Swami Krishnananda:

Antwort auf deine Fragen

Kapitel 12

Wie man Gott in sein Herz läßt

Besucher: Wie kann ich mein Herz von Gott öffnen lassen?

Swamiji: Du mußt selbst Dein Herz öffnen, dann kommt ER hinein. Dein Verstand ist mit Gedanken angefüllt, die sich mit allem anderen als mit Gott beschäftigen.

„Befreie Dich und ICH werde Dich erfüllen,“ ist ein altes Wort der Bibel. Wenn Du einen Korb mit Blütenblätter füllen möchtest, muß zunächst der Abfall und der Staub aus dem Korb entfernt werden. Sind Deine Gedanken bei Gott, oder denkst Du an etwas anderes? Dieses „etwas andere“ bringt die Ablenkung. Du hast das Tor damit verschlossen und möchtest, daß Gott eintritt.

In England war einmal ein Maler, der ein Bild mit einem wunderschönen Haus gemalt hatte. Er rief alle Künstler herbei, um nachschauen zu lassen, ob sein Kunstwerk irgendeinen Fehler aufweisen würde. Alle bewunderten es und sagten, daß es wundervoll sei. Schließlich bemerkte ein Mann, daß er wohl die Türklinke an der Außenseite des Tores vergessen hätte. Der Maler sagte: „Die Klinke befindet sich an der Innenseite des Tores, das Tor ist von der Außen­seite her immer geöffnet.“ Tore stehen für Gott immer offen, doch Du hast nur innen eine Klinke angebracht, so daß ER möglicherweise nicht eintreten kann.

Die Idee ist, daß unsere Bindungen immer durch unsere Gedanken hervorge­rufen werden; doch unsere Gedanken sind auch unsere Freunde. Sie können sich in zwei verschiedene Richtungen bewegen und wie ein zweischneidiges Schwert wirken. Wenn Du vollkommene Gedanken entwickelst, harmonische Gedanken, die kosmisch ausgerichtet sind, wird Gott eintreten, weil Gott ein anderer Name für „vollkommenes, harmonisches, Absolutes Bewußtsein“ ist. ER kann jedoch nicht durch ein Loch eintreten, das durch die Anhäufung irdi­scher Wünsche eingeengt ist.

Wünsche, die mit diesem Körper, der Gesellschaft, Besitz, Geld, Beziehungen, und psycho-biologischen Impulsen verbunden sind, behindern das Öffnen des Herzens. Aus diesem Grunde hilft es nur, so lange wie möglich still zu sitzen und dem Verstand einzuschärfen, daß man ein Teil des gesamten Universums ist. Du bist von Gott gekommen, und darum mußt Du auf denselben Platz wieder zurückkehren. Durch die immer größere Einschränkung Deiner Bewe­gungsfreiheit bist Du heruntergekommen, bis Du Dich so weit eingeschränkt hattest, daß aus Dir ein kleiner Körper geworden ist. Nun mußt Du dem Rück­kehr-Befehl zur Wieder-Auffahrt folgen.

Genauso, wie Du Schritt für Schritt mit immer größeren Einschränkungen her­untergekommen bist, gehst Du zurück, indem Du durch intensive Hingabe zur göttlichen Universalität Deine Einschränkungen wieder auflöst und Dich immer weiter ausdehnst. Das ist Meditation. Es ist nicht schwierig, vorausgesetzt, Du hast Dich dafür entschieden.

Selbst dann, wenn Du viele Wünsche hast, die durch Gott erfüllt werden mö­gen, braucht Dich das nicht zu wundern. Du befürchtest, daß, wenn Du dorthin gehst, aller Wert und Ruhm dieser Welt verlorengehen. Doch der ganze Ruhm ist nur ein Schatten von dem, was Du dort im Original vorfindest. Warum willst Du einen Schatten, wenn Du das Original haben kannst? Warum willst Du nur einen Teil, wenn Du das Ganze haben kannst? Bringe es Deinem Verstand auf diese Weise bei, setze Dich hin, bete und meditiere. Du wirst sehen, daß ein Wunder geschieht.

Der Pfad der Hingabe ist ein Weg des erbaulichen menschlichen Gefühls hin zu Gott. Aber vorher mußt Du wissen, was „menschliches Gefühl“ bedeutet; nur dann wirst Du erkennen, wie Du es als „göttliches Gefühl“ hin zu Gott lenkst. Was bedeutet Gefühl, und warum kommt es in den Verstand eines Menschen? Warum lieben sich die Menschen?

Je tiefer man darüber nachdenkt, desto schwieriger wird es, eine Antwort dar­auf zu finden. Ist es, weil Dir jemand etwas gibt, was Du nicht hast? Nein, selbst dann, wenn man nichts erwartet, kann man etwas lieben. Wenn man Strafe erwartet, ist Liebe nicht gleich Liebe. Wenn man etwas zurückerwartet, ist es ein Handel; es wird zum Geschäft, und ist somit keine Liebe.

Warum erheben sich in unserem Verstand diese Gedanken? Der Grund für den Gedanken der Liebe, der sich in unserem Verstand erhebt, muß erkannt wer­den; nur dann wird man wissen, warum dieser Liebesgedanke menschlich be­dingt ist, und wie man ihn in der Universellen Göttlichen Liebe aufblühen las­sen kann.

Dieses ist eine rein psychologische Frage. Die spirituelle Anstrengung ist eine Art innerer Psychologie. Wenn Du Hunger hast, willst Du eigentlich weder Chappati (indischer Brotfladen), Reis oder sonst irgend etwas essen, sondern möchtest lediglich einen chemischen Prozeß einleiten. Reis usw. sind nur In­strumente, die bestimmte Bedingungen in dem System anregen, die Deine Persönlichkeit chemisch verjüngen und Dir ein Gefühl von Stärke und Gesundheit geben; in Wirklichkeit möchtest Du keine Nahrung, sondern Zufriedenheit. Wenn sich keine Zufriedenheit einstellt, wird eine Sache auch nicht geliebt. Die Zusammenarbeit zwischen Dir und dem, was in Dich hineingeht, ist wichtig.

So verhält es sich mit dem spirituellen Leben. Es ist eine rein unpersönliche Bewegung Deiner Psyche, Deines Verstandes und Deines Bewußtseins hin zu einer noch größeren Unpersönlichkeit. Du benutzt als Instrumente in diesem Prozeß Symbole wie Krishna, Radha usw., die genauso wie die Nahrung zur Verdauung nur Symbole sind. Sie sind nur wertvoll, solange sie Zufriedenheit und Transformation in Dir hervorrufen.

Wichtig ist dabei, was geschieht, während Du darüber nachdenkst. Wenn Du Dich dabei erfreust, - auf welche Weise wurde diese Freude hervorgerufen, und warum nicht durch etwas anderes? Dein mentaler Zustand ist zu dieser Zeit so beschaffen, daß nur jenes besondere Objekt diese mentale Bedingung erfüllen kann, geradeso wie der besonderen Situation Deines Körpers entspre­chend, nur eine bestimmte Art der Nahrung die beste sein mag. Manchmal ist es besser zu fasten anstatt zu essen; manchmal ist es schlecht zu fasten und besser zu essen.

Das bedeutet, daß die äußeren Bedingungen nur Instrumente sind, die benutzt werden, um bestimmte Transformationen in Deiner Persönlichkeit zu bewirken, was wichtiger ist als die Sache selbst. Nichts auf dieser Welt ist für sich alleine von Bedeutung. Es ist nur in dem Ausmaß von Bedeutung, wie es in Dir eine Transformation hervorbringt. Sobald diese Transformation stattfindet, kannst Du jeden Urheber dafür als Deinen Guru annehmen. Der Heilige Dattatreya hatte vierundzwanzig Guru’s. Alles kann ein Guru sein, vorausgesetzt, es hilft Dir. Wenn Du jedoch nicht erkennst, warum Du glücklich bist, kannst Du dadurch gefangen werden.

Wie kannst Du das Gefühl auf Gott lenken? Das Gefühl auf Gott hin zu lenken, ist die schwierigste Kunst. Es ist eine Bewegung des Endlichen hin zum Un­end­lichen. Normalerweise bewegt sich die endliche Liebe nur hin zur endlichen Liebe; darum ist sie zerbrechlich und bricht. Aber hier, in der göttlichen Hin­gabe, bewegt sich das Endliche hin zum Unendlichen, - das ist eine ganz andere Sache. Du empfindest auch Glück, wenn sich das Endliche zum Endlichen hin bewegt, weil Du glaubst, daß zwei Endlichkeiten ein etwas größeres Endliches ausmachen; darüber fühlst Du ein bißchen Freude. Das ist auch der Grund, daß die Menschen große Mengen an Endlichem anhäufen. Viel Endliches sieht aus wie das Unendliche, was aber in Wirklichkeit nicht so ist. Viel Endliches ist nicht gleichbedeutend mit der Unendlichkeit, - was bleibt, ist nur ein Bündel Endliches.

Viele Diebe ergeben zusammengenommen noch keinen Heiligen. Sie bleiben Diebe. Darum ist die Hingabe zu Gott nicht eine Bewegung des Endlichen hin zum Endlichen, sondern des Endlichen hin zum Unendlichen. Es ist eine vollständige Transformation, etwas Unfaßbares, weil normalerweise niemand (als ein endliches Sein) an das Unendliche denkt. Wie viele Menschen denken über das Unendliche nach? Sie denken immer an etwas Endliches und Kleines, - es mag sich dabei um Besitz, Beziehungen, Geld usw. handeln, - alles endliche Dinge. Damit wollen wir glücklich sein. Wir häufen riesige Bündel Endliches an und glauben, damit eine künstliche Unendlichkeit zu besitzen, aber diese künstliche Unendlichkeit ist nur endlich. Aufgrund dieser Anhäufungen leidet die Welt. Um eine vollkommene Umwandlung der Werte und eine Ver­wandlung des Endlichen hin zum Unendlichen zu erreichen, bedarf es der Kraft eines Herkules. Dieses muß mit großer Mühe unter der Führung eines Meisters bewältigt werden.