Über Religion
„Religion heißt, Gott im täglichen Leben zu begegnen“
„Religion ist weder Hinduismus, noch Christentum oder Buddhismus. Sie ist die Kunst, Göttlichkeit anzustreben“.
So und ähnlich lauten die 108 prägnante Thesen zum Thema Religion, Religiosität, Spiritualität und Philosophie aus verschiedenen Büchern und Vorträgen von Swami Krishnananda, die in diesem Heft zusammengefaßt sind. Sie bringen sehr schön zum Ausdruck, was das Wesen wahrer Religion sein sollte.
- Jeder Mensch, der das Gefühl hat, daß es etwas Höheres gibt
als er selbst, ist religiös. - Religiös oder spirituell zu sein bedeutet, sich der
Begrenztheit seiner selbst bewußt zu sein und das Bedürfnis
zu haben, diese Begrenzung zu überschreiten. - Die Bhagavad Gita ist allgemeingültig; sie ist nicht auf den
Hinduismus beschränkt und sie ist auch keine auf eine
bestimmte Religion bezogene Schrift. - Die Bhagavad Gita lehrt nicht die hinduistische Religion,
sondern Religiosität als solches. - Vertrauensvoll können wir sagen, daß Religion noch nie
gescheitert ist und auch nie versagen wird. Sie kann auch
nicht bedroht werden. - Äußerlich kann man Meditation als Religionsausübung
ansehen, innerlich ist sie Konzentration. - Das Ende bestimmt immer die Art der Mittel und
Möglichkeiten in Philosophie und Religion. - Äußerlich ausgeübte Religion ist der symbolische Ausdruck
eines verinnerlichten Grundsatzes. Das ist wirkliche Religion
und darauf richten die Upanishaden unseren Geist. - Ein Hindu würde vom rein religiösen Standpunkt aus
Mohammed und Jesus Christus nicht als Inkarnationen
Gottes betrachten. Aber aus höchster transzendentaler Sicht
ist jeder eine Inkarnation des einen Wesens. - Gottesfurcht gilt als Anfang von Religiosität.
- Für Gott gibt es keine Weltlichkeit und keine Religion. Man
kann nicht sagen, Gott sei eine weltliche oder eine spirituelle
Persönlichkeit. - Glauben, Vernunft und Erfahrung, Theorie und Praxis,
Kunst und Religion, Liebe und Wohltätigkeit, Reinigung,
Nachdenken, Meditation und Verwirklichung gehen in
Philosophie und Lehre von Swami Sivananda ineinander
über und ergänzen sich. - Die Upanishaden führen uns von weltlichen Vorstellungen
über religiöse Verehrung zu spirituellen Vorstellungen. - Gott liebt dich und du liebst Gott. Das ist Religion. Das ist
Yoga. - Höhere Religion ist die eines Heiligen, der sich selbst mit der
Wirklichkeit identifiziert. - Es ist falsch, anzunehmen, Religion sei nicht weltlich und so
die Bedeutung und die vielfältigen Anforderungen des
vergänglichen weltlichen Lebens außer acht zu lassen. - Es gibt keine unreligiösen Augenblicke im Leben.
- Wenn das Leben zu einem gesunden Ganzen werden soll,
muß der Geist religiöser Verehrung und Meditation das
weltliche Leben ganz durchdringen und sättigen. - Wenn wir ein zielbewußtes, sinnerfülltes Leben führen,
können wir sagen, daß das Religion ist. - Auf dieser Welt, ohne die der Mensch nicht einmal existieren
könnte, ist das Leben selbst Religion. Alle anderen
Wissenschaften sind Kinder dieser höchsten Wissenschaft. - Es ist der Geist Gottes, der uns retten kann. Und wenn wir
diesen Geist Gottes in unser tägliches Handeln und
Benehmen einfließen lassen, kann das als Religion
betrachtet werden. - Karma hat in Religion und Philosophie eine besondere
Bedeutung. - Der Mensch kann gar nicht anders als religiös sein.
- Keine Religion behauptet offensichtlich, daß Gott schön sein
muß. - Kein großer Heiliger oder Weise hat je solche unsinnige
Dinge begangen oder würde ihnen je anhängen, wie sie die
mißverstandene Interpretation von Religion mit sich bringt. - Nur eine vollständige Sicht des Lebens gibt uns eine
tiefgründige Philosophie und zufriedenstellende Religion. - Die Philosophie und Religion von Swami Sivananda sind die
Philosophie und Religion der Menschheit als Ganzes. - Sie faßt das Evangelium von Religion und Religiosität
zusammen als „Dein eigenes Selbst zu verwirklichen“. - Wenn der Intellekt sich machtlos und niedergedrückt fühlt,
richtet die Religion ihn wieder auf mit der Vorstellung eines
allmächtigen Gottes. - Philosophie steht nicht im Gegensatz zu Religion. Andererseits
ist sie die Lampe, die die Ecken der Religion sowohl
außen als auch innen ausleuchtet. - Prana-Agnihotra (Feueropfer) ist eine religiöse Handlung für
jemanden, der der Vaishwanara-Philosophie anhängt und
über das kosmische Wesen meditiert. - Religion und Yoga ergänzen sich. Sie werden eins, indem sie
die ganze Persönlichkeit in Richtung auf den großen
Schöpfer des Weltalls hin erheben und transformieren. - Religiöse Gruppen- und Sektenbildung dient demselben
Zweck wie politische Gruppen in Form von Parteien oder
Nationalitäten. - Religion umfaßt das Leben in seiner Gesamtheit.
- Religion ist Opfer. Sie ist die Widmung und Hingabe seiner
selbst. - Religiöse Erfahrung ist auf eine sehr wichtige Weise
gleichbedeutend mit kosmischer Erfahrung. - Religion ist die Einstimmung des Menschen als Ganzes auf
die Realität als Ganzes. - Der Same der Religion ist das „Du“ oder „Ich“.
- Religion ist tatsächlich das Leben in seiner Gesamtheit.
- Es gibt weder „deine“ noch „meine“, weder östliche noch
westliche Religion. Es gibt in Wirklichkeit nur eine einzige
Religion. - Entfernt man die Religion, so entfernt man damit die Seele.
- Religion ist die Wissenschaft von der Seele. Sie ist nicht der
Hinduismus, das Christentum, der Islam, usw. Das sind
keine Religionen in diesem Sinne. - Religion ist etwas, das wir nicht verstandesmäßig erfassen.
Deshalb nennen wir sie „Opium“. Wir wissen nicht, was die
Welt wirklich ist und nennen es „Realität“. Und wir wissen
nicht, was wir selbst sind! - Religion kann nicht bedroht werden und wir müssen vor
einer solchen Möglichkeit keine Angst haben. - Religion ist fälschlicherweise als Liebe zu Gott, unter
Ausschluß der Welt, interpretiert worden und Weltlichkeit
ist fälschlicherweise als Liebe zur Welt unter Ausschluß
Gottes definiert worden. - Religion ist der Körper und die Philosophie ist das Leben
darin. - Religion ist heutzutage meistens eine reine
Sonntagsangelegenheit, die mit dem restlichen Leben in
keinerlei Zusammenhang und Verbindung steht. - Religion ist die Beziehung zwischen den drei grundlegenden
Prinzipien Gott, Welt und Individuum. - Religion ist praktische Philosophie. Philosophie ist
theoretische Religion. - Religion ist nicht gleichbedeutend mit einer Ablehnung und
Verleugnung des Lebens. - Religion bedeutet Fühlen, Erkennen, Erfahren. Philosophie
bedeutet endloses Suchen und Forschen, In-Frage-Stellen,
Fragen. - Religion ist der Yoga bewußter Entwicklung. Unbewußte
Weiterentwicklung wird natürliche Evolution genannt. - Eine Art von Religion ist so gut wie die andere. Ein Weg zum
Höchsten ist so gut wie jeder andere. - Wir brauchen verschiedene Religionswege. Denn dasselbe
Kleidungsstück kann nie allen Menschen passen. Charakter
und individuelle Prägung sind von Mensch zu Mensch
unterschiedlich. - Religion ist nichts Besonderes, keine Ausnahme. Vielfalt ist
das Prinzip der Schöpfung. - Man kann Religion besser verstehen, je mehr man sie
praktiziert. - Wahre Religion bringt Heilige und Yogis hervor statt
Tempel, Moscheen und Kirchen. - Religion im höchsten Sinne bedeutet, anderen Gutes zu tun.
- Es gibt viele Religionen, aber echte Anhänger gibt es nur
wenige. - Religion als äußere Organisationsstruktur ist eine
gesellschaftliche Erscheinung. Religion als innere
Einstellung und tägliche Praxis mit ihrer geheimnisvollen
folgerichtigen Dynamik ist eine spirituelle Erscheinung. - Religion und Yoga bedeuten praktisch dasselbe.
- Religion und Yoga sind, bei richtigem Verständnis, nicht
voneinander zu trennen. - Religion ohne Yoga wäre nichts als eine leere Schale ohne
jeglichen spirituellen Inhalt. - Trennt man Religion von Philosophie, dann verkommt sie zu
Aberglauben, so wie Wirtschaft ohne Philosophie zur
Ausbeutung und Politik zu Tyrannei entartet. - Religion fängt an, wenn wir ein Blatt opfern oder einen
Wassertropfen auf einen Stein gießen und dabei in diesem
Stein Gott sehen. - Wahre Religion ist Gewahrsein der Gegenwart des Höchsten
Wesens. - Religion beginnt, wo das intellektuelle Verständnis aufhört,
wo die Vernunft scheitert. - Religion ist lebendige Wirklichkeit, nicht nur die gedankliche
Vorstellung oder akademische Analyse der Wirklichkeit. - Religion leben heißt, Gott gegenüberzustehen und Ihm im
täglichen Leben zu begegnen. - Religion ist der Philosophie überlegen, wenn man Religion in
ihrem wahren Sinn versteht. - Religion ist weder Hinduismus, noch Christentum oder
Buddhismus. Sie ist die Kunst, Göttlichkeit anzustreben. - Religion bedeutet nicht, daß man eine Glocke läutet, ein
Licht schwenkt oder ein Mantra singt. Sie ist die Begegnung
mit dem Göttlichen von Angesicht zu Angesicht. - Religion ist das Dahinschmelzen des Individuums wie Eis an
der Sonne. - Ein religiöses Leben ist eine schrittweise Annäherung an
Gottesbewußtsein. - Religion bedeutet Gott zu erfahren, Gott zu sehen, in Gott
einzutreten. - Wenn wir wirklich beginnen, ein religiöses Leben zu führen,
werden wir tatsächlich Kinder Gottes. - Spiritualität ist unvergänglich, während die weltliche
Struktur von Religionen vergänglich und den wechselnden
Bedürfnissen des menschlichen Geistes angepaßt ist. - Religion ist der Weg zur Vollkommenheit. Daher verliert der
religiöse Fanatismus, den wir im allgemeinen an der
Oberfläche brodeln sehen, die Bedeutung wahrer Religion. - Religion und Ethik sind die Flügel des Menschen, der
versucht, das Reich des Unbekannten zu durchdringen. - Religion und Philosophie sind untrennbar.
- Religion ist kein wunderlicher Einfall der Menschen oder ein
Ergebnis von Furcht und auch keine gesellschaftliche
Notwendigkeit, sondern die Antwort auf ein lebendiges
Drängen der Sehnsucht unseres Bewußtseins und ist weder
der Vernunft noch der Wissenschaft intellektuell zugänglich. - Der spirituelle Inhalt der Epen und Puranas
(Göttergeschichten, klassische heilige indische Schriften)
unterscheidet sich vom ausgetretenen Pfad logischer Philosophie, denn er bringt eine ewige, unvergängliche
Bedeutung in einen vergänglichen, weltlichen Rahmen. - Der Hauptteil der Religion ist Theologie. Theologie ist die
Bezeichnung für in der Praxis angewandte Philosophie. - Religion ist, wenn man das Vorhandensein und das Wirken
einer übernatürlichen Wirklichkeit auch im Irdischen spürt. - Religion ist weder eine gesellschaftliche Praxis noch eine
menschliche Erfindung, sondern das immerwährende Wirken
zeitlosen Seins. - Die indische Religion beginnt mit dem Studium des Rig-Veda
(Rig = Vers, Veda = Wissen; Rigveda = die älteste der vier
vedischen Textsammlungen), der als ältester heiliger Text
der alten indischen Kultur angesehen wird. - Die Lehre des Yoga entstand in spiritueller Ekstase durch
tiefe Versunkenheit in Gott und wurde in den Raja-Yoga-
Sutras von Patanjali zusammengefaßt. - Religionen sowie gesellschaftliche und politische
Einrichtungen dienten ursprünglich alle dazu, die
schrittweise Entwicklung des Einzelnen in Richtung auf die
Verwirklichung der spirituellen Einheit entsprechend seinen
individuellen Fähigkeiten und Neigungen zu fördern. - Tiefes religiöses Fühlen und Versenkung führen gelegentlich
zur Vision des Virat, des kosmischen Gemütes. - Religion muß sich über reine Erkenntnis hinaus ausdehnen
und die emotionellen Bedürfnisse des Menschen befriedigen. - Die hinduistische Religion war in der Lage, den Angriffen
fremder Kulturen zu widerstehen und durch die Wechselfälle
der Zeit hindurch bestehen zu bleiben. - Die indische Religion dient nicht nur dem Intellekt oder der
Vernunft oder einem erfahrungsgemäßen Bedürfnis, sondern
der Menschheit an sich. - Die Religion des normalen Hindu ist das, was in den Epen
und Puranas beschrieben ist. - Wenn ein gläubiger Inder zu Gott betet oder auch wenn er
über Gott meditiert, dann ist seine Gottesvorstellung
üblicherweise die des Gottes aus den Epen und Puranas. - Die religiösen Feste und Zeremonien, Rituale, Gelübde und
Gebräuche, die in ganz Indien praktiziert werden, haben
ihren Ursprung in den Beschreibungen dieser Art von
Literatur, die Valmiki (indischer Heiliger; Verfasser des
Epos‘ Ramayana) und Vyasa (einer der großen Rishis = Seher
und Autor der Veden, der ältesten indischen Schriften)
zugeschrieben wird. - Die Religion der Bhagavad Gita ist keine sektiererische
Doktrin nur für einen bestimmten Teil der Menschheit,
sondern ein Ruf des einen einzigen Gottes an die ganze
Menschheit. - Religiöser Fanatismus entsteht, wenn sich die Hingabe zum
eigenen Gottesideal mit Haß für die Ideale anderer
vermengt. - Religion in ihrer höchsten Form ist Kontemplation des
Absoluten. - Das Hauptanliegen der Religion ist es, die Herzen aller zu
einem einzigen Ganzen voll spiritueller Kraft zu vereinigen. - Da alle Menschen in die Religion einbezogen sind, ist auch
das ganze Leben in die Religion einbezogen. - Solange man sich einer einzigen Religionsgemeinschaft
zugehörig fühlt, ist man nicht im eigentlichen Sinne religiös.
Identifiziere dich selbst nicht als Hindu oder Christ, usw. - Ohne Ishwara (eine persönliche Gottesvorstellung) gibt es
keine Religion. Daher dient Ishwara als ein Schritt zur
Verwirklichung von Nicht-Dualität. - Jede Reaktion des Menschen auf das Universum ist Religion.
- Ohne Religion zu leben hieße, ohne Seele zu leben.
- Was auch immer die Beschäftigung eines Menschen im
Leben sein mag, das muß seine Religion werden, sein Weg zu
Gott, das muß in Verehrung des göttlichen Ideals
transformiert werden. - Im Zustand der Meditation leben wir Religion, denn Religion
ist die Verbindung zwischen dem Menschen und Gott,
zwischen der Seele und dem Absoluten. - Ohne Religion gibt es kein Leben.
- Man vereinigt sich selbst mit diesem einen Wesen. Dann hat
man keine Probleme. Das nennt man Yoga, Spiritualität,
Religion oder Meditation und das ist das Ziel des Lebens.
Auszüge aus einer Auswahl von Büchern
von Shri Swami Krishnananda Maharaj
Gesammelt und zusammengefaßt
von Shri Hamsananda Swamiji
Copyright der englischen Originalausgabe:
The Divine Life Trust Society
P.O. Shivanandanagar – 249 192
Distt. Tehri-Garhwal, U.P., Himalayas, Indien
Copyright dieser deutschen Ausgabe 2004:
Yoga Vidya Verlag / Yoga Vidya GmbH
Yogaweg 7
D-32805 Horn-Bad Meinberg
Aus dem Englischen übersetzt und herausgegeben vom
Bund der Yoga Vidyalehrer e.V.
All Copies for free distribution
Kostenlos erhältlich bei
Yoga Vidya Verlag / Yoga Vidya GmbH
Yogaweg 7
D-32805 Horn-Bad Meinberg
Aus dem Englischen übersetzt und herausgegeben
vom Bund der Yoga Vidyalehrer e.V.