Erläuterungen zur Mandukya Upanishad

 

Die transzendente Gegenwart

Wir haben die individuellen und kosmischen Aspekte von drei Phasen des Atman analysiert. Doch die Wirklichkeit ist eigentlich weder individuell noch kosmisch. Wenn man sagt, ES oder ER sei kosmisch, beschränkt man IHN in gewisser Weise auf die Ebene der so genannten Schöpfung. Der absolute Brahman ist weder eine Ursache noch eine Folge. ER hat keine Folge und darum ist ER auch keine Ursache. Wir können IHN, das Absolute Sein, besonders dann nicht als die Ursache von Dingen sehen, wenn wir IHN als ‚mit allen Dingen identischen‘ betrachten. Die Mandukya Upanishad beschreibt nicht nur die grob-, die feinstofflichen und kausalen Bedingungen des offenbarten Bewusstseins, sondern auch das Bewusstsein selbst. Es gibt so etwas wie die Wirklichkeit in sich selbst, unabhängig von allen Beziehungen. Selbst Ishvaratva ist eine Beschreibung, die sich mit Seiner Beziehung zum Universum befasst. Wir bezeichnen Gott als Sarvesvara, Sarvajna und Sarvasaktiman, weil wir IHN mit der Schöpfung in Verbindung bringen. Gott ist allgegenwärtig, alldurchdringend, was soviel heißt, dass wir IHN in den Bedingungen des Raumes erkennen. ER kennt alle Dinge, d.h., dass ER die Dinge kennt, und dass ER die Macht über sie hat bedeutet, das ER Seine Macht über etwas ausüben kann, das sich außerhalb von IHM befindet. Alle Definitionen, selbst die Besten, wie Schöpfer, Erhalter und Zerstörer des Universums, sowie Allgegenwart, Allmacht und Allwissenheit sind relativ. Es sind Tatasthalakshanas Gottes, zufällige Definitionen, und keine Svarupalakshanas, die die wesentliche Natur der Wirklichkeit ausdrücken. Was war Gott vor der Schöpfung? Dieses wäre Sein Svarupalakshana oder Wesen. Gott in Seiner eigenen Essenz ist mehr als nur Schöpfer, Erhalter oder Zerstörer, mehr als die Ursache aller Dinge, mehr als nur ein Überherr, ein Allwissender und Allmächtiger. Was ist das essenzielle Wesen, das durch Sein eigenes Recht ist, und in Seiner eigenen Größe und Erhabenheit fortbesteht? Was ist das Licht, das von anderen nicht erblickt werden kann; das Licht, was scheint, und doch nicht auf alle hernieder strahlt? Das ist der Zustand reinen Bewusstseins, das weder kausal, noch subtil oder grobstofflich ist. Es ist weder außen noch innen, weder äußerlich noch innerlich. Diese große Wirklichkeit wird in den sieben Mantras der Mandukya Upanishad beschrieben.

Dieses Absolute ist als Turiya oder der vierte Zustand des Bewusstseins bekannt, das alle relationalen Offenbarungen transzendiert, - kausal, subtil oder grobstofflich. Während das wache Bewusstsein äußerlicher und das Traumbewusstsein innerlich ist, so ist dieses Bewusstsein weder äußerlich noch innerlich, denn es träumt nicht, noch wacht es. Es kennt weder ein Innen- noch Außenbewusstsein, - Nantah-prajnam, na bahih-prajnam, - und weder eine Traumwelt noch einen Wachzustand. Man könnte glauben, dass es einen Bewusstseinszustand beider Ebenen gleichzeitig ist. Nein; es unterscheidet sich von einem Simultanbewusstsein. Es ist weder äußerlich, noch innerlich, und auch nicht beides zugleich, - no-bhayatah-prajnam. Es ist auch keine Bewusstseinsmasse, wie ein homogen versammelter Wasserberg (gleichförmige Welle) im Ozean, - na prajnana-ghanam. Es ist in Seinem Wesen nicht quantitativ messbar. Menge hat mathematisch mit Raum zu tun, und das Bewusstsein ist nicht derartig. Es kann auch nicht als Masse oder Menge bezeichnet werden, sonst denkt man wieder an eine Anhäufung, einen eindeutigen Körper. Es ist kein eintöniges Bewusstsein ohne jedes Bewusstsein, - na prajnam. Man könnte annehmen, es wäre Bewusstsein ohne Objektbewusstsein. Selbst das ist es nicht, weil die Objekte in dem Bewusstsein enthalten sind. Es ist kein Bewusstsein, das Seiner Objekte verlustig ist. Es ist Bewusstsein, in dem die Objekte absorbiert wurden. Darum kann es nicht als etwas eintöniges Durchsichtiges eines ewigen Bewusstseins angesehen werden. Es ist auch nicht ohne Bewusstsein, - na aprajnam. Es ist kein Zustand innerer Vollkommenheit, wie die Gedankenschulen Nyaya und Vaiseshika beschreiben. Es ist kein Unbewusstsein; es ist nicht ohne Bewusstsein; es ist keine Menge oder Anhäufung von Bewusstsein; es ist weder äußerliches noch innerliches Bewusstsein; es beinhaltet auch nicht beide Zustände zugleich. Was ist das? So ist Gott in Seinem Wesen, das Absolute in Seinem wahren Sein.

Adrishtam: Er/Es ist unsichtbar. Man kann IHN nicht sehen. Welche Mühe man sich auch immer geben mag, Er bleibt unsichtbar. Avyavaharayam: Man kann mit IHM auch nicht handeln. Man kann IHN weder berühren noch ergreifen. Man kann mit IHM weder sprechen noch IHN sehen oder hören. Man kann mit IHM keinen Handel treiben, zu IHM keine Beziehungen herstellen. Er ist beziehungslos. Er weist jede Beziehung von sich. Er ist weder freundlich noch feindlich gesinnt. So ist das Mysterium des Seins allen Seins. Agrahyam: Er kann nicht durch die Macht der Sinne ergriffen werden. Er ist weder mit den Händen greifbar noch kann Er gerochen oder geschmeckt werden, weder gehört noch gesehen werden. Nichts dergleichen ist möglich. Alakshanam: Darum ist er undefinierbar, nicht beschreibbar. Jede Definition wäre eine Assoziation zu irgendwelchen Qualitäten, wie sehen, hören usw., doch man kann IHN nicht charakterisieren. Acintyam: Er kann durch den menschlichen Geist nicht erfasst werden. Darum kann man auf IHN auch nicht auf normale Art und Weise meditieren. Wenn man dabei an etwas denken würde, würde man zwangsläufig ein Objekt in Raum und Zeit erzeugen. Doch Er ist kein Objekt, weder Raum noch Zeit, und darum ist Er gedanklich nicht erfassbar. Avyapadesyam: Er ist unbeschreiblich. Man kann nicht über seine Herrlichkeit sprechen. Kein Beschreibung trifft auf IHN zu; kein Heiliger kann Es erklären. Selbst die Weisheit aller Heiligen zusammengenommen entspricht nicht Seiner Größe. Er ist jenseits aller Weisheit von Heiligen, unvergleichlich, beispiellos. Dieser Charakter des Seins dieser Wirklichkeit kann nicht auf irgendetwas bezogen werden. Diese Welt ist ein Netzwerk von Beziehungen. Eines bezieht sich zum Zweck der Definition bzw. zum Verständnis auf etwas Anderes. Die ganze Geschäftswelt ist ein Beziehungsgepflecht. Doch bei IHM trifft nichts davon zu. Alle Aktivitäten, körperliche wie geistige, ruhen, sind still.

Ekatmapratyayasaram: Dieses ist eine wundervolle Charakterisierung des Atman. Der Atman kann nur als Atman definiert werden. Man kann IHN weder als eine andere Form noch ein Konzept betrachten. Es heißt, die Schlacht zwischen Rama und Ravana sei unvergleichlich gewesen. Womit könnte man die Schlacht vergleichen? Man kann sagen, etwas sei so weit wie der Ozean, so endlos wie der Himmel, so hell wie die Sonne oder so süß wie Zucker. Über die Schlacht heißt es: „Der Raum ist wie der Raum, der Ozean wie der Ozean und diese Rama-Ravana-Schlacht war wie die Rama-Ravana-Schlacht. So verhält es sich auch mit dem Atman. Wenn man den Versuch machen würde, IHN mit irgendetwas zu vergleichen, hieße, IHN / Es als etwas Nachgelagertes behandeln zu wollen. Das hieße: die Verhältnisse wirklich auf den Kopf zu stellen. Darum kann Er nur als Ekatmapratyayasaram, das Wesen des Bewusstseins von Selbstsein und Einssein bezeichnet werden. Er kann, wenn überhaupt, nur in drei Begriffen definiert werden: Ekatva (Einssein), Atmatva (Selbtsein) und Saratva (Wesenhaftigkeit). Er / Es ist das Wesen aller Dinge, Es ist Eins und Es ist das Selbst. Es ist das Selbst und darum kann Es nur Eins sein. Es ist das Selbst und darum ist Es das Wesenhafte. Das Selbst kennt sich selbst, doch nicht wiederum mittels eines übergeordneten Seins, sondern durch eigene Existenz. Es ist die Existenz, die sich ohne äußere Beweise kennt. Wahrnehmungen, Schlussfolgerungen, verbale Aussagen usw. kommen in Bezug auf das Wissen des Atman nicht in Betracht. Es / Er kann nicht durch Logik, Induktionen oder Reduktionen erfasst werden. Er kann weder verglichen noch beschrieben werden. Er / Es ist das Selbst, d.h., Er kann nicht von anderen in Besitz genommen werden. Das Selbst kann nur sich selbst besitzen. An dieser Stelle sind das Selbst und die Existenz dasselbe. Existenz ist das Selbst; Existenz ist der Atman. Das Selbst kann aus seinem Wesen heraus nicht als Objekt oder als etwas Fremdartiges betrachtet werden. Das Wissen des Atman ist Intuition, nicht rational, sondern unabhängig von den Einwirkungen irgendwelcher Sinne oder eines Geistes, wo die Existenz mit dem Wissen eins wird und das Wissen eins mit dem Bekannten (Erinnerung) wird. Hier ist das Objekt des Wissens dasselbe wie Wissen und Intuition. Wenn das Objekt sich außerhalb vom Wissen befindet, wird es Wahrnehmung genannt. Dieses ist der Unterschied zwischen Intuition und einer Wahrnehmung oder Information über die Sinne. Wo das Objekt im unmittelbaren Bezug zum Wissen steht, ist es Intuition. Man kann nicht sagen, ob es Objekt oder Wissen ist, das sich selbst kennt. Der Unterschied zwischen beiden verschwindet, als würden sich zwei Ozeane miteinander verbinden. Das wissende Subjekt und das Objekt seines Wissens kommen wie in einer einzigen Verbindung des Seins zusammen. Dieses ist Atman, - Selbstsein.

‚Salika Eko Drashta‘, sagt Yajnavalkya in der Brhidaranayaka Upanishad. Der Atman ist wie eine ozeanische Flut ohne Oberfläche oder Begrenzung. Der Atman ist der seelische Seher, Wissende, Bewahrer, Erfahrende, ohne entsprechendes Gegenstück in Form des Objektes. Es kennt sich selbst, nicht ’andere‘, denn die ‚Anderen’ sind Teil von IHM. Doch das Wissen des Atman ist die Wissen um die gesamte Existenz. Es ist nicht die Kenntnis dieses Atman, jenes Atman, dieses Selbst, jenes Selbst, diese Person, jener Person. Es ist das Wissen von dem Atman, der nur Eins sein kann. Der Atman ist einzig, - Ekatmapratyayasaram. Der alleinstehende Atman, der als Paramatman bezeichnet wird, unterscheidet sich vom Atman der Vielzahl, Jivatatman. Es ist Paramatman, weil er das Absolute Selbst ist. ‚Brahmeti Paramatmeti Bhagavaniti Sabdyate‘, heißt es in der Srimad-Bhagavata. Aus Sicht des Absoluten, Universalen und vom persönlichen Standpunkt aus, wird Er Brahman, Paramatman und Bhagavan genannt. In sich ist Es Brahman, das Absolute; und als Absoluter Schöpfer, Erhalter und Zerstörer ist Es der Paramatman; als der ‚Geliebte‘ Seiner Anhänger ist Er Bhagavan. Er ist all dieses gemeinsam; - Dvaita, Visishtadvaita und Advaita: alles kommt hier in diesem Atman zusammen. Die Schlussfolgerungen der Gedankenschulen mit ihren verschiedenen Standpunkten vermischen sich zu einer einzigen Wahrheit. Streitigkeiten, Argumente und philosophische Standpunkte hören auf zu existieren und Stille breitet sich aus. Dieser Atman ist Stille, sagte ein großer Meister. Ein Schüler fragte seinen Guru zum wiederholten Male: „Erkläre mir den Atman?“ Der Guru schwieg als Antwort auf die immer gleiche Frage. Als der Schüler das vierte Mal die Frage stellte, sagte der Guru: „Du hörst nicht zu, denn die Stille ist der Atman.“ In der großen Stille kommt das Durcheinander des Kosmos zur Ruhe. Alle Forderungen der Sinne, der ganze Lärm des Universums ist in dieser Stille enthalten und wird in ihr absorbiert. Die Stille ist besser als all das Gerede und sie erklärt die Dinge weitaus besser als alle Erklärungen. Diese Stille beinhaltet mehr Erklärungen als alle logischen Argumente der Philosophen. Diese Stille bezeichnet die Wirklichkeit wesentlich verständlicher als alle Wörter es je könnten. Wörter verlangen nach einer niederen Ebene mit erklärenden äußeren Objekten. Die Kena Upanishad warnt uns, in dem es heißt: „Er ist jenen unbekannt, die Ihn kennen; Er ist jenen bekannt, die Ihn nicht kennen.“ Wenn man glaubt Ihn zu kennen, kennt man Ihn nicht, und wenn man Ihn kennt, glaubt man daran nicht, denn man ist einfach nur. Man wird Das, und man ist Das; und Das ist wahres Wissen. Wissen ist nicht Ausdruck, sondern Sein. Es ist weder das Werden noch ein Prozess. ES wird in der Sprache der Yoga-Vasishtha als Satta-samanya bezeichnet, um die allgemeine von der individuellen Existenz zu unterscheiden. ES ist ein transzendentes Sein, das man irgendwie bezeichnen könnte. Man kann Es weder als Sat (Existenz) noch als Asat (Nicht-existenz) ansehen. ES kann auch nicht im Sinne einiger vorhandener Objekten als ‚Sat‘ gesehen werden; dieses trifft auch nicht auf ‚Asat‘ zu. Man kann sagen, dass etwas ist, wenn man es hört, sieht, denkt oder ergreifen kann. Die Wirklichkeit ist nicht von solcher Art, und doch kann man nicht behaupten, dass sie nicht existent sei. Sie ist jenseits von Sat und Asat. In der Bhagavad-Gita heißt es: ‚Anadimat parman brahma na sat tan na-asad ucyate‘. Dieser Brahman, das Original aller Dinge ist Ewigkeit. ‚Na asad asit no sad asit‘, heißt es in der Rig-Veda. Was war am Anfang? Weder Existenz noch Nicht-Existenz. Definitionen werden von Menschen gemacht. Alle Menschen, die diese Wirklichkeit definieren, sind in der Folge nachrangig. Wer kann das, was als Ursache aller Dinge über ihnen und selbst über den Voraussetzungen von Ishvara steht, definieren? Wer kann Es

beschreiben, wer kann etwas darüber sagen, ohne Es als etwas Vorhergehendes von Ekatmapratyayasaram zu definieren? In dem man es als ‚Es ist‘, - ‚Asti-iti-eva-upalabdhavyah‘ kennt, wie es die Katha Upanishad ausdrückt. Kenne Es als ‚DAS, was ist‘, wie der Heilige Augustinus es sagte. Was ist die Wirklichkeit aller Realitäten? ‚DAS, was ist‘, ist allgemeine Existenz, Satta-samanya, Ekatmapratyayasaram. Dieses ist Brahman.

Prapancopasamam: Alles Samsara, dieser Tumult der Schöpfung versinkt wie Wellen im Ozean, wie Träume, die beim Erwachen des Bewusstseins verschwinden. Das ganze Universum hört auf zu existieren. In diesem Zustand gibt es weder Virat noch Hiranyagarbha oder Ishvara, denn es gibt keine Schöpfung mehr. Dieses ist der Atman, wo es weder Wachen noch Träumen oder Schlafen gibt. Dieser Zustand ist jenseits jeglicher Bedingung. Es ist kein Zustand von Ereignissen. Wir wissen nicht, was es ist. Es ist ein Mysterium. Es ist das Wunder aller Wunder. Gesegnet ist der Schüler, der es von seinem wundervollen Lehrer aufnehmen kann, und der Lehrer, der wiederum dieses Sein lehren kann. ‚Ascaryavat pasyati, vadati, srnoti‘, heißt es in der Katha Upanishad. Was für ein herrliches Sein das ist! Der Prapanca, dieser weite Kosmos hört auf; DAS allein ist. Es scheint wie die herrliche Sonne aller Sonnen. Es ist Santam: in Seinem Zustand friedvoll, kein Streit, keine Ängste, keine Schmerzen, kein Leid, keine Geburten und Tode, keine Todesqualen. Es ist nicht der Frieden, der sich erhebt, weil der Klang oder die Berührung mit irgendwelchen Dingen ausbleibt. Es ist ein Frieden, der in sich positiv ist. Wir sagen von uns, wir seien friedvoll, wenn niemand zu uns spricht, niemand uns unterbricht und wir alles haben, was wir uns wünschen. Dieses ist nicht der Friede des Atman, denn unsere Vorstellungen von Frieden sind negativ und relational. Der Atman ist kein relationaler Frieden, der endlich ist. Der Friede auf Erden hat einen Anfang und ein Ende. Heute sind wir friedvoll, morgen sind wir es nicht. Wir können uns nicht leisten, immer friedvoll zu sein. Doch der Friede des Atman ist ewig. Dieser Zustand ist aufs Höchste gesegnet. Es ist Sivam: es ist ein großes Glück, das durch OM und Atha gekennzeichnet ist. Pranava ist sein Markenzeichen, Selbstverstehend. Advaitam: nicht-dual ist der Zustand. Wir können es nicht einmal als Eins bezeichnen. Es ist ‚Nicht-zwei‘; das ist alles. Wenn man nur von Eins spricht, ließe dieses den Schluss auf etwas Numerisches zu. Es ist nicht Eins, denn es gibt nichts Anderes. Man kann nur sagen: ‚es ist Nicht-zwei‘, - Advaita. Nachdem die Upanishad zunächst von Eka (Eins) spricht, heißt es später Advaita (Nicht-dual). Es ist Nicht-rational. Darum heißt es: es ist nicht dies und nicht das, - neti, neti. Es ist weder etwas, woran wir denken noch was wir verstehen können.

Caturtham manyante, Sa atma: Dieses ist der vierte Zustand des Bewusstseins, Atman genannt. Unter der Vier ist nicht etwas Numerisches zu verstehen, sondern die Vier steht im Vergleich zu den drei relativen Zuständen des Wachens, Träumens und des Schlafens. Wenn man in diesen so genannten vierten Zustand hineingeht, fühlt man ihn nicht. Man befindet sich dann in dem nur einzig möglichen Zustand. Es ist ein Überwinden der vorherigen drei Zustände. Es / Er ist weder numerisch noch körperlich oder quantitativ, sondern unermessliches Sein. Dieses ist der Atman. Dieses ist unsere wesentliche Natur und die wesentliche Natur aller Dinge. Wir sind der Atman, der weder wacht noch träumt oder schläft, und der sich selbst weder innerlich noch äußerlich beschränkt. Der Atman ist das seelenhafte Sein allen Seins, die Existenz aller Existenzen, das ‚Sat‘ aller ‚sat‘, das ‚Chit‘ aller ‚chit‘, das Ananda aller anandas, - das absolute existenzielle Bewusstsein.

Sa vijnah: Dieses muss erkannt werden. Dieses ist der Sinn des Lebens. Wir leben hier zu diesem Zweck. Wir haben kein anderes Ziel im Leben. All unsere Aktivitäten, all unsere Geschäftigkeit, all unsere Funktionen, welcher Art sie auch immer sein mögen, sind bewusste oder unbewusste Versuche unsererseits, den Atman zu verwirklichen; und solange wir den Atman nicht erreichen, können wir nicht glücklich sein, nicht zufrieden sein, und solange können wir auch nicht den Kreislauf von immer wiederkehrender Geburt und Tod stoppen. Wir werden immer wieder geboren, um unser Sein zu trainieren, mit dem Atman in Einklang zu kommen. Geburten und Tode sind die notwendigen Trainingsfelder und Erfahrungsprozesse. Wir experimentieren mit den Dingen der Welt, werfen einen Blick auf sie, um den Atman zu sehen, und kommen mit Ihm in den Objekten in Berührung. Wir lieben die Dinge in der Hoffnung, dass der Atman in ihnen ist, doch wir finden Ihn dort nicht, denn Er ist überall. Warum lieben wir Dinge, Menschen und Objekte? Weil wir hoffen, dass der Atman dort ist. Wir suchen nach Ihm, doch wir finden Ihn nicht, und so wandern wir von einem Objekt zum Anderen, - so wie die Gopis nach Krishna an verschiedenen Orten gesucht haben. Krishna! Bist Du hier, bist Du dort? - Ihr wisst wo; Er ist überall. - Die Gopis befragten die Bäume, die Pflanzen, die Bienen und selbst unbelebte Dinge. Hast du Krishna gesehen? Ist Er hier vorbeigekommen? Wo ist Krishna? Habt ihr eine Idee, wo Er sich aufhalten könnte? Krankhaft befragten die Gopis alles Lebendige und Unbelebte der Schöpfung. Kennt ihr Krishna? Habt ihr Ihn gesehen? Auf ähnliche Weise verhalten auch wir uns bezüglich der Dinge in der Welt. Ist der Atman hier? Habt ihr Ihn gesehen? Kann man Atman hier, dort, hierin oder darin bekommen oder erreichen? Er / Es ist nirgendwo? Es ist nichts Bestimmtes, darum können wir Ihn durch keinen noch so großen Suchaufwand in der äußeren Objektwelt finden. Darum ist alles Lieben der Welt letztendlich vergebliche Liebesmüh‘, mit Frustrationen oder Leid verbunden, denn diese Annäherung an die Wirklichkeit durch die Objekte ist ein Irrtum, da die Wirklichkeit auf Grund der Struktur der Objekte nicht auf diese beschränkt wird. Mit dieser Erfahrung sterben wir. Das Leben ist zu kurz. Die Erfahrungen sind schier endlos. In der nächsten Geburt machen wir wieder dieselben Erfahrungen und das Bemühen geht immer weiter. Dieses nennt man Samsara (Seelen- wanderung). In all den Leben, in all den Toden, die wir durchlaufen, kann der Atman nicht gefunden werden, so wie die Gopis Krishna nicht haben finden können, bis Krishna selbst durch eigenen Willen vor ihnen erschien. Niemand wusste, wo Krishna war. ‚Ich weiß nicht, ich weiß nicht‘, ist alles, was die Objekte uns sagen können.

Wonach sollen wir dann suchen? Wir haben Ihn nie zu Gesicht bekommen. In Anbetracht dieser rätselhaften Frage nach dem Atman, sagt die Upanishad letztendlich, dass Er / Es vielleicht durch Ihn selbst, durch Seine Wahl, verwirklicht wird. Man muss Es / Ihn sich selbst überlassen. Man weiß nicht, wie man Ihn erblicken kann. Es scheint keine Möglichkeit zu geben, Es zu erfahren. Nichts kann uns dabei behilflich sein. Yam eva esha vrnute tena labhyah: Wer erwählt wird, der allein kann Ihn erreichen. Dieses scheint die Lösung des Heiligen der Katha Upanishad zu sein, wie Er erreicht werden könnte. Wir sind des Fragens müde. Und als die Gopis dieser ermüdenden Fragerei überdrüssig waren, als sie sich ihrer Hingabe zu Krishna nicht mehr bewusst waren, erschien Er vor ihnen. Jetzt war die Zeit gekommen. Das Ego war verschwunden; das Bemühen hatte aufgehört; man konnte nicht mehr weiter gehen; da erschien Er. Man sucht und sucht, und was du erreichst ist sinnlos. Das Ego verwirklicht seine Grenzen und hört auf. Wenn man seine Grenzen kennt, hört alles egoistische Bemühen auf, und das Ende des Ego ist die Offenbarung des Atman. Gott kommt, wenn das Ego geht. Wenn du dich nirgendwo fühlst, dann ist Er allein überall. Er nimmt die Position deiner Persönlichkeit ein. Du verschwindest und Er tritt ein, nicht früher und nicht später. Als die Persönlichkeiten der Gopis verschwanden, ergriff Krishna Besitz von ihren Herzen; und anstelle der Gopis war Krishna dort. Der Jiva löst sich in Ishvara auf. Dieser Atman muss erkannt werden, das Ziel, warum wir leben. Dieses ist der vierte Zustand des Bewusstseins, der Atman, das Absolute, Brahman.