Das Wesen der Wirklichkeit

  1. Die letztendliche Wirklichkeit ist das eine, unbegrenzte, ewige, aus sich selbst existierende, aus sich selbst leuchtende und in sich selbst enthaltene spirituelle Sein.
  2. Die letztendliche Wirklichkeit ist reines Bewusstsein. Dieses ist identisch mit reiner Wonne und reinem Sein.
  3. Brahman (das Absolute, das Göttliche) allein ist die letztendliche Wirklichkeit. Alles andere ist falsch. Dies ist das Hauptthema Shankaras (großer Weisheitslehrer).
  4. Brahman ist die einzige leuchtende Wirklichkeit. Alles Leben und alle Kraft kommen nur von Ihm.
  5. Das Absolute, die Wirklichkeit, ist ohne Unterteilungen und deshalb ohne Veränderung.
  6. Das Absolute ist die vollständigste Wirklichkeit, das vollständigste Bewusstsein. Es ist nicht bloß eine negative Stille.
  7. Die Wahrheit, die letztendliche Wirklichkeit, muss das Sein sein. Dies ist das grundlegende Konzept aller Philosophie.
  8. Gott ist die einzige Wirklichkeit. In dieser Welt gibt es nichts, das es wert wäre, begehrt oder ersehnt zu werden.
  9. Die Wirklichkeit kann nicht zwei sein. Es kann nicht zwei Absolute oder zwei Unbegrenzte geben.
  10. Brahman ist unendlich. Daher muss Es vollkommen sein.
  11. Die Wirklichkeit (Brahman) ist ein ungeteiltes Sein. Es ist kein Vorgang, kein Werden.
  12. Brahman ist unendlich; daher ist Es vollständig.
  13. Der Atman bzw. Brahman ist selbstleuchtend und selbst-manifestierend und erstrahlt unabhängig aus Sich selbst.
  14. Die Höchste Wirklichkeit ist frei von der Funktion des Denkens, der Vorstellung der Individualität und der Wahrnehmung der äußerlichen Existenz.
  15. Das, was die anfangslose Wesenheit, was unabhängig und frei ist, ist Brahman.
  16. Das, jenseits dessen nichts existiert, was das innerste Selbst von allem und allen ist, ist Brahman.
  17. Der Atman (das Selbst) ist ohne ein Zweites. Er ist der Nicht-Handelnde, der Nicht-Genießende, rein und ewig unbefleckt von Sünde.
  18. Der Atman ist unvergänglich, ohne Wandel, unendlich, nicht bedingt und ohne ein Zweites.
  19. Der Atman ist frei von Sünde, Geburt, Tod, Zeit und Raum und ohne Kummer, Hunger und Durst.
  20. Es sollte keinen Tod geben, keinen Verfall und keinen Wandel. Dieses Todlose, nicht dem Verfall Unterworfene, Unwandelbare ist der Atman.
  21. Der Atman, das Selbst, ist reines Bewusstsein, frei und ewig.
  22. Brahman ist das unbegrenzte, raumlose, zeitlose, nicht-duale, reine Bewusstsein.

Die Wurzel des Übels:

Es gab eine Diskussion über gewisse Prinzipien der Divine Life Society.
„Mein Ideal ist das Dienen“, sagte der Meister. „Daher werde ich die Türen des Ashrams selbst für einen Gauner offen halten. Ich werde ihn aufnehmen und versuchen, seinen Charakter auf die rechte Weise zu formen. Durch ihn werde ich der Menschheit dienen. In diesem Dienst wird auch sein Herz geläutert werden.
Ich möchte keinen einzigen Arbeiter verlieren. Denn dieser Ashram begann wie ein kleines Senfkorn und durch die Gnade Gottes ist er nun zu einer großen Institution mit Zweigstellen auf der ganzen Welt herangewachsen. Tausende von Aspiranten schreiben, dass sie von unserem Dienst profitieren.“
R. V. Sastriji unterbrach ihn: „Ja, Swamiji, das ist vollkommen richtig. Satchidananda Swamiji schrieb an das Gesamtindische Kongress-Komitee und bat um ein Ticket, um der Kongress-Sitzung beiwohnen zu können. Der Brief kam zu Rajendra Prasad mit der Bitte um seine Einwilligung. Dieser sah den Namen ‚Sivananda Ashram’ auf dem Briefkopf und bemerkte sofort: ‚Oh! Dieser Swami hat uns aus dem Sivananda Ashram geschrieben. Sie leisten dort sehr gute Arbeit. Stellt ihm unverzüglich eine Karte aus.’ K. S. Venkataramani war damals bei Rajendra Babu und er selbst hat mir diese Geschichte erzählt.“
Der Meister sagte: „Es geschieht alles durch Seine Gnade. Wir sind nur Instrumente in Seinen Händen. Wir sollten immer überlegen, wie wir das Werk fördern können. Wir sollten alle Übel vermeiden, die die Wurzeln einer Organisation zerfressen. Eifersucht zum Beispiel ist ein großes Übel, welches das Wachstum jeder Institution verhindert. Doch sie ist ein menschliches Laster. Sie ist in jedem. Sie kann nur vollständig ausgerottet werden, indem wir Wissen über das Selbst erlangen.
Wir sollten alle danach streben, die Eifersucht so zu lähmen, dass sie nicht mehr in die lebenswichtigen Teile unseres Wesens vordringen kann. Dies können wir nur durch ständige Selbstbefragung und Leidenschaftslosigkeit erreichen. Wenn Eifersucht in eurem Geist aufsteigt, dann versucht, sie zu unterdrücken und sie daran zu hindern, eine aggressive Form anzunehmen.
Zorn ist ein weiteres Übel. Wenn ihr am Morgen jemandem zürnt, solltet ihr mittags über die Angelegenheit nachdenken. Am Abend solltet ihr eine angemessene Wiedergutmachung leisten und mit dem anderen wieder einig werden. Versucht immer, euch an alle anzupassen, mit allen Umgang zu haben und mit allen zusammenzuarbeiten. Der wichtigste Punkt ist das Dienen. Das sollte euer einziges Motto sein. Dann wird alles gut werden. In jedem Augenblick solltet ihr darüber nachdenken, wie ihr es möglich machen könnt, dass die göttliche Botschaft Tausende von weiteren Aspiranten erreicht. Dann werden alle schlechten Eigenschaften nach und nach von euch abfallen.“

Die 4 Briefe des Yama:

Das gesamte Programm der „Sadhana (spirituelle Praxis) Woche“ war fast beendet. Der Meister stand vom Podest auf und sprach in fließendem Hindi:
„Ich danke euch allen, dass ihr zu dieser Gelegenheit hierher gekommen seid und dafür, dass ihr gerade während der ganzen Veranstaltung in der Kälte gesessen habt. Dafür stehe ich in eurer Schuld.
Gott Yama (Gott des Todes) schickt dem Menschen 4 Briefe, doch jedes Mal wird der Mensch von seinen weltlich gesinnten Freunden irregeleitet und ignoriert diese Briefe. Das Haar wird grau, aber der Mensch färbt es schwarz; die Zähne fallen aus, daher benutzt er falsche Zähne; die Augen versagen und er ist versucht, eine Brille aufzusetzen; seine Lebenskraft ist erschöpft, daher nimmt er Zuflucht zu Stärkungsmitteln. Er versteht nicht, dass der Tod unvermeidlich ist und dass ihm am Ende nur der Name Gottes wirklich helfen wird. Wenn die Zeit des Sterbens kommt, bereut er alles. Wer kann ihm helfen? Es gibt in der Welt nur selbstsüchtige Freundschaft. Merkt euch das gut. Niemand außer Gott selbst ist euer wahrer Freund. Alle anderen lieben euch um ihrer eigenen Ziele willen. Merkt euch diese Moral gut.
Wiederholt immerzu den Namen des Gottes. Nur eine oder zwei Malas (Perlenkette zum Zählen der Wiederholungen eines Mantras) lang Japa (Mantrarezitation) zu üben reicht nicht aus. Ihr solltet den ganzen Tag hindurch Seinen Namen wiederholen. Nur dann wird Seine Gnade auf euch herabsteigen und euch retten. Das ist eine sehr leichte Form des Sadhana (spirituelle Praxis). Es ist auch das sicherste Sadhana. Und selbst wenn ihr Gott in diesem Leben nicht erkennt, werdet ihr im nächsten Leben den Faden wieder aufnehmen, wenn ihr damit fortfahrt, Seinen Namen zu wiederholen. Ihr werdet die spirituellen Eindrücke in euch tragen und ihr werdet Ihn bald erkennen.“
Daraufhin sang der Meister seinen Lieblings-Kirtan (spirituelles Lied):
„Diene, liebe, gib, reinige dich, meditiere und verwirkliche;
Sei gut, tue Gutes, sei gütig, sei mitfühlend.
Dies ist die Essenz aller Veden, aller Shastras (heilige Schriften) und Puranas (heilige Schriften, die vor allem mythologische Geschichten enthalten). Es ist nicht nur die Essenz des Hinduismus, sondern aller Religionen der Welt. Strebt immer danach, den Geist zu reinigen. Nur das Dienen allein kann das Herz reinigen. Dienen gibt euch Gelegenheiten, euch selbst genau zu untersuchen und herauszufinden, welche Unreinheiten in eurem Innern lauern. Ihr solltet nach und nach alle göttlichen Eigenschaften entwickeln.
‚Isavasyam idam sarvam – der Höchste Gott allein durchdringt die gesamte Schöpfung’. Erkennt dies vollständig. Fühlt es. Verneigt euch vor allen. Seid gütig zu allen. Wenn ihr Süßigkeiten habt, verteilt sie an anderer Leute Kinder. Das ist der Weg, das Herz zu entwickeln. Gebt dem ‚Gesundheitsbeauftragten’ (was im Wörterbuch des Meisters soviel bedeutet wie ‚Lumpensammler’) die gleiche Frucht, die ihr selbst esst. Gebt ihm nicht alte Bananen, die nur noch dazu taugen, weggeworfen zu werden. Prüft euch immer selbst. Findet heraus, wie viele gute, spirituelle Eindrücke ihr entwickelt habt. Seht euch die Frau des Buchprüfers an! Selbst bei dieser Kälte geht sie jeden Morgen zum Ganges, um ein Bad zu nehmen. Vollkommenheit ist nicht leicht zu erreichen, aber ihr braucht nicht zu verzweifeln. Ihr werdet sie mit Sicherheit erlangen, wenn ihr euch in jedem Moment läutert.“

Seid mäßig:

Dann sang der Meister ein anderes seiner Lieblingslieder:
Iß ein wenig, trink ein wenig, sprich ein wenig, schlaf ein wenig;
Verbringe ein wenig Zeit mit anderen, bewege dich ein wenig, arbeite ein wenig, ruhe dich ein wenig aus.
„Seid mäßig im Essen und Trinken. So werdet ihr Gesundheit und ein langes Leben haben. Das heißt nicht, dass ihr hungern sollt. Ihr solltet Maß halten. Esst mittags eine gute Mahlzeit. Nehmt am Abend eine leichte Kost aus Milch und Obst zu euch und das vor Anbruch der Nacht. In dieser Hinsicht ist der Brauch der Jains (Angehörige der Jaina-Religion), ihr Abendessen vor Sonnenuntergang zu beenden, sehr gesund. Wenn ihr zu Bett geht, solltet ihr euer Essen schon verdaut haben. Dann werdet ihr einen erquickenden Schlaf haben und könnt am nächsten Morgen um 4 Uhr aufstehen.
Normalerweise tun die Leute genau das Gegenteil. Sie rennen tagsüber hierhin und dorthin und erst am späten Abend nehmen sie eine schwere Mahlzeit ein, die sie dann nicht mehr richtig verdauen können. Obendrein stehen sie erst um 8 Uhr morgens auf. Das Programm eines ganzen Tages liegt vor ihnen, doch sie wissen nicht, was sie tun sollen. Sie sind verwirrt, weil ihr Geist durcheinander ist.
Viel Zeit mit allen möglichen Leuten zu verbringen, ist schlecht. Das heißt nicht, dass man trübsinnig und reserviert sein sollte. Sprecht mit anderen Leuten, aber in Maßen. Zuviel reden führt nur zu Auseinandersetzungen und Streit.“
Dann sang der Meister noch einmal das „Lied vom ein Wenig“.
Er fuhr fort: „Ihr werdet euch sehr leicht an dieses Lied erinnern können. In dem Moment, wo euch ‚ein wenig’ in den Kopf kommt, werdet ihr euch auch an die Anweisungen erinnern. Das bewirkt das Gesetz der Assoziation, das den Geist regiert. Kennt ihr den berühmten „ung“-Satz? „Untersuchung ist eine Belästigung für die Hindu-Bevölkerung, deren einzige Beschäftigung die Kultivierung ist!” (Anm.: Das im englischen Original verwandte Wort für Belästigung, ‚botheration’, bei dem fälschlicherweise und in Assoziation an die anderen Original-Endungen in diesem Satz die Endung ‚-ation’ an das Wort ‚bother’ angehängt wurde, ist Slang und kann auch ‚Mist!’ bedeuten.)
Alle brachen in Gelächter aus!
„Ihr fasst hier viele fromme Vorsätze, aber am nächsten Morgen habt ihr sie schon wieder vergessen. Lernt dieses kleine Lied auswendig, singt es jeden Morgen und Abend. Es wird euch inspirieren. Es wird euch davon abhalten, wieder nachlässig zu werden, wieder einzudösen.“
An dieser Stelle merkte der Meister, dass einige Leute schläfrig, andere leicht unaufmerksam wurden, da es auf Mitternacht zuging.
„Ich habe eine Medizin, die euch fabelhaft wiederbeleben wird. Eure Lebensgeister werden ganz ohne Tee erwachen – singt mit mir!“
Der schwungvolle Kirtan (Mantrasingen) wirkte bei den Zuhörern Wunder.
Er fuhr fort: „Merkt euch die Moral des heutigen Schauspiels. Je mehr ihr darüber nachdenkt, desto mehr Stärke werdet ihr gewinnen. Leidenschaftslosigkeit allein ist der unbezahlbare Schatz. Wendet euch von der Welt ab und richtet den Blick auf Gott in eurem Herzen. Rennt nicht hinter weltlichen Freuden her; sie werden euch nie Zufriedenheit bringen. Selbst ein Millionär ist in Wirklichkeit nur ein armer Mann. Er macht sich mehr Sorgen als ein gewöhnlicher Mensch. Wenn die Bank zusammenbricht, versagt sein Herz! Er schläft auf dem eisernen Safe, in dem er seine Reichtümer aufbewahrt. Er hat Angst vor Dieben. Seine eigenen Söhne hassen ihn. Jeder ist neidisch auf ihn. Er hat kaum einen einzigen Freund. Deshalb werft alle weltlichen Reichtümer fort und erwerbt den unbezahlbaren Schatz – Gottes Namen. Diesen Reichtum kann euch niemand rauben.“

Die Verehrung durch den Meister:

Aus Anlass des Vishwanath-Mandir-Pratishta- Jubiläums (Jubiläum des Vishwanath-Tempels; Vishwanath = Name für Shiva) wurde im Tempel ein Verehrungsritual ausgeführt. Etliche Aspiranten und Sadhus (Weise, Tugendhafte) saßen dort und brachten dem Gott mit Blumen und Bael-Blättern ihre Verehrung dar. Der Shiva-Lingam (ein Symbol des Göttlichen, welches das Aufgehen einer Form im Formlosen bedeutet) war von einem dicken Teppich aus Blumen bedeckt.
Der Meister schritt einmal um den Tempel herum. Als er an der Schwelle des Schreins ankam, reichte ihm einer der Aspiranten Blumen und Bael-Blätter zur Verehrung von Shiva. Als der Sannyasin (Mönch, Entsagter) draußen mit seiner Rezitation der Mantras fortfuhr, schloss sich der Meister den Aspiranten an und brachte Gott Blumen dar. Das ging einige Minuten so weiter.
In völliger Selbstvergessenheit wandte sich der Meister nun den um den Lingam herumsitzenden Sadhus und Aspiranten zu und begann, ihnen mit den Blumen zu huldigen, die für den Gott bestimmt waren. Weder in seinen Augen noch in seinem Gesicht gab es auch nur die Spur eines Anzeichens dafür, dass er erkannte, wer die Einzelnen waren. Seine Augen schienen sie anzublicken, aber nur er selbst hätte sagen können, was er in ihnen sah.

Hütet euch, Aspiranten!:

R. Ramakrishna aus Delhi war mit einem Harmonium für den Ashram gekommen. Er erzählte dem Meister die wesentlichen Punkte eines packenden Vortrags, den er bei einem unabhängigen spirituellen Führer gehört hatte.
„Swamiji, X. legt das Hauptgewicht auf die unmittelbare persönliche Transformation, die durch die Bewusstwerdung des Selbst erreicht werden soll. Und er erklärt, dass das erweckte Individuum dann in der Lage sein wird, die richtige Beziehung zu seiner Umwelt herzustellen. Sein Vortrag begann mit einer intellektuellen Analyse der eigenen Emotionen, die dadurch, dass der Geist sie als solche benennt, zu Zorn, Lust, Eifersucht usw. werden. Dann werden solche Gefühle im Gedächtnis gespeichert.
Dieser dreifache Vorgang des Erfahrens, Benennens und Speicherns der Gefühle ist das Werk des Geistes, eine Widerspiegelung des Selbst. Der geistige Vorgang der Trennung von Denkendem und Gedanken führt dazu, dass der Denkvorgang anhält. Wenn das erwachte Individuum die Kraft hinter seinen Gefühlen lebendig erfährt, ist das ein Seinszustand, den man Liebe nennt. Der Einzelne erfährt dabei inneren Reichtum und schöpferische Freude. Er erschaut die wahre Wirklichkeit, die unendlich und niemals statisch ist. Vom relativen Standpunkt der Zeit aus betrachtet ist sie immer neu, frisch von Augenblick zu Augenblick.
Wenn er das sagt, Swamiji, ist das so überzeugend und inspirierend. Er hat keine Organisation; tatsächlich lehnt er Organisationen und auch die Institution von Guru und Schüler ab. Er glaubt an keine heilige Schrift und zitiert auch nicht daraus. Er tritt für keine bestimmte Religion ein, sondern sagt, dass er unabhängig zur Wahrheit gekommen ist. Er mag keine „Kirtanisten“ und bezeichnet sie abwertend als die „Schreier-Klasse“.
„Du solltest nicht zu solchen Vorträgen gehen“, kam sofort die Antwort des Meisters. „Was für eine Karikatur der Wahrheit! Krishna hat in der Gita klar und deutlich gesagt, dass man den Glauben eines anderen nicht ins Wanken bringen soll. Daher steht in den Shastras (heilige Schriften des Hinduismus) nachdrücklich geschrieben, dass man einen Guru braucht. Nur er wird den Zustand des Aspiranten verstehen und ihr oder ihm das angemessene Sadhana (spirituelle Praxis) vorschreiben können. Ein und dieselben Anweisungen passen nicht zu allen; und wenn man allgemeine Grundsätze aufstellt, sollten diese nicht im Widerspruch zu den Grundsätzen von irgendjemand anderem stehen.
Diese Anweisungen sind nur für eine mikroskopisch kleine Minderheit geeignet, für fortgeschrittene spirituelle Aspiranten, die sich gut mit Psychologie auskennen. Diejenigen, die Vertrauen haben in den Namen Gottes, in Japa (Mantrawiederholung), Kirtan und den Yoga der Synthese, sollten nicht zu solchen Vorträgen gehen. Ihr Vertrauen in ihr eigenes Sadhana wird erschüttert werden. Sie werden nicht genau wissen, wie sie auf dem neuen Weg voranschreiten sollen. Zwischen beiden in der Mitte zerrissen, werden sie auf halber Strecke schlichtweg zusammenbrechen.
Außerdem sind Organisationen notwendig, wenn man echten und wesentlichen Dienst an der Menschheit leisten will. Jeder hat seine eigene Organisation. Nimm zum Beispiel diesen X. Kümmert sich die Öffentlichkeit etwa nicht um ihn? Hat er denn keine Anhängerschaft? Das ist seine Organisation, auch wenn er sie vielleicht nicht so nennt und sie nicht registrieren lässt. Wenn man keine selbstsüchtigen Motive hat, schadet es nichts, eine Organisation zu haben.“

Unerwünschte Gewohnheiten:

Während des abendlichen Satsangs (gemeinsame Meditation und Mantrasingen; tägliche spirituelle Zusammenkunft aller Ashrambewohner) hatte Rampremji den Abschnitt der Vinaya Patrika für diesen Tag beendet. Leise faltete er die rechte obere Ecke der betreffenden Seite als Lesezeichen und schloss das Buch. Unter allen Anwesenden bemerkte dies jedoch gerade der Meister.
„Nein, nein, Rampremji. Tu das nicht! Wenn du so weitermachst, werden die Seiten anfangen zu brechen und das Buch wird verdorben werden. Das ist eine Kleinigkeit, aber sie macht viel aus. Du solltest diese kleinen Gewohnheiten der Nachlässigkeit und der Bequemlichkeit überwinden. Benutze ein geeignetes Lesezeichen.
Es gibt noch andere unerwünschte Gewohnheiten. Manche Leute benutzen ihren Speichel, wenn sie Schwierigkeiten haben, eine Buchseite umzublättern. Gott hat nicht beabsichtigt, dass Speichel auf diese Weise verwendet wird. Nur um dies zu verhindern, verbieten die Schriften solche Praktiken, die sie als unheilig erklären und die außerdem unhygienisch sind.
Es gibt einige andere Praktiken, die ein Aspirant gezielt vermeiden sollte. Mit den Knöcheln knacken ist eine solche Gewohnheit. Spucken, insbesondere wenn es von einem lauten, räuspernden Geräusch begleitet wird, ist eine andere. Wenn man in einer Gruppe meditiert, sollte man die anderen nicht durch merkwürdige Geräusche stören. Achtsamkeit auch in diesen kleinen Gewohnheiten trägt viel zur Entwicklung des Charakters eines Schülers bei.“

Sich selbst transformieren:

Einer der Ashrambewohner, der einen Groll hegte, kam mit einer Beschwerde über einen Aspiranten, der ihn beleidigt hatte, ins Büro. Der Meister riet ihm zur Nachsicht.
Später wurde der Meister darauf hingewiesen, dass jener Aspirant tatsächlich eine scharfe Zunge besaß.
„Jeder hat eine scharfe Zunge. Schließlich sind wir alle nur Menschen. Die Schönheit liegt jedoch darin, sie zu kontrollieren. Bevor ihr ein beleidigendes Wort äußert, solltet ihr euch innerlich prüfen und dem Wort Einhalt gebieten. Selbst wenn einem gelegentlich ein Ausrutscher passiert, sollte man die Kunst erlernen, die Angelegenheit sofort zu bereinigen. Ihr solltet euch bei dem Menschen entschuldigen, den ihr beleidigt habt, liebevoll mit ihm reden, ihn um Verzeihung bitten und ihn besänftigen. Nach und nach wird sich eure gesamte Natur verändern.“

Wohltätigkeit:

„Padmanabhanji, bringe mir bitte Kleingeld im Wert von einer Rupie. Notiere den Betrag unter ‚Wohltätigkeit’. Ich sollte immer, wenn ich ausgehe, etwas Kleingeld in der Tasche haben. Sonst sehe ich arme Leute am Straßenrand und habe nichts, was ich ihnen geben kann. In Malaya hatte ich immer viel Kleingeld bei mir, um es an die Armen zu verteilen. Dies bringt mir große Freude und Frieden. Bringe sogleich die Münzen.“ Padmanabhanji brachte die Münzen sofort.

Das Herz des Meisters!:

„Was ist das?“, fragte der Meister. Er hielt dabei eine Halb-Anna-Münze (frühere Kupfermünze, 1/16-Rupie) in der Hand.
„Halb-Anna? Das habe ich noch nie gesehen. Ich habe keine Gelegenheit dazu, da ich nicht mit Geld umgehe. Es ist eine eigentümlich geformte Münze. Ist es genug, wenn ich einem armen Mann nur eine Halb-Anna Münze gebe? Was wird er dafür bekommen?“
Es war schwer, den Meister davon zu überzeugen, dass Halb-Anna auch Geld ist!

Wie Maya uns täuscht:

„Swamiji, ich habe diese zwei Rupien in der Nähe des Brahmananda Ashrams gefunden.“ Menon überreichte dem Meister die Münzen.
„Du hättest den Besitzer ausfindig machen sollen. Wie können wir das Geld für uns selbst verwenden, nur weil es auf der Straße gelegen hat? Jemand anders wird es vermissen.“
„Swamiji, es lag auf der Straße. Wenn ich es nicht genommen hätte, wäre es vielleicht sogar im Sand verloren gegangen. Hier, Swamiji, werden die zwei Rupien für einen sehr guten Zweck verwendet werden; und der ‚Spender’ wird ohne es zu wissen den Segen Gottes empfangen.“
„Ohji, so täuscht Maya (Illusion) den Menschen. Weißt du, gerade habe ich eine Geschichte über einen Mann geschrieben, dem sein Guru gesagt hatte, er solle Lust, Gold und Ruhm meiden, der aber später nach und nach in eben diese Grube der Versuchung hinabgezogen wurde.“
Der Meister wandte sich einem anderen Sannyasin (Mönch, Entsagter) zu, der nicht zum Ashram gehörte und der gerade neben ihm saß: „Angenommen, du findest 5.000 Rupien am Straßenrand, was wirst du tun? Wirst du mir das Geld für unsere göttliche Arbeit geben?“
Und vor Gelächter wackelnd sagte er: „Oder wirst du bloß denken: ‚Ich werde Swamiji 2.000 Rupien geben und den Rest für mich selbst behalten. Ich habe schließlich meine eigenen Bedürfnisse. Nur zu diesem Zweck hat Gott dieses Geld gegeben!’“

Zufriedenheit:

Govinda Swamiji tat es im Herzen weh, den Meister in einem alten, abgetragenen Mantel zu sehen. Einst war es ein guter Wollmantel gewesen, nun sah er aus wie ein Jutesack.
„Swamiji, dieser Mantel ist an der ganzen Rückseite zerrissen. Er sieht auch hässlich aus. Bitte trage den anderen, neuen Mantel.“
Der Meister sah auf und lächelte. „Mag sein, dass er zerrissen ist, aber er hält die Wärme noch gut genug.“

„Allerseelen“:

Nachdem der Morgenvortrag vorbei war, konfrontierte der Meister die Ashrambewohner unverhofft mit einem Vorschlag.
„Von jetzt an werden wir den Ersten jedes Monats als ‚Allerseelen-Tag’ begehen. Wir sollten spezielle Gebete für den Frieden aller verstorbenen Seelen sprechen. In dieser modernen, materialistischen Welt ist Dharma (Pflicht, Moral, Religiosität) schon lange verloren gegangen. In Indien sind viele Religionen entstanden, die die Praxis der Ahnenverehrung, Tarpana (Wasseropfer für die Vorfahren) und Shradda (Opferzeremonie für die Verstorbenen) ablehnen. Die Seelen der Verschiedenen sind in tiefem Schmerz. Sie hoffen natürlicherweise auf unsere Hilfe. Wir dürfen diese Hoffnung nicht enttäuschen.“
Ein Aspirant bemerkte, dass ein Spiritist, der den Ashram kurz zuvor besucht hatte, mit mehreren verstorbenen Seelen Kontakt aufgenommen hatte. Diese hatten erklärt, dass sie dem Meister für dessen Kirtans (Mantrasingen) und Gebete für ihren Frieden ewig dankbar seien. Sie sagten, dass sie durch seine Gnade große Wohltat erfahren hätten.
Ein anderer Vorfall ist in diesem Buch bereits beschrieben worden – der von Gauri Prasadjis verstorbener Enkelin, die sich am Kirtan des Meisters erfreute.
„Das Programm wird folgendermaßen aussehen“, fuhr der Meister fort. „Am Morgen werden wir mittels geheiligter Speiseopfer für die Seelen der Verstorbenen sorgen. Zuerst wird es eine spezielle Verehrungszeremonie im Tempel geben. Danach können wir eine Armenspeisung abhalten und auch eine Speisung der Sadhus. Am Abend wird es dann eine besondere Verehrung der Ganga (der Fluss Ganges) geben, bei der wir im Namen der verschiedenen Seelen Lichter auf der Ganga schwimmen lassen. Im Tempel sollte es dabei eine besondere Beleuchtung geben.“
„Noch mehr Ausgaben!“, dachte da wohl jemand.
Der Meister las den Gedanken sofort und sagte: „Ohji, mach dir keine Gedanken um die Mittel. Sie werden kommen. Wenn die Vorfahren zufrieden sind, werden sie ihre  Nachkommen dazu antreiben, für die Divine Life Society zu spenden. Wenn alte Menschen von der Einrichtung des ‚Allerseelen’-Tages hören, werden sie der Gesellschaft testamentarisch einen Teil ihrer Besitztümer vermachen. Unser Motiv sollte gut und rein sein. Wir sollten immer danach streben, allen mit selbstloser Liebe zu dienen. Gott wird sich um uns kümmern.“
„Swamiji, du hast völlig recht“, sagte ein älterer Ashram-Bewohner. „Seit wir mit der Verehrung im Tempel begonnen haben, hat der Ashram seltene Höhen des Wohlstandes erreicht. Wer hätte ein so schnelles Wachstum des Ashrams erwartet? So viele neue Wohngebäude, so viele Schreibmaschinen, so viele Bücher – all dies ist keine Kleinigkeit. Sicherlich sind das alles Zeichen, dass die Devas (Engelswesen) sehr zufrieden sind. Auch Gott ist sehr zufrieden mit der Verehrung hier.“
„Ich habe euch gesagt, dass Gott Shiva vom Kailash (heiliger Berg) weggelaufen ist und den hiesigen Vishwanath-Tempel wegen der ununterbrochenen Rezitation des Rudram und Chamakam (Gebete aus den Veden) zu seinem ständigen Aufenthaltsort gemacht hat“, bemerkte der Meister.
„Aber Swamiji“, warf ein anderer älterer Aspirant zögernd ein, „du bist ein Advaitin (Anhänger der Lehre von der absoluten Einheit). Warum solltest du uns zu diesen Karmas (hier: Opferhandlungen) ermutigen? Wo sind denn die Seelen der Verschiedenen, und wie sollen wir sie zufrieden stellen?“
„Du machst einen Fehler. Vermische nicht absolute Wahrheiten mit relativen Handlungen. Solange der Körper existiert, solange du an ihn denkst, ihn schmückst, ihn ernährst und dich um ihn kümmerst, bist du nur auf der relativen Ebene. Du kannst auf jeden Fall den Vedanta (Philosophie der Einheit) studieren und versuchen, ihn zu verstehen, aber du solltest nicht versuchen, ihn in den Vyavahara (weltliche Existenz) zu bringen. Wenn du diesen Körper in eine abgenutzte Ledertasche verwandelt hast, die nach Belieben benutzt oder weggeworfen werden kann, dann kannst du auch all diese Karmas aufgeben. Bis dahin musst du an all diese Handlungen glauben und sie ausführen.“

Während des Aufenthalts in Malaya:

Ein Arzt aus Malaya traf zusammen mit seiner Frau ein. Nachdem er ehrfürchtig die Füße des Meisters berührt hatte, sagte er: „Swamiji, ich hatte das allerseltenste große Glück, in demselben Bungalow zu leben, der von dir während deines Aufenthaltes in Malaya bewohnt wurde.“
„Wirklich?“, fragte der Meister.
„Außerdem, Swamiji, wird die Tulasi (eine heilige Pflanze, verwandt mit dem Basilikum), die du dort gepflanzt hast, immer noch verehrt. Bevor ich Malaya verließ, zündete ich jeden Tag die Lampen um den Tulasi peetham (Altar) herum an.“
In Hindu-Haushalten ist es üblich, einen kleinen Tulasi-Altar im Hof zu haben. Die Tulasi ist sehr heilig und wird von Gott geliebt. Ihre Herrlichkeit ist von indischen Weisen besungen worden. Der Meister, der ein wohlhabender Arzt in Malaya gewesen war, bevor er jenem Leben entsagte, war sehr religiös und hatte große Freude daran, all diese Bräuche zu befolgen, die von Generation zu Generation überliefert worden waren.
„Ja, ja, Dr. Parsons hat mir erzählt, dass er jedes Mal, wenn er den Ort besuchte, feststellte, dass der Tulasi peetham noch gepflegt wurde, sogar nachdem ich Negri-Sembilan verlassen hatte. Ich bin sehr froh, das zu hören.“
Dann verfielen der Doktor und der Meister in ein Gespräch über die guten alten Zeiten und über ihre gemeinsamen Freunde.
„Swamiji, du weißt ganz genau, dass niemand in Malaya, vor allem nicht die, die aus Indien gekommen waren, von den drei Lastern Wein, https://www.yoga-vidya.de/seminare/interessengebiet/frauen/" - external-link-new-window>Frauen und Tabak frei waren. In ganz Malaya hattest du allein die besondere Berühmtheit erlangt, der einzige Mann gewesen zu sein, der von diesen Lastern unberührt blieb. Es ist ein großes Wunder.“

Vedantisches Sadhana:

Ein intellektueller Freund war mit Pindi Dassji, dem Leiter des Kali-kamliwala-Almosenhauses, gekommen. Er hatte den Wunsch, etwas über Dinge zu erfahren, die das Selbst betreffen. Gleich als beide die Halle betraten, hieß der Meister sie mit seiner natürlichen Gastfreundschaft willkommen und bewirtete sie mit Obst und Tee. Dann fragte er nach ihrem Befinden.
„Swamiji, ich möchte ein paar spirituelle Fragen stellen. Darf ich?“
„Selbstverständlich, du bist dazu herzlich eingeladen.“
„Ich möchte von dir, Swamiji, wissen, wie ich Kosmisches Bewusstsein entwickeln kann.“
Der Meister schaute den Fragenden an, als ob er ihn mit den Augen ausmessen würde. Nach ein paar Minuten kam die lakonische Antwort: „Meditiere über Formeln wie ‚Ich bin nicht der Körper, ich bin nicht der Geist. Ich bin das Absolute Brahman (das Göttliche). Ich bin allgegenwärtig, allmächtig und allwissend. Mein Wesen ist Satchidananda (ewiges Sein, Wissen und Wonne).’ Wenn diese Gedanken tiefer und tiefer in deinen Geist einsinken, wirst du Kosmisches Bewusstsein genießen.“
„Wie kann ich in diesem Fall sicher sein, Swamiji, dass ich mich nicht nur mit Hilfe dieser Autosuggestionen selbst hypnotisiere? Das, was jenseits des Geistes und der Sinne liegt, kann nicht durch die Gedankengänge des Geistes erlangt werden. In diesem Fall wird selbst die Meditation unmöglich.“
„Ja, du hast Recht. Wenn du dich auf diese Argumente einlässt, wirst du in einen unmöglichen Zustand geraten. Am Anfang ist etwas Autosuggestion notwendig, bis man das Stadium der intuitiven Wahrnehmung erreicht. Diese Formeln wurden den Upanishaden entnommen, die die Aussagen von Sehern und somit ewige Wahrheiten sind.“
An diesem Punkt unterbrach ihn Pindi Dassji und fragte: „Swamiji, wie können wir sicherstellen, dass dieses Bewusstsein ständig aufrechterhalten wird? Wenn wir meditieren, wird das Bewusstsein manchmal erweckt, aber wenn wir uns unserer Arbeit zuwenden, verschwindet es.“
„Du musst mit der Praxis fortfahren. Die Entwicklung göttlicher Tugenden ist notwendig. Der Geist mag es nicht, über Gott zu meditieren. Er fließt immer nach außen, aber der Yogi versucht, ihn zu seinem Ursprung zu führen. Das ist Yoga. Man muss dem Geist schmeicheln und ihm gut zureden, damit er meditiert. Unterscheidungsvermögen und Leidenschaftslosigkeit sind notwendig. Dann wird man einen starken Wunsch nach Befreiung entwickeln. Dann, und nur dann, wird der Geist sich danach sehnen, das Höchste zu verwirklichen.“
Der Besucher stellte eine weitere Frage: „Manche Philosophen und Yogis sagen, dass der Atman (das Selbst) nicht durch all diese Praktiken erreicht wird, Swamiji. Wie ich bereits gesagt habe, scheint ihre Sichtweise zu sein, dass Das, was jenseits des Körpers, Geistes und Intellektes liegt, nicht durch eine Anstrengung dieser drei erlangt werden kann.“
„Ganz recht, auch das sagt die Sruti (offenbarte Schrift). Die Sruti weist eindeutig auf die Lehre von der Gnade hin. Die Gnade Gottes ist notwendig, anderenfalls ist nichts möglich.“
Pindi Dassji fragte: „Aber wie können wir Seine Gnade verdienen, Swamiji?“
„Genau! Das ist die Frage. Man muss die Gnade verdienen und sie dazu einladen, auf einen herabzusteigen. Deswegen sind all diese spirituellen Praktiken vorgeschrieben. Erwirb zuerst die göttlichen Tugenden, dann lies und praktiziere Reflektion und Kontemplation. Dann wirst du Kosmisches Bewusstsein erlangen.“
„Das ist ein langer, langer Prozess, Swamiji. Wir wollen eine Abkürzung, einen Königsweg.“
„Diese Abkürzung und dieser Königsweg ist die tägliche Meditation. Stehe um 4 Uhr morgens auf. Diese Zeit ist sehr günstig für die Meditation. Meditiere über vedantische  Formeln. Versuche so weit wie möglich während des Tages den Gedanken an Brahman (das Absolute, das Göttliche) aufrecht zu erhalten. Du wirst schließlich in Ihm verankert werden.“
„Ich habe fast alle Werke von Rama Tirtha gelesen“, sagte Pindi Dassji, „und viele andere Schriften über Philosophie, aber du hast auf so schöne Art meine Schwierigkeiten bereinigt, wie es niemand sonst konnte.“
„Rama Tirtha war zuerst ein Bhakta (Verehrer Gottes) und wurde später ein Vedantin (Anhänger der Philosophie der absoluten Einheit). Ich habe gehört, dass er mit Glöckchen um seinen Fußgelenken am Strand von Brahmapuri zu tanzen pflegte.
Es gibt keinen Unterschied zwischen Bhakti (liebende Hingabe zum Göttlichen) und Vedanta. Bhakti führt letztendlich zur selben Verwirklichung des Kosmischen Bewusstseins wie Vedanta. Tulsidas, Kabir und viele andere Para Bhaktas (Menschen, die die höchste Hingabe zum Göttlichen erlangt haben) erlangten diese Verwirklichung.
Der Geist möchte etwas haben, an das er sich anlehnen kann. Daher hat Patanjali darauf bestanden, dass ein Yogi ‚Om’ als sein Mantra haben und über dessen Bedeutung meditieren sollte. ‚Om’ ist der Name des Brahman. Om ist Satchidananda (ewiges Sein, Wissen und Wonne). ‚Om’ ist Allwissenheit und Allmacht. Es ist Licht, Freude und Frieden. Meditiere über diese Gedanken, dann wirst du Brahmisches Bewusstsein genießen. Darüber besteht kein Zweifel. Hinter allen Namen und Formen wirst du dann das namenlose und formlose Brahman wahrnehmen.“

Ratschläge für Entsagte:

Der Morgenvortrag sah den Meister wieder einmal mit einem Sturzbach von Weisheit hervorbrechen. Shivaratri (die heilige Nacht Shivas) rückte näher und ein paar Leute hatten um Sannyas-Einweihung gebeten.
„Sannyas (Entsagung) ist kein Witz. Wenn ihr diesen heiligen Lebensstand annehmt, nehmt ihr eine gewaltige Verantwortung auf euch. Der Ruhm oder die Schande des gesamten Ordens von Shankara lastet dann auf euren Schultern.
Natürlich habe ich immer betont, dass mehr und mehr junge, kräftige, gesunde Leute Sannyas annehmen und ein Leben der völligen Selbsthingabe führen sollten. Es hat kaum einen Zweck, dass ein Mann Sannyas annimmt, wenn er bereits mit einem Bein im Grab steht. Wenn ihr Sannyas nehmt, während ihr euch in der Blüte der Jugend befindet, werdet ihr reichlich Zeit haben, intensive Entsagung zu praktizieren, viel selbstlosen Dienst zu leisten, zu meditieren, zu studieren, Kirtan zu singen und nach der höchsten Wahrheit zu suchen. Ihr werdet das Selbst noch in diesem Leben verwirklichen.
Aber ihr solltet euch ständig daran erinnern, dass ihr heutzutage in einer bösartigen Welt lebt. Maya (Illusion des Veränderlichen) greift euch von allen Seiten an. Selbstverwirklichung ist keine einfache Angelegenheit. Unwissenheit ist die Natur dieses Universums, obwohl es in seiner Essenz Satchidananda (ewiges Sein, Wissen und Wonne) ist. Namen und Formen täuschen euch in jedem Moment. Hütet euch! Sogar Arjuna, den Gott selbst als Seinen eigenen Amsa (Teil) bezeichnete, der eine so vertraute Beziehung zu Gott hatte, der Seinen Vishwarupa Darshan (Vision der Universellen Form) hatte, mit dessen Anblick niemand sonst gesegnet wurde und der persönlich von Ihm in der Bhagavad Gita unterwiesen wurde – selbst dieser Arjuna war danach noch der selbe Mann mit der selben Natur.
Der Guru kann euch den Weg nur zeigen. Er kann euch auf das Ziel nur hinweisen, doch den Weg müsst ihr selbst gehen. Der Guru wird euch lediglich auf die Fallgruben hinweisen. Ihr müsst selbst vorsichtig sein und sie meiden. Wenn ihr in sie hineinrutscht, erinnert euch, dass nicht der Guru in der Grube ist, sondern ihr selbst. Wenn ihr auf Abwege geratet, anstatt auf dem Pfad der Tugend zu wandeln, dann tötet ihr nicht nur euch selbst, verbrennt euch und verwandelt euch selbst in Asche, sondern ihr bringt auch den Guru, den Orden und die ruhmreichen Gründer des Ordens in Verruf. Könnt ihr jetzt klar verstehen, welch große Verantwortung auf euren Schultern ruht?
Die an vorderster Stelle stehende Fallgrube ist sexuelle Unmoral. Das ist der größte Fluch für einen Sannyasin. Es ist ein schreckliches Feuer, das ihn sofort verbrennt. Nicht nur das, seine Auswirkungen bleiben viele, viele Leben bestehen. Ein Sannyasin sollte sich davor hüten.
Denkt auch daran, dass die Welt nicht von eurer Gelehrsamkeit oder eurem Wissen über Philosophie bezaubert sein wird. Jeder wird euch beobachten, um zu sehen, ob ihr die Eigenschaften eines Sadhus (Weisen, Tugendhaften) besitzt. Sie werden schauen, ob ihr sanftmütig, demütig und höflich seid. Wenn ihr tugendhafte Eigenschaften habt, dann braucht ihr nicht herzugehen und die Leute dazu einzuladen, euch zu bewundern. So wie ein parfümierter Stock seinen Duft ohne Anstrengung in alle Richtungen verbreitet, genauso werden sich die Menschen von euch angezogen fühlen. Wenn ihr die richtige geistige Einstellung habt, werdet ihr Glassplitter entfernen, einem Kranken oder einem alten Passanten helfen, während die Leute auf der Straße vorbeigehen und ein anderer Sadhu wie ein Zaunpfahl herumsteht.
Schaut nach innen und findet heraus, warum ihr Sannyas annehmen wollt. Ihr werdet feststellen, dass sich der Geist nach bestimmten Privilegien sehnt. Ihr werdet denken, ‚Wenn ich erst einmal ein Sannyasin bin, dann werden mich die Leute respektieren. Jetzt sehen sie auf mich herab; sie denken, dass ich bloß ein Brahmachari (Schüler, der im Zölibat lebt) bin.’ Es sind Gedanken wie diese, die Menschen dazu treiben, Sannyas anzunehmen. Wenn die richtige Grundlage nicht da ist, wird alles, was ihr aufbaut, nutzlos sein.
Wenn dieser Wunsch, respektiert zu werden, vorhanden ist, werdet ihr immer empfindlicher werden. Ihr werdet schnell beleidigt sein. Ihr werdet sehr reizbar werden. Kämpfe und Streitigkeiten werden das Ergebnis sein. Intrigen, Verleumdung, das Verbreiten von Skandalgeschichten, Eifersucht, Furcht, Hass – all diese Dinge stammen aus dieser einen Wurzel. Wenn ihr älter werdet, werdet ihr dieses Übel immer mehr entwickeln. Ihr werdet denken: ‚Ich bin seit 40 Jahren ein Sannyasin, und dieser kleine Kerl hat mich beleidigt!’ Krankheiten werden diese Empfindlichkeit verstärken. Ihr werdet schnell ärgerlich sein.
Gott wird euch auf millionenfache Weise testen. Warum sollte Er das nicht? Ist das Ziel, nach dem ihr strebt, eine kleine Sache? Sogar vielen hoch entwickelten Heiligen gab der Gott seinen Darshan (Anblick) in Form eines Esels, Büffels und Affen. Ihr strebt nicht danach, ihr strebt nicht einmal nach einer Vision des Virat (der Universellen Form), wie sie Arjuna hatte; ihr möchtet jenseits von Maya (Illusion) gehen und jenes Höchste Selbst, den Paramatman, verwirklichen. Das ist die Bedeutung von Sannyas. Fragt euch: ‚Bin ich bereit, alles zu opfern, das nicht dieses Höchste Selbst ist?’
Ihr seid bereits in einem Ashram, der als eine undurchdringliche Festung dient, die euch beschützt. Bleibt in weißen Kleidern und praktiziert Sadhana (spirituelle Übung). Rottet alle schlechten Eigenschaften aus und entwickelt Tugenden. Das allein ist bereits ausreichend.
Wenn ihr Sannyas annehmt, solltet ihr euch ein für allemal dafür entscheiden, an diesem Weg festzuhalten und dem Orden Ruhm zu bringen. Wandert nicht umher. Ihr werdet daraus keinen Nutzen ziehen und euch dabei nur allen möglichen Versuchungen aussetzen. Habt niemals irgendetwas mit Haushältern zu tun. Ihr werdet zu spät bemerken, dass ihr in den tiefen Abgrund des Ruins geführt wurdet.“