8. Kapitel - Nur noch eine Geschichte

Swamiji war ein Meister im Geschichtenerzählen. Er hatte ein scheinbar endloses Repertoire. Während des abendlichen Satsangs sprach er oft über komplexe philosophische Ideen. Um sicherzustellen, dass wir auch alles verstanden hatten, würzte er seine Vorträge oft mit Geschichten. Bis dahin hatte er manchmal schon mehr als eine Stunde gesprochen, es wurde spät und alle waren müde. Immer wieder sagte er: „Nur noch eine Geschichte…“ Wir lachten jedes Mal, da wir wussten, dass aus der einen Geschichte zwei oder drei werden konnten. Aber das war uns egal. Es war wie in der Kindheit. Vor dem Schlafengehen wurden noch Geschichten erzählt. Man musste nicht einmal nach einer zweiten Geschichte fragen, dass man länger aufbleiben konnte. Swamiji war immer glücklich, wenn er uns diesen Gefallen tun konnte. Hier ist eine seiner Lieblingsgeschichten.

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Sie erzählt von einem Schafhirten, der mit seinen Schafen in einem Tal lebte. Eines Nachts kam eine trächtige Berglöwin, um unter den Schafen zu jagen. Als der Schafhirt die Berglöwin sah, begann er, auf sie zu schießen. Die Schießerei jagte ihr Angst ein. Plötzlich gebar sie ihr Löwenbaby, rannte zurück in den Wald und ließ ihr Junges bei den Schafen zurück. Glücklicherweise gab es eine Schafsmutter, die das junge Löwenbaby aufnahm und nährte. Das Löwenjunge dachte, dass das Schaf seine Mutter sei und begann wie ein Schaf blöken – Mäh Mäh Mäh. Es trank Milch, fraß Gras und wurde Vegetarier. So wuchs das Löwenjunge unter Schafen auf und
dachte, es sei genau wie die anderen Schafe.

Nach einigen Jahren kam ein großer Berglöwe, der König des Waldes, zum Jagen in das Tal der Schafe. Da sah er unter den Schafen ein Mitglied seiner eigenen königlichen Familie, das wie ein Schaf blökte und Gras fraß. Was für eine Schande! Es war, als ob Prinz Charles unter Hippies lebte. Was würde Königin Elizabeth denken! Der Löwenkönig dachte nur: „Was für eine Schande für unsere könig -
liche Familie!“ Also rannte er zum Schafslöwen und schrie: „Was machst du unter den Schafen? Warum blökst du wie ein Schaf?“

Der Schafslöwe war furchtbar erschrocken. Als er sah, wie der Berglöwe auf ihn zulief, schrie er laut: „Mami, Mami, hilf mir! Dieser Kerl will mich töten!“

Aber die Schafsmutter rannte davon und der Berglöwe holte den Schafslöwen ein: „Hab keine Angst vor mir. Du bist ein Löwe genau wie ich.“

„Oh nein, nein! Ich bin kein Löwe. Ich bin ein Schaf. Hier ist meine Mama, meine wundervolle Mami. Lass mich zu meiner Mama!“

„Oh nein! Du bist kein Schaf. Du bist ein Löwe wie ich.“ „Lass mich bitte in Ruhe. Ich bitte dich, Löwe, lass mich gehen.“ „Nein. Nein. Nein. Ich werde dir zeigen, wer du bist.“

So schleifte er ihn gegen seinen Willen in die Berge und brachte ihn an einen großen See. „Schau in diesen See. Was siehst Du?“

Seine Augen waren fest geschlossen. „Nein, nein, ich will meine Augen nicht aufmachen. Ich habe Angst.“

„Hab keine Angst. Schau einfach hin. Erkenne, wer du bist.“ „Ich weiß, wer ich bin. Ich bin ein Schaf. Ich habe eine Mama, drei Brüder und zwei Schwestern, ich lebe im Tal.“

„Nein, das stimmt alles nicht. Schau hin! Du hast vergessen, wer du bist.“ Nach einiger Zeit öffnete der Schafslöwe seine Augen. „Was siehst du?“

„Ich sehe Wellen.“ „Warte, bis sich die Wellen beruhigt haben.“ Bald gab es
keine Wellen mehr, der See war glatt wie Glas. Plötzlich sah er sein Gesicht. Er sah nicht aus wie ein Schaf. Er sah das Gesicht des anderen Löwen neben sich. „Hey, ich bin ja wie du. Du bist wie ich. Ich bin du. Du bist ich. Wir sind beide Könige!“

Und der Berglöwe erwiderte: „Blöke nicht wie ein Schaf! Brülle wie ein Löwe! Geh zu deinem Königreich in den Wald und genieße dein Leben.“

Und zum ersten Mal in seinem Leben brüllte er. Kein Blöken mehr wie ein Schaf! Er erkannte, wer er war und lebte seitdem glücklich im Wald, in seinem Königreich.

Wer sind die Schafslöwen in dieser Geschichte? Wir alle. Wir blöken von morgens bis abends: Bäh Bäh Bäh ich bin Deutscher, Bäh Bäh Bäh Ostdeutscher, Bäh Bäh Bäh Westdeutscher, Bäh Bäh Bäh ich bin Russe, Bäh Bäh Bäh Amerikaner, Bäh Bäh Bäh Protestant, Bäh Bäh Bäh Katholik, Bäh Bäh Bäh ich bin Jude, Bäh Bäh Bäh ich bin
Araber, Bäh Bäh Bäh ich bin von der PLO, Bäh Bäh Bäh ich bin Kanzler, Bäh Bäh Bäh Premierminister, Bäh Bäh Bäh ich bin männlich, Bäh Bäh Bäh ich bin weiblich, Bäh Bäh Bäh ich bin Swami, Bäh Bäh Bäh. Das ist alles, was wir den ganzen Tag machen.

Die Berglöwen, die großen Meister wie Jesus und Sivananda, kommen zu uns und sagen, „Oh, du blökst wie ein Schaf. Du bist kein Deutscher, Österreicher, Russe oder Amerikaner. Du bist das unsterbliche Selbst. Ich bin in dir. Du bist in mir. Ich bin Er. Ich bin Brahman. Auch du bist Brahman. Auch du bist Gott. Aber dieser Körper ist nicht Gott. Sieh in dich hinein. Du wirst herausfinden, wer du bist.“

„Oh nein, nein! Ich will nicht herausfinden, wer ich bin! Ich weiß, wer ich bin. Ich bin ein Swami. Ich habe 3 Ashrams. Ich habe 10 Schüler. Ich habe 220 Zimmer und 30 Badezimmer. Ich habe Geld, 2 Millionen Dollar auf der Bank. Der Meister sagt, „Hey, das bist Du nicht. Diese Dinge gehören Dir nur.“ „Oh nein, nein! Ich habe meine Frau und meine Kinder.“ „Sie werden nicht mit Dir gehen. Sie sind alle Objekte.“ Oh nein, nein, nein! Ich liebe meine Frau und meine Kinder sehr, ich habe ein wunderschönes Zuhause, eine liebens werte Familie und Kinder.“ Und der Lehrer sagt: „Blöke nicht wie ein Schaf. Wenn Du stirbst, wird Deine Frau dann mit Dir gehen? Werden Deine
Kinder mit Dir gehen? Kannst Du Dein ganzes Geld mitnehmen?“ Er beginnt zu überlegen: „Hey, irgendetwas stimmt hier nicht.“

Du wirst ebenfalls sterben. Du kannst deine Kreditkarte nicht mitnehmen. Du kannst noch nicht einmal deinen Körper mitnehmen. Die Bakterien warten auf ihn. Der Tod

„Oh Lehrer, sage mir, wie ich es finden kann, wie ich dem Tod entrinnen kann.“
wartet auf dich, weil du dich mit dem Körper identifizierst. Du bist unsterblich.“

„Ich werde es Dir zeigen, komm mit mir.“ Schließe die Augen. Schaue in dich hinein, in diesen Geist-See. Was siehst du? Pizza, Eis, Bananen, Herzschlag, Atmung. Das sind alles Objekte. Das bist nicht du. Du bist nicht das Herz, die Lunge usw.
Schließe einfach die Augen und atme sehr sanft. Praktiziere. Mach weiter, praktiziere. Du musst jeden Tag üben, sanft zu atmen. Wenn es keine Gedankenwellen mehr gibt, was siehst du dann? Ich bin Du, Du bist ich. Es gibt weder Schüler noch Lehrer, weder ein Ich noch Gott, wir sind eins. Ich bin in allem, alles ist in mir. Ich bin, der ich bin. Aham Brahma Asmi. Soham. Ich bin Er. Ich bin Er. Soham.


Swamiji versuchte ständig, uns dazu zu bringen, hinter unsere begrenzte Sicht von uns selbst und der Welt zu sehen. Er öffnete unseren Geist, manchmal hitzig, manchmal sanft, immer mit großer Liebe. Egal wie groß unser Widerstand war, er half, uns langsam zu verändern und brachte uns dazu, unsere Vorstellungen darüber loszulassen, wie die Dinge waren oder sein sollten und unser wahres Selbst zu erkennen.

*Schüler:

Wenn Swamiji sprach, lauschte ich normalerweise hingerissen, da er innere Wahrheiten in Worte kleidete, etwas, wonach ich mich sehnte zu hören, aber über die nie jemand gesprochen hatte. Swamiji hatte jedoch ein Thema, das mich irgendwie störte. Manchmal sprach er über die verschiedenen Rollen von Männern und Frauen in der Gesellschaft. Er sah diese Rollen psychologisch festgelegt und führte das Unglück in vielen Familien auf die Versuche zurück, diese „natürlichen“ Rollen zu missachten. Ich hatte das Gefühl, dass er hier aus einer kulturell konditionierten Perspektive sprach und nicht aus der Perspektive der universellen Wahrheit. Ich konfrontierte ihn nie damit. Normalerweise diskutierte man nicht mit Swamiji.

Eines Tages während eines Vortrages kam Swamiji wieder auf dieses Thema zu sprechen. Während seine Worte über alle anderen Themen ein Gefühl der Freude in mir auslösten, bemerkte ich, wie in mir wieder heftiger Ärger auf stieg, als er seine Sicht der grundsätzlich verschiedenen Psyche von Männern und Frauen darstellte. Bevor ich noch darüber nachdenken konnte, platzte ich heraus, dass ich ihm hier nicht zustimmen konnte, obwohl ich sonst die Richtigkeit und Wahrheit seiner Worte sah. Ich versuchte, die kulturellen Perpektiven, historischen Ursachen usw. darzustellen, aber Swamiji unterbrach mich sofort.

„Madalasa“, brüllte er, „Bist Du Jüdin oder Christin?“ Ich war überrumpelt, versuchte aber, achtsam zu antworten. „Na ja, beides. Oder keins. Ich wurde in eine jüdische Familie geboren und auch in dieser Religion erzogen, aber später lernte ich die Wahrheit der Lehre Jesus und seine Herrlichkeit kennen. Allerdings kann ich auch in anderen Religionen die gleiche Wahrheit erkennen, so dass ich mich nicht speziell als Jüdin oder Christin fühle.“

Swamiji nickte schroff. Er wusste das bereits über mich. Er fragte mich sofort weiter, immer noch recht laut, „Bist Du Amerikanerin oder Kanadierin?“ „Swamiji, ich bin in Amerika geboren, aber ich bin vor über 10 Jahren nach Kanada gezogen und habe die kanadische Staatsbürgerschaft. Ich bin nicht besonders politisch oder patriotisch und fühle mich weder wie eine Amerikanerin oder Kanadierin, eher wie eine Art Weltbürgerin.“ Wieder nickte er schroff und fragte weiter, „Bist Du ein Mann oder
eine Frau?“

Diese Frage brauchte keine Überlegung. Sofort antwortete ich, „Na ja, Swamiji, natürlich bin ich eine Frau.“

Er sagte nichts, setzte sich nur zurück mit einem breiten Lächeln und wartete darauf, dass mir meine eigene Dummheit auffallen würde. Ich war mir durch seine Stille und seinen Ausdruck bewusst, dass ich gerade in eine monumentale Falle getappt war, aber ich konnte sie nicht sehen. Ich war einfach verwirrt.

Nach einem Moment der Stille tadelte er mich: „Du identifizierst Dich nicht mit Deiner Rasse, Religion oder Nationalität. Du weißt, dass das Zufälle der Geburt sind. Du identifizierst Dich mit dem unsterblichen Selbst, welches unveränderlich bleibt. Wenn ich also Witze über Juden oder Hindus, über katholische Priester oder amerikanische Präsidenten mache, bist Du nie erzürnt (das stimmte, musste ich zugeben). Aber immer, wenn es um Männer und Frauen geht, zeigst Du eine heftige emotionale Reaktion und verlierst jede Urteilsfähigkeit. Du kannst nicht zuhören. Und zwar, weil Du Dich mit dieser Rolle identifizierst. Du bist keine Frau, genauso wenig wie Du Jüdin, Buddhistin, Deutsche oder Kanadierin bist. Diese Körper sind nur wie Kleider, die wir angezogen haben, um sie wieder abzulegen, wenn sie aufgetragen sind. Du warst schon Tausende Male sowohl eine Frau als auch ein Mann. Denk daran, identifiziere Dich mit Deinem wahren Selbst, dem Unsterblichen Atman und lass Dich nicht so schnell aus der Ruhe bringen!“

Madalasa
Ottawa, Ontario, Canada

Für einige von Swamijis Schülern war die letzte Stufe im Prozess ihres spirituellen Wachstums das Ablegen der Sannyasin (Entsagte) Gelübde. Swamiji war ein Mönch des Saraswati-Ordens, der in direkter Linie auf Shankaracharya zurückgeht, dem Philosophen und Weisen des 8. Jahrhunderts. Eine der Pflichten eines Sannyasins besteht darin, andere in den Orden einzuweihen.

Wenn jemand die Gelübde eines Sannyasins ablegt, gibt er buchstäblich sein bisheriges Leben auf. Er nimmt einen neuen Namen an und wird nie wieder mit seinem alten Namen angesprochen. Er ist nicht länger dieser Körper und dieses Ego. Seine Identität wird während der Zeremonie symbolisch dem Feuer übergeben. Er identifiziert sich nur noch mit dem wahren Selbst, dem unveränderlichen Atman. Sannyasins tragen orange, die Farbe des Feuers, um sich fortwährend an ihre Entsagung zu erinnern.

Swamiji weihte über 100 Schüler in Sannyas ein, erstmals in den frühen 1960er Jahren und zuletzt Swami Jahardhananda, der im Sommer 1993 Sannyas nahm, nur einige Monate vor Swamijis Tod. Die Anzahl von Frauen und Männern unter den Sannyasins war ungefähr gleich.

Waren diese Menschen alle perfekte Heilige? Waren sie alle wirklich nicht mehr mit ihrem Körper identifiziert? Natürlich nicht. Swamiji sah die Sannyas-Weihe als einen weiteren Schritt auf dem Weg an. Die Gelübde waren Schild und Rüstung, um den Aspiranten in seinem oder ihrem Kampf zu schützen. Swamiji hatte die gleiche Einstellung wie sein Lehrer Swami Sivananda, der seinen Schülern sogar die Sannyas per Post gab!

Normalerweise dauert es viele Jahre, um Swami zu werden. Traditionell musste man 6, 7 oder 8 Jahre bei seinem Meister verbringen, ehe man als Swami eingeweiht wurde. Manche Meister sind sehr streng, um zu sehen, ob der Schüler die Stärke besitzt, Swami zu werden. Aber Meister Swami Sivananda hatte eine andere Einstellung. Er dachte, dass die meisten der jungen Leute, die zu ihm
kamen, Sannyasin samskaras hatten, also Eindrücke aus früheren Leben als Swamis, aber zu ängstlich für die nächsten Schritten waren, da sie dachten, die nötige Stärke nicht zu besitzen.

Eigentlich ist niemand vollkommen genug, um ein reiner Swami zu werden. Es ist in einem Leben einfach nicht möglich, ein vollständig reiner Swami zu werden und jede Regel streng zu befolgen. Das ist in einem Leben nicht möglich. Also dachte der Meister, dass jemand, der kein 100-prozentiger Swami werden konnte, zumindest ein 20-prozentiger Swami sein konnte; das war immer noch viel besser, als gar kein Swami zu sein. So machte er es. Seine Vorstellungen waren ganz anders als unsere. Sowohl die anderen Swamis als auch die anderen Gurus waren nicht begeistert. Sie beschwerten sich: „Swami Sivananda macht jeden zum Swami und das ist nicht richtig. Man braucht besondere Qualifikationen.“

Der Meister dachte, es sei besser, auf einen Löwen zu zielen und ihn zu verfehlen als auf einen Schakal zu zielen und ihn zu fangen. Jeder kann einen Schakal fangen, aber um einen Löwen zu fangen, muss man stark sein. Jeder sollte sich ein hohes Ziel setzen. Selbst wenn es zum Schluss missglückt, ist es trotzdem viel besser. Das war die Einstellung des Meisters. In einem Leben kann jemand vielleicht kein 100-prozentiger Swami werden. Aber selbst 20 Prozent ist etwas in diesem Leben, im nächsten sind es vielleicht schon 40, dann 60, so kommt er immer näher, nicht wahr?

*Schüler:

Swamiji war auch immer sehr verständnisvoll, wenn sich jemand entschloss, dass das Leben eines Sannyasins nichts mehr für ihn sei:

Als ich meine Gelübde als Sannyasin aufgab, war ich sehr zögerlich, da ich dachte, Swamiji würde versuchen, mich zum Bleiben zu überreden. Zu meiner Überraschung war er sehr verständnisvoll. Er sagte zu mir, dass Namen, Formen und Titel nichts bedeuteten. Das Wichtigste im Leben sei unser Sadhana. Wenn du dein Sadhana ausübst, wird alles andere von selber kommen. In diesem Moment sah ich anstelle von Swamiji meinen Vater, der vor 2 Jahren gestorben war. Er sah mich an und lächelte. Dann war es wieder Swamiji, der mich anlächelte. Ich umarmte ihn heftig. Ich erkannte, dass ich immer mein Sadhana ausüben und dass Swamiji für immer mein spiritueller Lehrer und Führer sein würde, mein spiritueller Vater.

Neelakanta, Washington, D.C.

Viele von Swamijis Geschichten erläuterten klassische Lehren aus der Vedanta und Raja Yoga- Philosophie. Eine seiner Lieblingsgeschichten war die von Himmel und Hölle. Diese Version erzählte er, als er in Südindien mit einer Anzahl von Schülern auf einem Parkplatz saß und auf zwei Busse wartete. Die Busse hatten wie gewöhnlich Verspätung.


Hier auf dem Parkplatz zu sitzen ist Himmel oder Hölle, je nach dem Zustand des Geistes. Wenn dein Geist glücklich ist, kannst du bequem im Schatten des Baumes sitzen und meditieren. Wenn dein Geist unglücklich ist, kannst du in einem Palast sitzen, aber das macht keinen Unterschied, alles wird dir wertlos vorkommen. Himmel und Hölle gibt es nur im Geist. Ich erzähle euch eine kleine Geschichte.
So viele Leute hatten von Himmel und Hölle gehört. Sie wollten sehen, wie die Menschen dort leben. Wisst ihr, Himmel und Hölle liegen nebeneinander nur durch eine große Wand getrennt, Himmel auf der einen und Hölle auf der anderen Seite. Also machten sich diese Leute auf die Reise.

Zuerst gingen sie in die Hölle. Alle saßen dort beim Essen, das auf einem großen Tisch angerichtet war. Aber ihre Arme waren fest an lange hölzerne Löffel gebunden, so dass sie ihre Ellenbogen nicht beugen konnten. Sie mussten essen, indem sie das Essen in die Luft warfen, um es dann mit dem Mund aufzufangen. Das Essen flog überall hin, ab und zu fiel ein kleines bisschen in ihren Mund.
 
Die Reisegruppe ging weiter auf die andere Seite der Wand, zum Himmel. Hier war alles genauso, nur dass es hier goldene Teller gab und die Arme mit langen goldenen Löffeln festgebunden waren. Allerdings konnten hier alle ihr Essen genießen, denn sie nahmen die Speisen mit ihren Löffeln auf und gaben sich gegenseitig davon.

Himmel und Erde sind keine Plätze oben oder unten. Wir schaffen unseren eigenen Himmel und unsere eigene Hölle durch den Zustand unseres Geistes. Es kommt auf uns an. Wir können den Geist beherrschen und im Himmel sein oder ihn „wie einen wild gewordenen Affen“ rennen lassen, wie Swamiji zu sagen pflegte und sind in der Hölle. Wir können nur an uns denken und uns elend fühlen oder unser Leben damit verbringen, anderen zu dienen und dabei glücklich sein. Die Gedanken gehen den Taten voraus. Wir können wählen, welchen Gedanken wir folgen wollen, welche Taten wir ausüben wollen. Wenn wir lernen, die Gedanken zu beherrschen, nur positiven, erhabenen Gedanken nachzugehen, wird das Leben der Himmel auf Erden sein.

Manche Menschen, die mit Swamiji in Kontakt kamen, waren für seine Lehren nicht bereit. Sie konnten nicht aufnehmen, was er sagte. Sie waren so in ihrer eigenen geistigen Hölle gefangen, dass er sie nicht direkt erreichen konnte. Er versuchte, ihnen trotzdem zu helfen.

Eines Tage kam eine Frau mittleren Alters zu mir und bat mich um Hilfe. Ich fragte, was ich für sie tun könnte. Sie sagte: „Nur Sie können mir helfen, Swamiji.“
„Was ist das Problem?“ „Erstens kann ich nicht schlafen. Zweitens werde ich von einem Priester kontrolliert.“

„Warum können Sie nicht schlafen?“ „Die Klimaanlage in meinem Zimmer ist so laut.“ „Dann drehen Sie sie herunter. Sie brauchen meine Hilfe nicht“, erklärte ich ihr.  „Warum benutzen Sie in den Bergen eine Klimaanlage?“
„Manche behaupten, es sei gut für meine Arthritis.“ Ich erklärte ihr, dass die kühle Luft ihre Schmerzen eher verstärken würden. Sie brauchte mehr Wärme, „Stellen Sie sie aus, dann werden Sie schlafen können.“
Aber sie sagte: „Nein, ich habe 1.000 Dollar dafür bezahlt und der Verkäufer sagte, es würde mir helfen.“

Sie fuhr mit ihren eigenen Argumenten fort und ich wusste, dass es keine Möglichkeit gab, sie auf intellektuellem Wege zu erreichen. Ich hatte ihr bereits alles vernünftig erklärt: 1) dass die Klimaanlage schlecht für ihre Arthritis sei und 2) dass sie hier in den Bergen keine benötigte. Aber sie wusste, dass sie 1.000 Dollar für
ihre Klimaanlage bezahlt hatte und der Verkäufer ihr zugesichert hatte, dass sie ihr helfen würde. Sie konnte sich nicht von dieser Beeinflussung lösen.

Da ich wusste, dass ich sie auf intellektuellem Wege nicht erreichen konnte, so wie ich es versucht hatte, sagte ich ihr einfach, dass ich ihr helfen würde. Ich sagte ihr, dass sie noch einmal kommen sollte, um dann besondere Atemtechniken, Mantras, Meditation und Entspannungstechniken von mir zu lernen, so dass sie schlafen könnte. Sie dachte, ich würde eine Art Zauberei mit ihr veranstalten,
weil ich aus Indien kam, aus dem Himalaya. Sie dachte, ich hätte eine Art besondere Kraft, mehr als der Verkäufer.

Ihr zweites Problem war der Priester. Sie erzählte, sie sei zu ihm gegangen und hätte mit ihm gesprochen und jetzt würde er sie die ganze Zeit kontrollieren. Sie wollte sich dieser Kontrolle entziehen. Ich sagte ihr, dass ich ihr mit diesem Problem ebenfalls helfen würde. Damit war die Unterhaltung beendet und das Treffen vorbei.

10 Tage später gab ich gerade eine Privatstunde, als mich meine Assistentin aus dem Zentrum anrief. Sie sagte, dass bei ihr eine sehr aufgeregte Dame sei, die mich sprechen wolle. Die Dame sagte, dass ich sie behandelt hätte und sie mit mir darüber sprechen wollte. Ich nahm den Anruf an.

Das erste, was sie sagte, war: „Swamiji, ich will Ihre Behandlung nicht mehr.“
Ich war schockiert, wusste nicht, um wen es sich handelte, sie hatte sich nicht vorgestellt. Ich fragte: „Wer sind Sie? Wie ist Ihr Name?“ Sie sagte, sie sei die Person, die mich im Camp aufgesucht und mich wegen der Schlaflosigkeit und dem Priester um Hilfe gebeten hatte. Jetzt wollte sie meine Behandlung nicht mehr. Ich
wusste sofort, dass es keinen Sinn hatte, ihr vernünftig irgend etwas zu erklären.

Ich hatte sie nie behandelt. Also sagte ich nur zu ihr: „Kommen Sie her. Ich werde Ihnen einige asanas und pranayama beibringen. Dadurch werden Sie in der Lage sein, sich zu entspannen. Und ich helfe Ihnen mit dem Priester, indem ich für Sie bete.“ Das war alles, was ich sagte.

Ich verstand zu diesem Zeitpunkt, als ich sie „behandelte“, nicht, was ich ihr getan hatte. Ihr Geist war wie Kitt. Er ließ sich so formen, dass er alles annahm, was ein anderer ihr sagte. Ein Verkäufer kam und setzte ihr die Idee in den Kopf, dass sie sich ohne Klimaanlage nicht wohl fühlen würde. Also übernahm sie das. Und
dann sagte ein Priester, „Du musst das und das tun und Deine Sünden werden Dir vergeben.“ Also nahm sie das an. Sie ging zu einem Swami, weil sie von dem Priester loskommen wollte. Als ich ihr sagte, dass ich ihr helfen würde, kam ihr Geist unter meinen Einfluß. Ich hatte das bis dahin nicht gewusst. Sie hatte also jetzt das Gefühl, dass ich sie kontrolliere. Sie wusste nicht, an wen sie sich sonst wenden
sollte. Wenn sie eine andere höhere Autorität gefunden hätte, wäre sie dorthin gegangen.

In dem Augenblick, wo ich ihren geistigen Zustand erkannte, wusste ich, wie ich sie erreichen konnte. Ich sagte einfach: „Von diesem Augenblick an nehme ich meine ganze Behandlung wieder zurück.“


Sie war so glücklich. Von dieser Zeit an hatte sie keine Probleme mehr mit schlaflosen Nächten und dem Priester, und auch nicht mehr mit mir.

Viele Menschen, die Swamiji trafen, lernten klarer zu erkennen, wie ihr Geist  arbeitete. Aufgrund des Verständnisses, das dieses Wissen ihnen gab, konnten sie wachsen und ihr Leben etwas „himmlischer“ gestalten.

Ich traf Swamiji das erste Mal 1986 bei der Yogalehrer-Ausbildung in Vigo in Spanien. Ein kleiner, dynamischer, lustiger und gütiger Mann; er machte schnell einen sehr starken Eindruck auf mich. Wenn ich zurückblicke, erkenne ich, dass ich sehr froh sein kann, Swamiji aus erster Hand als meinen Lehrer erfahren zu haben. Er war sehr intensiv und fordernd. Er trieb uns an, redete uns gut zu und ließ uns bis spät in die Nacht aufbleiben, um seine Botschaft an uns weiterzugeben. Ich glaube, sein Hauptanliegen war, uns aufzuwecken, so dass wir unser wahres Selbst und unsere Verantwortung im Leben erkennen.Eine der besten Lektionen, die ich lernte, war, meine selbst gesetz ten Grenzen zu überschreiten. Oft trieb uns Swamiji bis an unsere Grenzen und darüber hinaus. Das brachte unglaublichen Widerstand in mir auf, da ich es hasse, angetrieben und gedrängt zu werden. Aber indem ich diese negativen Gefühle hinter mir ließ und mich einfach auf die Dinge einließ, stellte
ich fest, dass ich mehr erreichen konnte, als ich mir jemals erträumt hatte. Die Macht des positiven (und negativen!) Denkens wurde sehr klar.

Shanti
Vancouver, British Columbia

Swamiji lehrte mich während meiner Yogalehrer-Weiterbildung viele Lektionen. Einmal wurde ich sehr wütend auf jemanden aus dem Kurs und war soweit, ihn richtig anzuschnauzen. Am Abend beim satsang hatte ich eine sehr starke Vision. Ich sah und fühlte tatsächlich, dass das selbe Licht, welches in Swamiji schien, auch in mir und in jedem anderen strahlte, auch in dieser anderen Person. Das war eine sehr intensive Erfahrung. Mein Ärger verschwand vollkommen und an seine Stelle traten Mitgefühl und Ehrfurcht.

Amba, Val Morin, Quebec