Autobiographie von Swami Sivananda

Einleitung (Swami Sadananda Saraswati)

Als ich das Manuskript mit dem Titel Autobiografie von Swami Sivananda erhielt, machte ich Freudensprünge, denn ich erwartete - wie es wohl viele erwarten würden -, dies sei eine Gelegenheit, Einzelheiten aus dem Leben des Meisters kennenzulernen, die ich trotz meines lamgjährigen Aufenthalts bei ihm weder von ihm selbst noch von anderen hatte erfahren können. Aber wie groß war meine Überraschung - um nicht zu sagen Enttäuschung -, als sich herausstellte, daß ich nicht einmal einen Schimmer dessen erhaschen konnte, was mein kleiner Geist so gern wissen wollte. Aber nachdem ich die Manuskripte aus der Hand gelegt und eine Weile in der Art, wie er es mich gelehrt hatte, darüber nachgedacht hatte, erkannte ich die Weisheit seiner Zurückhaltung. Ein Charakterzug, der ihm völlig fehlt und der ihm bei anderen sehr mißfällt, ist eitle Neugier und nutzloses Geschwätz.

Der Weise Tiruvalluvar, der in Tamil Nadu zu Recht nicht nur als Dichter sondern auch als moralische Autorität gilt, hat in seinem unsterblichen Gedicht "Tirukkural" im 20. Kapitel von "Illaraviyal" (Regeln im Berufs- und Familienleben), das zum Thema "(Dharma oder Verhaltensregeln) gehört, einen Abschnitt dem "Payanila Sollamai" gewidmet, was soviel bedeutet wie "Nicht über Fruchtloses reden". Die Wahrheiten, die dieser Dichter in den zehn Strophen jenes Kapitels ausführt, sind von unschätzbarem Wert.

Die achte Strophe lautet: "Weise, die unterscheiden können zwischen dem, was nützlich ist und was nicht, werden niemals unnützen Worten Ausdruck verleihen."

Sivanandas wohlbedachte Verschwiegenheit

Swami Sivananda macht sich diese Verhaltensregel in seinem Leben zu eigen und weicht niemals davon ab, nicht einmal aus Vergeßlichkeit. Er hält es für Verschwendung, über Vorfälle in seinem Leben zu schreiben, die dem spirituellen Fortschritt des Lesers keinen unmittelbaren Nutzen bringen. Deshalb erfahren wir nicht ein Wort darüber, warum er Indien verließ und ins ferne Malaysia ging zu einer Zeit, als es instrenggläubigen Brahmanenfamilien als Frevel galt, das Meer zu überqueren. Und bekanntlich kam Sivananda aus einer der orthodoxesten Brahmanenfamilien.

Und welcher besondere Umstand veranlaßte ihn, eine ziemlich einträgliche Stelle in Malaysia aufzugeben und in unser Land zurückzukehren, um das Leben eines Sannyasin (Entsagten) zu führen? Nichtwenige seiner Schüler und Bewunderer wüßten gern, ob er jemals eineneigenen Hausstand hatte und, falls ja, was aus seiner Familie geworden ist. Sogar die am wenigsten Neugierigen unter seinen Anhängern, die seine herausragende spirituelle Stellung hoch achten, möchten gerne erfahren, welchen der herkömmlichen Arten Tapas (Askese) und Sadhana ( spirituelle Praktiken), die üblicherweise von einem Neuling ausgeübt werden, er sich unterzog. Denn ihrer Meinung nach ist es unmöglich, jenen Gipfel spiritueller Höhe, den er erklommen hat, ohne zielgerichtete mühsame und unaufhörliche Anstrengung zu erreichen. Selbst diesen ersthaften Suchern verweigert unser Gurudev (Lehrer) das Vergnügen, zu erfahren, was er tat, um der "Supermann" zu werden, der er ist.

Unbestreitbar ist diese wohlüberlegte Verschwiegenheit hinsichtlich solcher Einzelheiten nicht auf eine natürliche Schüchternheit zurückzuführen, denn wo er über sich selbst spricht, erlegt er sich keine Zurückhaltung auf. Vielleicht ist es umgekehrt. Oft sagt er manches mit einer unverglichlichen Kühnheit, unbekümmert darüber, das dies als Prahlerei mit seinen Leistungen ausgelegt werden könnte. Nein, Schüchternheit ist es nicht, die im Weg gestanden hat. Es ist einzig seine Überzeugung, daß es keinem nützlichen Zweck gedient hätte, darüber zu schreiben.

Zum Beispiel was den Grund anbelangt, warum er nach Malaysia ging. Angenommen, es war nur Abenteuerlust, der Wunsch, ferne Länder zu sehen. Was würde es uns spirituellen Aspiranten nützen, wenn wires wüßten? Angenommen, es war das Gefühl, der Sache der unglücklichen indischen Arbeiter zu dienen, die damals von Agenten und ihrenHelfern mit Versprechungen hoher Löhne und einem angenehmen Leben praktisch geködert wurden, in Wirklichkeit aber beträchtlicher Not ausgesetzt waren. Selbst in diesem Fall wird uns dieses Wissen nicht helfen, uns als spirituelle Persönlichkeiten zu entfalten. Im Wissen, daß eine Schilderung dieser Lebensphase uns keinen Nutzen bringt, hat der Verfasser dieser Autobiografie sie nicht mit einem Wort erwähnt.

Und wenn es ein besonderer Umstand war, der ihn zu einem grundlegenden Wandel seiner Lebensanschauung veranlaßte und ihn dazu trieb, in aller Eile ein Sannyasin zu werden, muß nicht jeder, der den inneren Drang verspürt, sich von der Welt zurückziehen, dies ausderselben Erfahrung heraus tun wie Sivananda. Im Fall einer unwiderstehlichen göttlichen Berufung wird man automatisch angezogen. Daher dient es keinem praktischen Zweck, den Grund dafür zu erwähnen, warum der Autor der Welt entsagte.

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Hinweise auf Sivanandas Sadhana

Dasselbe gilt für die anderen Fragen, einschließlich der spirituellen Praktiken (Sadhana), die er sich zu eigen gemacht haben muß. VieleBücher sind über Sadhana geschrieben worden, um spirituelle Aspiranten zu unterweisen - und auch Swami Sivananda hat viele solcher Abhandlungen geschrieben. Trotzdem muß man sich darüber im klarensein, daß eine bestimmte geistige Übung immer nur subjektiv für einen Menschen genau die richtige ist und für niemanden sonst. Jedes Sadhana zielt darauf ab, den eigenen Geist zu einem möglichst hilfreichenund am wenigsten schädlichen Instrument zu machen. Unser Geist istaber unser eigener und nicht der eines anderen. Er spiegelt die Folgenunserer Handlungen in frühreren und im jetzigen Leben wider. Jeder Geist muß auf besondere Weise behandelt werden und nur der Besitzer diese einen Geistes kennt diesen besonderen Weg aus Erfahrung und Praxis. Auch wenn Swami Sivananda ausführlich darüber berichten würde, welchen Hindernissen er gegenüberstand, um Herrschaft über seinen Geist zu erlangen und wie er ihnen begegnete, wäre es folglich nur ein wenig persönliche Geschichte und nichts, was uns in irgendeiner Weise helfen könnte, auch wenn wir noch so sehr darauf erpicht wären, Nutzen daraus zu ziehen.

Dennoch kann man nicht sagen, daß Sivananda zu diesem Thema ganz geschwiegen hätte. Im Laufe der Autobiografie gibt er uns an verschiedenen Stellen genügend Information. Er sagt zum Beispiel: "Das Leben als Wandermönch half mir in großen Maß Geduld, rechte Einsicht und ausgeglichenes Gemüt in Freude und Leid zu entwickeln. Ich traf viele Mahatmas (große Meister) und lernte wundervolle Lektionen. An manchen Tagen mußte ich ohne Essen meilenweit gehen. Mit einem Lächeln begegnete ich aller Mühsal."

Gewiß, das ist einen sehr kurze Darstellung. Aber sie ist äußerst aufschlussreich. Es ist nicht leicht mit leerem Magen meilenweit zu gehen und dabei Gleichmut zu bewahren. Das ist echtes Sadhana. Es erhebnt den Menschen mehr als hundert Japa Malas (Mantrawiederholung mit Zählen des Rosenkranzes/der Perlenkette) ohne Hunger in einer behaglichen Ecke. Aus solchen Passagen kann man die Art der strengen Askese erahnen, der er sich unterzogen haben muß.

An anderer Stelle schreibt er: "Selbstverwirklichung ist eine transzendentale Erfahrung. Man kann auf dem spirituellen Weg nur voranschreiten in blinden Glauben an die Worte der Weisen, die die Wahrheitverwirklicht haben und Kenntnis des Selbst besitzen." Diese Worte beziehen sich auf seine Suche nach einem Guru. Hier erhalten wir Einblick in die Art seines Glaubens. Es ist keineswegs der Glaube eines Unwissenden. Er kannte alle Lehren des Upanishaden (Teil der ind. Hl. Schriften; Schluß der Veden) über das Selbst. Dennoch war er sich der Notwendigkeit eines Gurus voll bewußt. Er wußte, daß das Ego nicht gezügelt werden kann ohne unbedingtes Vertrauen in die Worte eines Gurus. Diese Wahrheit lehrt er uns, wenn er über seine Suche nach einem Guru schreibt.

Auf diese Art und Weise erfahren wir etwas über seine Praxis. Tatsächlich ist Swami Sivananda ein sehr praktischer Mensch. Was er aus Büchern oder Menschen lernte, pflegte er in die Praxis umzusetzen, um zu sehen, inwieweit diese Lehre für ihn zutraf. Eignete sie sich nicht für ihn, so verwarf er sie nicht, sonder ließ sie einfach beiseite. So weit sie ihn betraf, war sie nicht wirkungsvoll. Das war alles. Daher schreibt er über alles aus eigener Erfahrung. Er hält nichts davon, den Körper zu quälen, um spirituelle Kräfte zu erlangen und Wunder zu vollbringen. Auch darüber schreibt er in diesem Buch.

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Motiv für die Autobiographie

Manchmal bezweifle ich, ob ein Heiliger überhaupt eine Autobiographie schreiben sollte. Ich frage mich, ob nicht eine Spur von Eitelkeit dabei ist, wenn man über sich selbst und seine Errungenschaften schreibt. Es mag verzeihlich sein, wenn ein weltlicher Mensch sich so darstellt, um sich zu profilieren. Aber ist es für einen selbstentsagten Heiligen richtig, dasselbe zu tun?

In dieser Hinsicht kann man Swami Sivananda überhaupt nichts vorwerfen, denn sein Buch ist nur dem Namen nach eine Autobiografpie. Es enthält nichts, was man so auslegen könnte, als ziele es darauf ab, die Achtung und gute Meinung der Leser zu gewinnen. Er hatte nur ein Motiv. Er weiß, daß - obwohl der nichts derartiges geplant hatte -, Gott ihn dazu veranlaßt hat, die Devine Life Society und die Forrest University (jetzt Academy) zu gründen und ähnliche Aktivitäten zu unternehmen, die alle einem dringenden Bedürfnis der Menschen auf der ganzen Welt entsprechen, nämlich ein Leben ohne Furcht und im Vertrauen auf den Schutz Gottes zu führen. Ob er will oder nicht, er findet sich an der Spitze einer großen Mission und bevor er die Erde verläßt, möchte er die Menschen wissen lassen, wie diese edle Bewegung in den Dienst der Menschheit gestellt werden kann. Das verstehe ich als Hauptzweck dieser Veröffentlichung unter dem Titel Autobiographie von Swami Sivananda. Natürlich kann man dieses Buch nicht mit anderen Biographien vergleichen, die aus anderen Gründen entstanden sind.

Wertvolle Lektionen im Buch

Jetzt können wir dazu übergehen, den Wert des Buches zu untersuchen. Vom Anfang bis zum Ende hat es großen erzeiherischen Wert für den, der Nutzen daraus ziehen will. Im ersten Kapitel zeigt sich die große Achtung, die Sivananda für seinen Urahnen Appayya Dikshitar hegt. Absichtlich kurz sind Herkunft und Kindheit abgehandelt. Über seine Liebe zum Arztberuf und wie Ärzte idealerweise arbeiten sollten berichtet er im Abschnitt über seine Laufbahn in Malaysia. Wie sein Glaube an die Aussagen der Srutis (heilige Schriften, Veden) - "An dem Tag, an dem du leidenschaftslos wirst, entsage der Welt" - ihn verwandelte, entdeckt man im Abschnitt "Das Erwachen einer neuen Sicht". Sein Leben als Wandermönch, den Nutzen, den er aus Pilgerreisen zog, seine Suche nach einem Guru und seine Wahl von Rishikesh als endgültigem Aufenthaltsort werden einfach, ohne stilistische Ausschmückungen, geschildert. Dennoch enthalten sie alle eine Lehre für uns. Seine Bemerkungen über törichten spirituellen Ehrgeiz, seine Entscheidung, sich eine ganzheitliche spirituelle Praxis (Sadhana) anzueignen, die Art, wie er im Swarg Ashram lebte, die Vortragsreisenund die Reise zu Kailash verdeutlichen seine frühen Versuche, Sadhana mit selbstlosem Dienst zu verbinden.

Nach dieser Anfangsperiode seiner geitigen Entwicklung finden wir ihn engagiert in der Massenverbreitung spirituellen Wissens. Er hat die Entwicklungsstadien der Devine Life Mission sehr gut beschrieben. Besonders wertvoll sind seine Bemerkungen darüber, wie er mit seiner Slebstlosigkeit und inneren Größe die dauerhafte Anhänglichkeit und Hingabe seiner Schüler gewann.

Nachdem die die dritte Phase - "Eine große Einrichtung entsteht" -, erreicht ist, beschreibt er mit Vergnügen die dort geleistete, edle, wertvolle Arbeit. Dann entdeckt er sich selbst als kosmischen Freund und Wohltäter, denn er lebt beständig im upanishadischen Gedanken: "Aham Brahma Asmi - ich bin Brahman". Er kümmert sich auch um die Verbesserung der Natur derer, die bei ihm sind. Was er für sie und mit ihnen tut, ist in "Gruppen-Sadhana" und den folgenden Abschnitten beschrieben. Zu gegebener Zeit gewinnt die Devine-Life-Bewegung an Stärke und erfüllt die Bedürfnisse der Zeit dank ihrer allgemeinverbindlichen Ideale und ihrer wirksamen Methoden zur spirituellen Vervollkommnung.

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Das Ganze ist wie ein chronologischer Jahresbericht gehalten, aber die Schönheit des Buches besteht darin, daß sich mit jedem Satz die vornehme Gesinnung des Autos enthüllt, die Aufrichtigkeit und Ersthaftigkeit, mit der er die selbstgewählte Aufgabe ausführt, der Menschheit Nutzen zu bringen, und die Liebe und Achtung, die ihm seine Schüler, Bewunderer und sogar zufällige Besucher entgegenbringen. In Wirklichkeit sieht man die Größe des Menschen und seiner Arbeit hinter dem ungeschminkten Bericht über das Leben im Ashram. Das schnelle Wachstum der Mission, das er in einem kurzen Kapitel schlicht feststellt, ist für uns der Beweis, daß hinter einem guten Menschen, der etwas Gutes tut, immer Gott steht, um ihm zu helfen. Die Kapitel über das Wesen der Devine-Life-Bewegung, die keine geheimen Lehren kennt, die wahre Religion predigt und in Wirklichkeit nichts anderes ist als eine einfache, praktische Art, unbeschwert und wirklich glücklich zu leben, sind äußerst aufschlußreich.

Weiter lesen wir von spirituellen Konferenzen, Vortragsreisen, der Organisation von öffentlichem Mantrasingen (Nagar Kirtan) und Prozessionen am frühen Morgen (Prabhat Pheri) und so weiter, und sehen die kraftvolle Arbeit Sivananda, um die Menschen ihre Zeit bestmöglichst nutzen zu lassen, indem sie nach den Idealen der Devine-Life-Bewegung leben.

Der Verfasser gibt uns auch Anweisungen, wie man sich um Aspiranten kümmern, allumfassende Liebe praktizieren, allen helfen sollte und wie man Schüler von fern unterstützen kann. Die Wiedergabe einiger Briefe an seine Schüle zeigt, wie sehr er sich um das spirituelle und sogar das materielle Wohlergehen jener bemühte, die sich ihm angeschlossen hatten.

Im letzten Teil des Buches beschäftigt er sich mit verschiedenen Themen wie dem Geist der Anpassung, der Herrlichkeit und Notwendigkeit der Entsagung, auch wenn man jung ist, den Eigenschaften eines guten Schülers, der Notwendigkeit zur Reinigung des Herzens, der rechten Einstellung gegenüber Frauen, ob Frauen der Welt entsagen können und vielen anderen praktischen Fragen. Einige dieser Kapitel zeugen von seinem weiten Horizont und sogar von einer kühnen Abwendung von anerkannten Konventionen, in Anpassung an die Erfordernisse der heutigen Zeit.Das Buch enthält wertvolle Ratschläge für Sannyasins (Entsagte, Mönche) zu richtiger Meditation, wahrem Dienen, wer einen Ashram eröffnen kann und wer es nicht tun sollte, zum Verhältnis von Sannyasins und Politik, über den Wert der Einweihung durch einen Guru und ähnliche Themen. Unabhängig von seinem Titel ist das Buch eine Fundgrube wertvollster Ratschläge und Unterweisungen.

Einige Abschnitte sind den Büchern und Veröffentlichunen des Meisters gewidmet. Dabei können wir feststellen, wie sehr er sich von anderen unterscheidet, denn er legt keinen Wert auf das Urheberrecht. Er hat kein wirtschaftliches Interesse. Er möchte, daß den Menschen überall auf der Welt auch nach seinem Tod ein ständiger Vorrat an nutzbringendem Wissen zur Verfügung steht. Deshalb schreibt er ununterbrochen. Seine Bücher erscheinen jedes Jahr in steigenden Auflagen und werden kostenlos an Tausende in Indien und anderswo verteilt.

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Ein Teil des Buches gibt praktische Ratschläge an seine Schüler, sich nicht zu streiten, kein Ärgernis zu erregen und keine Gedanken des Hasses zu pflegen.

Ein Teil des Buches gibt praktische Ratschläge an seine Schüler, sich nicht zu streiten, kein Ärgernis zu erregen und keine Gedanken des Hasses zu pflegen.

Es ist unmöglich, hier alles anzusprechen, was dieses Buch enthält. Aber eines kann man mit Sicherheit sagen: Man kann jede Seite zufällig aufschlagen und wird die eine oder andere Lehre finden, die unsere innere Natur verwandelt. Jedes Wort kommt aus der eigenen, tiefen Erfahrung des Autors. Das Buch macht deutlich, daß er immer bemüht war, seinen Geist rein, erhaben und edel zu halten und diese Reinheit und Vornehmheit auch seinen Schülern zu vermitteln.

Warnung vor übernatürlichen Kräften

Der Meister pflegte uns zu warnen und darüber auch in seinen Büchern zu schreiben, daß ein echter spiritueller Aspirant nicht nach Siddhis, übernatürlichen Kräften, verlangen sollte, denn wenn man sich diese wünscht, kommt der weitere spirituelle Fortschritt zum Stillstand.

Er hat einige Vorfälle erlebt, wo Menschen mit guten Fortschritten der Versuchung dieser Kräfte erlagen und von da an ernstlich zurückfielen. Niemand kann bestreiten, daß die Meinung des Meisters in dieser Angelegenheit richtig ist. Aber von Zeit zu Zeit überkommen mich Zweifel. Im Ashram erhalten wir viele Briefe von Menschen aus verschiedenen Orten mit der Beschreibung von Wundern, die der Meister vollbracht hat. Es kann nicht sein, daß alle, die solche Briefe schreiben, die Unwahrheit sagen oder unter Sinnestäuschungen leiden. Wahrscheinlich ist ein kleiner Prozentsatz von Leuten dabei, die einer Selbsttäuschung unterliegen. Aber wenn man von der Art der berichteten Vorfälle ausgeht - die sorgfältig in allen Einzelheiten geschildert werden -, bin ich zum Schluß gekommen, daß der Meister übernatürliche Kräfte einsetzt. Wenn dem so ist, wird er fallen? Ich kann mit Sicherheit behaupten, daß er nicht fallen kann, denn er hat sich jenseits von Aufstieg und Fall erhaoben. Er hat den Zustand erreicht, in dem er sich selbst mit dem Höchsten identifiziert - man mag es Atman (Selbst), Satchidananda (Sein-Wissen-Glückseligkeit) oder Ishwara (Gott) nennen; wo bliebe da die Frage nach Aufstieg und Fall? Wenn das Ego abgelegt ist, wie kann es da irgendeine Gefahr geben?

Wir können uns einer Sache sicher sein: Der wirkliche Siddha (Vollkommener; Meister mit übernatürlichen Fähigkeiten), der nicht nach Siddhis (übernatürlichen Kräften) verlangt und sich nicht darum kümmert, sie aber zu uneigennützigen Zwecken und als Ergebnis seiner Einheit mit Gott einsetzt, unterscheidet sich grundlegend von dem gewöhnlichen kleinen Menschen, der über ein paar geistige Kräfte verfügt, um außergewöhnliche Dinge zu vollbringen oder der Herrschaft über Geister hat. Die Macht über Geister, gute und böse, ist etwas ganz anderes als spirituelle Macht. Und kein wirklicher Siddha nennt sich selbst einen Bhagavan (Göttlicher) oder stellt seine Kräfte zur Schau. Man kann sagen, daß der Siddha nicht weiß, daß er Wunder vollbringt, denn für ihn sind es keine Wunder - für ihn sind es ganz gewöhnliche Dinge, weil er auf einer Ebene jenseits der Erfaßbarkeit für normale Menschen lebt. Ich muß schlußfolgern, daß Swami Sivananda zu diesen gehört. Aber er offenbart sich nicht jedem als solcher.

Schluß

Bevor ich diese Einleitung schließe, komme ich nicht umhin, festzustellen, daß der Autor - sehr wahrscheinlich unbewußt -, mit jedem Satz seine wahre Persönlichkeit offenbart. Und was für eine großartige Persönlichkeit! In diesem Sinne ist dieses Buch tatsächlich eine richtige Autobiographie.

Durch seine Schriften sehen wir seinen herausragenden Charakterzug: Die Leidenschaft, jedem - ob klein oder groß, gelehrt oder ungelehrt, jedem in seiner eigenen, bescheidenen und begrenzten Wiese -, erkennen zu helfen, daß er Erbe ist jener höchsten Wonne, die das ganze Universum durchdringt, der Wonne, "von der all das (was wir auf der Welt sehen) kommt, durch die es erhalten wird und in der es aufgeht". Wir sehen sein unablässiges Bestreben, kleine Naturen in vornehme Wesen zu verwandeln, so daß sie ihre Fesseln leicht überwinden und auf immer im ewigen Wohnsitz der Glückseligkeit leben können, der ihr Geburtsrecht als der Kinder Gottes i