Ja! [Gelächter]

Swamiji: Wer bist Du? Janaki? Verstehst Du Englisch?

Janaki: Ja, Swamiji. Ich verstehe Englisch, aber ich kann kein Englisch sprechen.

Swamiji: Du möchtest Dich mit dem Absoluten vereinigen?

Janaki: Ja, zweifellos. Segne mich, Swamiji.

Swamiji: Es wird eines Tages geschehen.

Janaki: Vielen Dank, Swamiji.

Swamiji zu Miyazawa: Du hast gesagt, daß Du während der Meditation Wollust empfindest. Tatsächlich bedeutet Wollust der Wunsch nach einer Frau. Weißt Du eigentlich, daß das Absolute auch Frauen in sich einschließt? Weißt Du das?

Miyazawa: Ja.

Swamiji: Hundert Millionen von Frauen befinden sich innerhalb des Absoluten. [Gelächter der Gruppe] Wo ist das Problem? Du machst Dir unnötige Sorgen! Innerhalb des Absoluten befinden sich Millionen von Frauen, warum machst Du Dir solche Sorgen? Ich glaube, daß die Sorgen nicht notwendig sind.

Miyazawa: Ja. Das Problem betrifft möglicherweise nur eine Frau, oder.... [Gelächter der Gruppe]

Swamiji: Nein, warum nur eine Frau? Das Absolute will Dir Millionen von Frauen geben. Warum möchtest Du nur eine? [Gelächter der Gruppe] Dieses ist schon wieder ein anderes Problem. Wenn Dir jemand zu viele gibt, dann möchtest Du nur eine oder überhaupt keine haben.

Miyazawa: Nein, nein. [Gelächter]

Swamiji: Du bist ein sonderbarer Mensch. Wenn jemand sagt: „Ich bin ein armer Mann; ich brauche Geld,“ und die Antwort erhält: „Ich gebe Dir Einhundert Millionen Dollar, hier nimm,“ würdest Du dann antworten: „Nein, nein, ich will es nicht, ich möchte nur zehn Dollar?“ Wenn Du so denkst, was soll geschehen? Du bittest nur um zehn Dollar. Das Absolute aber sagt, daß ES Dir Hundert Millionen Dollar und mehr geben will, doch Deine Antwort ist: „Ich möchte es gar nicht. Ich möchte lediglich zehn Dollar.“ Genauso verhält es sich, nicht wahr?

Miyazawa: Nein.

Swamiji: Du erschaffst Dir ein unnötiges Problem. Millionen von Frauen werden zu Dir kommen. Möchtest Du das? [Gelächter der Gruppe] Nein, ich mache keinen Spaß. Es ist eine ernsthafte Angelegenheit. Die ganze Welt wird in das verschmelzen, was Du Dir wünschst. Du glaubst, das sei eine spaßige Angelegenheit, doch es ist nicht so spaßig, wie es sich anhört. Die ganze Erde, der Himmel, überhaupt alles wird sich verflüssigen und sich als Nektar über Deinen Körper ergießen, nichts kann Dir widerstehen. Alles, was Du wünschst, wird sich sofort aus dem Inneren Deines Bewußtseins manifestieren. Offen gesagt, Du machst Dir bedeutungslose dumme Gedanken über Frauen. Im „Absoluten“ gibt es weder Mann noch Frau. Die „Allerhöchste Vollkommenheit“ steht hinter Deinem Wunsch nach etwas „Außenstehendem“. Es ist nur ein psychologisches Problem. Der Wunsch nach etwas „Außenstehendem“ beruht auf einem Fehler im Denkprozeß. Da im „Absoluten“ alles überall ist, werden Himmel und Erde verschmelzen und zu Dir kommen. Ob Mann oder Frau - was auch immer es sein mag - wird bereits dort sein. Möchtest Du das oder nicht? Was sagst Du dazu?

Miyazawa: Ja.

Swamiji: Dann meditiere mehr und beklage Dich nicht darüber, daß Du heiraten möchtest, usw.. Was sind das für verschrobene Ideen. Du solltest diese Gedanken aufgeben. Warum gibst Du Dich mit solchen Halbheiten ab, wenn Dir das ganze Universum zu Füßen liegt? Ist das klar?

Miyazawa: Ja.

Swamiji: Mach’ Dir über die Zukunft keine Sorgen, sie ist bereits Vergangenheit. Sag’ einfach: „Es ist vorbei.“

Miyazawa: Vorbei.

Swamiji: Sei glücklich.