Dattatreya gilt in der indischen Mythologie als Inkarnation von Brahma, Vishnu und Shiva. Er verkörpert damit die schöpferische, die erhaltende und die auflösende Energie des Universums.
Es gibt viele inspirierende Geschichten um diesen sogenannten Trimurti Avatar, der Inkarnation der Dreifaltigkeit.
Dattatreya wird als Siddha verehrt, als ein großer Meister, der auch heute noch Aspiranten anleitet und führt, ihnen sogar erscheint.
Dattatreya wird gerne zusammen mit einer Kuh und mit Hunden dargestellt. Kühe galten im traditionellen Indien als die heiligsten aller Lebewesen, Hunde als nicht besonders heilig. Dagegen ist es im modernen Deutschland umgekehrt: Hunde werden von ihren Besitzern manchmal wie Heilige behandelt, "Kuh" ist ein Schimpfwort und man kann Kühe verspeisen, ohne darüber nachzudenken.
Dattatreya symbolisiert damit, dass alle zur höchsten Erkenntnis kommen können: die Hohen und die Niedrigen, die Klugen und die einfacher Gestrickten.
Zudem wird Dattatreya oft in Meditation dargestellt. Die Meditationspraxis der Visualisierung von Dattatreya gilt deswegen als guter Einstieg in die Meditation.
Das Fest von Dattatreya ist Dattatreya Jayanthi, der Geburtstag bzw. der Erscheinungstag von Dattatreya. Es fällt meistens auf den Dezember, um die die Advents- und Weihnachtszeit herum.
Dattatreya ist unter unterschiedlichen Namen bekannt. Oft wird er "Avadhuta" genannt, außerdem kann "Datta Guru als eine weitere geläufige Bezeichnung für ihn gelten.
Avadhuta heißt wörtlich "unbekleidet". Vereinzelt gibt es in Indien auch Darstellungen von Dattatreya ohne Kleidung. Avadhuta ist aber im übertragenen Sinn zu sehen: Er ist jenseits aller Hüllen gegangen. Avadhuta steht für Vairagya, Verhaftungslosigkeit. Und dafür, dass es gilt, sein höchstes Selbst zu erfahren. Das bekannteste Werk von Dattatreya ist die Avadhuta Gita. Es ist eine der bekanntesten und tiefgehendsten Vedanta Schriften.
Viele indische Gurulinien gehen auf Dattatreya zurück. Daher wird er auch als Datta Guru bezeichnet. Auch wenn Dattatreya Begründer einiger Gurulinien ist, hatte er selbst keinen menschlichen Guru. Patanjali schreibt, dass Gott selbst der Guru aller Gurus ist. Letztlich beginnt jede Gurulinie mit Gott. Und jeder kann sich auch selbst direkt an Gott richten.
Dattatreya ist auch bekannt dafür, dass er von allem lernte. In der Avadhuta Gita wird von seinen 24 Gurus gesprochen.
Um die einzelnen Facetten Dattatreyas zu begreifen, eignen sich hervorragend die vielen Geschichten, die über ihn geschrieben wurden. Geschichten transportieren oft philosophische Gedanken und bieten somit einen inspirierenden Zugang zu abstrakten Ideen.
Im Folgenden finden sich diese Erzählungen über Dattatreya:
Anusuya wird allgemein als ein Vorbild an Keuschheit dargestellt. Sie war die Ehefrau von Atri Maharshi, einem großen Weisen und einem der Sapta Rishis. Sie war fest in Pativrata Dharma verankert. Sie diente ihrem Mann mit tiefer Hingabe. Sie machte über sehr lange Zeit ernsthaft Tapas, damit Söhne gezeugt würden, die genau so wie Brahma, Vishnu und Shiva seien.
Eines Tages brachte Narada eine kleine Eisenkugel - von der Größe eines Getreidekorns, das ein Gramm wiegt - zu Saraswati und sagte zu ihr: „Oh Saraswati! Bitte brate diese Eisenkugel. Ich möchte diese Eisenkugel auf meiner Reise essen."
Saraswati lachte und sagte: „Oh Weiser Narada! Wie kann man diese Eisenkugel braten? Wie kann man sie essen?" Danach ging Narada zu Mahalakshmi und zu Parvati und bat sie, die Eisenkugel zu braten. Auch sie lachten über den Weisen Narada. Dann sagte Narada: „Oh Ihr Göttinnen! Ich werde sie von Anusuya braten lassen, der Frau von Atri Maharshi, einer großen Pativrata, die auf der Erdebene lebt."
Dann kam Narada zu Anusuya und bat sie, das Eisenkugel-Getreidekorn zu braten. Anusuya legte die Eisenkugel in die Bratpfanne, stellte sich ihren Ehemann vor ihrem geistigen Auge vor und tropfte ein wenig Wasser, mit dem sie gewöhnlich die Füße ihres Ehemanns wusch, über die Eisenkugel. Sofort war die Eisenkugel gebraten. Narada ging zu Saraswati, Lakshmi und Parvati, aß vor ihren Augen das gebratene Eisenkugel-Getreidekorn und gab ihnen auch ein wenig davon.
Er rühmte die Herrlichkeit und die Keuschheit von Anusuya sehr. Dann entschloss sich Narada, Anusuyas Wunsch Söhne zu empfangen, die ebenso wie Brahma, Vishnu und Shiva seien, zu erfüllen.
Er sagte zu Saraswati, Lakshmi und Parvati: „Ihr hättet die Eisenkugel auch braten können, wenn ihr alle eurem Ehemann mit Glauben, Aufrichtigkeit und Hingabe gedient hättet. Bittet doch eure Ehemänner, Anusuyas Pativrata zu überprüfen."
Daraufhin forderten Saraswati, Lakshmi und Parvati ihre Ehemänner auf, das Pativrata Dharma der Anusuya, der Frau von Atri Maharshi, zu testen und sie zu bitten, ihnen Nirvana Bhiksha zu geben, d.h. Almosen in nacktem Zustand zu verteilen.
Die Tri-Murtis hatten durch Jnana Drishti von Naradas Vorgehen und von Anusuyas fester Entschlossenheit und ihrem Wunsch erfahren. Sie waren einverstanden. Die Tri-Murtis zogen Gewänder von Sannyasins an, erschienen vor Anusuya und baten sie, ihnen Nirvana Bhiksha zu geben.
Anusuya war in großem Zwiespalt. Sie konnte es den Bhikshus nicht abschlagen. Sie musste auch ihr Pativrata Dharma beibehalten. Sie stellte sich ihren Mann vor ihrem geistigen Auge vor, suchte Zuflucht zu seinen Füßen und tropfte über die drei Sannyasins etwas Wasser, das sie benutzt hatte, um die Füße ihres Mannes zu waschen.
Aufgrund der Herrlichkeit des Charanamrita-Wassers wurden die Tri-Murtis in drei Kinder verwandelt. Gleichzeitig hatte sich in Anusuyas Brust Milch gesammelt. Sie dachte, die Kinder seien ihre eigenen und in nacktem Zustand stillte sie sie mit der Milch und legte sie in eine Wiege. Sie erwartete sehnlich die Ankunft ihres Mannes, der gegangen war, ein Bad zu nehmen.
Sobald der Weise Atri nach Hause gekommen war, erzählte Anusuya ihrem Mann alles, was während seiner Abwesenheit geschehen war, legte ihm die drei Kinder zu Füßen und verehrte ihn. Aber durch sein göttliches Sehvermögen wusste er das alles bereits. Er umarmte alle drei Kinder. Die drei Kinder wurden zu einem einzigen Kind mit zwei Füßen, einem Rumpf, drei Köpfen und sechs Händen. Atri der Weise segnete seine Frau und teilte ihr mit, dass die Tri-Murtis selbst die Formen von drei Kindern angenommen hätten, um ihren Wunsch zu erfüllen.
Narada ging zu Brahma Loka, zu Vaikuntha und Kailasa und unterrichtete Saraswati, Lakshmi und Parvati davon, dass ihre Ehemänner durch die Macht von Anusuyas Pativrata Dharma in Kinder verwandelt worden seien, als sie sie um Nirvana Bhiksha gebeten hatten und dass sie ihre frühere Form nicht eher wiederbekommen würden, als bis die Devis Atri um Bhartri Bhiksha (Ehemann als Geschenk) gebeten hätten.
Saraswati, Lakshmi und Parvati nahmen die Form von gewöhnlichen Frauen an, erschienen vor Atri und baten um Pati Bhiksha: „Oh du Weiser, gib uns gütigst unsere Männer zurück." Der Weise Atri ehrte die drei Frauen gebührend und betete mit gefalteten Händen zu ihnen, dass sein Wunsch und der Wunsch von Anusuya erfüllt werden möge. Da erschienen die Tri-Murtis in ihrer wahren Gestalt vor Atri und sagten: „Dieses Kind wird gemäß deinem Wort ein großer Weiser werden und es wird gleich sein wie wir, gemäß Anusuyas Wunsch. Das Kind wird den Namen Dattatreya tragen." Dann verschwanden sie.
Dattatreya wuchs zum Mann heran. Da er den Strahlenkranz der Tri-Murtis hatte und da er ein großer Jnani war, verehrten ihn alle Weisen und Asketen. Er war sanft, friedfertig und liebenswert. Immer folgte ihm eine große Anzahl von Menschen. Dattatreya versuchte sie loszuwerden, aber all seine Bemühungen waren umsonst.
Als wieder einmal viele Menschen um Ihn herum waren, ging er zum Baden in einen Fluss und kam drei Tage lang nicht aus dem Wasser. Im Wasser ging er in den überbewussten Zustand (Samadhi). Am dritten Tag kam er aus dem Wasser und sah, dass die Leute immer noch am Flussufer saßen und auf seine Rückkehr warteten.Mit dieser Methode gelang es ihm nicht, die Leute loszuwerden.
Er versuchte es mit einem anderen Plan. Mit seiner Yogakraft erschuf er ein hübsches Mädchen und eine Flasche Wein. Er kam aus dem Wasser und hielt das Mädchen an der einen Hand und die Weinflasche in der anderen. Die Leute dachten, dass Dattatreya von seinem Yogaweg abgefallen war. Deshalb verließen sie Ihn und gingen fort.
Dattatreya warf all seinen persönlichen Besitz fort, sogar die spärliche Kleidung, die er besaß und wurde ein Avadhuta. Er ging in die Welt, um die Wahrheit des Vedanta zu predigen und zu lehren. Dattatreya lehrte Subrahmanya oder Karttikeya seine Gita, auch Avadhuta Gita genannt. Sie ist ein äußerst wertvolles Buch, das die Wahrheiten und Geheimnisse der Vedanta-Philosophie, sowie die direkten Erfahrungen der Verwirklichung des Selbst enthält.
Als Dattatreya einmal glücklich in einem Wald umherstreifte, traf er den König Yadu, der ihn nach dem Geheimnis seines Glücks und auch nach dem Namen seines Gurus fragte.
Dattatreya sagte, dass einzig der Atman sein Guru sei, aber dass er dennoch Weisheit von vierundzwanzig Einzelwesen erlernt habe und dass sie deswegen seine Gurus wären.
Dattatreya nannte dann die Namen seiner vierundzwanzig Gurus und berichtete von der Weisheit, die er von jedem Einzelnen erlernt hatte:
Der König war höchst beeindruckt von Dattatreyas Lehren. Er gab das Weltliche auf und übte sich darin, regelmäßig über das Selbst zu meditieren.
Dattatreya war ganz und gar frei von Intoleranz oder Vorurteil jeglicher Art. Er nahm Weisheit auf, aus welcher Quelle sie auch kam. Alle Weisheitssuchenden sollten dem Beispiel von Dattatreya folgen.