4. Kapitel Gayatri Japa Tag

Um sich immer wieder an das inspirierende Leben großer Persönlichkeiten zu erinnern, haben Weise aus allen alten Religionen bestimmte Tage im Jahr festgelegt, die als besonders heilig und günstig gelten. Um die Erinnerung an solch großartige Menschen aufrecht zu erhalten, gedenken die Völker an diesem Tag dieser überragenden Persönlichkeiten und beleben den Geist großer Ereignisse neu. So findet man im hinduistischen Kalender die Geburtstage der göttlichen Inkarnationen, Heiligen und Weisen, Gita Jayanthi19, Guru Purnima20, Shivaratri21, Vaikunta Ekadashi22 und viele andere Feiertage. Der Gayatri Japa-Tag im Juli/August ist so ein besonders heiliger und ruhmreicher Tag. Er erinnert an das Gayatri-Mantra, eines der bedeutendsten und kraftvollsten Mantras.

Das Gayatri-Mantra ist Leben und Stütze, eine starke geistige Rüstung, eine wunderbare Festung. Es beschützt und wacht über diejenigen, die in es eingeweiht sind bzw. es rezitieren. Das ist auch die wahre Bedeutung des Wortes Gayatri – „das, welches denjenigen beschützt, der es singt“.

Das Gayatri ist die göttliche Kraft, die den Menschen zum Göttlichen transformiert und ihn mit dem strahlenden Licht höchster spiritueller Erleuchtung segnet. Egal welchen Aspekt des Göttlichen jemand besonders verehrt, die zusätzliche tägliche Wiederholung einiger weniger Malas (Rosenkranz mit 108 Perlen) des Gayatri-Mantras wird unermesslichen Reichtum und Segen bringen. Als ein Gebet um Licht und Erleuchtung an die allmächtige höchste Geistsubstanz ist es Priestern als das alleinige, transzendentale, leitende Licht vorgeschrieben. Ob religiös Strebender oder Junggeselle, Mensch im Familien- und Berufsleben, Einsiedler oder Pensionär, jeder sollte dieses Mantra Tag für Tag wiederholen. Sannyasins (Entsagte, Mönche) sollten statt dessen das OM wiederholen.

Das Gayatri-Mantra kann man immer wiederholen, während man über jede beliebige Form meditiert. Die Mehrheit verbindet es im allgemeinen mit der Vorstellung einer weiblichen Gottheit. Wer Gott eher als mütterlichen Aspekt verehrt, mag dabei bleiben. Tatsächlich wird im gesamten Gayatri niemals von einer Frau, einem weiblichen Wesen gesprochen. Allein die Tatsache, dass das Wort „Gayatri“ grammatikalisch weiblich ist, macht aus dem dadurch angesprochenen Aspekt Gottes noch keinen weiblichen. Gayatri ist nur die Bezeichnung für das Versmass und nicht für die Gottheit selbst.

Manche Menschen glauben, die Sonne sei die Gottheit des Gayatri-Mantras. Aber auch diese Ansicht muss etwas richtig gestellt werden. Die Sonne, von der im Mantra die Rede ist, ist nicht die Sonne, welche für unsere physischen Augen sichtbar auf die Erde scheint. Es ist tat savituh oder „jene Sonne“ – jene große Sonne, welche nicht von unserer herkömmlichen Sonne oder dem Mond erhellt wird, sondern das unpersönliche, absolute Brahman (das Allumfassende, das unzerstörbare göttliche Prinzip) ist.

Weil seine oberste Gottheit niemand anders als Brahman selbst, ist das Gayatri-Mantra das größte und mächtigste aller Mantras. Es ist das krönende Juwel, der König aller Mantras, so dass es allein genügt. Na gayatryah paro mantrah – es gibt kein größeres Mantra als das Gayatri.

Jedes Wort, jeder Buchstabe des Gayatri trägt in sich die höchste vedantische23  Vorstellung der absoluten und höchsten Wahrheit. Praktiziere die Wiederholung des Gayatri und es wird dir die beste aller Früchte schenken, die Frucht der Unsterblichkeit.



Das Mantra lautet wie folgt:
Om bhur bhuvah svah
Tat savitur varenyam
Bhargo devasya dhîmahi
Dhiyo yo nah prachodayât
Om- Symbol für Para Brahman (das Höchste)
Bhuh- Bhu Loka, die physische Ebene
Bhuvah- die astrale Ebene
Svah- die himmlische Ebene
Tat- Das; das transzendentale höchste Selbst (paramatma); Gott
Savituh- der Schöpfer
Varenyam- verehrungswürdig
Bahrgah- Entferner von negativen Eigenschaften und Unwissenheit; Ruhm und Glanz
Devasya- glänzend, scheinend
Dhimahi- wir meditieren
Dhiyah- der Intellekt, das Verstehen
Yo- wer
Nah- unser
Prachodayat- erleuchten, führen, vorantreiben

Bedeutung:
„Wir meditieren über die Herrlichkeit des Schöpfers, der das Universum erschaffen hat, der Verehrung verdient, der die Verkörperung des Wissens und des Lichts ist, der alle Fehler und Unwissenheit beseitigt. Möge er unseren Verstand erleuchten!“

Darin sind fünf Teile enthalten:
Om ist der erste Teil; Bhur bhuvah svah der zweite; Tat savitur varenyam der dritte; Bhargo devasya dhîmahi der vierte und Dhiyo yo nah prachodyât ist der letzte Teil. Während du das Mantra wiederholst, solltest du nach jedem Teil eine Pause einlegen.

Dieser seltene göttliche Schatz des Gayatri-Mantras wird heutzutage leider oft nicht genügend gewürdigt. Beginne jetzt ernsthaft, es zu rezitieren. Wiederhole es mindestens 108 mal (1008 mal ist besser!) am Gayatri Japa-Tag. Wiederhole es danach mindestens 108 Mal jeden Tag.

Möge das Gayatri-Mantra der ganzen Welt bewusst werden durch die Erinnerung daran am Gayatri-Japa-Tag. Möget ihr alle dreifach gesegnet sein, wenn ihr euch jetzt, in diesem Moment, vornehmt, das Gayatri-Mantra täglich zu rezitieren. Möget ihr seine tiefe innere Wahrheit erfahren.

Gayatri Japa
wird am Tag nach Raksha Bandhan oder Avani Avittam (Juli/August) gefeiert.

19. Tag, an dem die Bhagavad Gita, eine heilige indische Schrift, enthüllt wurde (siehe 17. Kapitel).
20. Vollmondnacht, in der der spirituelle Lehrer besonders verehrt wird (siehe 5. Kapitel)
21. Neumondnacht, die Shiva heilig ist und mit spiritueller Aktivität verbracht werden sollte (25. Kapitel).
22. 11. Tag nach Neu- und nach Vollmond, der Vishnu zugeordnet ist und der besonders gut ist zum Fasten
(26. Kapitel).
23. Vedanta: Philosophie der Nicht-Zweiheit, der Einheit der ganzen Schöpfung als ein Ausdruck des göttlichen Prinzips.