Autobiographie von Swami Sivananda

Kapitel 10 - Mein Vorgehen für den Entwicklungsprozess

 

Verhaftungslos und doch achtsam

In meinem Kutir stehen große Truhen mit Hunderten wertvoller Bücher, Sachen und Kleider. Ich weiß nicht genau, was sie alles enthalten. Ich schließe sie nicht ab. Ich halte nichts "geheim". Ich esse nichts heimlich. Ich gebe nicht vor, ein Vairagi (Entsagter) mit leeren Händen zu sein und erwarte nicht von anderen, für meinen persönlichen Unterhalt zu sorgen. Wenn ich auf Vortragsreisen unterwegs war, steckte ich immer genügend Geld in zwei, drei Kleidertaschen. Meinen Begleitern gab ich Geldbörsen mit reichlich Geld.

Sachen wie Füllfederhalter, Brillen, Lehrbücher und Geschenke großer Persönlichkeiten und Anhänger bewahre ich sorgfältig auf. Früher, wenn ich mein Kutir während eines kurzen, raschen Spaziergangs verschloß, befestigte ich den Schlüssel achtsam an meinem Gewand. Ich selbst mag vielleicht einen zerrissenen Mantel mit Flicken tragen, aber den anderen muß ich das Beste zur Verfügung stellen. Ich mache mir keine Sorgen wegen der Schulden. Die notwendige Unterstützung kommt unmittelbar aus Göttlicher Quelle. Ich spüre die Gnade Gottes bei jedem Schritt und fühle Seine Gegenwart hinter allen Namen und Gestalten.

 

Sadhana bis zum Lebensende

Sadhus (Heilige, Weise, Wandermönche) und Yogis praktizieren eine Weile lang Sadhana und Studium der Schriften. Sobald sie ein bißchen berühmt geworden sind, hören sie wieder damit auf. Das ist sehr schade. Das ist der Grund für ihren Fall. Weise und vollkommene Meister sollten mit ihrer spirituellen Praxis bis zum letzten Augenblick ihres Lebens fortfahren. Nur dann ist es möglich, Göttliches Bewußtsein aufrechtzuerhalten. Man gibt damit auch anderen ein gutes Beispiel und ist eine Quelle der Inspiration für sie. Ein Heiliger muß nicht reden und predigen. Sein Leben als solches ist eine Heilige Schrift, die die Welt erleuchtet. Selbst heute noch schreibe ich Om Om Om- und Hari Om Tat Sat-Mantras auf alle meine Briefe. Eine halbe Seite meines Briefes enthält das Mantra oder philosophische Gedanken. Bevor ich anfange, etwas in ein Notizbuch oder Briefe an Schüler zu schreiben, schreibe ich das Mantra.

Im Lauf von 24 Stunden übe ich fünf bis sechs Arten Sadhana: Japa (Mantrawiederholung), Meditation, Übungen einschließlich Asanas und Pranayama, Verehrung, Studium, schriftliche Arbeiten und Dienst für die Welt, Hilfe für Mahatmas, Kranke und Arme. So lade ich meinen Geist stets mit göttlichem Bewußtsein auf. Ruhe und Entspannung verbinde ich bestens mit tiefen Atemübungen. So habe ich die 35 Jahre meines Lebens in Rishikesh verbracht und wunderbare frische spirituelle Energie und Kraft im Überfluß gewonnen. Ich halte einen guten Gesundheitszustand aufrecht und genieße immer Frieden und Wonne. Morgens verlasse ich mein Kutir für eine Stunde, regle alle Geschäfte des Ashrams, delegiere Arbeit an die Ashrambewohner und kümmere mich um andere, die weit entfernt leben. Und doch habe ich das Gefühl, ich könnte jeden Tag noch zehn Stunden arbeiten. Das Geheimnis ist mein regelmäßiges Sadhana und die Gnade Gottes.

 

Warum so viele Fotos

In vielen Tempeln ist es nicht gestattet, Bilder von den Götteridolen zu machen. In Badri und Kedar darf man keine Fotoapparate mit in die Tempel nehmen. Es ist sonderbar. Manche Heilige und große Persönlichkeiten Indiens haben ernsthaft etwas dagegen einzuwenden, daß man sie fotografiert. Sie glauben, ihre spirituelle Macht nehme dadurch ab. Ich glaube das überhaupt nicht. Ich lasse jeden soviel Bilder machen wie er will, wenn ich sitze, laufe, gehe, spreche, esse, spiele, im Ganges schwimme, meditiere, studiere oder im Tempel bete. Wenn Anhänger ein Bild anschauen, werden sie inspiriert. Bücher und Zeitschriften gewinnen durch nette und lehrreiche Bilder einen besonderen Reiz. Ich mache keinerlei Vorbehalte. Ich entdecke in allem nur Gutes.

Bedeutende Persönlichkeiten aus allen Ländern kommen in den Ashram. Aufrichtige Anhänger aus aller Welt kommen und bleiben ein paar Monate oder Jahre bei mir. Sie möchten alle ein Bild von mir. Warum sollte ich mich unnötig weigern und sie verletzen? Studentengruppen, die in den Ferien nach Rishikesh kommen, möchten ein Gruppenbild mit mir in der Mitte haben. Ich bin mit großen Persönlichkeiten der Welt, mit Maharadshahs, Weisen und Heiligen, Anhängern, Ashram-Mitarbeitern, den Kranken im Krankenhaus und mit Schulkindern fotografiert worden. Ich bin mit Hut und Anzug, Lendenschurz und Mantel, mit einem Turban wie ein Lehrer, im Auto, im Flugzeug und auf einem Ochsenkarren in Rameshwaram während meiner Indienreise 1950 und 1953 in Rurki in einer Fahrradrikscha aufgenommen worden. Ich mache keinen Unterschied zwischen Aufnahmen mit Herrschern, Anhängern oder Lastenträgern auf dem Bahnsteig, mit großen Meistern des Himalaya oder den Straßenkehrern des Ashrams. Auch die lebhaften Affen, Katzen und Hunde des Ashrams, Fische, Kühe, Elefanten und Jagdleoparden waren schon dabei. Ich glaube nicht, daß meine spirituellen Kräfte durch den bösen Blick verlorengehen oder beeinflußt werden. Ich denke an den wunderbaren Nutzen, den die Welt daraus zieht. Ich freue mich, wenn sich die Menschen um mich herum glücklich und fröhlich fühlen.

 

Selbständigkeit

Aufgaben wie das Zimmer putzen, Trinkwasser vom Ganges holen, Kleider und Geschirr waschen, meine Almosen in der Küche holen, erledigte ich selbst. Ich pflegte meine Abhandlungen und Briefe an Anwärter selbst zu tippen. Ich packte sorgfältig die Pakete und brachte sie zur Post. Ich hing nie von meinen Schülern ab. Ich wollte nicht, daß sie dauernd in mein Kutir kamen und meinen Tagesablauf störten. Wenn ich reise, trage ich mein Gepäck selbst. Wenn Gepäckträger manche der schweren Gepäckstücke mit den zur kostenlosen Verteilung bestimmten Flugblättern und Büchern trugen, bezahlte ich sie freigebig. Mir tun die reichen Leute leid, die sich mit den Gepäckträgern und Kulis auf dem Bahnsteig um die Entlohnung streiten.

Als die Arbeit im Ashram zunahm, fand ich nicht mehr die Zeit, mich um diese Art Arbeit zu kümmern. Ernsthafte Schüler boten an, sie zu übernehmen. Da selbstloser Dienst Reinigung des Herzens mit sich bringt, gestattete ich ihnen, diese Tätigkeiten auszuführen und anderen Meistern und Kranken zu dienen. Ich kümmerte mich sorgfältig um die Bedürfnisse der Besucher und der Ashrambewohner. Ich sorgte persönlich dafür, daß sie ihre Sturmlaternen (damals gab es keinen elektrischen Strom), Liegen, Betten und Bücher zum Studium in ihren Räumen hatten und rechtzeitig Tee, Milch und Essen bekamen. Jetzt kommen Hunderte von Schülern in den Ashram. Alles läuft in geregelten Bahnen. Ich sitze still da, schaue zu und erfreue mich der Gnade Gottes. Ich überwache jeden Tätigkeitsbereich, gebe allen Mitgliedern Anweisungen und übertrage fähigen Mitarbeitern die Verantwortung für die einzelnen Bereiche. Selbst Menschen ohne besondere Fähigkeit oder Qualifikation eignen sich ihre Arbeit in Kürze an, wenn ich ihnen volle Freiheit und Verantwortung gebe und ihnen Vertrauen entgegenbringe.

 

Eine Absicht hinter allem

Ich bin von Natur aus ernsthaft. Selbst heute nehme ich meine spirituelle Praxis (Sadhana), Studium und selbstlosen Dienst sehr ernst. Nichts kann mich in meiner Konzentration und meinem Frieden stören. Ich kann unter allen Umständen Freude bewahren und meine Arbeit zuverlässig erledigen. Manchmal gebe ich mich humorvoll, um die Betrübten aufzumuntern und die Teilnahmslosen aufzuheitern. Ich scherze und spiele mit meinen Schülern und Besuchern und bringe sie zum Lachen wie Kinder. Aber hinter jedem Scherz und Spaß steht eine Absicht. Jede Handlung und jedes Wort dienen einem bestimmten Zweck in der Entwicklung der Menschen in meiner Umgebung. Durch Spaß und gute Laune, Anbieten von Keksen, Obst und Kleidern finde ich die Vorlieben, Veranlagungen und Schwächen der Schüler heraus und lehre sie einen Weg, ihre Schwierigkeiten und Fehler zu überwinden.

Ich bin ganz und gar gegen Geschwätz, Gekicher und schallendes Gelächter. Ich fordere meine Schüler auf, müßiges Gerede zu vermeiden und allein, nach innen gekehrt oder in Arbeit versunken zu leben. Wenn sie zum Baden an den Ganges gehen, ihre Mahlzeiten holen oder abends einen Spaziergang machen, sollen sie alleine gehen und dabei Mantras wiederholen.

 

Einfaches Leben und Großzügigkeit

Ich bin sparsam. Ich verbrauche nicht viel für meine persönlichen Bedürfnisse. Ich führte jahrelang ein hartes Leben, als ich vom Essen aus der Armenküche abhing. Ich fühle mich bei einem rauhen, harten Leben sehr wohl. Einfaches Leben hilft, erhaben zu denken und Herrschaft über Geist und Körper zu erlangen. Auch heute noch liebe ich die Almosen, die ich aus der Küche bekomme und trage zerrissene Kleider. Ich hämmere dem Geist ständig ein: "Kaupinavantah khalu bhagyavantah" – "Gesegnet sind die Leidenschaftslosen". Ich lebe in einem gemieteten Gebäude am Ufer des heiligen Ganges, obwohl es im Ashram viele palastartige Gebäude mit allen Annehmlichkeiten und Einrichtungen gibt. Im einfachen Leben liegt eine besondere Freude. Aber ich leide nicht im Namen von Tapas (Askese). Wenn bestimmte Dinge zur Verbesserung des Ashrams oder für die persönliche Entwicklung von jemandem gebraucht werden, bestehe ich darauf, daß das Nötige sofort in die Wege geleitet wird.

Bei jedem Schritt denke ich an das Wohlergehen der Welt und die Entwicklung der Aspiranten. Wenn Anhänger mir voller Hingabe wertvolle Sachen und Süßigkeiten schenken, nehme ich sie mit großer Liebe und Zuneigung an. Ich benutze sie, um die Spender zu erfreuen oder gebe sie sofort an verdiente Leute weiter. Wenn ich anderen diene und helfe, möchte ich für sie von allem das Beste. Wenn ich einen hochwertigen Füller, Mantel, Schal oder Sessel bekomme, habe ich sofort den Wunsch, allen Mitarbeitern und wichtigen Leuten im Ashram etwas Ähnliches zu geben. Ich warte dann auf eine günstige Gelegenheit, denn in einer wachsenden Institution, in der tatkräftige Arbeit auf der Basis von freiwilligen Spenden geleistet wird, ist es schwierig, sofort die nötigen Mittel zu finden. Ich warte auf Gelegenheiten. Ich kümmere mich um die Bedürfnisse aller Ashrambewohner, eines nach dem anderen. Wenn ich Süßwaren oder Früchte bekomme, esse ich nichts davon heimlich in meinem Kutir. Ich nehme das Paket mit zur Meditationshalle, verteile es und nehme am Schluß ein bißchen davon als Prasad (Opfergabe). Trotz meiner Diabetes esse ich manchmal von den Süßigkeiten, die mir von Verehrern mit so viel Hingabe, Liebe und Zuneigung gebracht werden. Sie schaden mir überhaupt nicht.

 

Kein Sklave von Mode und Stil

Ich kenne weder Mode noch Stil. Sie sind ein Fluch, ein Produkt von Maya, Täuschung, die Art von Egoisten und Unwissenden. Ich lebe nicht für sinnliche Vergnügen. Ich trage immer meinen Dhoti (traditionelles Gewand von Männern) über den Knien. Aus der Art ihrer Kleidung, Bewegung, Sprache und ihres Benehmens kann ich leicht auf das Ego von Menschen schließen und Methoden zu seiner Vernichtung empfehlen. Manchmal trage ich einen Turban und einen langen Spazierstock. Im Swarg Ashram nahm ich meinen langen Spazierstock auf meine Abendspaziergänge mit. Ich benutze ihn als YogaDanda (Stock), um mit dem Atem von einem Nasenloch zum anderen zu wechseln und hielt so meine spirituelle Praxis aufrecht. Früher trug ich nie Schuhe oder einen Schirm. Schuhe, Spazierstock und Schirm verändern die Lebensart vollkommen.

 

Entwicklung für alle

Die spirituellen Praktiken (Sadhana) sind unterschiedlich, je nach Entwicklungsstand, Stärke des Ego, Schwächen und Natur des niederen Selbst. Eine starke, kräftige körperliche Verfassung und gute Gesundheit sind schon an sich gute Voraussetzungen für den Schüler. Alle anderen Fähigkeiten entwickeln sich in einem günstigen Umfeld. Jeder kann auf dem spirituellen Pfad Fortschritte machen und sich entwickeln, wenn er Shraddha (Glauben), Aufrichtigkeit und Vertrauen besitzt. Besondere Begabungen oder Befähigungen sind nicht erforderlich. Man braucht auch nicht jahrelang die Schriften zu studieren oder jahrzehntelang auf einem Bein stehend Mantras zu wiederholen. Was man braucht, ist ein williges, liebevolles Herz. Kehren, Schreibmaschine tippen, schreiben, Wasser tragen, Kranke pflegen, Armen helfen – alle Arten von Dienst können mit der richtigen Geisteshaltung in YOGA umgewandelt werden. Der Schüler muß eine neue Sichtweise entwickeln und versuchen, das Ego bei jedem Schritt durch Disziplin, Urteilskraft und Gelassenheit zu vernichten. Lade den Geist durch ständiges Japa (Mantrawiederholung), Gebete und regelmäßige Meditation mit Göttlichem Bewußtsein auf.

 

Persönliche Aufmerksamkeit und liberale Ordnung

Die Küche ist die Kampfstätte in einem Ashram. Alle Arten Probleme, Mißverständnisse, Haß und Eifersucht unter den Mitarbeitern gehen von der Küche aus. Aus den Geschichten, die ich aus der Küche erfahre, kann ich leicht auf die Neigungen, den Charakter, spirituellen Fortschritt und den Grad der Sinnesbeherrschung der Schüler schließen. Das ist die hauptsächliche Störquelle in einem Ashram. Aber sie ist auch das beste Gebiet für eine schnelle spirituelle Entwicklung der Mitarbeiter und die Ausbildung allumfassender Liebe, Zuneigung, Barmherzigkeit, Geduld und Großmut. Die Menschen lernen hier sehr gut, sich anzupassen.

Wegen der großen Zahl von Bewohnern und Besuchern gibt es jetzt im Ashram drei bis vier gängige Gerichte, um dem Geschmack der Leute aus verschiedenen Gegenden Indiens und aus anderen Ländern Rechnung zu tragen. In humorvoller Art sage ich den Leuten:

"Wenn ihr kein Ghee (gereinigte, geschmolzene Butter) bekommt, nehmt Milch. Wenn keine Milch da ist, bittet um Buttermilch. Wenn es auch das nicht gibt, nehmt Gangeswasser." Sie sollten nicht murren. Man muß sich sehr behutsam an unterschiedliche Umstände anpassen, wenn man Frieden genießen will. Ich fordere sie auf, sich nicht viel Gedanken über ihren Körper, ihr Brot oder ihren Bart zu machen. Sie sollten ständig an das alldurchdringende Absolute (Brahman) denken.

Ich achte besonders darauf, die Mitarbeiter des Ashrams, die verantwortungsvolle Arbeit leisten oder intensive spirituelle Praktiken üben und alle, die mehr Nahrung brauchen, mit energiespendendem Essen zu versorgen. Ich schicke ihnen besondere Früchte, Kekse und Butter zu ihren Hütten. Ich diene ihnen ungebeten. Ihre Gesundheit darf nicht im Namen von Askese (Tapasya) leiden. Auf die gleiche Weise kümmere ich mich um Besucher. Sie können ihre Gewohnheiten nicht an einem Tag im Ashram ändern. Das könnte ihre Gesundheit beeinträchtigen und sie können keine spirituellen Praktiken (Sadhana) ausüben, wenn sie ihre Ernährung, Kleidung und Freizeit plötzlich grundlegend umstellen. Ich bestehe daher nicht auf strengen Ernährungsvorschriften und -einschränkungen für alle.

Ich lasse es sogar zu, schlechte Gewohnheiten wie Tee- und Kaffeetrinken oder Rauchen eine Weile lang beizubehalten. Mit zunehmender geistiger Reinheit und Willenskraft hören alle schlechten Angewohnheiten von selbst auf. Der geheimnisvolle Einfluß der Ashram-Atmosphäre übt ebenfalls seine Wirkung aus. Diese Art Freiheit macht es auch einem trägen Aspiranten möglich, sich im Ashram heimisch zu fühlen, sich in die Arbeit zu stürzen und seine verborgenen Fähigkeiten zu entwickeln. Besonders bei kranken Menschen bin ich sehr großzügig. Wenn es auf dem hiesigen Markt bestimmte Früchte nicht gibt, schicke ich jemanden sogar bis nach Delhi - was mit großen Ausgaben verbunden ist - , um zum Beispiel für die Patienten im Krankenhaus Orangen zu besorgen.

 

Kein Zwang, sondern volle Freiheit

Ich lasse den Leuten ihren eigenen Willen, lasse sie eine Weile dort mitarbeiten, wo es ihnen am besten gefällt und wecke in ihnen eine natürliche Neigung zur richtigen Arbeitseinstellung und spirituellen Praxis. Ich zwinge niemanden. Einige meiner Briefe von 1938 an einen Schüler zeigen meine Vorgehensweise und wie ich das Wohlergehen und die anlagebedingten Vorlieben meiner Schüler in Betracht ziehe:

"Du brauchst viel Ruhe. Du wirst sie haben, sobald die jetzige Arbeit abgeschlossen ist. Du brauchst nicht hart zu arbeiten. Es eilt nicht. Laß Dir Zeit. Mach Dir über nichts unnötig Sorgen. Ich nehme alle Verantwortung und Fehler auf mich. Du brauchst Dich in keinster Weise um die Tätigkeiten der Divine Life Society sorgen. Du kannst in Zukunft jede noch so geringe Hilfe leisten, wenn Du magst. Du hast jetzt genug getan. Sei fröhlich und glücklich. Soll ich Dir noch etwas Geld für Deine Ausgaben schicken?"

"Nach ein oder zwei Büchern kannst Du nach Rishikesh zurückkehren. Aber ein Vorschlag: Ruhe Dich zwei Wochen lang in einem Dorf aus. Höre ganz mit dem Drucken auf. Dann wende Dich der Arbeit im Ashram zu. Wenn Du einen oder zwei Monate bleibst, kannst Du gute Arbeit leisten. Du kannst zwei Jahre lang ununterbrochen in Rishikesh bleiben. Wenn es Deine Gesundheit erlaubt, überlege es Dir oder komme sofort nach Rishikesh. Ich überlasse Dir die Entscheidung, ganz nach Deinem Belieben."

"Ich werde Deinen Namen nicht mit der Divine Life Society verbinden. Wenn Du willst, kannst Du mir ohne jegliche Verpflichtung helfen, wann immer Du Zeit findest und Lust hast. Du bist stets frei."

"Ich stelle fest, Du versklavst mich durch Deine echte Zuneigung. Entwickle keine Bindung (Moha) zu diesem meinem Körper. Werde unabhängig. Ich habe Dich frei gemacht. Ich kann Dir mehr helfen, wenn Du weg bist. Ich möchte nicht, daß jemand über längere Zeit bei mir arbeitet."

"Hab‘ keine Angst vor Arbeit. Du kannst nächstes Jahr nach Uttarakashi gehen. Du brauchst gar nichts zu arbeiten. Aber bereite fähige Leute vor und bilde sie aus, Deine Arbeit fortzusetzen. Es gibt genug Leute hier, die ganz vom Schreibmaschineschreiben in Anspruch genommen sind. Bitte höre nicht mit der Arbeit an meinen Büchern auf. Laß eine Reihe von Büchern endlos erscheinen. Ich bin sicher, die Leute werden sich wegen der darin enthaltenen praktischen Lehren und Führung darum reißen.

 

Die Art, Dinge zu erledigen

In der Vergangenheit führte ich ein Notizbuch, in das ich die Arbeiten eintrug, mit denen ich verschiedene Mitarbeiter betraut hatte. Ich nannte es "Whip" ("Peitsche"). Auch wenn die Schüler diese Arbeiten aufgrund des großen sonstigen Arbeitsanfalls vergaßen, ließ ich nicht locker, bis sie sie erledigt hatten. Ich pflegte sie oft höflich daran zu erinnern; aber auf eine launige, liebevolle Art und niemand nahm es mir übel, wenn ich dieselbe Arbeit mehrmals anmahnte. An die Trägen (Tamasigen) schrieb ich auch förmliche Briefe, aber am Schluß fügte ich ein paar Ratschläge hinzu, um sie fröhlich und glücklich zu stimmen. Ein paar dieser Briefe sind nachstehend wiedergegeben. Zuerst erkundige ich mich nach ihrer Gesundheit und ihrem spirituellen Fortschritt, dann frage ich nach der ihnen anvertrauten Arbeit:

"Wie geht es Dir? Hältst Du die Göttliche Flamme am Brennen, auch inmitten verschiedenster Tätigkeiten, indem Du Dich Seines Namens erinnerst, Seine Gegenwart überall fühlst und Ihn in allen Gesichtern siehst? Arbeite hart. Meditiere. Übe Swadhyaya (Selbststudium). Rede nicht viel. Suche nicht die Gesellschaft anderer. Sei nicht neugierig. Mache abends allein einen Spaziergang. Vernachlässige Dein spirituelles Tagebuch nicht. Es ist Dein Guru. Schreibe das ‚Hari Om‘-Mantra zehnmal oben auf deine Briefe. Während intensiver Tätigkeit an Gott zu denken ist eine leichte Übung zur Selbstverwirklichung. Bitte achte gut auf Deine Gesundheit. Sei regelmäßig in Japa (Mantrawiederholung), Meditation und Studium. Ändere Deine Natur und Gewohnheiten allmählich.

Ich hoffe, Du hältst eine gute Gesundheit aufrecht mit Brahma Chintana (Kontemplation über die Wirklichkeit des Absoluten) und Karma Yoga (selbstloser Dienst). Wie steht es mit dem Buch ,Wissenschaft des Pranayama‘? Ist es fertig? Warum höre ich diesbezüglich nichts von Dir? Bitte schicke mir den endgültigen Probeabzug."

"Ich hoffe, Dir geht es gut. Erinnere Dich (Smaran) bei der Arbeit an Rama, Krishna oder Shiva. Du wirst ein Yogi und Jnani (Weiser) werden. Das ist inmitten verschiedener Tätigkeiten eine leichte Yogapraxis. Gewinne innere Kraft und Frieden aus stiller Meditation mindestens einige Minuten lang am frühen Morgen. Ich muß immer wieder wiederholen: Die Welt ist ein Traum, Jalam, ein Taschenspielertrick des Geistes, Bhrama (nur äußerer Schein). Du bist Atman (das Selbst), Satchidananda (Sein-Wissen-Glückseligkeit). Mache das geltend. Verleugne den Körper. Unternimm größte Anstrengungen, Dich in diesem Gefühl (Bhav) fest zu verankern. Spüre ‚Ich bin Eins – Ekam, Chidakasha (Bewußtheit des endlosen Raums), Akhanda Brahman (ununterbrochenes Absolutes), das Selbst aller Wesen, ich bin Sakshi (unbeteiligter Beobachter), ich bin Akarta (nicht handelnd).‘ Zertritt die zischenden Indriyas (Sinnes- und Handlungsorgane) und Vasanas (Wünsche). Das ist der Kern der Upanishaden – genug, um Unwissenheit zu zerstören. Bitte schicke mir einen Bericht, wie Du die ,24 Stunden des Tages‘ verbringst."

Ich vergesse die spirituellen Interessen meiner Schüler nie und erinnere sie ständig an den Zweck des Lebens und die Bedeutung von Sadhana, auch wenn sie sehr viel Arbeit für die göttliche Mission haben. Ein weiterer Brief:

"Diese Welt ist DirghaSwapna (ein langer Traumzustand). Du bist VyapakaAtma (das allesdurchdringende Selbst). Sei fest begründet in dieser Vorstellung. Ich muß diesen Punkt sehr oft einhämmern. Bitte bestätige, ob Du den Artikel: ,Sat Guru Mani Mala‘ erhalten hast. Wenn nicht, werde ich Dir eine Mahnung nach der anderen schicken, bis ich eine Antwort erhalte. Um diesen Stumpfsinn zu vermeiden, teile mir mit: ,Ja, Sat Guru Mani Mala erhalten‘. Das erspart uns eine Menge Zeit und Energie."

"Ich habe Dir mehrmals geschrieben, Du sollst alle meine Briefe an Dich in Buchform zusammenstellen. Du brauchst nur ein paar sich wiederholende Abschnitte ein bißchen zurechtzustutzen und die für Aspiranten nützlichen Teile auszusuchen. Ich habe keine Antwort von Dir erhalten. Wenn Du diese Arbeit nicht jetzt machen willst, warte ich. Es wird Dich nicht stark in Anspruch nehmen. Du kannst es geruhsam machen.

 

Botschaft der Fröhlichkeit

Ich schenke Klatsch keinen Glauben. Vergib auch dem übelsten Sünder. Es gibt Hoffnung für jeden, sich zu bessern und auf dem spirituellen Weg voranzuschreiten. Meine Schüler sollen stark, kühn und fröhlich sein. Ich möchte, daß sie die Mission Gottes tatkräftig fortsetzen. Meine Briefe zeugen von dieser Einstellung:

"Verschwende Deine Energie nicht mit unnötigen Sorgen. Unsere Arbeit wächst sprunghaft. Sollen wir uns um Klatsch und Kritiken kümmern oder mit unseren Yoga-Aktivitäten weitermachen? Vergiß. Vergib. Vergib.

Selbst wenn man Dich mit einer Frau an Deiner Seite in der Zeitung abbildet, würde ich es nicht glauben. Es ist Unfug von Klatschbasen. Sogar wenn ich Dich auf frischer Tat mit einer Frau ertappen würde, würde ich Dich entschuldigen. Das sind alles nur Fehler auf dem Weg, keine Verbrechen. Ich würde Dir sagen: ,Mache das in Zukunft nicht mehr. Schreite auf dem Weg des Lichts.‘ Du machst Dir unnötig Sorgen. Ich wollte Dir ein Telegramm schicken, um Dich aufzumuntern. Du mußt viele edle Werke vollbringen. Ich bereite den Boden vor, bahne den Weg für Deine zukünftigen spirituellen Tätigkeiten.

Ich wünschte, es gäbe viele Schüler wie Dich in Indien, um der Welt zu helfen. Sei kühn. Sei immer heiter. Verkünde überall die Wahrheit. Erhebe Dich. Mache Dich reisefertig und predige Vedanta, Yoga und Bhakti überall. Sorge Dich nicht im geringsten. Niemand auf der Welt kann Dich verletzen. Du bist unbesiegbar. Brülle wie ein Löwe auf jedem Podium, gestützt auf die Wahrheit. Deine geringfügigen Fehler werden bald verschwinden. Sorge Dich nicht. Im Atman (Selbst) ist Reinheit. Es ist Niranjan, makellos. Du bist Niranjan. Halte an diesem Gedanken fest. Die Unreinheiten werden vergehen. Das ist eine positive Art und Weise, Fehler auszumerzen und auszurotten. Stärke, Freude, Frieden, Wonne, Unsterblichkeit sind Deine wahre Natur. Setze das durch und verwirkliche es.

 

Haltung bei Verunglimpfungen

Hier ein Brief, den ich 1937 an einen meiner Schüler geschrieben habe, der ein Pamphlet veröffentlicht hatte, in dem er den Gründer eines berühmten Ashrams im Pandschab angegriffen hatte:

"Ich habe erfahren, daß Du ein kleines Pamphlet veröffentlicht hast, in dem Du indirekt einen Ashram im Pandschab angegriffen hast. Das hättest Du nicht tun sollen. Es ist eine Verunglimpfung. Vergiß die Vergangenheit. Das ist keine edle Handlung für einen Sannyasi (Entsagten). Nur kleinliche Leute im Privat- und Berufsleben benehmen sich so. Der Stand der Entsagung (Sannyasa) bedeutet Großmut. Mach so etwas in Zukunft nicht mehr. Es trifft mich indirekt. Wie geht es Dir gesundheitlich?"

Ich möchte, daß meine Schüler sich um ihre eigenen Geschäfte kümmern und ihre Energie und Zeit nicht damit verschwenden, an anderen herumzukritisieren. Ich möchte, daß sie eine umfassende Sicht haben, ein ausgeglichenes Gemüt entwickeln und den Geist der Toleranz und Vergebung pflegen. Der Brief fährt fort:

"Deine Arbeit wird darunter leiden, wenn auch nur ein wenig Agitation dabei ist. Schweige und arbeite mit ungeteilter Aufmerksamkeit. Verbinde Dich mit niemandem. Bring alles friedlich zu Ende. Vergiß alles. Du bist immer noch sehr schwach. Du läßt Dich von ,Worten‘, die doch nur Trugbilder sind, beeinflussen oder erschüttern. Werde steinhart. Die Einstellung ,wie Du mir so ich Dir‘ entspricht der Natur von Privat- und Berufsleuten, nicht von Sannyasins. Beleidigungen und Unrecht zu ertragen ist die Einstellung (Swabhava) von Sannyasins. Das ist geistige Kraft und Ausgeglichenheit. Es ist nicht weise, sich von Kleinigkeiten berühren zu lassen, sich monatelang Gedanken zu machen und sinnlos Energie zu verschwenden.

Bleib ruhig. Denke nie an alte Angelegenheiten. Du verschwendest Deine Energie, indem Du Deine Gedanken in die falsche Richtung lenkst. Das beeinträchtigt den glatten Arbeitsfluß. Stelle den Verkauf der verbliebenen Exemplare ein und vernichte sie. Der Gründer des Ashrams ist mein teurer Freund und Bruder. Du darfst nichts tun, was ihn auch nur indirekt im entferntesten treffen könnte. Du bist Dir gewisser nachteiliger Aussagen in der Schrift bewußt. Vergiß alles. Ruhe in innerem Frieden. Bringe keine solchen Bücher heraus. Schreibe sachlich über Philosophie, Yoga, Bhakti und Vedanta. Bringe keine Abhandlungen dieser Art heraus. Auch wenn Du im Recht bist, mußt Du Wohlwollen zeigen, wenn die andere Seite sonst gekränkt würde. Bringe solche Schriften selbst dann nicht heraus, wenn Du guten Stoff dafür hast. Sei vorsichtig. Wenn die andere Seite stark betroffen ist, wie kannst Du dann das Feuer ständig schüren und die Angelegenheit immer wieder aufrühren! Das entspricht nicht dem Dharma (rechtes Handeln) eines Sannyasins. Wie lange willst Du damit weitermachen? Bewahre einen kühlen Kopf und richte Deine Aufmerksamkeit auf unsere Veröffentlichungen, die Meditation und andere nutzbringende Arbeit.

 

Sich über Kritik erheben

Ich bin nicht an nutzlosen Erörterungen interessiert, sondern an schnellen Taten und Gehorsam. Ich möchte nicht, daß meine Schüler sich durch Kritik aus der Fassung bringen lassen. Daher meine energische Ermahnung:

"Diese Angelegenheit ist ernst. Ich möchte, daß Du in Zukunft vollkommenes Schweigen bewahrst. Du mußt sofort handeln. Ich möchte keine Argumente oder Rechtfertigungen hören. Die Sache muß vollständig aufhören. Kann sein, daß ich voreingenommen und ungerecht bin. Du brauchst mir keine Antwort zu schicken. Aber bitte sorge dafür, daß Du meinem Ersuchen unverzüglich und unweigerlich nachkommst. Sannyasa bedeutet friedliche und konstruktive Arbeit. Was soll ich Dir noch mehr schreiben? Bist Du der Atman oder bist Du der Geist und der Körper? Selbst wenn Du alle meine Schriften zum 1001ten Mal liest, identifizierst Du Dich immer noch mit dem Geist und dem Körper. Die Menschen können Deinen Körper und Geist kritisieren. Du selbst magst Deinen Körper und Geist nicht. Wer also Deinen Körper kritisiert, ist Dein wahrer Freund. Also, warum erregst Du Dich darüber? Du bist schwach. Beachte Kritik nicht. Warum brütest Du über der Vergangenheit? Das ist eine schlechte Angewohnheit. So kannst Du keinen Frieden im Geist finden. Erhebe Dich über Kritik und Bemerkungen. Tue dem Menschen Gutes, der Dich vergiften und töten will. Setze das in die Tat um."

"Du hast viel aus diesem unglücklichen, unerfreulichen Vorfall gelernt, der Dich belastet hat. Er war vom Schicksal geplant, damit Du bestimmte Erfahrungen machen konntest. Aus Schlechtem entsteht Gutes. Er hat Dir Stärke und Weisheit vermittelt. Nun sei friedlich und arbeite wie ein Löwe. Freude, Wonne, Macht, Stärke, Glanz und Herrlichkeit sind Dein Göttliches Erbe. Denke, daß Du der Herrscher der Welt bist. Stelle Dich Schwierigkeiten mutig. Ziehe innere Stärke daraus. Gott hat Dir eine besondere Gunst erwiesen. Er hat Dich zum Brahmachari (enthaltsam Lebenden) gemacht, alle Bindungen durchtrennt und Dich vollkommen frei gemacht. Wo also ist Platz für Wehklagen, Verzweiflung, Kummer, Sorgen oder Niedergeschlagenheit? Lächle. Fröhlichkeit, Frieden, göttlicher Dienst, yogische Tätigkeiten und Verbreitung von Wissen sind jetzt ein untrennbarer Bestandteil deiner selbst. Ich stehe Dir immer zur Verfügung, Dir zu dienen. Sei gewiß. Sei gewiß. Sei gewiß. Mache Freudensprünge. Tanze vor Verzückung. Schreite wie ein Löwe. Strahle Freude, Frieden und Stärke an alle um Dich herum aus.

 

Beständigkeit und Dankbarkeit

Nie vergesse ich die Dienste, die meine Schüler der göttlichen Mission erwiesen haben. Selbst wenn sie mich aus dem einen oder anderen Grund verlassen, vergesse ich ihre Arbeit nicht. Sie leben in meinem Herzen weiter. Der Brief geht weiter:

"Ändere Deine Meinung niemals. Ich bin Dein Diener, Gönner, Freund und Bruder. Selbst wenn Du mich verläßt, kann ich Dich nicht verlassen. Ich werde Dich nicht verlassen. Du wohnst für immer in meinem Herzen. Du bist mir immer teuer. Ich kann gegen niemanden harte Worte gebrauchen. Wenn jemand ein hartes Wort sagt, habe ich Mitleid mit ihm. Ich habe den Wunsch, ihn zu bessern. Du wirst das vielleicht erleben. Du hast es vielleicht erlebt. Ich danke dem Herrn, der mich mit mindestens einem Schimmer dieser Tugend ausgestattet hat. Ich strebe nicht nach höheren Fertigkeiten. Der Herr hat mir diese Eigenschaft verliehen. Es ist Seine Gnade."

"Jetzt ist die ganze Sache klar. Fühle Seine Gnade und Gunst. Ich gehe selbst zur Post und gebe diesen Brief auf. Es ist sehr schwer, einen Menschen zu verstehen, selbst wenn man jahrelang eng zusammengelebt hat; ja, es ist sogar sehr schwierig, sich selbst zu verstehen. Gott allein kennt den wahren Schuldigen. Du kennst mich durch engen Umgang gut. Es wäre nett gewesen, den Schriftverkehr über den gefälschten Brief ganz zu unterlassen; Du hättest mit mir persönlich darüber reden sollen, wenn Du hierherkommst, auch wenn Du wegen der Unterschrift und des Briefumschlages zu Recht argwöhnisch warst. Das alles ist nur eine unnötige Qual für Dich, für mich und für alle. Weder Du noch ich haben Zeit, die Angelegenheit weiter zu untersuchen und unsere Zeit und Energie so nutzlos zu verschwenden. Wir sollten jede Sekunde unseres Lebens in Seinem Dienst und zur Meditation nutzen."

"Du hättest festes Vertrauen haben sollen, daß ich niemals einen solchen Brief an Dich schreiben würde. Hierin hast Du versagt. Es macht nichts. Der Mensch lernt und wächst durch Fehler.

Selbst wenn tausend Leute meine Ohren und meinen Geist vergiften, indem sie schlecht von Dir sprechen, würde ich es nicht hören. Du bist in meinen Augen ein Ruhm für Indien und die Welt.

 

Man kann dem Bösen nicht entgehen

"Diese Welt ist sonderbar. Wir müssen viele Lektionen lernen. Einer der Jünger Jesu verriet ihn. Dem sich entwickelnden Aspiranten stellen sich bei jedem Schritt viele Hindernisse in den Weg. Wir müssen unsere Stärke unter Beweis stellen. Laß Dich nicht von Nichtigkeiten aufregen. Sei fröhlich. Lächle. Schreite kühn voran. Denke und fühle, als habe sich nichts ereignet. Ärgere Dich nicht über Kleinigkeiten. Du mußt noch viele große Taten vollbringen. Prakriti (die Natur, Schöpfung) bereitet Dich auf vielfältige Art und Weise vor. Spüre das. Sei Gott dankbar.

Diese Dinge sind geschehen, und doch kann ich Dich, Shri ,B‘, Shri ,A‘ oder Shri ,Y‘ nicht verlassen. Alle wachsen durch Fehler und Schnitzer. Du mußt die Vergangenheit völlig vergessen. Wie erwähnt, werde ich dafür sorgen, daß Du im Brahmananda Ashram leben kannst und Dir Dein Essen extra zukommen lassen. Du brauchst nicht mit anderen zusammenzusein. Du kannst etwas Arbeit für den Göttlichen Plan leisten. Es gibt überall auf der Welt schlechte Menschen. Wo Du auch hingehst, Du mußt mitten unter ihnen leben. Aber fühle Dein Selbst (Atma Bhav). Das wird die Lage ändern.

Du solltest versuchen, alle zu lieben, auch den schlechtesten Menschen, der Dich vernichten will. Das ist Sannyasa (Entsagung). Ein Sannyasin ist einer, der spürt, daß er keinen Körper hat. Man sollte mitten unter Menschen leben, die einen zerstören wollen, in einer ungünstigen Umgebung arbeiten und meditieren. Nur dann kann man wachsen. Nur dann kann man das unerschütterliche Gemüt eines Weisen entwickeln. Dazu braucht man ungeheure innere spirituelle Kraft und Vertrauen durch Sadhana.

 

Meine Haltung bei Uneinigkeit unter den Schülern

Einer meiner Schüler schrieb einen Brief mit meiner gefälschten Unterschrift an einen anderen wichtigen Mitarbeiter in Madras. Das verwirrte diesen und brachte ihn außer Fassung. Der folgende Brief zeigt meine Haltung und Vorgehensweise, um Frieden und rechtes Verständnis wiederherzustellen. Er stammt vom 8. September 1937. Selbst wenn der ganze Ashram in Mitleidenschaft gezogen wird, beharre ich auf diesem meinem Grundsatz:

"Ich kann niemandes Gefühle verletzen, nicht einmal im Traum. Ich liebe alle, selbst den schlechtesten Menschen, der es auf mein Leben abgesehen hat. Selbst wenn Schüler mich verlassen, kann ich sie nicht verlassen. Ich halte die Mitarbeiter mit meinem spirituellen Leim, dem ,Om Namo Narayana‘-Mantra und Gebeten zusammen."

Der vollständige Text meines oben erwähnten Briefes lautet:

"Geliebter Shri Swamiji,
Pranam (sei gegrüßt). Ich habe keinen solchen Brief an Dich geschrieben.

Es ist ein gefälschter Brief. Bitte vergleiche die Unterschrift sorgfältig mit anderen, dann wirst Du den Betrug erkennen. Bitte schicke mir den Brief per Einschreiben zur Prüfung. Ich nehme an, es handelt sich um einen getippten Brief. Kannst Du feststellen, ob er auf unserer Schreibmaschine oder irgendwo anders in unserer Gruppe geschrieben wurde?

Vor einigen Tagen hatten wir Probleme hier. Swami ,B‘ stiftete Unfrieden. Ich bat ihn daher, den Ashram zu verlassen. Seine Freunde Shri Swami ,A‘ und ,R‘ sind ebenfalls weggegangen. Sie leben jetzt in Rishikesh. Sie haben diesen Betrug geplant, um Zwietracht zwischen Dir und mir zu säen und Shri Swami ,Y‘, ihren Feind, zu vertreiben. Das ist, wie ich jetzt annehme, ihr Plan. Shri ,B‘ steht diesem Ashram zutiefst feindlich gegenüber und jemand hat auch das Bett von Swami ,N‘ angezündet.

Du hättest sofort erkennen sollen: ,Swamiji würde nie einen solch förmlichen Brief schreiben. Wahrscheinlich ist es irgendein Betrug von anderen!‘ Alles ist in Ordnung. Mach Dir keine Gedanken. Wenn Du hierher kommst, kannst Du getrennt im Brahmananda Ashram leben. Du brauchst keine Mahlzeiten in unserer Küche zu holen. Ich werde besondere Anordnungen für Dein Essen treffen. Sobald Deine Arbeit beendet ist, komme sofort hierher. Du brauchst keinen Augenblick zu zögern. Mache Dir keine Sorgen wegen des gefälschten Briefes. Es ist nur Unfug von Klatschbasen. Wer falsch handelt, wird die Früchte ernten. Das Gesetz des Karma ist unerbittlich. Ich wollte Dir ein Telegramm schicken: ,Mache Dir keine Sorgen. Es ist eine Fälschung. Es ist ein Betrug von irgend jemandem. Brief folgt.‘ Dann dachte ich, ein ausführlicher Brief würde die Dinge besser erklären.

 

Es löst keine Probleme, eine Angelegenheit aufzubauschen

Ich gehe in der Regel nicht auf Beschwerden ein. Die Einwände verschiedener Seiten nehmen kein Ende. Ich weiß wohl, daß eine Untersuchung die Sache verschlimmert. Nur um den von der "Verschwörung" Betroffenen Genugtuung zu verschaffen, stellte ich einige Nachforschungen über die Angelegenheit an und gab meine Schlußfolgerungen im nachstehenden Brief weiter. Ich gestattete es der "Zeit", die Lage zu verbessern. Der Brief geht weiter:

"Heute morgen habe ich alle Ashrambewohner zusammengerufen und die Sache untersucht. Wir sind zu keinem Ergebnis gekommen. Nur Gott kennt die Wahrheit. Ich kann nicht hellsehen und den Schuldigen so herausfinden. Du kannst selbst urteilen, wer es sein mag. Kannst Du ihn durch seinen Briefstil identifizieren? Selbst wenn Du es beweiskräftig feststellst, wird er es nicht zugeben. Empfinde nichts mehr dabei. Sei fröhlich. Alles ist falsch; aus Eifersucht wurde Unheil gestiftet. Es ist schwierig, die Urheber ausfindig zu machen. Wenn Du viel zu tun hast, brauchst Du wegen dieser Angelegenheit nicht extra herzukommen. Bleibe gelassen. Arbeite genügend. Konzentriere alle Strahlen des Geistes und sei ruhig. Vergiß die Vergangenheit. Arbeite so viel wie möglich. Stürze Dich in die Arbeit. Lasse Dich nicht aufregen. Diese geringfügigen Schwierigkeiten und Störungen treten auf, um Dich und mich zu stärken. Wir sollten uns nicht verwirren lassen. All das geschieht nur, um uns stark zu machen. Es dient einzig unserem Wachstum und unserer Verbesserung.

Etwas habe ich herausgefunden: Du läßt Dich schnell aufregen. Als ich Deinen Brief las, war ich äußerst überrascht. Ich begriff nicht, an wen Du geschrieben hattest, denn ich hatte Dir nie etwas Derartiges mitgeteilt. Selbst wenn es meine Unterschrift gewesen wäre und der Umschlag meine Handschrift getragen hätte, so hättest Du doch denken sollen, daß jemand einen Betrug begangen hat. Selbst angenommen, ich hätte einen solchen Brief geschrieben, dann hätte ich es zu Deinem Besten oder zum Besten von jemand anderem getan. Du hast hoffnungslos versagt. Ich kann niemandes Gefühle verletzen, nicht einmal im Traum, nicht einmal, wenn jemand mich bis zum äußersten beleidigt. Ich pflege diese eine Tugend. Sei Dir dessen immer bewußt, auch wenn in Zukunft solche Sachen passieren.

 

Der Weg zum Erfolg

Wenn ich eine Arbeit übernehme, beende ich sie um jeden Preis. Wenn ich anfange, ein Buch zu schreiben, bringe ich es auf die eine oder andere Art zu Ende. Wenn ich mir ein Buch zum Studium vornehme, schließe ich es ab, bevor ich ein anderes anfange. Ich lasse nichts halb erledigt. Ich konzentriere mich auf eine Sache und denke intensiv daran, ohne Ablenkung. Ich bin standhaft, unerschütterlich und beständig. Ich arbeite mit großem Fleiß. Ich halte zäh und eindringlich am Ziel fest.

 

Die Natur eines Menschen umformen

Erweise den schlechten Charakteren Ehre. Diene dem Schurken zuerst. Behandle ihn als einen zukünftigen Heiligen, als einen Heiligen, wie einen Heiligen selbst. Das ist eine Art und Weise, dein Herz zu reinigen und ihn ebenfalls zu erheben. Mir macht es große Freude, solchen Leuten aufmerksam zu dienen. Ich habe immer ein paar Leute um mich, die mich mißbrauchen, verunglimpfen, beleidigen oder sogar versuchen, mich zu verletzen. Ich möchte ihnen dienen, sie erziehen, erheben und verwandeln. Ich spreche sie äußerst ehrerbietig an. Nenne den Verbrecher oder Dieb einen Heiligen und ehre ihn öffentlich, so wird er sich schämen, weiterhin schlecht zu handeln. Erzähle einem schlecht gelaunten Menschen ständig: "Du bist ein Santa Murti, ein Mensch des Friedens" und er wird sich schämen, wütend zu werden. Sage einem Faulen: "Du bist ein tatkräftiger Arbeiter" und er wird seine Faulheit ablegen und sich an die Arbeit machen. Das ist meine Vorgehensweise. Das Lob sollte aus deinem tiefsten Herzen kommen. Du mußt deine Seele in jedes Wort legen. Du mußt aufrichtig fühlen, daß hinter der sichtbaren negativen Eigenschaft eine strahlende positive Tugend schlummert. Dann werdet ihr beide Erfolg haben.

 

Meine Ansicht über Verbrecher

Gute Menschen sind schon tugendhaft. Ich muß nur Verbrecher bessern und formen. Das ist meine besondere Aufgabe. Ein Verbrecher ist ein negativ tugendhafter Mensch. Er lebt, um die Tugendhaften zu verherrlichen. Er ist auch Krishna. Lord Krishna sagt in der Gita:
"Dyutam chhalayatamasmi –
ich bin das Spiel der Betrüger"
Rudri sagt: "Taskaranam pataye namah –
Verehrung dem Gott der Diebe."
Ich habe im Ashram alle Arten Schüler. Die Welt nennt mich einen Guru für Diebe und Spitzbuben. Ruhm der Divine Mission. Die spirituellen Schwingungen dieses Heiligen Zentrums verwandeln sie in Göttliche Wesen, Yogis und Heilige!

 

Abhimana (Selbstsucht) zerstören

Man muß daran denken, daß Sattwa (Reinheit), Rajas (Unruhe) und Tamas (Trägheit) ihre eigenen "Haken" haben, um den Übenden (Sadhaka) festzuhalten und ihn daran zu hindern, sich in das Reich des Überbewußten aufzuschwingen. Der sattwige Haken ist der feinste von allen und daher sehr schwer zu erkennen und zu entlarven. Im Zustand der Entsagung überwiegt die typische Sannyasa-Abhimana. Sie mag dem Schüler etwas größere Freiheit gewähren, sich höher aufzuschwingen als andere, dennoch ist auch er gebunden. Bei Tyaga (selbstlosem Handeln) schleicht sich Tyaga-Abhimana ein; sie ist sehr subtil und gefährlich und fast unmöglich zu überwinden. Ähnlich ist es mit Seva-Abhimana. Selbstsucht nimmt viele Formen an. Sannyasa (Entsagung), Tyaga (Handeln ohne Verhaftung) und selbst Seva (Dienen) werden zu ihrem Deckmantel. Der Übende (Sadhaka), der nach Selbstverwirklichung strebt, tut gut daran, sich in acht zu nehmen und diesen feineren Formen von Selbstsucht keinen Raum zu bieten.

 

Der ideale Lehrer

Ich bin ein ewig dürstender Schüler
Ich bin kein Lehrer
Aber Gott hat mich zum Lehrer gemacht
Die Schüler haben mich zum Lehrer gemacht
Ich mache aus meinen Schülern bald Lehrer
Ich bin ein solcher Lehrer.
Ich gehe höfllich mit ihnen um und rede sie als
"Maharaj", "Swamiji", "Bhagawan" und "Narayan" an
Ich behandle sie als ebenbürtig.
Ich weise ihnen gleiche Plätze zu.
Ich bin ein solcher Lehrer.
Ich erlaube ihnen, aus meinem eigenen Leben zu lernen.
Ich mache sie zu Mahants (Leitern von Ashrams) und Dienern der Menschheit, zu Vorsitzenden, Referenten, Schriftstellern, Swamis und Yogis,
zu spirituellen Gründern, Dichtern, Journalisten,
Werbeleuten, göttlichen Straßenkehrern, zu Pflegern von Gesundheit und Yoga,
zu Schreibmaschinenschreibern, Yoga-Königen, Atma-Samrats,
Karma-Yoga-Viras (Helden des Yoga des selbstlosen Handelns), BhaktiBushans (Zierden des Yoga der Hingabe), SadhanaRatnas (Juwelen der spirituellen Praxis)
Ich bin für alle Wahrheitssuchenden ein solcher Lehrer.

 

Kommt, kommt, Freunde

Mein Ruf ist unwiderstehlich.
Er hat zahllose Leben verwandelt.
Vergeudet dieses kostbare Leben nicht mit Kartenspielen und müßigem Geschwätz.
Gebt hitzige Erörterungen und Streitgespräche auf.
Zerstört alle äußeren Quellen des Vergnügens.
Gebt den Wunsch nach Bequemlichkeit auf.
Steckt den Kraftstoff der Begierde in Brand.
Zerstört die Festung der Selbstsucht.

Schnell, schnell, Freunde!
Singt den Namen Gottes Tag und Nacht
Nehmt jetzt ein Bad im Meer der Wonne
Und tretet ein in den inneren grenzenlosen Bereich des Atman.
Kommt, kommt, Freunde, macht den entscheidenden Schritt, seid schnell
Zögert nicht, säumt nicht – genießt die Wonne der Weisheit.