Autobiographie von Swami Sivananda

Kapitel 3 - Teilhaben am göttlichen Reichtum

 

Erste spirituelle Bestrebungen

Manche Mahatmas (Meister) verbringen ihr ganzes Leben mit dem eingehenden Studium der Schriften und führen gerne hitzige Diskussionen und Streitgespräche über schwer verständliche Yoga- und Vedanta-Themen. Manche Yogis mühen sich mit Hatha-Yoga-Übungen ab in der Hoffnung auf übernatürliche Kräfte und foltern den Körper. Ein paar fühlen sich vom Kundalini-Yoga, dem Yoga der Energieerweckung, und den Tantra Shastras (Schriften über Tantra, die Shiva-Shakti-Philosophie) angezogen. Sie wollen auf diese Weise geistige Kräfte erlangen, um Wunder vollbringen zu können. Andere verbringen ihre ganze Zeit mit Japa (Mantrawiederholung) und Kirtan (Mantrasingen) und beklagen stundenlang ihr Getrenntsein von Gott. Gebildete junge Leute schreiben ständig interessante Artikel und Vorträge, um sich auf weltweite Vortragsreisen vorzubereiten. Ich liebe und respektiere alle diese großen Seelen wegen ihrer gründlichen Vertiefung in ihr jeweiliges Gebiet. Aber erreichen sie alle die Vollkommenheit?

Ich stellte fest, daß sie nicht über die richtigen Voraussetzungen und Annehmlichkeiten verfügten. Ihnen fehlte die Anleitung durch einen kundigen Menschen. Sie konnten ihr Sadhana nicht beständig und systematisch ausüben und wechselten ihre Praktiken häufig. Entweder achteten sie übermäßig auf ihre Bedürfnisse oder kümmerten sich gar nicht um ihre Gesundheit. Sie dachten alle viel an die Zukunft und strebten nach übernatürlichen Kräften (Siddhis), Wundern, Ansehen und Berühmtheit. Das ließ nur ihr Ego anschwellen. Ich studierte ihre Methoden genau; das öffnete mir die Augen und gab mir die Kraft, mich an eine strenge spirituelle Praxis in der richtigen Richtung zu halten. Ich fühlte die Gnade Gottes. Ich erhielt Kraft und Führung von innen und fand Wege für eine ganzheitliche Entwicklung. Selbstverwirklichung war das Ziel meines Lebens und ich war entschlossen, jedes bißchen meiner Energie und Zeit mit Studium, Dienst und Sadhana zu verbringen.

 

Ganzheitliches Sadhana

Dienst an Kranken, Armen und Mahatmas reinigt das Herz. So kann man göttliche Eigenschaften wie Mitleid, Mitgefühl, Barmherzigkeit und Großzügigkeit entwickeln. Es trägt dazu bei, schlechte Eigenschaften und Unreinheiten des Geistes wie Selbstsucht, Stolz, Haß, Zorn, Gier, Eifersucht und so weiter auszumerzen. Die kranken Meister und armen Dorfbewohner hatten keine angemessene medizinische Versorgung. Tausende von Pilgern nach Badrinath und Kedarnath brauchten ebenfalls ärztliche Hilfe. Daher richtete ich beim Lakshmanjhula-Tempel am Weg nach Badri-Kedar den Satyasevashram ein, eine kleine Apotheke und Krankenstation, und half den Verehrern mit großer Liebe und Hingabe. In ernsten Fällen stellte ich eine besondere Ernährung zusammen und besorgte Milch und alles sonst Notwendige. Die spirituelle Entwicklung schreitet schneller voran durch Dienen mit dem richtigen, hingebungsvollen Gefühl (Bhav) und einer entsprechenden Einstellung.

Um meine gute Gesundheit aufrechtzuerhalten, praktizierte ich Asanas (Körperstellungen), Pranayama (Atemübungen), Mudras (Körperstellungen in Verbindung mit Atmung) und Bandhas (Verschluß; Übung in Verbindung mit Atmung). Abends unternahm ich lange, weit ausholende Spaziergänge. Zusätzlich machte ich Körperübungen. Ich achtete besonders auf eine einfache Lebensweise, erhabenes Denken, leichte Ernährung, vertieftes Studium, stille Meditation und regelmäßige Gebete. Ich liebte die Abgeschiedenheit und befolgte Mauna (Schweigen). Ich mochte keine Gesellschaft und nutzloses Gerede. Von der Bibliothek des Ram Ashrams in Muni-ki-reti lieh ich mir Bücher für meine Studien und widmete jeden Tag eine gewisse Zeit dem Studium. Ich hatte immer ein Wörterbuch in Reichweite und schlug die Bedeutung schwieriger Wörter nach. Schlaf und Entspannung gaben mir genug Kraft, mein intensives Sadhana fortzusetzen. Ich suchte die Nähe großer Meister, ließ mich aber nie auf Diskussionen und Debatten ein. Selbstanalyse und -beobachtung dienten mir als Führung.

Um Gebet und Meditation mehr Zeit zu widmen, zog ich in den Swarg Ashram. Ich lebte in einem kleinen Kutir (Hütte) von acht mal zehn Fuß mit einer kleinen Veranda davor und bezog mein Essen von der Kali-Kambliwala-Speisestätte. Heute trägt das Kutir mit einigen nachträglich hinzugefügten Räumen die Nummer 111. Ich behielt mein Sadhana und den Dienst an Kranken bei. Jeden Tag ging ich eine Stunde lang von Hütte zu Hütte, um kranke Mahatmas zu pflegen, nach ihrem Wohlergehen zu fragen und sie mit dem Nötigen zu versorgen. Ich verbrachte viel Zeit mit Meditation und praktizierte verschiedene Yogaarten. Die Erfahrungen daraus sind in viele meiner Veröffentlichungen als Ratschläge für Aspiranten eingeflossen. Ich verbreitete meine Gedanken und Erfahrungen schnell, um der Welt und allen Wahrheitssuchenden zu helfen. Üblicherweise hielten sogar große Mahatmas ihr Wissen geheim und lehrten es nur einigen Auserwählten.

 

Das Leben im Swarg Ashram

Ich wendete nicht viel Zeit zum Zähneputzen, Kleiderwaschen und Baden auf. Das erledigte ich schnell zwischendurch, wenn ich zwischen Sadhana, Studium und Dienst ein wenig Luft hatte. Ich war nie von jemandem abhängig, obwohl es ein paar Schüler gab, die auf eine Gelegenheit warteten, mir Dienste zu erweisen. Ich hatte feste Zeiten für alle Arbeiten wie zum Beispiel Studium, Schriftwechsel mit Sadhakas (Schülern), Übungen, Bettelgänge und so weiter. Nach und nach kamen viele Menschen zu mir. Das beeinträchtigte meine planmäßige Arbeit ernstlich. Mit der Zustimmung der Ashramverwaltung zog ich einen Drahtzaun um meine Hütte und verschloß das Tor.

Besuchern führte ich meine Gelehrsamkeit nicht durch langwierige, hochphilosophische Erörterungen vor. In fünf Minuten gab ich jedem ein paar kurze Hinweise zum praktischen Sadhana. Am Eingang zu meinem eingezäunten Gelände brachte ich ein Schild an mit der Aufschrift: "Fragestunde zwischen 16.00 und 17.00 Uhr - je fünf Minuten pro Besucher". Im Winter kamen nicht viele. Ich nutzte dann die Zeit für einen forschen Spaziergang auf dem Gelände und sang dabei Bhajans (Lobgesänge) und Lieder. An manchen Tagen verließ ich mein Kutir gar nicht. Zum Essen bewahrte ich aus den Überresten meiner Almosen immer etwas trockenes Brot auf. Mein Ziel war eine vertiefte spirituelle Praxis (Sadhana).

Meine Freude war unbeschreiblich, wenn ich abends stundenlang auf einer Sandbank oder einem Felsen am Ganges saß und die herrliche Natur bewunderte. Ich wurde eins mit der Natur. In dieser Zeit gründete ich die Swarg-Ashram-Sadhu-Sangha-Gesellschaft, einen Verein zur Förderung der Mönche, um Abhilfe für die herrschenden Mißstände zu schaffen und ließ die Einrichtung registrieren. Ich lud bedeutende Meister ein und organisierte eine Zeitlang wöchentliche Vorträge und tägliche Bhajans und Rezitationen des Ramayana. Ein paar Monate lang führten wir auch Vorträge über Yoga Vashishtha (Lehre des Yogameisters Vashishta), das Ramayana von Tulasidas (Heilige Schrift über das Leben von Rama) und die Upanishaden (indische heilige Schrift) durch. Meine Schüler förderte ich in ihrer Entwicklung durch organisatorische Mitarbeit im Verein.

 

Unterwegs in göttlichem Dienst

1925 besuchte ich den Kleinstaat Sherkot in Dhampur im Bezirk Bijnur. Die Rani (Herrscherin) von Sherkot, Shrimati Phulkumari Devi, bereitete mir einen herzlichen Empfang. Ich führte dort mehrere Tage lang Bhajans durch und leistete den Dorfbewohnern ärztliche Hilfe. Die Maharani (Fürstin) von Mandi, Shri Lalita Kumari Devi, besuchte den Bhajan ebenfalls. Selbst nach Jahren noch sagte sie immer, wenn sie mich traf: "Ich kann Ihre wohlklingenden, anregenden Lieder nicht vergessen. Sie sind noch ganz frisch in meinem Gedächtnis. Ich spüre ihren Einfluß bis jetzt. Sie haben mich verzaubert und meine Seele erhoben."

Von Sherkot ging ich zu Fuß nach Rishikesh zurück und besuchte die Dörfer am Weg. Ich hielt Vorträge über Yoga und leitete Kirtans und Bhajans mit den Gruppen von Verehrern, die dabei zusammenkamen. Diese gelegentlichen Reisen halfen mir, alle göttlichen Eigenschaften zu entwickeln und der Menschheit ganz allgemein zu dienen. Während meines Lebens als Wandermönch (Parivrajaka) besuchte ich einmal Rameshwaram und die heiligen Orte Südindiens. Damals hielt ich mich eine Weile lang im Shri Ramana Ashram auf. Der Anwalt Shri Chand Narain Harkuli von Sitapur begleitete mich. Unterwegs war ich auch in Puri und verehrte Jagannath (Name für Vishnu bzw. Krishna). In Waltair nahm ich ein Bad im Meer. In Rameshwaram verehrte ich Ramalinga (ind. Heiliger). Ich kam am Tag von Shri Ramanas Geburtstagsfeier im Ashram an. Ich hielt Bhajan und Kirtan in der großen Halle vor Shri Bhagavan Ramana und den Verehrern. Ich umwanderte den Arunachala-Hügel ("Roter Berg" oder "Hügel des Lichtes", der heilige Berg Südindiens) und verehrte ihn als Tejas Linga ("Säule des Lichtes", Phallus, Symbol für die göttliche schöpferische Kraft).

Wann immer sich eine Gelegenheit bot, der Menschheit als Ganzes zu dienen oder wenn man mich nötigte, bei spirituellen Konferenzen den Vorsitz zu führen, besuchte ich verschiedene Stätten in Bihar, im Pandschab und in anderen Provinzen. Ich gründete dynamische spirituelle Zentren, organisierte Konferenzen und Kirtan-Zusammenkünfte und beteiligte mich an den Aktivitäten zahlreicher schulischer, religiöser und spiritueller Einrichtungen. Sogar wenn ich im Zug reiste, brachte ich Mitreisenden Yogaübungen bei und gab ihnen einfache Unterweisungen über Mantrawiederholung (Japa) und Meditation. Ich führte immer einen Arzneikoffer mit mir und leistete Kranken ärztliche Hilfe.

Zu den Wallfahrtsorten, die ich besuchte, gehören Lahore, Meerut, Srinagar in Kashmir, Patna, Monghir, Lucknow, Gaya, Kalkutta, Ayodhya, Lakhimpur-kheri, Bhagalpur, Ambala, Aligarh, Sitapur, Bulandshaher, Delhi, Shikohabad, Nimsar, Mathura, Brindavan, Etawah, Mainpuri und viele andere Orte in Nordinien. In der Provinz Andhra besuchte ich den Shanti Ashram in den Totapalli-Bergen, die Friedensmission in Waltair sowie Rajahmundry, Kakinada, Pithapuram und Lakshmi-narasapuram.

Auf Reisen hatte ich immer mein Tintenfaß, Schreibfedern, Bleistifte, Nadeln, Bücher wie das Viveka Chudamani, die Upanishaden, die Bhagavad Gita und die Brahmasutras dabei und ein paar Briefmarken, um dringenden Schriftverkehr erledigen zu können. Zwei Stunden vor der Abfahrt ging ich zum Bahnhof. Statt mich überall umzuschauen, setzte ich mich unter einen Baum und erledigte meine Schreibarbeiten. Ich führte nie ein Adreßbuch zu dem Zweck, Anhänger oder Freunde an wichtigen Stationen meiner Reise aufzusuchen in der Hoffnung auf gutes Essen oder finanzielle Unterstützung. Ich brachte die Arbeit, um deretwillen ich unterwegs war, so rasch wie möglich zu Ende und kehrte bei der ersten sich bietenden Gelegenheit nach Rishikesh zurück.

Ich pilgerte nach Kedarnath und Badrinath, Tunganath und Triyuginath. Swami Balananda und Swami Vidyasagar begleiteten mich. Ich badete kurz in den heißen Quellen von Badri Narayan. Während der Reise sang ich Kirtan und Bhajan und übte geistiges Japa.

Von Kalkutta aus erreichte ich mit einem Boot Ganga Sagar, die Mündung des Ganges in die Bucht von Bengalen. Shrimati Maharani Surat Kumari Devi war dabei. Dort gibt es einen kleinen Kapila-Tempel. Ich badete im Meer. Es fand gerade eine Mela (Jahrmarkt) statt. Ich half den Pilgern, die Leiter hinaufzusteigen.

 

Der Ruf des Kailash

In den frühen Jahren meiner spirituellen Praxis in Rishikesh beschloß ich, den Kailash in Westtibet (heiliger Berg der Buddhisten, von den Hindus Meru genannt) aufzusuchen. Am 12. Juni 1931 brach ich mit Seiner Heiligkeit Shri Swami Adwaitanandaji, Shri Swami Swayam Jyoti Maharaj, Shri Brahmachari Yogananda, Ihrer Hoheit Maharani Surat Kumari Devi von Singhali und Shri Kedarnath, ihrem Sekretär, zu einer Pilgerfahrt an diesen heiligen Ort auf. Wir badeten alle im Manasarovar-See und umrundeten den Kailash. Ich ging die ganze Entfernung zu Fuß. Auf dieser schönen Erde gibt es keinen dem Kailash vergleichbaren Ort mit der wundervollen Schönheit seines ewigen Schnees. Die Reise zum Kailash ist die schwierigste aller Wallfahrten. Er wird auch Meru genannt, der Weltenberg. Zur selben Zeit besuchte auch Seine Hoheit der Maharadschah von Mysore den Kailash. Die Gesamtentfernung von Almora zum Kailash beträgt ungefähr 230 Meilen. In zwei Monaten kann man leicht hin und wieder zurückkommen. Am 22. August kehrten wir nach Almora zurück.

 

Massenverbreitung von spirituellem Wissen

Am 9. September 1950 begab ich mich auf eine tatkräftige Mission zur Verbreitung von Wissen, indem ich eine ausgedehnte zweimonatige Reise durch ganz Indien und Sri Lanka unternahm. Am 7. November 1950 kehrte ich nach Rishikesh zurück. Auf dieser Reise kam ich mit Tausenden ernsthaft spirituell Interessierten im ganzen Land in enge Berührung. Ich freue mich von Herzen, daß der Allmächtige mir die Gelegenheit gab, Ihm und Seinen Kindern durch diese Reise zu dienen. Ich erinnere mich mit unermeßlicher Freude an die tiefe Frömmigkeit der Menschen in Indien und Sri Lanka, an ihre Hochachtung gegenüber dem Heiligen Stand des Mönchtums (Sannyasa) und an ihren Eifer, sich Wissen über Yoga und Vedanta anzueignen.

Ich besuchte alle wichtigen Städte und Dörfer im ganzen Land. Ich sprach an öffentlichen Versammlungen und veranstaltete Kirtans (Mantrasingen). Ich hielt Vorträge an Schulen, Kollegs und Universitäten über sittliche Lebensweise und richtige Erziehung sowie bei öffentlichen Veranstaltungen über allgemeine spirituelle Themen. Anläßlich dieses historischen Ereignisses, der Reise durch ganz Indien und Sri Lanka, wurden Bücher im Wert von Tausenden von Rupien kostenlos an die Öffentlichkeit verteilt.

Ich hielt mich an meine übliche Gewohnheit und verschwendete keine Zeit mit der Vorbereitung schöner, weitschweifiger Reden über Yoga, Bhakti und Vedanta für diese Anläße. Neben den Kirtans und Gesängen gab ich praktische Unterweisungen für Sadhana (geistige Übung). Das löste bei den Zuhörern eine wunderbare Wirkung aus. Wenn ich in Gegenwart der Anhänger eine überschäumende Freude in mir fühlte, verband ich den Anlaß auch mit Shiva- und Krishnatänzen. Die Menschen waren begeistert. Selbst heute noch wiederholen Tausende meine Lieblingslieder "Agada Bhum", "Chidananda-hum", "Pilade" und andere. Manchmal tanzten die Leute lange in göttlicher Verzückung.

Überall wo ich hinkam, war ich überwältigt von der Liebe der Menschen. An jeder Station der Reise genoß ich ihre Wärme, Herzlichkeit und Hingabe. Wieder und wieder badete ich im Meer der Hingabe der Massen an Gott. Wieder und wieder kostete ich den Zaubertrank des Namens Gottes, den all die Menschen mit tiefem Gefühl und Inbrunst sangen.

Dienen bereitet mir Freude. Ich kann keine Sekunde lang ohne Dienen leben. Auf der Reise durch ganz Indien fand ich dafür ein ergiebiges Feld. Ich arbeitete zwei Monate lang ohne Pause oder Erholung. Der Reisewagen, Fahrt- und Flugpläne von Flugzeugen, Zügen, Bussen und Schiffen schränkten die Intensität meiner Arbeit ein. Ich mußte mich an die "Zeit" halten, um verschiedene Aufgaben zu erfüllen und hatte nicht genug Zeit für die Bedürfnisse der Anhänger.

Auf dem Rückweg wollte ich von Bombay aus auf den Reisewagen verzichten und meine Reise von Provinz zu Provinz fortsetzen, in jeder Stadt und in jedem Dorf von Tür zu Tür gehen, Kirtans und Bhajans singen und das Maha-Mrityunjaya-Mantra für die Gesundheit und ein langes Leben der Verehrer wiederholen. Ich wollte die Botschaft vom Göttlichen Leben persönlich jedem einzelnen bringen.

 

Spirituelle Konferenzen

Obwohl ich im Swarg Ashram eine besondere Vorliebe für tiefe Meditation in Abgeschiedenheit hatte, richtete ich in regelmäßigen Zeitabständen Satsangs (Zusammensein mit Weisen; Gruppenmeditation) in den Abendstunden ein. Ich lud die Mahatmas (große Meister) und Brahmacharis (enthaltsam Lebende) dazu ein. Ein Meister aus dem Pandschab sprach dabei über Yoga-Vashishtha (Yogalehre des Vashishtha) und das Ramayana von Tulasidas; zum Schluß leitete ich Bhajan- und Kirtan-Singen. Gelegentlich besuchte ich Sitapur, Lakhimpur-kheri, Meerut und andere Stätten in Uttar Pradesh und im Pandschab, um dort abends Kirtans zu halten und Vorlesungen mit Yoga-Vorführungen an höheren Schulen und Kollegs zu geben. Dabei verteilte ich Merkblätter über "20 wichtige spirituelle Anweisungen" und "Die Bedeutung von Brahmacharya". Morgens um vier Uhr führte ich gemeinsame Gebete und stille Meditation ein und drängte alle spirituellen Anwärter, an diesem gemeinsamen Sadhana teilzunehmen.

Ich forderte die Leute auf, Likhita-Japa (Mantraschreiben) zu üben. In öffentlichen Versammlungen ließ ich die Teilnehmer bewegungslos sitzen, Mantras schreiben und während der ganzen Zeit Schweigen bewahren. Wer am meisten Mantras leserlich geschrieben hatte erhielt ein Geschenk. Um die Menschen zu ermutigen, schenkte ich nicht nur den Gewinnern des Wettbewerbs spirituelle Bücher, sondern allen Anwesenden. Verehrer brachten in der Regel sehr viele Früchte, die ich an Ort und Stelle an die Zuhörer verteilen ließ. Am Ende nahm ich ein wenig davon als Prasad.

 

Vortragsreisen

Die Veranstalter arbeiteten gewöhnlich ein dicht gedrängtes Programm für eine oder zwei Wochen aus. Dazu gehörten auch zwei bis drei Tage ununterbrochenes Mantrasingen (Akhanda Kirtan). Zu meiner Entlastung bei der Arbeit in den Außenstellen nahm ich Shri Swami Svarupananda und Shri Swami Atmananda, zwei meiner Schüler, mit. Der erstere übersetzte meine englischen Reden schnell und gekonnt in Hindi, und der letztere leitete wohlklingende Bhajans und Kirtans. Zahlreiche Flugblätter wurden zur kostenlosen Verteilung gedruckt.

Die erste Reise dieser Art unternahm ich 1933 nach Lakhimpur-kheri, Meerut und Hardoi. Danach reiste ich jedes Jahr ein oder zwei Wochen im Pandschab und in Bihar. Ich bat meine Schüler im Swarg Ashram und den Posthalter in Rishikesh, mir keine Post nachzusenden. Während dieser Reisen erledigte ich keinen Schriftwechsel, sondern konzentrierte mich ganz auf die tatkräftige Verbreitung von Wissen.

Obwohl ich in Rishikesh normalerweise einfach von trockenem Brot (Rothis) lebte, hatte ich während dieser anstrengenden tage- und nächtelangen Arbeit das Bedürfnis nach energiereicher Nahrung und Früchten. Gewöhnlich hatte ich ein paar Scheiben Brot oder Kekse in der Tasche, denn die Arbeit an verschiedenen Orten ließ mir keine Zeit für Mahlzeiten oder Ruhepausen. Bevor ich aufbrach, versorgte ich mich mit genügend Geld für die Rückreise. Ich verlangte niemals Geld von den Veranstaltern für meine Ausgaben, sondern bat sie, stattdessen eine große Anzahl von Flug- und Merkblättern in verschiedenen Sprachen zu drucken, die dann bei den Veranstaltungen verteilt wurden.

Die Schüler, die mich auf diesen Reisen begleiteten, sagten immer: "Es ist eine reine Freude, mit dem Guru Maharaj zu reisen wegen der wundervollen Behandlung, die er einem zuteil werden läßt." Ich teilte alles mit ihnen, was ich hatte, achtete sehr auf ihre Gesundheit und machte sie beliebt und bekannt. Manchmal schrieb ich den Veranstaltern: "Bitte halten Sie genug Früchte und Kekse in meinem Zimmer bereit. Das ist mein Saguna Brahman (Gott mit Eigenschaften). Die Mitarbeiter brauchen nahrhaftes Essen und energiereiches Obst, um solide Arbeit leisten zu können." Bei meinem Aufenthalt in Sitapur 1934 rief ich eine Kampagne für ein medizinisches Hilfswerk ins Leben. In den Bezirken von Andhra besuchte ich zahlreiche Dörfer und gab den armen Dorfbewohnern Arzneien. Shri Swami Omkarji und Schwester Sushila (Shri Ellan St. Clair Nowald) begleiteten mich.

 

Unfehlbare Inspiration

In Zeiten anstrengender Arbeit pflegte ich mich durch Japa, Meditation, tiefe Atemübungen, Bhastrika (spezielle Atemübung), Pranayama und Kirtan zu erholen; das gab mir neue Energie. An vielen Orten veranstaltete ich NagarKirtans (Singen des Namens Gottes in der Öffentlichkeit am frühen Morgen) und Prabhat Pheri (Prozession am frühen Morgen). Wo immer ich hinkam, war die ganze Stadt mit spirituellen Schwingungen geladen. Die Menschen fühlten den wunderbaren Frieden und die Kraft tagelang. Anhänger schrieben mir oft noch nach mehreren Jahren: "Geliebter Swamiji, wir hören noch heute, wie du das OM und das Maha-Mantra singst." Viele Menschen wiederholen noch heute die beliebten Gesänge wie "Om Namah Shivaya", "Chidananda-hum" und "Sita Ram Sita Ram", wenn sie auf den Feldern arbeiten. Die Schüler in den Kollegs und Schulen singen mein Lieblingslied "Govinda, Govinda". Die Reise brachte herrliche und dauerhafte Ergebnisse.

Im Ashram gab es sehr viel Arbeit, so daß ich 1938 mit den Reisen aufhörte. Ich sandte meine Schüler in verschiedene Zentren, um spirituellen Versammlungen bei den Zweigstellen beizuwohnen. Bei verschiedenen Anlässen veranstalteten Anhänger aus dem Pandschab einen Sitzstreik vor meiner Hütte und nötigten mich, ihre jährlichen Sankirtan-Konferenzen im Dezember in Lahore zu besuchen.

 

Die kraftvolle Verwandlung der Massen

Auszüge aus Briefen, die ich in der Zeit zwischen 1933 und 1936 schrieb, vermitteln einen Eindruck meiner Arbeit auf den Reisen:

I. "Wenn ich reise, verströme ich im Laufe einer Woche meine ganze Energie. Jetzt bin ich müde. Aber die Leute bedrängen mich, Meerut zu besuchen. Es ist alles Seine Gnade. Sein Wille geschehe. Schickt mir keine Briefe hierher. Das würde meine Arbeit stören. Die Leute verschlingen mich von allen Seiten. Nichts ist sicher. Wahrscheinlich kehre ich in ein oder zwei Wochen nach Rishikesh zurück."

II. "Ich verbringe meine Zeit damit, tagsüber interessante Vorträge zu halten und nachts Kirtans zu singen. Ich pumpe Freude und Kraft in die Anhänger. Ich brülle wie ein Löwe. Die Leute lassen mich nicht eine Sekunde allein. Sitapur und Lakhimpur-kheri sind jetzt Vaikuntha (der Wohnsitz Vishnus) auf Erden. Ich hielt Kirtan mit 3000 Menschen, ein Ereignis, wie es Lakhimpur in seiner ganzen Geschichte noch nie erlebt hat. Heute habe ich Kirtan mit Harijans. Mit der Kirtan-Bewegung können wir Indien umgestalten. Indien braucht das. Eine große Erneuerung findet jetzt statt."

III. "Sagt den Veranstaltern, daß ich jetzt leidlich mit ihnen zufrieden bin. Ein dreitägiges ununterbrochenes Mantrasingen (Akhanda Kirtan) muß dringend organisiert werden. Das ist der einzige wirksame, dauerhafte und wesentliche Teil der Arbeit. Gemeinsames Mantrasingen (Sankirtan) an verschiedenen Orten, um die ganze Atmosphäre anzuregen und aufzuladen, ist eine andere Aufgabe. Beides ist wichtig für den Weltfrieden. Örtliche Krawalle halten dem Namen Ramas nicht stand. Ihr braucht keine Angst vor dem Ausgehverbot zu haben."

 

Arten von Kirtan

Heute noch habe ich vor Augen, wie Tausende aufstanden und tanzten, wenn ich Agada-Bhum-Mantras sang. Nach jedem Bhajan und Kirtan gab ich Anleitungen zur spirituellen Praxis (Sadhana). In Bihar machte ich Kirtan vom Lastwagen aus. Ich fuhr mit einer Gruppe von Anhängern auf einem offenen Lastwagen und veranstaltete von da aus Kirtans. In Rishikesch tat ich bei verschiedenen Gelegenheiten dasselbe von einem Boot aus.