Studien über vergleichbare Philosophie

 

Sokrates

Sokrates, ein Weiser aus Griechenland, befasste sich meistens mit den praktischen Problemen des Lebens, da er philosophische Spekulationen ohne jede Lebensgrundlage als nutzlos betrachtete. Er sagte: „Derjenige, der sich mit Menschen befasst, erwartet von seinen Studien etwas für sich und ebenso für andere. Hoffen diese Forscher göttlicher Funktionen, wenn sie entdeckt haben, welche verschiedenen Phänomene eintreten können, dass sie Winde, Wasser und fruchtbare Jahreszeiten nach eigenem Gutdünken erschaffen können? Wollen sie diese manipulieren und ihren eigenen Wünschen anpassen?“

Die Vedanta vertritt bzgl. Metaphysik die selbe Ansicht, so lange sie sich auf den Verstand beschränkt, und ausschließlich entlang der Kanäle bewegt, die von den Sinneswahrnehmungen ausgehen. Dies war auch die Sichtweise Buddha’s. Der Verstand kann kein authentisches Wissen der Wirklichkeit geben. Doch die Vedanta erkennt die Werte der Metaphysik, wenn man von ihr erwartet, dass sie zur absoluten Verwirklichung des Göttlichen Seins führt. Niemand kann wirklich ohne eine Lebensphilosophie auskommen. Mag sie nun gut oder schlecht sein; doch es gibt sie, und jeder führt sein Leben entsprechend, ohne dies leugnen zu können. Die rationale Anschauung der Natur der Wirklichkeit stärkt das eigene Vertrauen. Man kommt mit irgendwelcher überspannter Ethik, ohne philosophischen Hintergrund, nicht weit. Ethik basiert immer auf Metaphysik. Niemand lässt sich, ohne die Grundlage zu kennen, allein von etwas Gutem, einer Tugend oder Rechtschaffenheit überzeugen und ziellos irgendwohin führen. Es lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen, ob Sokrates eine persönliche Philosophie hatte. Doch aus den Unterlagen von Plato geht hervor, dass er eine hatte, obgleich sie nicht explizit erwähnt wurde, was möglicherweise geschah, weil die Menschen jener Zeit keinen Vorteil davon gehabt hätten. Eine Lebensphilosophie ist eine absolute Notwendigkeit, obgleich man ihr nicht diese Furcht erregende Bezeichnung geben muss, sonst würden weniger intelligente Menschen gleich wegschauen. Dies wird durch das Studium der Vedanta klar.

Sokrates suchte nach einer rationalen Basis von Ethik und Moral für die Praxis von richtig und falsch, gut und schlecht. Er stimmte in dem Sin-ne mit den Sophisten nicht überein, dass der Mensch das Maß aller Dinge sei, - unter dem Motto, was dem Menschen gut tut ist richtig, und so etwas wie das universale Gute gibt es nicht. Für Sokrates ist Wissen das höchste Gut oder die höchste Tugend. Eine Kenntnis der Tugend ist die Voraussetzung für seine Praxis. Ein rationales Verstehen der Natur und Bedeutung von Güte, Selbstkontrolle, Wahrheit, Weisheit und Recht ist die Voraussetzung für deren Anwendung im Leben. Es war ein Prinzip von Sokrates, dass jemand weder freiwillig schlecht noch unfreiwillig gut ist. Übel ist das Ergebnis von Unwissenheit. Derjenige, der über rechtes Wissen verfügt, kann nicht gegen die Regeln der Tugend verstoßen.

Die Vedanta stimmt mit Sokrates in der Weise überein, dass der An-wendung von Tugend, ein rationales Verstehen der Einflüsse und der Natur der Tugend vorausgehen sollte. Es heißt, dass Viveka (Unterscheidungsfä-higkeit) und Vairagya (Leidenschaftslosigkeit) der Praxis von Shatsampat (sechs ethischen Tugenden) vorausgehen sollte, was wiederum bedeutet, dass ein Suchender, der nach Moksha (Befreiung) oder Befreiung der Seele strebt, ein tiefes Urteilsvermögen für das Wirkliche und das Unwirkliche haben muss, damit sein Verzicht auf das Unwirkliche und die Praxis der Selbstkontrolle bedeutungsvoll und wertvoll ist. Es kann keinen aufrichtigen Verzicht oder keine Selbstkontrolle geben, ohne dass ein richtiges Verstehen der Wahrheit in die Praxis einbezogen wird. Wissen geht jeder Handlung voraus. Das Gute ist ein universales Prinzip und kein Privatvergnügen. Dies ist die Auffassung von Sokrates und der Vedanta. Für beide ist Wissen das höchste Gut. Doch die Vedanta warnt die Menschen dahingehend, - was Sokrates nicht tut -, dass theoretisches Wissen keine Tugend ist, und dass eine solche Schale des Wissens einen Menschen in etwas Übles verwandeln kann. Jeder weiß, dass man nicht lügen soll, und doch sagen viele die Unwahrheit. Dies ist das unergründliche Bewusstsein, das den Menschen umgibt, wie die Vedanta sagt. Die Menschen wissen, dass man nicht verletzen sollte, und doch verletzen sie, obwohl bekannt ist, dass man es nicht tun sollte. Dass Wissen um die Bedeutung der Tugend schreckt die Menschen nicht davor ab, sich der üblen Seite zuzuwenden. Eine häufige Frage erhebt sich gegen den Spruch von Sokrates, dass Wissen Tugend bedeutet: Warum betreten die Menschen den falschen Weg, obwohl sie den richtigen kennen? Wir können Sokrates damit verteidigen, dass solch ein weiser Mann wie er mit theoretischem Wissen unmöglich irgendwelche theoretischen Meinungen verstanden haben kann, sondern ein theoretisches Wissen versteht, dass eine perfekte Disziplin des Willens einschließt. Diejenigen, die über ein tiefes Wissen verfügen, können nicht falsch handeln, denn Tugend dient dem eigenen Interesse, der eigenen Freude und Ehre. Tugend und Glück bedeuten das Gleiche, doch kann man nicht ohne Wissen tugendhaft sein.

Sokrates sagt: „Ich mache nichts weiter, als das ich euch alle, junge wie alte, zu überzeugen versuche, nicht an euch selbst oder an euren Besitz zu denken, sondern zuerst und hauptsächlich für die Entwicklung eurer Seele zu sorgen. Diese Tugend kann man nicht kaufen, doch diese Tugend bringt Geld und alles Gute, öffentlich ebenso wie privat.“

Hier liegt die Stütze der Vedanta. Es ist richtig, die Menschen immer wieder zu überzeugen, damit sie auf dem rechten Weg bleiben, was zum Guten führt und der Befreiung der Seele dient, und den Schüler zur Verbreitung spirituellen Wissens über die ganze Welt anzuhalten, sodass Friede und Freude herrschen und das Leben der Menschen von Glückseligkeit gekrönt sein möge. Dieses haben alle Größen dieser Welt getan und tun es noch heute. Dieses ist der Ausdruck eines unwiderstehlichen Dranges des spirituellen Bewusstseins, sich selbst in jedem Ganzen des Universums zu erkennen, so wie wir alle letzten Endes seine eigenen organischen Glieder sind, die sich über die Sinne als Objekte darstellen.