Satya Narayana Vrata121

Ihr habt vielleicht schon von Narada122gehört. Er ist Triloka Sanchari – einer, der sich in allen drei Welten bewegen kann. Als er einst die Erdebene besuchte, herrschte dort große Not und Narada sah keinen Weg, das menschliche Leid zu lindern. Er wandte sich an Narayana und berichtete ihm von den traurigen Zuständen auf der Erde.

Narayana
sagte zu Narada: „O ehrwürdiger Rishi, die Menschen sollen am Abend des Shankranti (letzter Tag des Jahres) oder an Purnima (Vollmondtag) das Satya Narayana Vrata begehen. Lasse sie alle die Geschichte von Satya Narayana hören. Alles Leid wird ein Ende haben. Daran gibt es keinen Zweifel.“

Die Ausführung des Satya Narayana Vrata kostet nicht viel. Du brauchst nur dem Schriftgelehrten (Pandit), der vorbeikommt, um die Geschichte vorzulesen, ein kleines Geschenk zu geben. Dann verteile etwas Prasad (Nahrung, die vorher den Göttern geopfert wurde), was ebenfalls nicht kostspielig sein muss – ein bisschen Weizenmehl, Zucker, Joghurt und Obst reichen.

In Nordindien halte viele das Satya Narayana Vrata ein. Das vollständige Ritual dauert etwa drei Stunden. Grundsätzlich wird es am Tag des Vollmonds ausgeführt, insbesondere an den Vollmondtagen der Mondmonate Kartik (Oktober/November), Vaisakh (April/Mai), Sravan (Juli/August) und Chaitra (März/April) sowie an Shankranti (dem letzten Tag des Jahres nach dem hinduistischen Kalender). Es kann auch an einem Neumondtag ausgeführt werden.

Fünf Geschichten sind mit dieser Feier verbunden. Sie berichten vondem Ruhm und der Gnade Narayanas, seinem Prasad (Opfer, Geschenk) unddem unermesslichen Nutzen aus der Einhaltung dieses Gelübdes, wenn man den Geschichten mit Glauben, Hingabe und Konzentration des Geistes zuhört. Die erste Geschichte ist die von Narada, die oben schon erzähltwurde. Die anderen Geschichten vermitteln moralische Lehren, z.B. überWahrhaftigkeit und Einhaltung von Versprechen usw.

121.Satya = Wahrhaftigkeit; Narayana = Gott in seiner Urform; auch anderer Name für Vishnu bzw. Krishna; Vrata = Gelübde
122. Einer der sieben alten Rishis, Seher; Herr der himmlischen Musikanten, großer Jnana und Bhakti Yogi.

Die Geschichte vom armen Brahmanen

Es war einmal ein sehr armer Brahmane (Angehöriger der Priesterkaste), der von Almosen lebte. Narayana erschien ihm in Gestalt eines alten Brahmanen, bat ihn, das Satya Narayana-Gelübde einzuhalten und versicherte ihm, dass er dann frei von Armut sein werde. Der Brahmane handelte danach und alle seine Wünsche erfüllten sich. 

Die Geschichte vom Holzfäller

Derselbe Brahmane führte nun das Ritual in großartiger Weise aus. Da kam ein armer Holzfäller vorbei, der Wasser trinken wollte. Die Geschichte von Satya Narayana wurde gerade erzählt. Der Holzfäller, angezogen durch die kunstvolle Rezitation des Geschichtenerzählers, setzte sich und hörte mit gespannter Aufmerksamkeit zu. Das inspirierte ihn, das Vrata selbst bei sich auszuführen. Er nahm etwas Prasad und aß es.

Anschließend ging er zum Marktplatz und verkaufte sein Bündel Brennholz für den doppelten Betrag als sonst. Sofort kaufte er alles, was für die Ausübung des Satya-Narayana-Gelübdes notwendig war und hielt es von da an zusammen mit seiner Familie mit tiefem Glauben und Hingabe ein. Alle seine Wünsche wurden erfüllt. Er erfreute sich an allem, was das Leben auf Erden zu bieten vermag. Nach seinem Tod erreichte er die höchste Himmelsebene von Satya Loka (satya = Wahrhaftigkeit; loka = Welt, Ebene), wo allein die Wahrheit herrscht.

Die Geschichte vom Kaufmann

Vor langer langer Zeit herrschte König Ulkamukha über die Erde. Er war ein Verehrer von Narayana. Auch die Königin war sehr gottesfürchtig. Eines Tages fasteten sie und führten das Satya Narayana Vrata am Ufer des heiligen Flusses Bhadrashila durch.

Ein Kaufmann namens Sadhu kam vorbei und fragte den König, was er da mache. Der König erklärte ihm das Satya-Narayana-Gelübde. Als Sadhu nach Hause zurückkehrte, berichtete er seiner Frau Lilavathi von der Großartigkeit des Satya Narayana Vrata, so wie er es vom König gehört hatte. Daraufhin gelobten beide, dieses Ritual einzuhalten, wenn sie mit einem Kind gesegnet würden. Lilavathi brachte auch bald ein Mädchen zur Welt, welches sie Kalavathi nannten.

Sadhu
beschloss, die Einhaltung des Gelübdes zu verschieben, bis seine Tochter verheiratet wäre. Schließlich fand die Hochzeit Kalavathis statt, aber inzwischen hatte Sadhu sein Gelübde vollkommen vergessen. Nach einiger Zeit fuhr er mit seinem Schwiegersohn in ferne Länder, um Handel zu treiben.

Narayana
meinte nun, es sei höchste Zeit, Sadhu an sein Versprechen zu erinnern. Eines Nachts wurde Sadhu mit seinen Begleitern im Ort Ratnasarpur von der Polizei verhaftet und eingesperrt. Man bezichtigte ihn des Diebstahls. Zur gleichen Zeit hatten Diebe die Besitztümer Sadhus zu Hause gestohlen.

Unterdessen führten die arme Lilavathi und Kalavathi ein elendes Leben auf der Straße. Eines Tages ging Kalavathi Almosen betteln und dabei geschah es, dass sie in einem Tempel etwas Prasad vom Satya-Narayana-Ritual bekam. Sie kehrte zu ihrer Mutter zurück und meinte, sie sollten ebenfalls dieses Gelübde durchführen. Das taten sie auch und verehrten Satya Narayana.

Am selben Tag träumte der König von Ratnasarpur, dass Sadhu und seine Begleiter sich nicht wirklich eines Diebstahls schuldig gemacht hätten, und dass sie freigelassen werden sollten, sonst würden er und seine Angehörigen vernichtet werden. Unverzüglich ließ er Sadhu und seine Begleiter frei und gab ihnen das Doppelte des Wertes für ihre Waren.

Sadhu
befand sich auf dem Rückweg zu seinem Heimatort, als Satya Narayana in Gestalt eines Bettelmönchs erschien und ihn fragte, was er auf dem Boot habe. Sadhu fürchtete, der Bettler werde ihn um Geld bitten. Deshalb erwiderte er, es seien nur lauter Blätter in dem Boot. Der Bettler erwiderte: „Deine Worte werden sich bewahrheiten, o Kaufmann.“

Am Abend, als Sadhu wie üblich den Inhalt seines Bootes überprüfte, stellte er fest, dass sich in der Tat alle Juwelen in Blätter verwandelt hatten. Er erkannte, dass dies eine Folge seiner Unwahrhaftigkeit dem Bettelmönch gegenüber war. Er machte sich sofort auf, diesen zu suchen, fand ihn an einem einsamen Ort und bat ihn um Verzeihung.

Der Bettelmönch sagte streng, „Du hast dein Versprechen, das Satya Narayana Vrata zu befolgen, nicht gehalten.“ Dann offenbarte er sich dem Kaufmann in seiner wahren Gestalt, sprach Worte des Trostes und verschwand.

Sadhu
kehrte zu seinem Boot zurück und fand alle Beutel wieder mit Juwelen gefüllt. Er verehrte Narayana mit aufrichtigem Glauben und Hingabe.

Nach fünf Tagen kam Sadhu in seinem Heimatort an. Er sandte eine Nachricht, um seine Frau und seine Tochter über seine Ankunft zu informieren. Als der Bote eintraf, hörten Lilavathi und Kalavathi gerade der Erzählung über Satya Narayana zu. Nachdem sie das Verehrungsritual beendet hatten, gingen sie, um Sadhu zu begrüßen, aber sie vergassen, von dem Prasad zu nehmen.

Narayana
wollte sie auf ihre Unachtsamkeit, das Prasad nicht genommen zu haben, aufmerksam machen. Das Boot mit all den Reichtümern und dem Schwiegersohn an Bord begann zu sinken. Der Schwiegersohn kämpfte verzweifelt um sein Leben. Sadhu, der am Ufer stand, betete und verehrte den Herrn. Da kam eine göttliche Stimme vom Himmel: „Kalavathi hat mein Prasad nicht genommen, deshalb geschieht dies.“ Kalavathi eilte zurück und aß von dem Prasad. Als sie zurück kam, sah sie voller Freude ihren Vater und ihren Mann, der wunderbarerweise durch die Gnade Narayanas gerettet worden war. Sogar das Boot und die Juwelen konnten geborgen werden. Alle freuten sich. Sadhu erzählte alles, was sich während seiner Reise ereignet hatte und wie er von Gott aus seiner Not errettet worden war.

Von da an führten Sadhu und Lilavathi regelmäßig an Purnima (Vollmond) und Shankranti (letzter Tag des Jahres) das Satya Narayana Vrata aus und lebten glücklich. Sie erreichten die glückserfüllte Himmelsebene Narayanas.

Die Geschichte von König Tungadhwaja

Eines Tages ging König Tungadhwaja auf die Jagd. Nachdem er ein gutes Stück gegangen war, überkam ihn die Müdigkeit. Er setzte sich unter einen Affenbrotbaum. In der Nähe führten ein paar Hirtenjungen das Satya-Narayana-Vrata durch. Sie hörten, dass ein König unter dem Affenbrotbaum ruhe. Einer von ihnen nahm ehrfurchtsvoll etwas Prasad und stellte es dem König hin.

Der König wollte nicht an der Zeremonie teilnehmen oder sich vor Gott verneigen. Er nahm auch nichts von dem Prasad. Statt dessen warf er einen Blick voller Abscheu darauf und kehrte hochmütig in seine Hauptstadt zurück.

Bild 24. Kapitel

Gott beschloss, dem König eine Lehre zu erteilen. Dem König wurde gemeldet, dass seine Söhne und Töchter gestorben seien und sein ganzer Besitz zerstört worden sei. Er verstand intuitiv, dass dies eine Folge seiner Respektlosigkeit gegenüber Gott und seiner Opfergabe (Prasad) war. Er bereute sein falsches Handeln sehr.

Mit einem wehen aber reuigen Herzen machte er sich auf den Weg zu dem Affenbrotbaum, wo die Knaben Gott verehrt hatten. Er selbst führte nun die Verehrung mit starkem Glauben und Hingabe aus. Narayana gewährte dem König seine Gnade und gab ihm seinen verlorenen Besitz und seine Kinder zurück. Von dieser Zeit an verehrte der König Gott regelmäßig und lebte sehr glücklich.

Wer dieses Gelübde, das sogar von den Göttern selbst eingehalten wird, mit Glauben, Demut und Selbstaufgabe befolgt, wer die heilige Geschichte von Satya Narayana mit Vertrauen und Hingabe hört, wer an der Verehrungszeremonie teilnimmt und das Prasad zu sich nimmt, erhält Gesundheit, Wohlstand und Freude. Er wird über den Sumpf der Weltlichkeit und die Bande des Todes erhoben. Er verweilt in der Wahrheit.

Im  Kali Yuga, im eisernen Zeitalter, wird man durch die Verehrung Gottes mittels des Satya Narayana Vrata glücklich, friedvoll und erfolgreich.