Die Süße der Liebe

  1. Bhakti Yoga besitzt universelle Anziehungskraft, denn Hingabe kommt aus dem Herzen. Bhakti Yoga ist für die große Mehrheit der Menschen geeignet.
  2. Bhakti Yoga lehrt, dass das höchste Ideal Gott ist – die Verkörperung von Wahrheit, Liebe, Schönheit, Weisheit und Wonne.
  3. Der Pfad der Hingabe ist der einfachste und sicherste aller Wege, Befreiung zu erlangen.
  4. Auch ungebildete Männer und Frauen können Gottverwirklichung erlangen. Nötig dazu ist Hingabe und nicht Gelehrsamkeit.
  5. Samvata, ein einfacher Gärtner, der Goldschmied Narahari, der Unberührbare Chokka, das Tanzmädchen Kanhopatra, die Dienerin Jana – sie alle waren Heilige.
  6. Göttliche Liebe kennt keine Unterschiede bezüglich Zeit, Ort oder Person. Sie hat nur eine Richtung. Göttliche Liebe ist dynamisch.
  7. Die Quelle alles Guten und allen Glücks, die Grundlage aller Tugend und allen Wohlstands ist die Religion der Liebe.
  8. Wissen oder Weisheit wird von selbst heraufdämmern, wenn man Bhakti Yoga praktiziert.
  9. Gott zu jeder Zeit und leidenschaftlich aus ganzem Herzen und mit all deiner Seele zu lieben, ist wahrlich Bhakti, Hingabe.
  10. Bhakti ist die Grundlage jeglicher Spiritualität.
  11. Bhakti ist die angenehme, ebene, direkte Straße zu Gott.
  12. Liebe ist die Essenz der Religion.
  13. Hingabe ist sowohl das Ziel als auch das Mittel, um es zu erreichen.
  14. Liebe zu Gott gibt dem Leben einen wirklichen Sinn.
  15. Liebe ist die Grundlage des Lebens. Liebe ist Leben. Ihre Abwesenheit ist Tod.
  16. Bhakti ist zu Beginn, in der Mitte und am Ende süß; sie bringt die höchste, niemals vergehende Wonne.
  17. Bhakti Yoga steht jedem offen.
  18. Erlange Selbstverwirklichung durch Reinheit, Hingabe und Meditation. Dann wirst du vom Kreislauf der Geburten und Tode befreit werden.
  19. Ein Aspirant auf dem Pfad der Hingabe sollte Shraddha (Glauben), Eifer und die Fähigkeit zum Ausführen von Sadhana (spiritueller Praxis) besitzen. Nur dann wird er die Gnade Gottes erlangen.
  20. Die Liebe zum Absoluten kann nicht gleichzeitig mit der Liebe zur Welt existieren.
  21. Liebe Gott allein und aus ganzem Herzen. Du musst ganz in ihm aufgehen.
  22. Es gibt Abstufungen im Wachstum der Liebe zu Gott. Die Zunahme in der Intensität der Liebe ist wie die zunehmende Süße von Zuckerrohrsaft, Melasse, Zucker und Zuckerwerk.

Meditation und Dienen:

„Dies hier ist mein Adressbuch“, sagte der Meister zu einem Besucher, „in dem ich die Adressen aller, die sich der Gemeinschaft des Göttlichen Lebens (Divine Life Society) anschließen, notiere – Herausgeber von Zeitschriften, Professoren, Schulleiter, europäische und amerikanische Aspiranten usw. Es nützt mir in sehr effektiver Weise. Wann immer ein neues Buch veröffentlicht wird, ist es dieses Adressbuch, das mir hilft, die Veröffentlichung an verschiedene Menschen zu schicken, die einen Nutzen daraus ziehen werden. Seit 25 führe ich diese Kartei. Dies ist der 5. Band.
Die Adressen aller Aspiranten aufzuschreiben, ist für mich eine großartigere Form des Sadhana (spirituelle Praxis) als Meditation. Es ist eine Form der Meditation, von der nicht nur wir selbst, sondern auch andere sehr profitieren. Meditation ist notwendig, aber zusätzlich dazu ist auch Dienen notwendig.
Es gibt Aspiranten auf der ganzen Welt, die mir regelmäßig schreiben. Die gelegentliche Zusendung eines Buches oder Flugblatts wird sie anregen. Es wird sie zu größeren Bemühungen ermuntern. Ich lese immer gerne und ich empfehle jedem die Praxis, spirituelle Literatur zu lesen. Glaube nicht, es sei Zeitverschwendung. Stelle dir vor, du hättest ein Thermometer, um den Grad der Meditation des Höhlenbewohners zu messen. Zweifellos wird er versuchen, mit Hilfe von Asanas, Pranayama und anderen Praktiken die meditative Stimmung aufrechtzuerhalten, aber es wird ein gewisses Maß an Tamas, Trägheit, geben. Die Meditation wird nicht so kraftvoll sein, wie sie es wäre, wenn er gelegentlich ein gutes Buch lesen würde. Das würde erhabene Gedanken in ihm erzeugen.
Niemand sollte Bücher von sich weisen; niemand sollte das Studium religiöser Bücher aufgeben. Das ist sehr wichtig. Man sollte auf jeden Fall täglich die Gita, die Upanishaden und andere Schriften studieren. Doch diese allein reichen nicht aus, wenn sie auch die Essenz der verschiedenen Yogawege beinhalten. Sie werden bald zu eintönig. Außer ihnen sollte man alle religiösen Bücher studieren, denen man begegnet. Meine Adresskartei gibt Tausenden von Aspiranten solche Nahrung für Seele und Geist.“

Angewandtes Mitgefühl:

Ein Junge war den ganzen Weg aus Südindien gekommen, nur um den Meister zu sehen. Hunger und die Anstrengung der Reise überwältigten ihn und er wurde ohnmächtig, als er sein Ziel erreicht hatte.
Die Welt schwand langsam vor seinen Augen, ein Sturm tobte in seinem Gehirn und er fiel von dem Stuhl, auf dem er saß, flach auf den Boden.
Der Meister war sofort an seiner Seite und fächelte ihm mit sanfter Zuneigung Kühlung  zu.
„Laufe sofort nach draußen!“, wurde Vishnu Swami angewiesen. „Hole jetzt gleich Wasser! Wie oft habe ich den Leuten hier schon gesagt, dass sie immer einen Eimer Wasser bereithalten sollen? Was sind das nur für Leute? Ich muss es ihnen wieder und wieder sagen, aber niemand hört mir zu.“
Die Ashrambewohner dachten, der Junge habe einen Anfall, aber der Meister war sich sicher, dass es nur Erschöpfung war. Bald wurden Milch und Wasser gebracht. Der Meister fuhr fort, dem Jungen mit eigenen Händen Luft zuzufächeln; und er erholte sich bald, so dass er seine Geschichte erzählen konnte.
Der Junge stammte aus Pattamadai. Als er sich am Ufer eines Kanals in der Nähe von Pattamadai aufhielt, hörte er, wie ihm jemand „Hardwar“ ins Ohr flüsterte. Von diesem Zeitpunkt an schwirrte ihm der Kopf. Er hatte keine bewusste Kontrolle über seine Handlungen. Wie ferngesteuert stahl er 70 Rupien aus der Geldbörse seines Vaters und nahm den Zug nach Hardwar. In Hardwar sah er denselben Mann, den er in der Vision gesehen hatte, wie er ihm den Weg versperrte, aber er entkam ihm und kam zum Ananda Kutir, der glückseligen Wohnstätte des Meisters.
Der Meister hatte ein offenes Gespräch mit ihm, nachdem er sein Bad im Ganges genommen und sich mit einer guten Mahlzeit gestärkt hatte. Der Junge hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits vollständig erholt, nicht nur von der Erschöpfung, sondern auch von der Wirkung der Halluzination, die er gehabt hatte. Er erklärte, dass er in ein paar Monaten eine Prüfung habe und deshalb sofort zurückgehen wolle.
Der Meister überredete ihn, einige Tage zu bleiben.
„Da du hierher gekommen bist, mach wenigstens ein paar Tage lang Japa (Wiederholung eines Mantras) am Ufer des Ganges. All dies geschah nur zu deinem Wohl. Du hast schon im Ganges gebadet, nun wirst du am Ufer des heiligen Flusses auch Japa ausführen.“
Der Junge hatte kein Geld für die Rückfahrt und bat darum, sich 80 Rupien leihen zu dürfen. Der Meister stimmte bereitwillig zu und versicherte ihm außerdem, dass sein Vater die Summe nur zurückzahlen müsse, wenn er es tun könne, ohne das Budget der Familie zu überlasten.

Erinnerungen:

Der Meister sprach ein glühendes Lob über Swami Sivaswarupajis musikalische Begabungen aus, über seine Hingabe und sein Unterhaltungstalent.
„Sivaswarup Swamiji, wenn du möchtest, kannst du ein großer Katha Vachak (jemand, der öffentlich über spirituelle Themen spricht) werden. Dann kannst du einen großen Ashram aufbauen und Wunder vollbringen. Beginne mit Kirtan (Mantrasingen) und Katha (Vorträge über spirituelle Themen). Dann mache dich langsam daran, zu reisen und Kirtan zu verbreiten. Sehr viele Menschen werden dich hören wollen. Du wirst viele Bewunderer haben und nach und nach wird sich um dich eine große Organisation bilden. Du hast die Gabe des Kesari Yoga. Wenn du dich nur ein bisschen bemühst, wirst du Kesari Yoga auch verwirklichen.
„Nein, nein, Swamiji“, antwortete Sivaswarupji, „Kesari Yoga ist nur für dich bestimmt.“
Dies bezog sich auf Sivaswarupjis Vorhersage, dass allein der Meister Kesari Yoga habe, d.h. das nötige Glück, eine große Organisation aufzubauen und Wunder zu wirken.
„Ich bin von ganz anderer Natur“, fügte Sivaswarupji hinzu.
„Nein, Swamiji, du machst einen Fehler. Auch für dich gibt es Kesari Yoga, aber du hast  es nicht genutzt.“
„So ist es nicht, Swamiji. Ich habe nicht die Sadhana Shakti (Kraft der spirituellen Praxis), die du hast. Ich kann keine Kritik ertragen. Ich mag es nicht, wenn schlecht von mir gesprochen wird oder Skandalgeschichten über mich verbreitet werden. Ich habe immer das Bedürfnis, mich still zu verhalten und vermeide das Getümmel des Lebenskampfes. Außerdem bin ich ständig körperlich krank.“
Der Meiser fuhr fort, das Geheimnis seines Erfolges zu erklären: „Ich halte den Körper immer in Schuss, Maharaj. Es reicht mir nicht einmal, Spaziergänge zu machen. Ich laufe jeden Tag ein paar Minuten. Ich kann nicht anders, als jeden Tag mindestens ein paar Minuten lang Asanas (Körperstellungen) und Pranayama (Atemübungen) zu praktizieren. Das hält meinen Körper in gutem Zustand, trotz etlicher chronischer Krankheiten, die in ihm wohnen.
Wenn man mich mit den Mahants (Ashramleiter) verschiedener anderer Ashrams vergleicht, bin ich vor ihrem Wissen ein Nichts. Verglichen mit ihrer enormen Gelehrsamkeit bin ich wie ein kleiner Ladenbesitzer vor einem Großhandelsunternehmen.
Doch die Gnade Gottes hat es mir möglich gemacht, die Botschaft vom Göttlichen Leben heute so weit zu verbreiten. Es ist diese Gnade Gottes, die mir den Geist des Dienens eingeflößt hat. Manche Mahants hüllen sich in heilige Allüren, wenn Sadhus und Sannyasins und Anhänger Gottes kommen, um sie zu besuchen, aber ich putze ihnen die Schuhe. Wenn ein Patient krank am Straßenrand liegt, schauen sie ihn nicht einmal an. Ich trage ihn auf meinen Schultern, pflege ihn und reinige seine Bettpfanne. Wenn ein Bedürftiger zu meinem Ashram kommt, gebe ich ihm sofort Geld, um seine Bedürfnisse zu stillen. Die Mahants blicken ihn nicht einmal an. Es ist alles der Gnade Gottes verdanken.“
„Ich erinnere mich gut daran, Swamiji, wie du in Kalikananda Giris Apotheke gearbeitet und ein Krankenhaus daraus gemacht hast. Ich erinnere mich daran, wie du auf einer feuchten Veranda zu schlafen pflegtest, ohne auch nur eine Decke als Unterlage zu haben. Der Raum war verfallen und wurde erst Jahre später renoviert. Wer hätte das alles ertragen und dabei so wie du dienen können?“
Der Meister erinnerte sich an einen Vorfall, der sich während seiner Zeit im Swarg Ashram zugetragen hatte.
Er war von Maharani Sri Sri Sri Devi in ihren Palast eingeladen worden. Er ging dorthin, sang seine inspirierenden Kirtans und rührte sie zu Herzen, wodurch er alle erfreute.       „Die Maharani wollte mich dazu überreden, im Palast zu bleiben. Diese Idee gefiel mir nicht, daher schlich ich mich mit nur zwei Kleidungstücken leise davon. Damals war es Winter. Ich machte mich am Ganges-Kanal entlang auf den Weg nach Meerut und von dort aus nach Rishikesh.
Unterwegs, bei Parikshitgarh, erhielt ich eine Postanweisung von Satyanandaji. Ich sollte ein Foto von mir machen lassen, das in einem Buch abgedruckt werden sollte. Ich kehrte nach Meerut zurück. Auf dem Rückweg konnte ich Parikshitgarh nicht vor Sonnenuntergang erreichen. Es war dunkel und ich bemerkte ein paar kleine Hütten am Straßenrand. Es hatte die ganze Zeit geregnet und ich war vom Regen völlig durchnässt. Ich fand eine Matratze, die draußen herumlag und machte es mir ohne viel Aufhebens darauf gemütlich. Bald weckte mich jemand und sagte mitfühlend zu mir, dass der Ort nicht für Menschen zum Schlafen geeignet sei. Er bot mir an, mich in einer mit Stroh gefüllten Hütte unterzubringen. Ich schlief in jener Nacht dort und lief am nächsten Tag zurück nach Rishikesh.“

Sei ausdauernd:

Dr. Sood hatte ein ernsthaftes Problem, das er dem Meister vorbrachte.
„Swamiji, diesmal möchte ich von dir die wirksamste und praktischste Methode der Selbsthingabe lernen. Du hast mir mehrere Male gesagt, ich solle mich Gott hingeben und alles als Seinen Willen annehmen. Das tue ich auch, aber dann erschüttert wieder irgendeine schreckliche Begebenheit mein Vertrauen. Nach einiger Zeit gewinne ich es wieder, nur um es durch einen neuen Unglücksfall erneut zu verlieren. Dies erzeugt viel geistige Unruhe. Swamiji, bitte verrate mir das Geheimnis, wie ich mich in Selbsthingabe verankern kann.“
„Wiederholte Übung“, antwortete der Meister.
Dann schwieg er für eine geraume Zeit. Auch Dr. Sood und die anderen Anwesenden waren tief in Gedanken versunken.
„Setze immer wieder den Geist der Hingabe durch. Habe Mitleid mit dir selbst, wenn du einen Mangel an Vertrauen zum Ausdruck bringst. Versuche, immer in Ihm zu leben, indem du dich daran erinnerst und durch Japa (Wiederholung eines Mantras). Versuche, den Impuls, vom Glauben abzuweichen, abzuhalten, bevor Zweifel überhaupt entstehen kann. Nach und nach werden die Hindernisse verschwinden und du wirst in völliger Selbsthingabe fest verankert sein.“

Die Heiligkeit des eigenen Namens:

T. A. Shankara Sastri nannte sich in seinem Brief „T. A. S. Sastri“. Dies belustigte den Meister, der ihm schrieb: „Bitte benutze immer Deinen vollständigen Namen. Gib diese neumodische Art, ihn zu verkürzen und dabei den wichtigsten Teil auszulassen auf. Wenn Du hundert Mal mit Deinem vollen Namen unterschreibst, wiederholst Du ihn hundertmal. Das ist so gut wie Japa von (dem göttlichen Namen) ‚Shankara’ (wörtlich: „Heil-/ Frieden bringend“, ein Beiname von Shiva). T. A. S. Sastri hat genauso viel Bedeutsamkeit wie A. B. C. D., während T. A. Shankara Sastri ein erhebender Name ist.“
Dann sagte der Meister mit einem Lächeln: „Ich sagte das Gleiche zu M. Srinivasan. Er unterschrieb mit M. S. Vasan. Ich wies ihn darauf hin, dass ‚Srinivasan’ der Name Gottes sei und somit heilig und erhebend. In der Abkürzung verlor er all seine Großartigkeit. Er hat den Gedanken sofort verstanden. Aber auch jetzt noch gibt es viele V. Iyers und N. Iyers und B. Menons, die noch die Herrlichkeit der Namen verstehen müssen, die ihre Eltern ihnen gegeben haben.
Unsere Vorväter waren sehr weise. Sie nannten die Kinder nach den Namen Gottes, so dass die Eltern und andere, einfach indem sie nach ihnen riefen, den Namen Gottes öfter wiederholten. Aber die weisen Leute von heute wollen vor dieser angenehmsten Form des Sadhana (spirituelle Praxis) flüchten. Schade! Sie wollen vor Gott flüchten!“

Über liebevollen Dienst:

„Om Namo Narayanaya! Wie geht es dir, Sankochanandaji Maharaj? Nimmst du neuerdings nicht deine Almosen hier an?“
„Nein, Swamiji, ich gehe lieber zur Almosen-Küche. Dann habe ich gleichzeitig ein bisschen Bewegung.“
Der Meister verstand sofort, das Sankochanandaji zu schüchtern war, um seine Almosen im Ashram entgegenzunehmen.
Als er fortgegangen war, wandte sich der Meister den Anwesenden zu und sagte: „Seht nur, in seinem Fall haben wir versagt. Warum fühlt er sich zu schüchtern, um zu kommen und im Speisesaal zu sitzen? Es liegt daran, dass unser Verhalten ihm gegenüber nicht sehr herzlich und höflich war. Er ist ein alter und ehrwürdiger Sannyasin, der die letzten 30 Jahre das Leben des Sannyas (Entsagung) geführt hat. Die bloße Gegenwart solcher Sannyasins trägt zur Würde des Ashrams bei.
Denkt nicht, dass jeder die gleiche Art von Arbeit erledigen sollte, die ihr tut. Mit dem Besen zu fegen allein ist noch kein Karma Yoga (selbstloser Dienst). Gott hat verschiedenen Menschen verschiedene Fähigkeiten gegeben. Diese sollten auf die best-mögliche Weise in Seinem Dienst eingesetzt werden. Sankochanandaji kann schön singen und die Zuhörer mit seinen Bhajans (Lieder zur Verehrung Gottes) und Kirtans (Mantragesänge) begeistern. Kannst du das auch, Balan Swamiji?“
„Nein, Swamiji.“
„Andererseits kann er nicht solche faszinierenden Artikel und Notizen schreiben wie du. Jeder hat besondere Vorzüge und Qualifikationen. Daher sollten wir nicht ein und dieselbe Messlatte für alle haben.
Sogar die bloße Tatsache, dass er schon lange ein guter Sannyasin ist, sollte ausreichen, uns zu inspirieren. Einer sollte Tee auf sein Zimmer bringen, ein anderer sollte ihm etwas Obst und Milch geben und ein Dritter sollte mit Essen hingehen. Dann wird er verstehen, dass er von allen hier geliebt wird. Er wird aus eigenem Antrieb in unseren Speisesaal kommen und sein Essen nehmen.“
Die Ashrambewohner, die dem Meister zuhörten, beschlossen, sofort gemäß seinem Ratschlag zu handeln.

Die Demut in Person:

Ein Aspirant aus Nilakanth, der von Geburt (d.h. gemäß seiner Kaste) Lumpensammler war, war gekommen. Er saß vor der Diamond-Jubilee-Halle gegenüber dem Fenster zur Linken des Meisters. Durch das Fenster betrachtete er die göttliche Gestalt des Meisters. Der Meister bemerkte ihn und bat ihn herein.
Obst und Milch wurden gebracht. Der Meister bot sie dem Aspiranten an, der sich zu seinen Füßen auf dem Boden wälzte und dabei ausrief: „Shiva, Shiva.“ Er sah seine  Gottheit, Mahadeva (Shiva), im Meister. Er verneigte sich wieder und wieder, dann begann er, den Meister zu umschreiten. Der Anblick war wirklich ein Fest für die Augen!
Plötzlich fing der Meister an, ebenfalls um den Aspiranten Nilakanth herumzugehen. Der Aspirant wiederholte „Sadashiva“ und der Meister antwortete mit „Radheshyam“. Dann fielen beide einander zu Füßen!
Der Aspirant Nilakanth war sehr beschämt und erstaunt, denn er sah in dem göttlichen Meister die Verkörperung der Demut selbst.

Angewandtes Mitgefühl:

Es ging auf 11 Uhr morgens zu. Der Meister bat Vishnu Swamiji, etwas Obst in einem Beutel zu bringen. Nach dem Abschluss-Kirtan verließ er das Büro mit dem Beutel.
„Almasthanandaji möchte mich sehen und wünscht sich, dass ich wenigstens 15 Minuten am Tag bei ihm bin und mit ihm rede. Ich gehe jetzt mit diesem Obst zu seinem Zimmer“, sagte der Meister.
Jeder behauptete, dass Almasthanandaji verrückt sei, vermutlich wegen seines fortgeschrittenen Alters. Die natürliche Verachtung, die das Alter in der Jugend hervorruft, war durch das eigentümliche Verhalten Almasthanandajis sehr verschlimmert worden. Niemand wollte sich um den alten Mann kümmern. Er streifte in schmutzigen Lumpen umher, mit ungekämmten Haaren und unrasiertem Bart, hilflos und ohne Freunde. Aber der Meister, wie immer voller Mitgefühl gegenüber allen, kam diesem hilflosen Sadhu zu Hilfe.

Die Macht der Liebe:

Der Abend-Satsang war im Gange. Die kleine Radha schlich leise in die Bhajan-Halle. Sie war ganz allein im Dunkeln ohne Laterne den Hügel hinaufgerannt. Die überaus kultivierte Millionärstochter wollte die stille Atmosphäre nicht stören. Aber der innere Drang war unwiderstehlich. Sie kniete vor dem Meister und verneigte sich. Der Meister öffnete die Augen.
„Was ist los, Radha? Warum bist du alleine im Dunkeln gekommen?“
Die angestauten Gefühle brachen in einer Flut von Tränen hervor.
„Mami liegt im Sterben, Swamiji“, schluchzte Radha.
„Was!“, rief der Meister aus und versank danach in tiefem Schweigen. Eine seltsame Erregung lag in der Atmosphäre.
„Komm, lass uns gehen. Weine nicht, Radha. Es wird alles gut.“
Als sie die Halle verließen, bat der Meister Vishnu Swamiji, das Maha Mrityunjaya Mantra („Om Tryambhakam“, ein machtvolles Heil- und Schutzmantra) zu wiederholen.
„Sridhar Swamiji, bitte bereite eine Dosis der Stimulans-Mischung zu. Halte auch das Riechsalz bereit.“
Als er sich der Diamond-Jubilee-Halle näherte, rief der Meister einem Schüler zu: „Sridhar Swamiji ist in der Apotheke. Hol schnell die Medikamente!“
Als die Medikamente kamen, wies der Meister einen Schüler an, die Füße der Kranken mit Terpentinöl einzureiben. Dann wurden nacheinander die Stimulans-Mischung, Traubensaft und die anderen Mittel verabreicht und Srimathi Liliane erholte sich vollständig.
Herr Shamash erklärte, dass seine Frau ohnmächtig geworden sei, ihr Puls beinahe still gestanden habe und ihr Herzschlag fast aufgehört hatte. Die Kinder waren völlig bestürzt gewesen und in größter Verzweiflung war die Kleine hinauf gerannt.
„Sie wäre vielleicht gestorben, Swamiji“, sagte Herr Shamash, „aber vor fünf Minuten begann sie normal zu atmen. Gerade bevor du hier angekommen bist, erwachte sie wie aus einem Schlaf.“
Wenig später war Srimathi Liliane wieder ganz die Alte.

Der Wert des Neem-Blattes: Mohanji kam mit einem kleinen Bündel Neem-Blätter herein. Jeder der anwesenden Schüler nahm sich ein paar. Während das Bündel herumgereicht wurde, lächelte der Meister und fragte: „Gehört ihr auch zur Gesellschaft der Neem-Blatt-Esser?“
„Als ich im Swarg Ashram war, begann ich, Neem-Blätter zu essen. Ich fand bald heraus, dass alle Sadhus sie zu essen pflegten!
Das Neem-Blatt ist sehr gut. Es reinigt das Blut. Es ist ein sehr gutes Antiseptikum. Es stärkt auch die Zähne. Aber nehmt nicht zu viele. Das würde das System erhitzen. Nur zwei oder drei Blätter reichen aus.“
Neem-Blätter schmecken eigentlich sehr bitter!

Der Wert des Neem-Blattes:

Mohanji kam mit einem kleinen Bündel Neem-Blätter herein. Jeder der anwesenden Schüler nahm sich ein paar. Während das Bündel herumgereicht wurde, lächelte der Meister und fragte: „Gehört ihr auch zur Gesellschaft der Neem-Blatt-Esser?“
„Als ich im Swarg Ashram war, begann ich, Neem-Blätter zu essen. Ich fand bald heraus, dass alle Sadhus sie zu essen pflegten!
Das Neem-Blatt ist sehr gut. Es reinigt das Blut. Es ist ein sehr gutes Antiseptikum. Es stärkt auch die Zähne. Aber nehmt nicht zu viele. Das würde das System erhitzen. Nur zwei oder drei Blätter reichen aus.“
Neem-Blätter schmecken eigentlich sehr bitter!

Erzwungene Wohltätigkeit:

„Padmanabhan Swamiji, bitte schreibe Durga Saranji und bitte ihn um ein ordentliches Paket Khaja. Sag ihm, dass unsere Familie sehr groß ist und dass er viel davon schicken soll.“
Ein Schüler fragte sich, warum der Meister um diese Süßigkeit bat.
Der Meister, der seinen Gedanken las, sagte: „Für Menschen wie Durga Saranji ist es eine Art der Wohltätigkeit. Es ist meine Art und Weise, Menschen dazu zu zwingen, wohltätig zu sein. Wenn sie nicht freiwillig geben, packe ich sie am Ohr und zwinge sie dazu, wohltätig zu handeln. Glaubst du, wir sehnen uns nach dieser Süßigkeit? Alle Süßigkeiten sind gleich, sie sind alle eine Umwandlung und Kombination von Zucker, Dhal (Linsen) und Ghee (Butterfett). Aber dies ist eine der Methoden, Durga Saranji die Möglichkeit zum Geben zu geben, so dass er sein Herz reinigen und sich weiter entwickeln kann.“

Was ist schon ohne Risiko?

„Swamiji, ich besitze eine Reihe deiner überaus wertvollen Bücher. Ich folge deinen Anweisungen, so gut ich kann. Ich mache auch Asanas (Körperstellungen). Aber, Swamiji, ich bin bereits über 25. Kann ich ohne Risiko Sirshasana (Kopfstand) üben?“
„Natürlich kannst du das“, antwortete der Meister dem Steuerbeamten Dwaraka Singji.
„Aber Swamiji, manche Leute sagen, dass man ab einem gewissen Alter kein Sirshasana mehr üben soll und dass dabei ein gewisses Risiko besteht.“
„Was ist schon ohne Risiko, Maharaj? Während du über die Straße gehst, kannst du von einem Auto überfahren werden. Während du in einem Boot fährst, kann es kentern und du kannst ertrinken. Trotzdem tust du diese Dinge.
Übe ein paar Sekunden Sirshasana an einer Wand. Versuch es. Wenn es dir gut tut, übe weiter und erhöhe die Dauer. Wenn du irgendwelche negativen Auswirkungen bemerkst, höre damit auf.“
In der Zwischenzeit hatte sich ein zufällig vorbeigekommener Pandit (Gelehrter), der sehr gelehrsam tat, dem Meister genähert und begann, auf Sanskrit eine kleine Abhandlung zu halten. Der Meister blickte ihn nur an. Im selben Moment näherte sich ein anderer Pandit, den der Meister kannte, aus der entgegengesetzten Richtung. Der Meister stellte die beiden einander vor. Bald begannen sie eine hitzige Diskussion. Der Meister lächelte vielsagend und ging weiter.
Dwaraka Singji verstand den Sinn sofort und sagte: „Du hast richtig gehandelt, Swamiji. Lass sie sich streiten!“
„Ich weiß nicht, wieso Menschen ihre Energie mit sinnlosen Diskussionen verschwenden. Man sollte vollkommen praktisch sein“, erwiderte der Meister.

Die Macht der Maya:

Ram Ram Ram aus Lucknow war ein hochbetagter Aspirant. Sogar in seinem fortgeschrittenen Alter zögerte er noch, seine Anwaltspraxis aufzugeben. Er war jedoch immer ein frommer Aspirant gewesen, der regelmäßig nach Rishikesh kam und bei jeder Gelegenheit beim Satsang dabei war.
Der Meister sagte zu ihm: „Warum ziehst du dich nicht aus dem aktiven Leben zurück und widmest dich der Meditation? Du hast genug gearbeitet. Es gibt nichts, was dich hindert.“
„Aber Swamiji, obwohl ich all diese Jahre zum Satsang gegangen bin und mich in Japa (Mantrawiederholung) und Meditation geübt habe, habe ich noch keinen gefestigten Glauben an Gott und Seinen Namen. Ich hänge immer noch an meiner Familie und gesellschaftlichen Stellung, an Geld und am weltlichen Leben überhaupt. Es ist seltsam, Swamiji, ich weiß.“
Maya (Illusion alles Veränderlichen) ist sehr mächtig“, sagte der Meister. „Außer in sehr seltenen Fällen, wenn die Eindrücke aus der Vergangenheit stark sind, finden die Menschen von selbst einen Geschmack an einem Leben der Kontemplation. Ohne Zweifel helfen Satsang, Japa und Meditation einem Aspiranten sehr, aber der Schleier der Unwissenheit ist so dick, dass all das allein nicht ausreicht, um ihn zu durchdringen. Jene Techniken erzeugen lediglich Eindrücke, die sich in zukünftigen Leben auswirken werden. Wenn man jedoch zur gleichen Zeit nach der Wahrheit sucht und versucht, Unterscheidungsvermögen und Leidenschaftslosigkeit zu entwickeln, wird man extreme Fortschritte machen. Unterscheidungsvermögen und Leidenschaftslosigkeit sind absolut notwendig. Ohne sie werden Satsang, Japa oder Meditation, soviel du sie auch üben magst, keine unmittelbaren Ergebnisse hervorbringen. Maya ist sehr mächtig. Sie kann nur durch intensive Leidenschaftslosigkeit überwunden werden.“

Echtes Sadhana:

Swami X., der früher geraume Zeit im Ashram gelebt und der Divine Life Society große Dienste erwiesen hatte, war gekommen und gleich wieder gegangen. Es gab eine kleine Diskussion über seine Einstellung gegenüber dem Ashram.
„Swamiji, vielleicht ist er nicht im Ashram geblieben, weil man ihm nicht den rauschenden Empfang bereitet hat, den er vielleicht erwartet hatte“, kommentierte ein Schüler.
„Was für einen Empfang? Ein Sannyasin (Entsagter) sollte keine solchen Erwartungen und Wünsche haben. Er hat zuvor schon einmal den Ashram verlassen, um intensive Entsagung und Sadhana (spirituelle Übungen) zu praktizieren. Wenn er das tatsächlich getan hätte, dann hätte er ein liebendes Herz und einen völlig neuen Blickwinkel entwickelt. Dies hätte alle elektrisiert, denen er hier begegnet ist. Er hätte gegenüber allen eine Haltung der Demut, des Dienens und der brüderlichen Liebe eingenommen. Er hätte auf diese Weise die Herzen aller gewonnen. Natürlich wäre dann eine andere Atmosphäre entstanden. Dies ist der Weg. Wir sollten immer die Herzen anderer durch Liebe und Dienen erobern. Es gibt keinen anderen Weg. Wenn wir dazu nicht imstande sind, weist das darauf hin, dass unser Sadhana ein ununterbrochenes Schwelgen in Trägheit ist, wovon das Ego fett wird.“

Lektion im Betteln:

Swami Muruganandaji wollte ein Leben der Abgeschiedenheit und Entsagung führen. Er kam ins Büro, um sich vom Meister zu verabschieden.
„Swamiji, ich will zum Andhra Ashram gehen und dort für eine Weile bleiben. Dann werde ich einen geeigneten Platz für mich suchen.“
„Wohin du auch gehst, du solltest dich dort nützlich machen. Nur dann werden die Leute dich mögen. Nur Almosen entgegenzunehmen und untätig herumzusitzen ist kein Yoga. Es ist eine tamasige (von Trägheit und Unwissenheit bestimmte) Gewohnheit. Nicht nur, dass man dich nicht mögen wird, auch wird dein Fortschritt langsam sein. Verbinde Meditation mit Dienst. Dann wird dich jeder mögen und du wirst auch schnelle Fortschritte machen.
Eigentlich kannst du bleiben, wo immer du willst. Du kannst deine Almosen auch vom Almosenhaus beziehen. Aber du solltest die richtige Methode kennen. Komm, ich zeige dir, wie es geht.
Setz dich hier her. Jetzt bist du der Küchen-Manager, der das Essen verteilt. Du solltest aus deinem Tuch einen schönen Beutel machen, so wie ich es gerade vormache. Häng es so über deinen Unterarm. Dann geh zu dem Mann, der Rotis (Fladenbrot) verteilt. Nimm sie anmutig entgegen, indem du dich auf diese Weise beugst. Nimm den Dhal (Linsen) in dem Gefäß mit der rechten Hand entgegen, indem du die losen Enden des Tuches mit der linken Hand festhältst – achte dabei darauf, den improvisierten Beutel nicht auf dem Boden abzulegen. Gehe dann zu dem Mann, der Gemüse verteilt, nimm das Gemüse und geh!“
Der Meister demonstrierte den gesamten Vorgang und ließ Muruganandaji das Gleiche tun!
„Swamiji, die Hauptschwierigkeit für mich ist, dass ich hier die Sprache nicht spreche und niemanden kenne. Ich möchte deswegen nach Südindien gehen.“
„Aber warum denn nur? Ein Sannyasin (Entsagter) sollte sich immer an dem Ort aufhalten, wo man ihn am wenigsten kennt. Genau das ist das Geheimnis des Wanderlebens. Vertrautheit führt nicht nur zu Verachtung, sondern bei manchen auch zu Anhaftung. Bleibe immer unbekannt, sei ein Fremder, wohin immer du gehst. Und diene bei jeder Gelegenheit, die sich bietet. Om Namah Shivaya!”
Muruganandaji reiste schlussendlich doch in seine südindische Heimat.

Singe immer „Anandoham“:

Aravamudan hatte Gewissensbisse. Er hatte aus Versehen  eine Lüge ausgesprochen, über deren Konsequenzen er sich nun bewusst wurde. Mit zerknirschtem Herzen schrieb er eine Notiz an den Meister, in der er sich für den Fehler entschuldigte. Er ließ sie auf dem Schreibtisch des Meisters im Büro liegen.
Als er die Notiz sah, rief der Meister aus: „Was! Verlässt Aravamudan etwa den Ashram?“
„Nein, Swamiji, er hat bloß eine Notiz hinterlassen.“
„Verstehe. Betrifft sie jenen Vorfall vor kurzem?“
Der Meister warf die Notiz weg, ohne sie weiterzulesen.
„Wenn mir jemand eine Notiz auf den Schreibtisch legt oder sich vor mir niederwirft, interpretiere ich das normalerweise als ‚Om Namo Narayanaya! Ich gehe nach Uttarkasi.’“
     Zu Aravamudan sagte der Meister später: „Mach dir keine Sorgen. Solche Ausrutscher passieren im Leben eines jeden Menschen. Lerne daraus und profitiere von der Lektion. Dann vergiss solche Vorfälle. Singe immer ‚Anandoham’ (‚Ich bin Wonne’), niemals ‚worry-oham’ (‚Ich bin Sorgen’)!“

Die Macht der Schriften des Meisters:

R.V. Sastri erläuterte dem Meister, wie so viele Menschen auf den spirituellen Weg gebracht worden waren, nur weil sie zufällig einen inspirierenden Artikel des Meisters in einer billigen Zeitschrift gelesen hatten.
„Zuerst kaufen sich die Leute das Magazin nur, um die Klatschspalten zu lesen. Dann finden sie plötzlich eine Seite, die völlig im Gegensatz zum Rest steht. Es gibt im Leben eines jeden Menschen einen Moment, wo er einen Anstoß, einen Schubs bekommt, der ihn auf den spirituellen Weg bringt. In diesem psychologisch wichtigen Moment fängt diese eine Seite Feuer in seinem Herzen; er wendet sich ab von dem Müll und kauft die Zeitschrift jetzt nur noch wegen dieser einen Seite. Er geht dann möglicherweise so weit, dass er die Seite aus dem hässlichen Magazin herausschneidet und sie erst dann liest.“

Über Anhaftung:

Der Meister wurde gesehen, wie er sehr langsam ging, fast hinkte. Sein Gang war sonst immer majestätisch, sogar wenn er krank war. Als er die Neugier der Schüler bemerkte, sagte er: „In all den 62 Jahren habe ich die nicht getragen.“
Er zeigte auf die Sandalen, die er trug.
„Meine Schuhe fingen an zu drücken und ich sah kleine wunde Stellen an meinen Füßen. Also versuche ich es jetzt mit diesen Sandalen. Aber da ich nicht an sie gewöhnt bin, fühle ich mich seltsam unbehaglich. Ich meine, sie würden abrutschen und muss sie mit meinen Zehen festhalten.
Der Mensch wird ohne jeglichen Besitz auf dieser Welt geboren. Das Kind bekommt ein Spielzeug und hält es ganz fest, damit es nicht verloren geht. Der Junge bekommt ein Stück Schokolade und hält es ganz fest. Der Mann klammert sich an seine Frau, seine Kinder, seinen Besitz, seine Stellung und sein Prestige. Er hat Angst, sie zu verlieren. Dies sind die glanzvollen Objekte, die den Menschen verführen. Sobald er sie wegwirft und in seiner eigenen wesensgemäßen göttlichen Natur ruht, ist er im Frieden.“

Über die Schriften des Meisters:

Der Richter Gauri Prasad aus dem Swarg Ashram war zu einem offiziellen Besuch gekommen, um die Divine Life Society in bestimmten rechtlichen Angelegenheiten zu beraten. Nachdem er die Diskussionen beendet hatte, sprach er über einige rechtliche Besonderheiten des Copyrights für Bücher.
„Sehen Sie, Swamiji, ich besitze die meisten Ihrer Bücher“, begann Gauri Prasad – und schweifte dann vom Hauptthema ab.
„Ich versuche, eine gute Bibliothek davon aufzubauen. Wissen Sie, sie sind so wertvoll, dass ich beabsichtige, sie meinen Kindern testamentarisch zu hinterlassen. Ich weiß, dass meine Kinder sie als den größten von mir hinterlassenen Schatz wertschätzen werden. Swamiji, Sie haben in diesen Büchern alles beispiellos einfach und doch großartig erklärt. Sie schildern in ein paar einfachen Worten, was andere mit großer Mühe in einer bombastischen Sprache darstellen. Selbst ein einfacher Laie oder College-Student kann ihre Bücher zur Hand nehmen und Antworten auf all seine Fragen finden. Andere Schriftsteller können das nicht. Ich glaube, es liegt daran, dass Sie selbst die höchste Wahrheit erreicht haben – deshalb können Sie auf so charakteristische Weise einfach schreiben. Ich wende mich auch immer wieder an Ihre Bücher, um meine eigenen Ansichten zu bestätigen. Nachdem ich mit jemand anderem über ein Problem diskutiert habe und nachdem ich meine eigenen Ansichten dazu geäußert habe, nehme ich Ihre Werke in die Hand und stelle fest, dass meine Ansichten Ihre gewichtige Autorität hinter sich haben. Ihre Bücher sind für mich so etwas wie die Veden und die Upanishaden. So wie die Yogis und Siddhas (vervollkommnete Wesen) vergangener Zeiten ihre Erfahrungen mit Hilfe der Srutis (Teil der offenbarten vedischen Schriften) überprüften, so denke ich, dass ich, wenn ich meinen Standpunkt auch von Ihnen vertreten finde, recht haben muss.“
Während der ganzen Zeit saß der Meister da und hörte zu, ohne auch nur die Spur irgendeiner Emotion zu zeigen.

Der rasierklingengleiche Pfad:

Der Meister sprach einmal im Büro mit seinen Schülern.
„Gotteserkenntnis ist keine einfache Angelegenheit. All die Hilfen – Lernen, Zuhören und Nachdenken – sind nur dazu gedacht, uns den Weg zu zeigen. Wenn ihr ein aufrichtiges Verlangen nach Befreiung entwickelt, lernt ihr aus den Schriften und den Vorträgen, die hier von Chidananda Swamiji und anderen gegeben werden, wie ihr vorgehen müsst.
Ihr solltet jederzeit aufmerksam und wachsam sein. Ihr solltet von jedem die Lektionen des göttlichen Lebens lernen. Bloß in einer Ecke zu sitzen und yogische Kriyas (Übungen zur Reinigung und Energieerweckung) zu praktizieren, wird euch nichts nützen. Wozu wollt ihr Kräfte erlangen? Was hilft es euch schon, wenn ihr die Macht gewinnt, eine neue Welt zu erschaffen oder den Lauf von Sonne und Mond anzuhalten? Übersinnliche Kräfte mästen nur das Ego und führen euch weg von Gott. Lauft ihnen nicht hinterher.
Seid wie ein Grashalm: Entwickelt Demut, Geduld, Durchhaltevermögen, Liebe, Nachsicht, Wahrhaftigkeit und Reinheit.
Ich habe mich nie nach Befreiung gesehnt. Ich habe nie nach Gotteserkenntnis gestrebt. Ich werde damit fortfahren, jedem zu dienen. Ich werde damit fortfahren, mein Herz durch selbstlosen Dienst zu reinigen. Ich werde immer versuchen, Gott in jedem zu sehen. Gott selbst sollte Mitleid mit mir haben und mir Befreiung geben. Anderenfalls werde ich wieder und wieder reinkarnieren und weiter dienen, bis Gott mir freiwillig Befreiung gibt.
Schaut euch Sthanu Subramanyam an! Seht nur, wie wunderbar er sein Herz entwickelt hat! Er ist hierher gekommen, um nur für ein paar Tage zu bleiben. Sogar dafür hat er eine kleine Kiste mit Medikamenten mitgebracht. Er läuft hierhin und dorthin, um den Kranken zu dienen. Schaut in euer Herz. Habt ihr ein solches Herz, das angesichts der Leiden anderer schmilzt? Subramanyam übt hier auch regelmäßig sein Japa (Mantrawiederholung). Folgt ihr dem Pfad mit solcher Entschlossenheit?
Ich möchte, dass ihr alle dynamische Yogis werdet. Hier bekommt ihr die besten Entfaltungsmöglichkeiten für eure Entwicklung. Leute, die hier ausgebildet wurden, haben neue Ashrams und Gesellschaften eröffnet. Stellt euch nur einmal vor, wie wunderbar es wäre, wenn all diese dynamischen Arbeiter hier geblieben wären und dafür gearbeitet hätten, diese Institution zu vergrößern. Dennoch ist es eine gute Sache, dass sie alle auf ihre eigene Weise wunderbare Arbeit leisten.
Jemand, der eine Institution leitet, sollte vollkommene Toleranz, Verständnis, Anpassungsfähigkeit, Demut und Hingabe besitzen. Manche Mahants (Leiter von Ashrams) vertreiben junge Aspiranten, wenn sie den Eindruck haben, dass diese größere Begabungen besitzen und eines Tages den Mahant überstrahlen könnten. Das ist sehr schlecht. Warum sollte es euch stören, dass ein Neuankömmling größer ist als ihr selbst? Ihr solltet sein Herz gewinnen, ihn dazu bringen, sich ebenfalls der Sache zu widmen und so versuchen, seine Dienste für die Mission einzusetzen. Wenn ihr solche Hingabe besitzt, werdet ihr sogar dann, wenn der Neuankömmling euch aus Bosheit vertreibt, Almosen vom Almosen-Haus nehmen und weiterhin für die Sache arbeiten.
Ihr solltet immer darauf hinarbeiten, jeden so gut wie euch selbst, wenn nicht gar besser zu machen. Unterdrückt niemals einen anderen, ignoriert niemals die Begabungen eines anderen. Ich möchte, dass jeder in den Ashram kommen kann – sei es ein Lumpensammler, Künstler, Journalist, Sänger, Dichter oder Redner. Ich gebe ihnen die besten Entfaltungsmöglichkeiten zur Entwicklung ihrer Talente. Ich diene ihnen und gewinne ihre Herzen. Ich gebe ihnen die größten Freiheiten. Falls sie Böses im Schilde führen und beabsichtigen, der Institution zu schaden, wird Gott diese beschützen.
Ich mache mir keine Gedanken über die Institution. Meine Natur ist es, zu arbeiten. Mein Ziel ist es, zu dienen. Dieser Geist des Dienens ist seit meiner Kindheit in mir gewesen. Sogar wenn diese Organisation zusammenbrechen sollte, werde ich in einer Hütte sitzen, einigen Patienten dienen, ein paar Flugblätter drucken und so der Menschheit dienen.
Studiert die Gita. Stellt fest, wie viele von den göttlichen Tugenden, die Gott darin aufgezählt hat, ihr entwickelt habt. Reinigt euer Herz. Dient, dient und dient noch einmal. Die Meditation wird von selbst kommen. Samadhi (Überbewusstsein) wird von selbst kommen. Verlangt nicht nach übersinnlichen Kräften. Sie sind ein Hindernis auf dem spirituellen Pfad. Erblickt Gott in jedem Gesicht. Dies ist die Essenz aller Veden.“

Wohltätigkeit in Verkleidung:

R. P. Gandhi, ein Angestellter der Regierung, kam ins Büro, verneigte sich vor dem Meister und erzählte seine Leidensgeschichte. Er war ein Flüchtling aus dem Punjab. Er hatte alles in den Aufständen verloren. Er hatte vor kurzem von seinen Bankleuten die Nachricht erhalten, dass seine Bank ebenfalls völlig zusammengebrochen war. Seine Schwestern waren krank und seine ganze Familie war auf Grund des Schocks bei schlechter Gesundheit.
„Swamiji, ich habe ein paar gute religiöse Bücher. Ich möchte sie abgeben, da ich nicht imstande bin, von dem Gehalt, das ich bekomme, zu leben. Ich möchte wissen, ob du ein paar dieser Bücher kaufen möchtest.“
Er zeigte dem Meister die Liste, die einen Gesamtpreis von 68,12 Rupien hatte. Der Meister überflog sie, aber seine Augen schienen anderswohin zu wandern. Er war tief in Gedanken versunken.
Er las die Namen der Bücher vor. Die meisten davon befanden sich bereits in der Ashrambibliothek oder waren unnötig.
„Das macht aber nichts“, sagte der Meister zu einem Schüler. „Wähle ein paar gute Bücher von der Liste für die Hälfte des Gesamtbetrags. Premanandaji, hole vierzig Rupien. Dreißig Rupien werden wir ihm für die Kosten der Bücher geben und zehn Rupien sollen meine bescheidene Gabe sein. Ja, einfach nur die Bücher zu kaufen, ist keine Wohltätigkeit. Ich sollte ihm auch etwas Geld als Spende geben.“
Als das Geld kam, gab der Meister es Gandhi mit Respekt und Achtung und den Worten „Pa(t)tram, Pushpam!“ („Blatt, Blume“ – eine Anspielung auf die Bhagavad Gita: „Wenn man Mir (Gott) mit Liebe und Hingabe ein Blatt, eine Blume, eine Frucht oder etwas Wasser darbringt, werde Ich es annehmen.“).

Seltsame Wohltätigkeit:

Der Meister war mit einer Gruppe auf dem Weg zum Swarg Ashram. Unterwegs traf er einen Sadhu (Weiser), der Süßigkeiten mochte. In der Nähe saß ein Süßigkeitenverkäufer, ein sehr armer Mann, der von diesen Verkäufen lebte. Der Meister erkannte prompt die Gelegenheit. Er nahm etwas Geld aus der Tasche, kaufte die Süßigkeiten und gab sie dem Sadhu. Auf diese Weise half er sowohl dem Sadhu als auch dem Süßigkeitenverkäufer.

Körperliche Arbeit:

Als er am Morgen ins Büro kam, fiel der Blick des Meisters auf ein paar Bananenschalen, die in einer Ecke lagen.
„Heutzutage fegt niemand morgens das Büro. Ich glaube, aller Enthusiasmus ist verloren gegangen.“
„Am letzten Sonntag habe ich gefegt, Swamiji“, sagte ein Ashrambewohner.
„Vorgestern war ich an der Reihe“, fügte ein anderer hinzu.
Der Meister hörte zu, wie ein Schulmeister den lahmen Ausreden von Kindern zuhört, die vergessen haben, ihre Hausaufgaben zu machen!
„Wenn ihr alle ein echtes Interesse daran habt, das Büro sauber zu halten, wird die Frage danach, wer an der Reihe ist, überhaupt nicht aufkommen.
Vishnu Swamiji mag mit Briefen beschäftigt sein. Aber dann sollten zumindest die jungen Bewohner diese Aufgabe auf sich nehmen. Ich sage das nicht, weil die anderen schon länger da sind, sondern weil sie wohl spüren, dass sie in dieser Phase mehr geistige Arbeit verrichten können.
Körperliche Arbeit ist sehr notwendig. Sie hält den Körper gesund. Sie bietet eine Gelegenheit, den Geist des selbstlosen Dienens zu kultivieren. Man kann Demut, Vergebung und viele andere göttliche Tugenden entwickeln, wenn man sich mit körperlicher Arbeit beschäftigt.
Reinlichkeit kommt der Göttlichkeit am nächsten. Ihr solltet an solch einem Dienst große Freude haben. Es sollte keinen Zwang von außen geben, noch solltet ihr es nur deshalb tun, weil jemand anders euch darum bittet.“