Philosophie der Yogatherapie

Den philosophischen Hintergrund der Yoga Psychologie bilden:

  1. die Vedanta-Philosophie
  2. die Samkhya-Philosophie
  3. der integrale Yoga

1. Die Vedanta-Philosophie

Vedanta (Sanskrit: वेदान्त) bedeutet wörtlich das "Ende des Wissens" (Veda = Wissen, Anta = Ende). Der Vedanta ist auch die Philosophie der Upanishaden, die Upanishaden sind der letzte Teil und damit das Ende der Veden.

Die Geschichte von Vedanta liegt im Dunkeln. Die Upanishaden sind je nach Autor, mehr als 5000 Jahre oder 2500-2800 Jahre alt. Shankaracharya, der große Meister, der von 788-810 n.Chr. gelebt hat, machte Vedanta zum populären Philosophie-System.

Die Botschaft von Vedanta

Nach der Vedanta-Philosophie ist der Mensch nicht nur ein Kind Gottes oder sein Diener. Vedanta sagt: "Der Mensch ist im Wesentlichen identisch mit dem höchsten Wesen." Vedanta erinnert Dich an Deine wahre, tatsächliche göttliche Natur.

Der Mensch ist quasi Gott: Du bist essentiell, Du bist der unsterbliche, alldurchdringende Atman, die universelle Seele, das Göttliche oder Brahman.
Die Botschaft des Vedanta ist Furchtlosigkeit, Seelenstärke und die Einheit des Bewusstseins.

Vedanta sucht keine Konvertiten, sondern eine Rückkehr zur grundlegenden Frage, die jedes Wesen stellt: "Was bin ich wirklich? Was ist mein wahres Selbst?" Und damit kommt Vedanta zu einer neuen Definition über das Menschliche und Göttliche.

Vedanta sagt: "Oh kleiner Mensch! Identifiziere Dich nicht mit diesem vergänglichen Körper. Gib ‘Ich’ und ‘Mein’ auf. Hasse nicht Deinen Nachbarn, Deinen Bruder. Versuche nicht, ihn auszunutzen. Er ist Dein Selbst. Es ist ein gemeinsames Selbst, ein gemeinsames Bewusstsein in allen. Es ist dasselbe in einem König und einem Bauern, einer Ameise und einem Hund, einem Mann und einer Frau, einem Schuster und einem Straßenkehrer. Das ist das wahre unsterbliche Wesen. Der Geist ist das, was trennt. Er versucht und täuscht. Töte diesen frechen Geist. Beherrsche die Sinne, die Dich nach außen zu den äußeren Objekten hinziehen. Hefte den Geist auf die Quelle. Erhebe Dich über Körper und Geist. Rotte Wünsche aus. Lerne die Unterscheidung zwischen dem Wahren und dem Unwahren. Identifiziere Dich mit dieser unsterblichen, nichtdualen, aus sich selbst existierenden, selbst strahlenden Essenz. Sieh das eine Selbst in Allen. Sieh das Eine im Vielen. Dann endet alles Leid."

Der Vedantaschüler setzt die sogenannte Neti-Neti-Lehre in die tägliche Praxis um, indem er sagt: "Ich bin nicht dieser vergängliche Körper. Ich bin nicht dieser Geist. Ich bin nicht dieses Prana. Ich bin nicht das Indriya." ‘Neti, Neti’ bedeutet ‘nicht dies, nicht dies’. Das ist der Pfad der Verneinung. Er versucht sich hingegen mit dem alldurchdringenden Atman oder Selbst zu identifizieren. Diese Übung gipfelt im Erlangen der Selbstverwirklichung. Sie führt zur unmittelbaren Intuition des allerfüllenden Brahman.

2. Die Samkhya-Philosophie

Das Samkhya, welches etwa zeitgleich mit dem Jainismus und dem Buddhismus entstand, gehört zu den ältesten indischen Philosophien. Sie wurde von den Veden beeinflusst. Als Autor der Samkhya-Sutras gilt der Weise Kapila. Die größte Bedeutung hatte die Samkhya-Philosophie zwischen 400 v.Chr. und 700 n.Chr.

Das Mahabharata, das große indische Epos (300 v. Chr. bis 500 n. Chr.) das in etwa 100.000 Doppelversen, in unzähligen religiösen Parabeln die brahmanische Philosophie wiederspiegelt, wurde stark durch die Samkhya-Philosophie beeinflusst. Dies gilt auch für die Bhagavad Gita, die ein Teil des Mahabharata ist.

Das Samkhya ging schon früh mit dem Yoga eine enge Verbindung ein. Das Samkhya lieferte die Theorie, der Yoga bildete die Praxis. Etwa um 700 n.Chr. ging die Samkhya-Philosophie in den Yoga ein.

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3. Der Integrale Yoga

Auszug aus dem Buch: "Integraler Yoga" von Swami Venkateshananda über Sivananda (=Gurudev, Swamiji)

"In der Geschichte der Welt gab es Heilige, Weise und Propheten, die die eine oder andere Methode praktizierten oder lehrten, um an das Ziel der Selbstverwirklichung zu gelangen. Gurudev, der Prophet des integralen Yoga, aber betonte: „Es ist nicht genug, nur eine einzige Art von spiritueller Disziplin zu praktizieren, wie groß die Bemühung dabei auch sein mag. Jeder Suchende muss in sein spirituelles Programm alle Punkte aller Yogas oder Möglichkeiten, um zu Gott zu kommen, aufnehmen.“

Gurudev hatte keine eigene Doktrin. Er trug dieselbe Botschaft weiter, die uns seit Anbeginn der Zeiten vom Göttlichen gegeben worden war. Seine Lippen waren Gottes Lippen. Er war eins mit Gott. Wenn wir es dennoch riskieren wollen, eine Doktrin aus seiner Lehre abzulesen, dann kann seine einzigartige Methode in der Wissenschaft des Yoga `Der Yoga des ein wenig´, Yoga der Synthese, genannt werden. Er machte uns darauf aufmerksam, dass nur eine harmonische Entwicklung des gesamten Wesens uns leicht zum Ziel führen kann. Jede Schwachstelle in der Struktur würde das Ganze zunichte machen.
Er verfasste ein ganz einfaches aber schönes kleines Lied, das er nach der Melodie des Mahamantra bei jedem von ihm geleiteten Treffen sang, besonders während seiner Indien-Ceylon-Tour im Jahre 1950.

Hare rama, hare rama, rama rama, hare hare
Hare krishna, hare krishna, krishna krishna, hare hare


Iss ein wenig, trink ein wenig;
Sprich ein wenig, schlaf ein wenig;
Ein wenig Gesellschaft, ein wenig Bewegung;
Diene ein wenig, gib ein wenig;
Arbeite ein wenig, ruhe ein wenig;
Lies ein wenig, Gottesdienst ein wenig;
Mach ein wenig Asanas, ein wenig Pranayama;
Reflektiere ein wenig nach, meditiere ein wenig;
Mach ein wenig Japa, mach ein wenig Kirtan;
Schreib ein wenig Mantra, hab ein wenig Satsang.
Mach das alles wenig, wenig. Dann hast du Zeit für alles.

War der Meister dagegen, dass man von all den wunderbaren Dingen - wie Japa, Asanas oder Meditation - mehr machte? Man fragt: „Warum nur ein wenig, warum nicht viel?“ Dann wird weiter hineininterpretiert: „Mache wenigstens ein wenig...“ Er meinte aber tatsächlich genau das: „Mach ein wenig von jedem, spezialisiere dich nicht.“ Das war die Botschaft - das Ego schreit nach Spezialisierung, denn der Spezialist wird von der Menge bewundert. Spezialisierung mästet das Ego, schwächt Toleranz und Verständnis und lässt Verachtung und Hass entstehen.

Yoga ist Harmonie. Eine wunderschöne, symmetrische und integrale Entwicklung des gesamten Wesens, und das heißt, jeder Aspekt der Persönlichkeit muss täglich geübt werden. Ansonsten entsteht ein Ungleichgewicht der Persönlichkeit - und das ist nicht Yoga. Bei Gurudevs Methode kann daher nicht zu viel Zeit pro Tag für eine einzelne Praktik erübrigt werden, egal für welche. Ein wahrer Anhänger von Swami Sivananda kann von allem nur ein wenig machen. Das fördert eine harmonische Entwicklung, Gesundheit (Ganzsein) von Körper, Geist und Seele.

Schon in der letzten Phase seines Medizinstudiums war es Gurudev ein großes Anliegen, dass die Menschen die Kunst des gesunden Lebens kennen und nicht so sehr die Technik des Heilens. Die Notwendigkeit einer Heilbehandlung entsteht nur dann, wenn man dumm genug war, krank zu werden. Warum beugt man nicht vor? Kurz nach Verlassen der Universität begann er mit der Veröffentlichung einer Zeitschrift mit dem Namen „Ambrosia“, und in dieser Zeitschrift publizierte er jeden kleinen geheimen oder nicht geheimen Hinweis, den er aufstöbern konnte. Die Menschen müssen dazu erzogen werden, sich davor zu bewahren, krank zu werden, nicht so sehr darin, eine Behandlung zu finden. Heilen ist nur eine Notmaßnahme.

Sein ganzes Leben lang engagierte er sich leidenschaftlich dafür, Wissen und Dienen so vielen Menschen wie möglich verfügbar und unentgeltlich zugänglich zu machen. Das waren die beiden einzigartigen Leidenschaften des Meisters - Gesundheit und Dienen. Geheimnisse waren nicht seine Sache („Ich habe dieses spezielle exklusive Mittel, kommt zu MIR.“). Wenn er auf eine geheime Theorie stieß, musste sie am nächsten Tag veröffentlicht werden. Als eines Tages jemand im Ashram einen Fernkurs mit Swamijis Schriften machen wollte, wobei jeden Monat eine Lektion veröffentlicht und mit dem Projekt Geld verdient werden sollte, stimmte Swamiji zu. Sobald das geschehen war, ließ Swamiji die Lektionen sofort wieder zu einem Buch zusammenfassen und zur unmittelbaren, meist kostenlosen, Verteilung herausgeben.

Er war von Beruf Arzt, der alles daransetzte, dabei zu helfen, dass man nicht zum Arzt gehen musste. Auch die Praxis von Yoga Asanas, die er in Malaysia mit Hilfe von Büchern mit großer Begeisterung begann, wurde Teil seiner ganzheitlichen Gesundheitsmethode. Sein Buch über Hatha Yoga enthält die Grundessenz der alten traditionellen Texte. Die Bedeutung von Hatha Yoga im Gesamtkonzept seiner Lehre war es, gesund, wirklich gesund, zu bleiben. Wie ist man gesund? Was bedeutet 'Gesundheit' tatsächlich? Gesundheit wird definiert als GANZSEIN. Man kann nicht auf Kosten geistiger Gesundheit körperlich gesund sein. Es gibt keine körperliche Gesundheit. Da Gesundheit Ganzsein ist, kann sie nicht in körperlich, geistig und seelisch unterteilt werden. Eine harmonische Entwicklung von Körper und Geist war Gurudevs Spezialität. Häufig kommt er in seinen Schriften über körperliche Yogadisziplin auf geistige Gesundheit, seelisches Wohlbefinden zurück. Wenn der Geist völlig in Unordnung und neurotisch ist, kann der Körper nicht gesund sein, auch wenn man noch so viele Asanas macht, gleichgültig wie lange und gleichgültig wie perfekt."