Die Verwirklichung des Absoluten

Kapitel 3

Das Bedürfnis nach ganzheitlicher Erkenntnis

Der innere Drang

Die Welt, wie sie erscheint, wird in Wirklichkeit als mangelhaft empfunden und ist somit unwirklich. Daraus resultiert das Bedürfnis nach Höherem LICHT.

"Was ist DAS, wodurch, wenn ES erkannt wird, alles erkannt wird?"
-MUND.UPANISHAD, 1.1.3.

"Durch DAS wird das Ungehörte gehört, das Ungedachte gedacht, das Unverstandene verstanden."
-CHH.UPANISHAD, VI. 1.3.

Die Erkenntnis von ‘allem’ durch die Erkenntnis des EINEN deutet daraufhin, daß alles aus diesem EINEN gemacht ist. Daß das Mißverständnis von den Dingen, die tatsächlich aus unterschiedlichen Naturen gemacht sein sollen, richtig gestellt werden muß, wird besonders durch den Widerwillen betont, der durch das Anhaften an die Vorstellung von der vielheitlichen Gegenwart der Wesen und der Leidenschaft, all das vollständig einzufangen, was existieren muß, aufsteigt. Mit dem Wachstum der Intelligenz wird das Individuum dazu gedrängt, die GANZHEIT der EXISTENZ auf einen Schlag zu erfassen. Dieser konstruktive Impuls ist angeboren und sowohl in dem instinktiven Verstand als auch in dem wissenschaftlichen Intellekt aktiv. Das Individuum ist ein Bewußtseinszentrum, das durch das Unvollständige der Begrenzung, der Geburt und des Wachstums, der Veränderung, des Verfalls und Todes charakterisiert ist. Der Gedanke ist zum Gegenständlichen gewordenes BEWUSSTSEIN. Je umfangreicher dieses gegenständliche Bewußtsein geworden ist, desto dichter ist die Unwissenheit, und desto drängender sind die erlittenen Schmerzen.

Die WAHRHEIT leuchtet nicht als die WAHRHEIT, was auf die inneren Instrumente, - die hemmenden psychologischen Abwandlungen, - zurückzuführen ist,. Das Überqueren der Barriere dieser begrenzenden Umstände führt scheinbar zu einer umfassenderen WIRKLICHKEIT, einer größeren FREIHEIT und einem erfüllteren LEBEN. In jedem Wesen gibt es einen gemeinsamen Wunschimpuls nach immerwährender EXISTENZ, nach Erkenntnis aller Dinge, über alles zu herrschen und sich der Höchsten Glückseligkeit zu erfreuen. Der Hinweis der UPANISHADEN, daß die Wahrnehmung der Mannigfaltigkeit der Pfad zur Selbstzerstörung ist, wird mit der Höchsten Ermahnung verziert, nämlich, daß (nur) die Wahrnehmung der EINHEIT zu dem erhabenen Zustand der UNSTERBLICHKEIT führt. 

Angetrieben durch eine unmerkliche Kraft, fließt trotz all der individuellen Sehnsüchte dies zu verhindern, jede Form der Denkfähigkeit zur 'ERKENNTNIS der UNTEILBARKEIT der EXISTENZ' und zum Auffinden des eigenen Selbst im Zentrum seiner eigenen Erfahrung. Es ist das Bestreben eines jeden Lebewesens, im wonnevollen Besitzstand des EWIGEN LEBENS Ruhe zu finden, - und nichts weniger als das. Die Sorge des phänomenalen Lebens wurzelt im Festklammern am relativen Leben, durch die falsche Vorstellung gestärkt, daß Mannigfaltigkeit die WAHRHEIT ist. Die Freude am Übermaß immerwährenden Lebens kann durch das Abtrennen der Wurzel des individuellen Lebensbaumes mit der Axt der „GANZHEITLICHEN WEISHEIT“ genossen werden. Der Marsch der SEELE führt vom Falschen zum Wahren, vom Scheinbaren zum Wirklichen, vom Schatten zum Licht und vom Vergänglichen zum Immerwährenden.

"Führe mich vom Unwirklichen zum Wirklichen, von der Dunkelheit zum Licht
und vom Tod zur Unsterblichkeit."

-BRIH.UPANISHAD,1.3.28

Das Leben eines jeden ist gekennzeichnet durch den allgemeinen Charakter vom Ringen um unendliche VOLLKOMMENHEIT. Dieses UNENDLICHE SEIN ist die Höchste WAHRHEIT. Sie ist das Lebensziel aller. Die UPANISHADEN dehnen die Notwendigkeit des Erwerbs dieses ganzheitlichen Wissens von der WIRKLICHKEIT auf hundertfache Weise aus. Es gibt (im Vergleich) zur Erkenntnis ATMANS nichts Größeres oder Gleichwertiges.

(ATMALABHAT NA PARAM VIDYATE).
"Dieser ATMAN, der frei vom Bösen ist, unzerstörbar, unsterblich, sorgenfrei, ohne Hunger und Durst, dessen Verlangen die WAHRHEIT und dessen Wille die WAHRHEIT ist, - DAS sollte erforscht werden, DAS sollte erkannt werden. Derjenige erhält alle Welten und alle Wünsche, der diesen ATMAN erkannt und verwirklicht hat."
-CHH.UPANISHAD, VII.7.1.

"Erkenne DAS, erkenne BRAHMAN."
-TAIT.UPANISHAD, III.1.

"Zum Zweck der Erkenntnis von DEM, sollte man, mit Brennholz in der Hand, zu einem Spirituellen Lehrer, der die Schriften kennt und in BRAHMAN ruht, gehen."
-MUND.UPANISHAD, 1.1.12. 

Das Ziel des Lebens

Der Zweck des Lebens auf Erden beruht in der VERWIRKLICHUNG dieser gewaltigen Tiefe des SEINS aller Wesen, ohne die das Leben mißlingt.

"Wenn einer hier ES erkennt, dann ist er tatsächlich am Ende aller Bestrebungen angelangt. Wenn einer hier ES nicht erkennt, dann ist das ein großer Verlust für diesen Menschen. Wenn ES in jedem einzelnen Wesen erkannt wird, dann wird der aus dieser Welt scheidende Weise unsterblich."
-KENA UPANISHAD, II.5.

Dieser Ausspruch ist ein ernstzunehmender Vorwurf an all jene, die sich hin- sichtlich der Verwirklichung der WAHRHEIT nicht anstrengen und voranschreiten.

"Jene Welten werden gottlos genannt, die mit Dunkelheit bedeckt sind und zu denen all jene im Tod gehen, die die Mörder des SELBST sind."
-ISHA.UPANISHAD, 3

"Derjenige, der von dieser Welt scheidet, ohne DAS UNZERSTÖRBARE SEIN erkannt zu haben, ist bedauernswert.
-BRIH.UPANISHAD, III.8.10. 

Der Lehrer des BRAHMAVIDYA (Göttliches Wissen) wird mit glühenden Worten gepriesen:

"DU bist wahrlich unser Vater, der DU uns, weg von der Unwissenheit, an das andere und gesegnete Ufer (der Erkenntnis) gebracht hast."
PRASHNA UPANISHAD, VI.8. 

Die Liebe zum EWIGEN ist die innerste Leidenschaft, die in den Herzen aller Wesen brennt. Wo dies nicht erkannt wird, muß gelitten werden. Wenn wir uns von der EINEN WIRKLICHKEIT abwenden, öffnen wir die Tür zur Einkerkerung von uns Selbst. Nichts Erreichbares, weder auf Erden noch im Himmel, auch keine Größe, die zur Welt der Namen und Formen gehört, ist es wert, berücksichtigt zu werden. Die Liebe des Lebens gründet auf der Liebe des SELBST (zu sich Selbst).

"Wahrlich, nicht für alles (in der Welt) ist mir das alles lieb (und teuer), sondern für die Liebe des SELBST ist mir das alles lieb."
-BRIH.UPANISHAD II.4.5.

Alle Handlungen werden dem SELBST zuliebe vollzogen und nicht für äußere Personen und Dinge. Es ist nicht das Vorhandensein von Freude in den Objekten, die dem sich erfreuenden Individuum die Freude bringt, sondern das abkühlende Feuer des Verlangens, das durch seinen Kontakt mit einem bestimmten Objekt hervorgebracht wird, welches eigens durch diese spezielle Verfahrensweise des Wunsches, der im Ichbewußtsein entsteht, gefordert wird. Das Zufriedenstellen wird durch einen vorübergehenden Rückzug des Denkorganes zum SELBST verursacht. Die Gesamtheit der Glückseligkeit in dieser Welt ist negativ, - das Vermeiden alles Unerfreulichen und keineswegs der Gewinn irgendeiner wirklichen, positiven Freude. Diese positive WONNE wird allein im SELBST, der Wurzel der EXISTENZ, gefunden. Die ganze Geschäftigkeit im Leben ist ein Ringen als Antwort auf den Schrei des ängstlichen Ego', das sich selbst in der Wildnis seiner Abgeschiedenheit vom EWIGEN PRINZIP verloren hat. Das leidende Selbst, in den irdischen Fesseln des Lebens gefangen, wird durch das Wissen um die nicht-duale Natur der Existenz freigekauft.

Die grosse Verleugnung und Suche

Die WAHRHEIT wird von einem goldenen Gefäß verdeckt. Das Individuum wird von den Erscheinungen der Formen der Natur getäuscht. Dieses Gefäß zu entfernen und die WAHRHEIT zu entblößen ist die Aufgabe des Suchers nach VOLLKOMMENHEIT. Der Feuereifer eines NACHIKETAS (Gestalt aus der KATHA UPANISHAD) wird von jedem spirituell Strebenden erwartet.

"Kurzlebig sind diese sterblichen Dinge! Sie zehren die Lebenskraft aller Sinne aus. Selbst ein langes Leben ist tatsächlich sehr gering! DIR (Tod) gehören die Körper, der Tanz und das Lied! ... Was ist mit dem HÖCHSTEN,- erzähle mir davon; NACHIKETAS wählt nichts geringeres als DAS!"
-KATHA UPANISHAD, 1.26,29.

Das wunderbare Streben nach der WAHRHEIT, welche uns von den UPANISHADEN beschrieben witd, spricht von der großen Ausdauer einiger Seelen im Bestreben um die Rückgewinnung des verlorenen Königreiches, um das Abstreifen von den Übeln des Lebens, um das Zentrieren ihrer selbst in der BEWUSSTEN FÜLLE, - dem Geburtlosen, Unsterblichen und Unschätzbaren SEIN. Wir hören von der bewundernswerten Geduld der Schüler, die gemeinsam ein hartes und abgeschiedenes Leben der völligen Enthaltsamkeit führten, um so in die geheimnisvolle WAHRHEIT der Wahrheiten eingeweiht zu werden. INDRA (Sonnengott) selbst verweilte 101 Jahre als Schüler mit PRAJAPATI, um dann von seinem Lehrer die Einweihung zu erhalten. Die Natur der völligen Verleugnung von persönlichen Interessen, sozusagen eine glaubhafte Selbstvernichtung als notwendige Vorbedingung für den Erwerb der SELBST-ERKENNTNIS, deutet ausreichend auf die Natur der VOLLKOMMENHEIT des ZIELES hin, das vor uns liegt, - die FREIHEIT und FREUDE, die das begrenzte Leben des Individuums ersetzen.

Selbst DEVARSHI NARADAS (Götterbote) Wissen wird von SANATKUMARA mit der Bemerkung, daß dies nur "bloße Namen, bloße Worte" seien, abgetan. NARADA überreichte ihm eine lange Liste all jener Wissensbereiche, in denen er ausgebildet war. Er beschwor SANATKUMARA, ihn zu belehren: 

"O BHAGAVAN, Einzigartiger, gelehrt in der heiligen Überlieferung, ich kenne den ATMAN nicht. Von Leuten wie Dir, O BHAGAVAN, habe ich schon gehört, daß derjenige, der ATMAN kennt, alle Sorgen überwindet. Ich bin ein solcher, O BHAGAVAN, der in Sorge ist. Möge mich BHAGAVAN, der ich ein solch Sorgenvoller bin, zum anderen Ufer (des Wissens) führen."
-CHH. UPANISHAD, VII.1.3.

Selbst die höchste intellektuelle Wahrnehmung gehört lediglich zum Reich der Relativität. Kein menschliches Wesen kann den Anspruch erheben, allwissend zu sein, und so gibt es hier (auf Erden) auch keine Gelegenheit, sich seiner Verdienste zu erfreuen oder sich ihres Verlustes wegen zu grämen. Dies hier ist nicht das WIRKLICHE; nur DAS allein kann die Seele von den Sorgen befreien. Selbst der Tod ist kein Hindernis im Prozeß der WAHRHEITS-VERWIRKLICHUNG. Der Tod ist eine Umstellung des Bewußtseins zum Zweck der Anpassung an einen abweichenden Lebensstand. Die Liebe zur SELBST-ERKENNTNIS sorgt sich nicht um solch unbedeutende Phänomene wie Geburt und Auflösung des Körpers. Das Bedürfnis nach Höherer ERLEUCHTUNG ist ein ernsterer Gegenstand als die Geburt und der Tod einer (körperlichen) Hülle, so daß dem Streben nach dem ABSOLUTEN selbst die liebsten Objekte angesichts der größten Schmerzen und Verluste, die jemandem in dieser Welt zustoßen können, furchtlos geweiht werden. Es ist ein Fehler, sich für die verschiedenen Formen der Wahrnehmung in den mannigfaltigen Kategorien der relativen Erfahrung zu interessieren. Nichts ist auch nur einen Augenblick der Aufmerksamkeit wert, außer der VERWIRKLICHUNG BRAHMANS. Die angenehmste und süßeste Freude, die im Kontakt des Subjektes mit dem Objekt beruht, ist lediglich ein 'Bauch voller Schmerzen'; sie sollte der, im absoluten Sinne, wahren WONNE zuliebe vermieden werden.

"Das Gute ist das eine und das Angenehme ist das andere... Beide, das Gute und das Angenehme berühren einen Menschen. Prüfend unterscheidet der Weise diese beiden und wählt das Gute eher als das Angenehme; der verwirrte Mensch (dagegen) wählt das Angenehme und verfehlt damit sein Ziel."
-KATHA UPANISHAD, II. 1,2. 

Die Wunschzentren bewegen sich von einem Objekt zum anderen und der Freudensucher verbleibt stets in Unruhe. Die Kette der Seelenwanderung besteht ununterbrochen und wird durch zusätzliche Wünsche, von deren Erfüllung dummerweise Befriedigung erhofft wird, noch gestärkt. Inmitten von Unwissenheit und Dunkelheit, eingebildet, sich gelehrt fühlend, sucht das Individuum in den Sinnesobjekten, die andauernd die Formen und Eigenarten wechseln, den Frieden. Der objektive Wert in einem Objekt ist eine Erscheinung, hervorgerufen durch die formgebende Kraft des trennenden Willens, nämlich, sich selbst zu individualisieren und durch äußeren Kontakt zu vervielfältigen. Die Natur dessen, was wahrgenommen wird, wird stark durch die Natur dessen, was wahrnimmt, beeinflußt. In dem Moment, wo sich die Form des Wunsches verändert, scheint sich das Objekt ebenfalls zu verändern, um sich so den Forderungen des Bewußtseinszentrums, das den Wunsch im voraus projiziert, anzupassen. Was immer wir wünschen, das allein sehen und erhalten wir. Gemäß den Erfahrungen des Individuums kann nichts anderes im objektiven Universum existieren als das, was von dem Individuum in seinem gegenwärtigen Zustand der Selbst-Evolution gefordert wird, um die notwendigen Umformungen in sich selbst zum Zweck der VERWIRKLICHUNG eines HÖHEREN BEWUSSTSEINS von der EXISTENZ zu bewirken. Die Erkenntnis dieser Tatsache des Lebens läßt jemanden aus seinem Dämmerschlaf erwachen und danach streben, den Höhepunkt der ERFAHRUNG, wo jede weitere Transzendenz der Zustände aufhört, zu erreichen.

Die Einheit hinter der Verschiedenheit

Es scheint das Ziel des Subjektes in seinem Prozeß der wunschlosen Erkenntnis zu sein, das Objekt (der Bestrebung) zu werden. Je größer die Nähe des Objektes zum Subjekt ist, d.h., je geringer der Abstand zwischen Subjekt und Objekt, desto größer ist die davon abzuleitende Glückseligkeit, was uns darauf schließen läßt, daß die geringste Entfernung, ja mehr noch, daß der Verlust des Abstandes selbst, ein Zustand der Identität und der Unendlichen Einheit ist, wo die Dinge ihre Abgeschiedenheit verlieren, wo Wahrnehmung und Verhältnismäßigkeit nicht weiter bestehen, wo das Subjekt und das Objekt verschmelzen und wo reines "SEIN" die Wirklichkeit zu sein scheint, - wo der Aufenthaltsort HÖCHSTER WONNE sein sollte. Diese Bewußtseinsmasse ist ein Zusammenschluß von Wissen, und nicht mehr nur ein Erkenntnismittel, sondern ESSENZ, EXISTENZ und INHALT in Sich Selbst. Die UPANISHADEN sind eifrig bemüht, unsere Aufmerksamkeit auf diese Wahrheit zu lenken:

"Steht auf! Erwacht! Werdet Menschen der Weisheit, erkennt (ES)."
-KATHA UPANISHAD, III. 14

"Jene, die DAS kennen, werden unsterblich; die anderen bewegen sich zu den Sorgen hin."
-BRIH.UPANISHAD, IV. 4.14. 

Deshalb (auch) die imperative Aufforderung "Erkenne Dein SELBST". Die SVETASVATARA UPANISHAD betont, daß sich nur dann, "wenn Menschen, ohne Erkenntnis des GÖTTLICHEN SEINS, den Raum aufrollen, als sei dieser ein Stück Leder, Sorgen einstellen" (VI.20). Die UPANISHAD bejaht weiterhin, daß es nichts außer der ESSENZ des SELBST zu erkennen gibt, daß nichts höher ist als DAS und daß niemals etwas Größeres existierte. Es gibt keinen anderen Weg, - NA ANYAH PANTHA VIDYATE AYANAYA, - als diesen PURUSHA (HÖCHSTES WESEN) zu erkennen, DAS wie die Sonne über dem Reich der Dunkelheit der Unwissenheit scheint. ES zu kennen, heißt, gerettet zu sein. ES nicht zu kennen ist der Tod. Der einfache Mensch in dieser Welt hat seinen Verstand und die Sinne nach außen gewendet. Kindlich bemüht er sich um äußere Freuden und bewegt sich im Netz des Todes, welches alle erschaffenen Dinge durchdringt. Der Weise jedoch, der das UNSTERBLICHE kennt, sucht das EWIGE SEIN nicht hier zwischen den dahinflutenden Dingen. Einige Gesegnete wenden ihren Blick nach innen und erschauen das herrliche Licht des SELBST. Dieses SELBST ist liebreicher als das Liebreichste und näher als das, was allen Dingen am nächsten kommt. Spräche jemand von irgend etwas als liebreicher denn dem SELBST, würde er wahrlich dasjenige verlieren, was er als das Liebste ansieht. Allein das SELBST sollte als das Liebste verehrt werden. Wer allein das SELBST als das Liebste verehrt, verliert nicht, was er als das Liebste erachtet. Das SELBST ist UNZERSTÖRBAR. Weiterhin wird ausgeführt, daß wir die innewohnende Natur der Dinge erkennen, wenn wir ihnen auf den Grund gehen, womit gemeint ist, daß wir beim Ergreifen der Trommel oder des Trommlers auch den Klang ergreifen, der von der Trommel erzeugt wurde. Der Rückzug vom Netzwerk der Namen und Formen hin zum ursprünglichen WAHRHEITS-BEWUSSTSEIN wird durch die verschiedensten Vergleiche und Illustrationen erläutert:

"Dies sind die VEDEN, die die Brahmanen kennen. Dadurch kenne ich alles, was es zu erkennen gibt"
-BRIH.UPANISHAD, V. 1.1.

Viele von uns sind lediglich kindische Besserwisser, die auf unterschiedliche Weise in die vielfältige Unwissenheit versunken sind, und die stolz denken, ihr Ziel erreicht zu haben (VIDE MUND.UPANISHAD, I.2.9.)! Der Mensch dieser Welt, vielbeschäftigt mit den Spielzeugen seiner verrückten Träume, vergißt nach innen zum ANTARYAMIN-ATMAN zu schauen, welcher all die äußerlich manifestierten Formen beherrscht. Dieser ATMAN ist die große EINHEIT und deshalb die große FREIHEIT, denn:

"Wahrlich, aus der Dualität erwächst die Furcht."
-BRIH.UPANISHAD, I.4.2.

Die Verwirklichung der Einheit im Geist

Man muß über all das, was Dualität verursacht, - ja selbst über den Intellekt -, hinausgehen und in der TRANSZENDENTALEN STILLE Zuflucht suchen.

"Man sollte nicht zuviel mit Worten (darauf) einwirken, denn dies führt nur zum Überdruß der Sprache." "IHN kennend, sollte der BRAHMANE lernen zu entsagen und wie ein Kind still beiseite zu stehen ."

Der Intellekt ist der Sitz des Egoismus, Höchstes Lernen dagegen ist APARA VIDYA, - im Gegensatz zum Erlernen der Phänomene der Natur. Der Intellekt leuchtet nicht aus sich selbst und unabhängig vom SELBST, genauso wenig wie der Mond von irgendeinem anderen Licht als dem der Sonne erleuchtet wird. Das BEWUSSTSEIN wird durch den sich zerstreuenden Intellekt verwirrt und läßt die Wahrnehmung der Vielheit entstehen. "Alle anderen Worte abweisend, sollte nur auf ES meditiert werden - die Brücke zur UNSTERBLICHKEIT."

Vom Standpunkt eines Individuums aus ist es irreführend, die vielen Formen der Wahrnehmung ernst zu nehmen. Diese Formen fließen in der WAHRHEIT wie Blasen im Ozean. Sie können nicht abseits vom Ozean der WAHRHEIT existieren. In der CHHANDOGYOPANISHAD ist eine herrliche Erklärung darüber zu finden, wie der Wunsch der vollendeten Seele genau das auferstehen läßt, was immer sie begehrt. "Welches Ziel sie zu erreichen wünscht, welchen Wunsch sie sich wünscht, allein durch ihren Willen wird es geschehen" (VIII. 2.10.). Die Namen und Formen der Welt sind die Wirkungen der angehäuften Wunscheindrücke aller offenbarten und ‘nichtoffenbarten’ Individuen, die sie (die Welt) bewohnen. Da die Zerstörung aller Wünsche die Zerstörung aller Formen im Zustand der SELBST-VERWIRKLICHUNG bewirkt, sind die Formen unwirklich und abhängig von den Wunschimpulsen des gemeinsamen wahrnehmenden Bewußtseins. Es ist müßig, sich an der Geschäftigkeit des Lebens zu erfreuen, wie verlockend diese auch dem getäuschten Individuum erscheinen mag. Das Leid der Menschheit ist in der Unwissenheit von der WAHRHEIT verwurzelt und wirkliche Zivilisation, Kultur oder Renaissance von irgendeiner Art, die der Verbesserung der Menschheit dienen soll, kann die Tatsache nicht umgehen, daß solange kein dauerhafter Frieden auf Erden herrschen wird, solange die Geisteskräfte des Menschen im Sog der Anziehung der Mannigfaltigkeit gefangen und in der Unwissenheit bezüglich der WIRKLICHKEIT, welche allem gemeinsam ist, versunken sind. Da ist kein wirklicher Zweck in all der Kunst und Wissenschaft, in all der Tüchtigkeit des Intellektes oder in der Gewandtheit irgendeines Wissenszweiges, solange sich deren tänzerische Darbietungen im Gefängnis des physischen Bewußtseins abspielen. Selbst die höchste psychische Leistung befindet sich nicht außerhalb der Relativität, und die Psychologie ist den physikalischen Wissenschaften im Angesicht der spirituellen Erkenntnis darin gleich. Die mächtigste Heldentat ist gering im Vergleich zur wahren (Handlung), und der Stolz der menschlichen Intelligenz wird mit dem Ausruf der UPANISHADEN, daß das ABSOLUTE jegliches Verständnis täuscht, gedemütigt; - unfähig, ES zu erreichen, wendet sich das Denkvermögen von IHM ab. Das menschlicheWesen hat das geistige Reich noch nicht erforscht, - jenes Reich, das so ausgedehnt ist, daß es die aussichtslosen Bemühungen des selbstsüchtigen Individuums, es unter seine Kontrolle zu bringen, still belächelt. Die getäuschte Seele fürchtet den Tod ihres (physischen) Körpers; den Tod dessen, den sie als liebenswert erachtet. Sie liebt Objekte, welche keine wirkliche Befriedigung versprechen (können). Wahre Kultur strebt nach dem Erfassen der HÖCHSTEN WAHRHEIT, unabhängig davon, wieviel von der Welt dafür geopfert werden muß. Der kleinste Gewinn im Reich der WAHRHEIT birgt einen Verlust in der Welt der Erfahrungen in sich, - wenn dies überhaupt als Verlust zu bezeichnen ist. Wenn die Wacherfahrung ihren Platz nimmt, müssen die Traumobjekte verschwinden. Das herrliche Leben wird in dem Moment auf Erden heraufdämmern, wo die Individuen damit beginnen, in der grundlegenden SUBSTANZ der UNENDLICHEN WIRKLICHKEIT zu leben, die nicht nur metaphysisch, sondern auch metapsychisch ist. Die UPANISHADEN erklären, daß für diejenigen, die dahinscheiden, ohne die WAHRHEIT, - den ATMAN allen SEINS -, verwirklicht zu haben, keine Freiheit in den Welten zu finden ist; daß sie vielmehr ausgegliedert sind und sich mitleiderregend in all den Räumen umherbewegen. Jede wahre Zivilisation, wenn sie sich nicht selbst betrügen möchte, muß sich das Lendentuch der SELBST-VERWIRKLICHUNG umgürten. Die spirituell Strebenden sind nicht, wie allgemein angenommen, einige verwunderliche Menschentypen, die vom rechten Weg der allgemeinen intelligenten Menschheit abgeirrt sind. Vielmehr sind sie, andersherum betrachtet, die Creme der ganzen Menschheit. Der Wert eines Menschen ist gering, wenn er nicht nach der VERWIRKLICHUNG des EWIG GUTEN, und zwar nicht nur des Guten von dieser oder jener Menschenklasse, sondern des gesamten Universums, strebt. Alle Menschen befinden sich hier (auf Erden), damit sie sich absolut vollenden mögen. Dafür ist der Mensch mit Intelligenz ausgestattet, die ohne dieses Bestreben (nach Vollendung) ohne eigentliche Substanz ist. VOLLKOMMENHEIT ist die Erfahrung des ABSOLUTEN, I<, das BEWUSSTSEIN der WIRKLICHKEIT.