Sadhana

Hindernisse für den Fortschritt im Sadhana


Der Geist des Suchenden: eine psychologische Studie

Wer ernsthaft den spirituellen Weg aufnimmt und beginnt, regelmäßig Sadhana zu machen, findet sich mit bestimmten eigenartigen Schwierigkeiten und enttäuschenden Erfahrungen konfrontiert, die den Anfänger vorerst einmal erschrecken und entmutigen können. Diese Probleme und Hindernisse betreffen den Großteil der Suchenden, und deshalb ist es wichtig, über sie Bescheid zu wissen, und die Methoden richtig zu verstehen, mit denen sie zu überwinden sind.

Das erste ist dies. Der Sadhak, der Suchende, beginnt sein spirituelles Leben mit bestimmten, genauen, selbst geschaffenen Vorstellungen von Sadhana, Verwirklichung, Guru, Upadesh und dergleichen. Solcherart gehegte Vorstellungen kristallisieren sich unbewußt zu fest verwurzelten Vorurteilen. Aber in der Tat ist das wirkliche spirituelle Leben ganz anders als das, was sich die individuelle Meinung gerne dazu vorstellt. Realitäten stellen sich nicht nur als anders, sondern als den alten Vorstellungen, die er so liebevoll umarmt gehalten hatte, sogar absolut entgegengesetzt heraus. All seinen vorgefaßten Meinungen wird ein schwerer Schlag versetzt. Was geschieht? In den meisten Fällen kann sich der Anfänger nicht mit diesen unerwarteten Entdeckungen abfinden, geht wieder zurück, und landet schließlich wieder in seinem früheren sinnlichen Leben der Täuschung. Das wäre der größte Fehler, den er machen könnte. Er hält einen unvergleichlichen Edelstein in der Hand und wirft ihn töricht weg. Eine unschätzbare Gelegenheit ging verloren. Der Geist wird wieder mit aller Kraft denselben sinnlichen Furchen folgen. Eigentlich will der Suchende die lange gehegten Vorstellungen nicht aufgeben. Sein Ego hängt an ihnen. Er hat zum Beispiel eine bestimmte Vorstellung davon, wie das Sadhana gestaltet sein sollte. Er stellt sich vor, daß derjenige, den er als seinen Guru annimmt, ihm ein Sadhana vorschreibt, das dieser Vorstellung entspricht. Wenn nicht, tritt Unzufriedenheit auf. Er denkt, ein Guru müßte sich so und so verhalten. Wenn er es nicht tut, schwindet die Treue. Sich zu den Füßen des Gurus zu ergeben und dann zu zweifeln zu beginnen und sein Verhalten zu mißbilligen, ist der fürchterlichste und kolossalste Fehler, den ein Suchender jemals machen kann. Dadurch setzt er das Messer an die Wurzel von Sadhana und spirituellem Leben. Oder der Sadhak betritt den Weg mit einer speziellen Einschätzung seines spirituellen Fortschritts und des Niveaus, das er erreicht hat. Aber in der Tat weiß nur Gott allein wirklich, wo genau er steht. Und doch handelt er nach seinen vorherigen Vorstellungen. Wenn spätere Ereignisse zeigen, daß er sich irrt, ist er enttäuscht und verliert die Begeisterung. All das ist überaus schädlich. Sich von einer Reihe von Enttäuschungen und Fehlschlägen zu Beginn des spirituellen Lebens fangen zu lassen, ist ein furchtbares Hindernis. Es lähmt die Fähigkeit zu Sadhana und das Bedürfnis danach. Man verliert den Mut und fühlt sich vom spirituellen Leben abgestoßen. Sadhana muß auf lebhafter Begeisterung und Freude basieren und darauf gestützt sein.

Beginne das Leben des Sadhana mit offenem Geist. Sei frei von verkrampften vorgefaßten Meinungen, die aus dem Ichdenken entstehen. Gehe an spirituelle Angelegenheiten mit ehrlich aufnahmebereiter Haltung heran, mit dem Gedanken, lernen zu wollen. Sei darauf vorbereitet, dich vernünftig darauf einzustellen, anstatt törichterweise zu wünschen, daß sie sich anpassen, um deinen geistigen Mustern zu entsprechen. Ansonsten wird Mißklang den Beginn deines Sadhanalebens kennzeichnen. Du fällst in eine Mutlosigkeit, aus der du nur schwer wieder herauskommst. Das beeinträchtigt den gesamten Verlauf des folgenden Sadhana, und wertvolle Jahre werden vergeudet.

Diese Erfahrung machen heutzutage zahllose Sadhakas. Tyaga von Lieblingsvorstellungen und eigenwilligen Denkweisen ist sehr notwendig, wenn man den Pfad betreten und ihn ungestört fortsetzen möchte. Dadurch daß man voranschreitet, werden die Dinge allmählich verständlich. Eines nach dem anderen wird klar werden.

Das zweite, das den Anfänger immer wieder plagt, sind verschiedenste Gedanken und Vorstellungen hinsichtlich seiner Pflicht. Eigenartigerweise wird sich herausstellen, daß, solange man kein Sadhana macht und nicht daran denkt, den spirituellen Weg aufzunehmen, keine solche Gedanken an Pflicht, usw. usw. auftauchen. Sehr wahrscheinlich ist man seinen Pflichten oder Angehörigen gegenüber gleichgültig oder sogar nachlässig. Die Eltern drängen vielleicht jeden Tag darauf, daß ein Beruf ergriffen und zum Unterhalt der Familie beigetragen wird. Auf diesem Ohr ist man taub und geht ins Kino und in Restaurants. Wenn man dann vielleicht im Berufsleben steht, trägt man Tweedanzüge und Seidenkravatten. Aber man macht sich keine Gedanken darüber, daß Mutter oder Schwerster dieselben zwei alten Saris abwechselnd tragen und waschen. Denn, ist es nicht Aufgabe des Vaters, die Mutter zu erhalten? Um die Schwester wird sich doch wohl bald der zukünftige Mann kümmern. So wird argumentiert. Wenn sich aber die Frage nach Sadhana und spirituellem Leben stellt, beginnt der Geist zu sagen, daß man Pflichten der Familie gegenüber hat. Man würde die Pflichten gegenüber Mutter, Bruder, Schwester, usw. vernachlässigen. All das tritt erst jetzt auf, wenn man mit dem Weg des Sadhana beginnt. Man beginnt zu schwanken, zu zögern und schwach zu werden. Dazu kommt noch, daß Freunde abraten und die eigene Familie allem Spirituellen negativ gegenübersteht. „Was ist mit all dem Japa, Dhyana, Tragen der Mala, usw.? Die Dinge zu ihrer Zeit. Du kannst dich darum kümmern, wenn die Zeit gekommen ist. Tue jetzt zuerst deine Pflicht.“ So sagen sie. Das wird auch noch der wenigen Lust, mit der begonnen wurde, ein Ende setzen. Das ist ein typisches Täuschungsmanöver des Geistes. Der Geist ist Maya. Seine Funktion ist es, den Menschen auf die eine oder andere Weise davon abzuhalten, einen kleinen Einblick in die Realität zu erhaschen. Er ist der Umstand, der die Wahrheit stets zu verschleiern trachtet. Daher gilt es, wachsam zu sein und seine Schachzüge auf Schritt und Tritt zu durchkreuzen. Genau dann, wenn man versucht, den Pfad zu beginnen, schafft der Geist all diese Vorstellungen von Pflicht, Verantwortung, wichtigen Vorhaben, usw., die vorher niemals von Belang waren. Sei dir dessen voll bewußt. Zu verschiedenen Zeiten gibt es verschiedene Pflichten. Sadhana zur Selbstverwirklichung zu machen, ist jedoch die wichtigste und dringendste Pflicht, die das ganze Leben lang, bis zum letzten Moment, bestehen bleibt. Man kann es sich nicht leisten, ja man darf sich nicht erlauben, sie auch nur einen einzigen Augenblick aufzuschieben oder zu verzögern. Lasse diesen Gedanken fest in deinen Geist sinken. Schwanke nicht. Beginne regelmäßiges und systematisches spirituelles Sadhana von der Sekunde an, in der du diese Zeile liest. Lege ein Lesezeichen in diese Seite, schließe das Buch und sitze still, entspannt und gerade mit geschlossenen Augen. Denke über den erhabenen Sinn des Lebens nach, wie es einzig und allein für das spirituelle Sadhana bestimmt ist. Wiederhole zehn Minuten lang den Namen des Herrn. So wurde ein guter Anfang gemacht. Betritt den Pfad, schreite unerschrocken weiter. Dränge entschlossen und kraftvoll voran. Hefte den Geist ein für alle Mal fest auf das zu erreichende Ideal. Du wirst das Ziel noch in diesem Leben erreichen.

Sobald man tatsächlich entschlossen ist und regelmäßiges Sadhana beginnt, treten vielleicht Unmengen von Schwierigkeiten und Problemen auf, die man vorher nicht hatte. Zu Beginn sieht man sich vielleicht von allen Seiten her von Hindernissen bedrängt. Dann denkt man vielleicht, daß es das einsetzende Sadhana ist, das zu all den Schwierigkeiten geführt hat, und daß früher eigentlich alles besser war. Sei nicht erschrocken.

Das hat einen Grund. Sadhana bedeutet, sich selbst gewisse Beschränkungen aufzuerlegen. Bis jetzt warst du immer dem Lauf der Sinne gefolgt. Daher gab es niemals irgendwelche Widerständen von ihnen. Nun betritt man einen Weg, der in erster Linie aus Disziplin besteht, aus innerer wie aus äußerer. Das bedeutet, einen Konflikt mit den aufsässigen, eigensinnigen Neigungen der Sinne zu haben. Wenn es zu einem solchen Konflikt kommt, beginnt man ihre Kräfte zu spüren, wohingegen sie früher allem Anschein nach vergleichsweise ruhig schienen. Wenn man frohgemut einen Hügel hinunterradelt, erscheint alles wunderbar angenehm und eine unbehinderte Fahrt zu sein. Erst wenn man kehrtmacht und versucht, hinaufzutreten, spürt man welch überaus mühsame Aufgabe es ist. Die Waden- und Oberschenkelmuskeln scheinen unter der Belastung zusammenzubrechen. So ist es, wenn man mit richtigem Ernst mit Sadhana beginnt. Sadhana ist mühsam. Es ist ein regelmäßiger Kampf gegen den Strom, gegen die seit undenklichen Zeiten bestehenden Strömungen der samsarischen Tendenzen. Es bedeutet, die Höhen wiederzuerlangen, die man bei der unkontrollierten Talfahrt in den Abgrund der grobstofflichen Weltlichkeit verloren hat. Und im Beginn sind dem Anfänger dieser Kampf, diese Mühe und Anstrengung ganz ungewohnt. Ein derart organisierter Ansturm von Problemen und Schwierigkeiten verwirrt und zermürbt ihn für eine gewisse Zeit. Das ist nur natürlich. Lasse dich nicht verwirren. Bleibe standhaft mit aller Kraft. Diese anfänglichen Schwierigkeiten verschwinden bald. Tag um Tag wird man stärker. Wenn man nur bedenkt, wieviele Schwierigkeiten, Prüfungen und Risiken man gewöhnlich erträgt, wenn es sich um eine weltliche Angelegenheit handelt, wie etwa den Gewinn von Geld, etwas Berufliches, eine Prüfung oder einen Rechtsstreit, wird man bereitwillig alle Anfangsschwierigkeiten, auf die man trifft, sobald man den Pfad betritt, auf sich nehmen und an den unendlichen, unermeßlichen und unvergänglichen Schatz des Atman denken, den man letzten Endes erlangen wird. Auf dem spirituellen Weg bringt ein wenig Schmerz grenzenlosen Gewinn. Der Erfolg ist dem sicher, der ein kleines Opfer bringt. Bisher bewegte sich der Sadhak in einem engen Kreis, setzte ein wenig Zeit und Energie ein und bekam dafür etwas glitzerndes Metall, Seidenkleider und feines Geschirr. Er opferte nur einen Teil des Endlichen, um einen anderen Teil desselben vergänglichen Endlichen zu erhalten. Da der Sadhak nun den geraden und glorreichen Pfad betritt, opfert er die vergänglichen endlichen Dinge und strebt danach, DAS zu erlangen, was ewig und unendlich ist.

Betritt nun Sadhana Marga mit offenem Geist, frei von allen Vorurteilen, sei dir voll der beschwerlichen und unerläßlichen Pflicht bewußt, Sadhana zu machen, und ertrage ruhig und gelassen alle anfänglichen Prüfungen und Tests. Dafür erhältst du ewiges Leben, immerwährenden Glanz, Frieden und Wonne!

Sadhana und die Launen des Übenden

Der Suchende ist zu Beginn seines Sadhanas sehr enthusiastisch. Er ist voll Eifer. Er zeigt großes Interesse. Er erwartet Resultate, Siddhis. Bekommt er diese Resultate nicht, ist er entmutigt. Er verliert sein Interesse an seinem Abhyasa und vernachlässigt seine Bemühungen. Er gibt sein Sadhana vollständig auf. Er verliert den Glauben an die Wirksamkeit des Sadhana. Manchmal entwickelt der Geist einen Widerwillen gegen eine bestimmte Art von Sadhana. Er verlangt nach einer anderen Art von Sadhana. So wie der Geist Abwechslung in der Nahrung und anderen Dingen sucht, so sucht er Abwechslung in der Art des Sadhana. Er rebelliert gegen eine monotone Praxis. Der Suchende muß den Geist in solchen Momenten locken und durch etwas Entspannung Arbeit aus ihm herausholen. Das Sadhana aufzugeben, ist ein großer Fehler. Spirituelles Üben darf niemals und unter keinen Umständen aufgegeben werden.

Schlechte Gedanken warten ständig darauf, die Tore der Geistfabrik zu passieren. Wenn der Suchende sein Sadhana aufgibt, wird sein Geist zur Werkstatt des Satans. Erwarte nichts. Sei ernsthaft und regelmäßig in deiner täglichen Routine, in Tapas und Meditation. Das Sadhana wird sich selbst um alles kümmern.

Kümmere dich um deine täglichen Aufgaben. Die Früchte werden von selbst kommen. Ich möchte die Worte von Sri Krishna wiederholen: „An dir ist es lediglich zu handeln (Tapas, Sadhana und Meditation), nicht Früchte zu wollen; nicht die Früchte des Handelns seien dein Beweggrund und erliege auch nicht dem Müßiggang.“ Deine Anstrengungen werden vom Herrn mit dem lebhaftesten Erfolg gekrönt werden. Es braucht lange, bis der Geist gereinigt und einpünktig ist. Sei kühl und geduldig. Setze dein Sadhana regelmäßig fort.

Sei sorgfältig bei der Wahl deines Umgangs. Unerwünschte Menschen erschüttern leicht deinen Glauben und dein Vertrauen. Habe volles Vertrauen zu deinem spirituellen Lehrer und dem Sadhana, das du praktizierst. Erlaube deiner eigenen Überzeugung nie, sich zu ändern. Setze dein Sadhana mit Eifer und Enthusiasmus fort. Du wirst raschen spirituellen Fortschritt haben, die spirituelle Leiter Stufe um Stufe erklimmen und letztlich das Ziel erreichen.

Versuchungen im Sadhana

Versuchungen werden sogar einen sehr fortgeschrittenen Schüler heimsuchen. Wenn du in der Meditation von Versuchungen heimgesucht wirst, umgibt dich deine lenkende Gottheit mit einem Schutzwall. Deshalb fürchte dich nicht; sei kühn und marschiere heldenhaft weiter. Wenn du geduldig und beharrlich bist und weiterschreitest, wirst du leicht die große Leere und den Bereich der Dunkelheit in der Meditation überwinden und das strahlende Licht durch die Gnade des Herrn erlangen.

Du wirst durch die Projektion dunkler Gedanken aus dem unterbewußten Geist von innen angegriffen. Dunkle Gedanken nehmen verschiedene schreckliche, scheußliche Formen an. Sie erschrecken dich. Niedere Astralwesen werden dich erschrecken. Aber durch die Gnade des Herrn und die Kraft deiner Meditation werden sie vernichtet. Du wirst geprüft, ob du frei von Furcht, Verlangen und Leidenschaft bist. Selbst höhere himmlische Kräfte werden dich in Versuchung führen. Erliege ihnen nicht. Wunderschöne himmlische Mädchen werden vor dir erscheinen. Sie werden singen, tanzen und lächeln. Sie werden versuchen, dich zu verführen. Vorsicht!

Schwierigkeit beim Fortschritt im Sadhana

Das Wirken der Maya ist so extrem subtil und so schwer zu überwinden, und das menschliche Wesen ist so grundlegend asurisch und unerneuert, daß wirkliche spirituelle Entwicklung und Fortschritt im Sadhana in der Tat sehr schwer zu erlangen sind. Irgendeinen Erfolg im spirituellen Leben zu erlangen ist die schwierigste und eine sehr mühselige Aufgabe, und es ist wahrlich nichts anderes als die göttliche Gnade, die den Suchenden von der Dunkelheit ins Licht zu heben vermag. Das egoistische Selbst des Menschen ist so gewaltig in seiner Selbstbehauptung und so rebellisch, daß es sich weigert, von seinem untugendhaften Zustand hin zu einem Zustand von Tugend, zu Positivität und Heiligkeit verändert zu werden. Es ist ein großer Irrtum anzunehmen, der bloße Akt der Entsagung sei eine ausreichende Leistung im spirituellen Leben. Wenn die Entsagung dir das Gefühl gibt, daß du plötzlich etwas viel Besseres bist als alle anderen Menschen, und dir das Recht gibt, zu predigen und über andere zu bestimmen, dann geht der eigentliche Zweck der Entsagung verloren.

Die eigentliche Grundlage des spirituellen Lebens wird durch diese egoistische Annahme zerstört. Das Ausrotten von Egoismus, in all seinen zahlreichen aggressiven Formen, enthält in sich das wahre Herz von Spiritualität und allen spirituellen Sadhanas.

Bereits zu Beginn des spirituellen Lebens muß klar erkannt werden, daß in wahrer Demut, im ernsthaften Wunsch, allmählich Stolz, Egoismus und Eifersucht auszurotten, in ernsthafter und unaufhörlicher Analyse zum Auffinden der eigenen Fehler und somit zur Besserung, die wahre Hoffnung auf Fortschritt liegt. Ohne diese Grundlage wird jedes Sadhana zu einer Täuschung und Verschwendung. Es macht den Suchenden überheblich, stolzer und egoistischer. Wenn dies geschieht, sind alle guten Ratschläge und Anweisungen wirkungslos. Höhere Einflüsse haben keine Wirkung mehr auf den Suchenden, denn willentlich und starrköpfig mißachtet er sie.

Ewige Wachsamkeit muß von jedem Suchenden geübt werden, wenn er es vermeiden möchte, in diesen gefährlichen Zustand zu fallen. Das spirituelle Leben ist keine leichte Sache. Im Yoga zu wachsen ist kein Scherz. Die Sadhaks müssen den Pfad ernsthaft gehen. Betrachte dich immer nur als Anfänger und trachte emsig danach, grundlegende Tugenden wie Freundlichkeit, Barmherzigkeit, Geduld und Duldsamkeit zu erlangen. Mit Kühnheit, Männlichkeit und Selbstvertrauen verbinde Demut, Sanftheit im Sprechen, gutes Benehmen und Selbstverleugnung. Sei bereit, anderen zu dienen, ohne Rachsucht, wenn du durch Provokation und Beleidigung gereizt wirst. Beseitige jede Härte und Roheit aus deiner Natur. Höflichkeit und Gefälligkeit müssen zu einem Teil deines Wesens werden. Nur dann wird das verhärtete Herz weich, und gute Gefühle und spirituelle Empfindungen entstehen darin.

Konzentration, Meditation und Samadhi liegen für den Menschen, der sich nicht gereinigt und von üblen Charakterzügen befreit hat, noch in weiter Ferne. Sündigen und Böswilligkeit wurden so sehr zur Gewohnheit des Menschen, daß er nie das Gefühl hat, sie zu begehen, auch wenn er es Tag und Nacht tut. Und das größte Übel wird wohl dadurch hervorgerufen, daß selbst noch in diesem nicht entwickelten Zustand der Suchende von der Maya getäuscht wird und meint, er habe bereits einen beachtlichen Fortschritt in der Spiritualität erzielt. Er täuscht sich mit dem Gedanken, daß, soweit es ihn betrifft, er bereits recht fortgeschritten im Sadhana ist. Er meint, schon zur Nirlipta (verhaftungslosen) Einstellung gelangt zu sein, wo er alles Mögliche tun kann und doch davon unberührt bleibt. Dieser Selbstbetrug schiebt jedem Weiterkommen einen Riegel vor. Im Eindruck dieser gravierenden Täuschung erlaubt er sich ungezügeltes Verhalten und tobt, ist intolerant gegenüber Kritik, übelnehmerisch gegenüber der geringsten Opposition, äußerst unbedacht gegenüber Gefühlen anderer und völlig unzugänglich für Ratschläge und Verbesserungen. Jede Unterscheidungsfähigkeit, jedes vernünftige Urteil und jede Analyse verlassen ihn. Selbst die simple Höflichkeit und Kultur, die ein normaler Mensch besitzt, verabschieden sich von diesem Sucher bedingt durch seine Anmaßung wegen des spirituellen Fortschritts und des Anwachsens von Weisheit. Er ist geneigt, sogar ehrwürdige, ältere Menschen und spirituell höherentwickelte Seelen anzugreifen.

Oh Suchender! Hüte dich vor diesen Gefahren in deinem spirituellen Leben. Sei stets wachsam. Betrachte dich immer als Anfänger, der gerade mit dem Sadhana beginnt. Unterschätze niemals die Wichtigkeit von Yama, Niyama, ethischer Entwicklung und Sadhana Chatushtaya. Sie sind alles. Japa, Kirtan, Svadhyaya und Upasana müssen parallel zur ethischen Schulung und Charakterbildung ausgeführt werden. Ohne das wird das Sadhana so fruchtlos der Versuch, ein löchriges Gefäß mit Wasser zu füllen. Ohne den eifrigen und ernsthaften Wunsch, dem Guru zu gehorchen und sich zu verbessern, ohne Dienen, Demut, Aufrichtigkeit, Einfachheit und Eifer zu lernen und sich zu verbessern, ist das Sadhana ebenso nutzlos, wie ein Boot zu rudern, das fest im Flußbett verankert ist, oder Samen auf einen Felsen zu säen.

Spiritualität bedeutet, in die Form des göttlichen Ideals hineinzuwachsen. Es ist die Transformation der eigenen Natur vom Menschlichen zum Göttlichen. Man kann nur dann auf Vollendung hoffen, wenn man diese Transformation durchführt. Nur die Reinigung und Veränderung des Herzens macht Dharana und Dhyana möglich. Um in Sattva zu wachsen, muß die asurische Seite des Wesens völlig vernichtet werden. Denke niemals nur für einen Moment, daß du dem Ziel nahe bist, solange du nicht mit Ernsthaftigkeit und Fleiß übst, üble Eigenschaften beseitigst und in einem reinen, sattvigen und ethischen Charakter fest wirst.

Denke genau über diesen Punkt nach. Reflektiere ständig darüber. Meditiere darüber. Erkenne, was wahre Spiritualität ist. Erkenne, wie wichtig es ist, ein ethisch und moralisch gewandelter Mensch zu werden, bevor du behaupten kannst, ein Sadhak zu sein. Vermeide sorgsam die Gefahren eines Selbstbetruges durch ständige Wachsamkeit und Analyse. Sei regelmäßig in deinem Sadhana und bete um Seine Gnade. Glaube nicht, daß du die Höhen der Spiritualität erklommen hast. Warte geduldig auf das Ergebnis. Wenn dein Wesen verändert, gereinigt und vorbereitet ist, wird im Firmament deines reinen Herzens die Gnade von selbst herabströmen, Erleuchtung wird von selbst aufblitzen und Wonne und Ananda werden spontan einströmen und dich erfüllen, wenn du dich von aller Härte, allem Egoismus, Stolz und jeder Leidenschaft geleert hast. Vollkommenheit und Unsterblichkeit sind dein. Wo Freundlichkeit, Demut und Reinheit herrschen, entspringt Spiritualität, Heiligkeit erstrahlt, Göttlichkeit kommt hernieder, und Vollendung manifestiert sich von selbst.

Haupthindernisse im Sadhana

Der spirituelle Pfad ist dornig, uneben, abschüssig, steil und glatt. Aber er ist eine Leichtigkeit für einen Menschen, der tugendhafte Eigenschaften und einen Brahma Nishtha Guru hat, der ihn führt.

Der spirituelle Pfad ist zweifellos gesäumt mit verschiedenen Schwierigkeiten.  Er ist ein Weg auf Messers Schneide. Man wird einige Male fallen. Aber man muß rasch wieder aufstehen und mit mehr Eifer, Kühnheit und Heiterkeit weitergehen. Jeder Stolperstein wird zu einem Sprungbrett zum Erfolg oder zum Aufstieg auf den Berg spirituellen Wissens.

Jedem Suchenden werden auf dem spirituellen Pfad verschiedene Schwierigkeiten begegnen. Sei nicht entmutigt. Bringe alle Kraft und allen Mut auf und gehe frisch mit doppelter Kraft und Energie auf dem Pfad weiter.

Wenn es möglich ist, unnütze Gespräche, Geschwätz und die unnütze Neugier, Gerüchte und Neuigkeiten über andere zu hören, aufzugeben, und wenn man sich nicht in die Angelegenheiten anderer einmischt, wird man frei sein von allen möglichen Hindernissen, die auf dem Weg auftauchen.

Wenn weltliche Gedanken in den Geist zu gelangen versuchen, weise sie zurück. Engagiere dich stets hingebungsvoll auf dem spirituellen Weg.

Erkenne die Dinge in ihrem wahren Licht. Emotion wird irrtümlich für Hingabe gehalten; heftiges in die Luft springen beim Sankirtan für göttliche Ekstase; in Ohnmacht fallen (weil man vom vielen Springen erschöpft ist) für Bhava Samadhi; rajasige Ruhelosigkeit und Bewegung für göttliches Handeln und Karma; ein tamasiger Mensch für einen sattvigen Menschen; Gase bei Rheumatismus im Rücken für das Aufsteigen der Kundalini; Tandri und Tiefschlaf für Samadhi; Manorajya oder Luftschlösserbauen für Meditation; physische Nacktheit für den Jivanmukti Zustand. Das sind die Hindernisse auf dem spirituellen Pfad. Ein Sadhak lege sie unbarmherzig ab und schreite voran.

Depression, Zweifel und Furcht sind sogar für den fortgeschrittenen Schüler die Haupthindernisse auf dem spirituellen Pfad. Sie müssen durch richtiges Befragen und gute Gesellschaft beseitigt werden.

Manchmal bist du niedergeschlagen und beunruhigt. Der Geist revoltiert. Die Sinne treiben ihr Spiel mit dir. Die Unterströmung der Vasanas gelangt an die Oberfläche des Geistes und quält dich. Sinnliche Gedanken erregen den Geist und versuchen, dich zu überwältigen. Sei kühn. Stehe felsenfest. Stelle dich diesen vorübergehenden Hindernissen. Versuche, dich nicht mit diesen Hindernissen zu identifizieren. Steigere die Zeit für Japa. All diese Hindernisse werden vergehen.

Zweifel und Unsicherheit sind ein großes Hindernis auf dem Pfad der Selbstverwirklichung. Sie schieben dem spirituellen Prozeß einen Riegel vor. Dies muß durch gute Gesellschaft, das Studium religiöser Bücher, richtiges Denken und richtiges Überlegen beseitigt werden. Es muß durch feste Überzeugung und einen unerschütterlichen auf Vernunft beruhenden Glauben so getötet werden, daß es sich nicht wieder erheben kann.

Die Vasanas sind sehr machtvoll. Sinne und Geist sind sehr stürmisch und ungestüm. Immer wieder muß die Schlacht geschlagen und gewonnen werden. Das ist auch der Grund, warum der spirituelle Pfad der Pfad auf Messers Schneide genannt wird. Es gibt keine Schwierigkeiten für einen Menschen mit starker Entschlossenheit und einem eisernem Willen, nicht einmal auf dem Weg auf Messers Schneide.

Leidenschaft lauert in dir. Sie ist der tödlichste Feind des spirituell Suchenden. Aus Leidenschaft entspringen Zorn und andere üble Eigenschaften, die den geistigen Reichtum des Suchenden zerstören.

Energieverlust, verborgene Unterströmungen von Vasanas, Mangel an Selbstdisziplin, Nachlässigkeit im Sadhana, Vermindern der Leidenschaftslosigkeit, Mangel an intensivem Verlangen und Unregelmäßigkeit im Sadhana sind die verschiedenen Hindernisse auf dem Weg der Selbstverwirklichung.

Überladen des Magens, ermüdende und erschöpfende Arbeit, zu viel sprechen, abends schwer essen und zu viel Gesellschaft mit Menschen sind Hindernisse für den spirituell Suchenden.

Macht, Ruhm, Ehre und  Wohlstand machen das Ego unflexibel. Sie stärken die Persönlichkeit. Daher entsage ihnen, wenn du Erfolg auf dem spirituellen Pfad haben möchtest.

Der Wunsch nach Kräften wirkt wie ein Windstoß, der die Lampe der Spiritualität ausblasen kann, die sorgsam behütet worden war. Jede Nachlässigkeit, sie zu nähren, ist auf Sorglosigkeit oder den selbstsüchtigen Wunsch nach Siddhis zurückzuführen und wird das kleine spirituelle Licht ausblasen, das der Yogi mit soviel Mühe entfacht hat, und stürzt den Schüler in den tiefen Abgrund der Unwissenheit. Versuchungen warten nur darauf, den unbedachten Schüler zu überwältigen. Versuchungen aus den astralen, mentalen und Gandharva Welten sind machtvoller als irdische Versuchungen.

Psychische Kräfte und Siddhis kommen zu dem Yogi, der seine Sinne, sein Prana und seinen Geist unter Kontrolle hat. Aber all das sind Hindernisse für die Selbstverwirklichung. Es sind Stolpersteine.

Stoppe die Vrittis. Beruhige den Geist. Überwältige die Vrittis, die sich aus dem Bett der Eindrücke erheben. Begegne allen Hindernissen entschlossen und gehe siegreich mit der Krone des Erfolges, mit Selbstverwirklichung, daraus hervor.