Swara-Yoga ist ein faszinierender Teil von Kundalini-Yoga. Swara heißt „Fluss“, „Nasenlochatem“, „Betonung“. Swara Yoga beschäftigt sich mit der Verbindung der Nasenlochdominanz mit den drei Haupt-Nadis und mit der praktischen Anwendung dieses Wissens.
Ida, Pingala und Sushumna spielen dabei eine besondere Rolle. Prana fließt abwechselnd vornehmlich durch einen der drei Kanäle, die meiste Zeit durch Ida oder durch Pingala. Je nachdem, durch welchen der beiden Kanäle Prana vorrangig fließt, manifestiert sich das Prana als Sonnen- oder als Mondenergie.
Es gibt einen einfachen Test, um herauszufinden, ob momentan gerade Ida oder Pingala offener ist: Ist das linke Nasenloch stärker offen, so fließt Prana stark durch Ida-Nadi und die Mondenergie ist besonders aktiv. Ist das rechte Nasenloch stärker offen, so fließt Prana durch Pingala; die Sonnenergie ist besonders aktiv. Meist ist es leicht spürbar, welches Nasenloch offener ist. Manchmal ist der Unterschied minimal. Dann kann man zwei einfache Tests machen, um trotzdem zu spüren, welches Nadi gerade offener ist: Halte den Handrücken etwa fünf Zentimeter vor die Nase. Atme vollständig und zügig aus. Meist spürst du am Handrücken, auf welcher Seite der Atem stärker ausströmt. Zweite Möglichkeit: Schließe das rechte Nasenloch mit dem rechten Daumen. Atme mehrmals hintereinander stoßweise durch das linke Nasenloch aus. Dann schließe das linke Nasenloch mit dem rechten Ringfinger. Atme mehrmals hintereinander stoßweise durch das rechte Nasenloch aus. Du wirst so sehr schnell spüren, welches Nasenloch offener ist.
Normalerweise wechselt die Nasenlochdominanz alle ein bis zwei Stunden. So ist bei den meisten Menschen ein bis zwei Stunden lang die Sonnenergie aktiver, dann ein bis zwei Stunden lang die Mondenergie und so weiter. Beim Wechsel von Ida zu Pingala beziehungsweise von Pingala zu Ida gibt es ein paar Augenblicke, in denen beide Nasenlöcher gleich weit geöffnet sind. Das sind die Momente, in denen das Prana durch die Sushumna fließt und der Mensch von Ruhe, Freude und Kraft durchströmt wird. Wenn die Nasenlochdominanz sich in einem solchen harmonischen Rhythmus abwechselt, ist das Energiesystem im Gleichgewicht.
Aus der Erkenntnis, dass Nasenlochdominanz und Nadi-Dominanz korrelieren, gibt Swara-Yoga eine Reihe von Empfehlungen, gerade auch für die Heilung von starken Ungleichgewichten: Es gibt Menschen, die die ganze Zeit hauptsächlich durch ein Nasenloch atmen. Eine Nasenscheidewandverkrümmung, einseitige Polypen oder Schleimhautschwellungen können Ursachen dafür sein. Dies kann zu einem energetischen Ungleichgewicht führen. Oder es gibt zunächst ein energetisches Ungleichgewicht, das dann zu einer anatomischen Veränderung führt. Medizinisch ist bekannt, dass Menschen, die beständig ein Nasenloch weitestgehend verschlossen haben, vermehrt unter Erkältung, Schnupfen, Stirn- und Nebenhöhlenentzündungen leiden, weil durch die mangelnde Belüftung Bakterien- und Virenherde entstehen.
Swara-Yoga erklärt zusätzlich, dass jemand, der beständig das rechte Nasenloch offener und das linke Nasenloch verschlossener hat, eine übersteigerte Sonnenenergie und eine schwächere Mondenergie hat. Das kann zu Hitzegefühlen, Unruhe, Reizbarkeit, Entzündungen, häufigem Fieber und so weiter führen, also zu vielen Symptomen, die im Ayurveda einem Übermaß an Pitta zugeordnet werden.
Wer beständig das linke Nasenloch offener hat, leidet unter übersteigerter Mondenergie. Das kann zu Kältegefühlen führen, zu Antriebslosigkeit, Übergewicht, mangelndem Durchsetzungsvermögen, Neigung zu Depressivität und mangelndem Selbstvertrauen.
Diese energetischen Ungleichgewichte sind über verschiedene Methoden heilbar:
Wenn gar nichts anderes hilft, und du tatsächlich an oben beschriebenen Energieungleichgewichten in Verbindung mit Erkältungsanfälligkeit leidest, hilft oft eine operative Nasenscheidewandbegradigung oder Polypenentfernung. Lasse diesen Eingriff aber nur machen, wenn du die anderen Möglichkeiten wirklich ausgeschöpft hast und tatsächlich manifeste Leiden verspürst. Es gibt auch Menschen mit einer einseitigen Nasenlochdominanz, bei denen sich das energetisch weniger stark oder gar nicht auswirkt.
Wenn du bei einer Krankheit feststellst, dass sie mit stundenlanger Dominanz eines Nasenloches einhergeht, kannst du davon ausgehen, dass die Krankheit mit einem Energieungleichgewicht einhergeht. Hier kannst du die Krankheit oft heilen oder lindern, indem du das offenere Nasenloch ein paar Stunden mit einem Wattebausch verschließt. Oder du kannst dich so auf die Seite legen, dass das inaktivere Nasenloch oben ist und sich so zügig wieder öffnet. Dadurch wird die schwächere Energie wieder stärker und kann bei der Heilung mitwirken.
Interessant ist auch die Anpassung der Aktivitäten an die Nasenlochdominanz und damit die Nadi-Dominanz: Manche Aufgaben des Alltags sind effektiver anzugehen, wenn die Sonnenenergie aktiver ist, andere Aufgaben fallen leichter, wenn die Mondenergie aktiver ist.
Wenn das linke Nasenloch aktiv ist, fließt das Prana durch Ida-Nadi. Dann ist Chandra-Prana, die Mondenergie, aktiver. Die Mondenergie steht für weibliche Energie, für Empfangen, das Intuitive, das Verstehen.
Daher gelten folgende Aktivitäten als Erfolg versprechend, wenn das linke Nasenloch offener ist:
Folgende Aktivitäten werden empfohlen, wenn das rechte Nasenloch offener und damit die Sonnenergie (Surya) stärker ist:
Beim Geschlechtsverkehr gilt es als günstig, wenn der Mann das rechte Nasenloch und die Frau das linke Nasenloch offener hat.
Wenn beide Nasenlöcher gleich offen sind, ist das ein Zeichen, dass das Prana durch die Sushumna, die feinstoffliche Wirbelsäule fließt. Das ist die beste Zeit für die Meditation. Wenn du am Tag diesen Moment spürst, solltest du zumindest einen Augenblick bewusst deinen Geist auf die Unendlichkeit des Selbst richten oder auf die Großartigkeit der Liebe Gottes.
Es lässt sich auch ändern, welches Nasenloch gerade offener ist. Nicht immer kann man abwarten, bis das richtige Nasenloch geöffnet und somit die richtige Energie aktiv ist. Manchmal muss eine bestimmte Tätigkeit sofort oder doch in ein paar Minuten ausgeführt werden. Für diese Fälle kann man mittels bestimmter Techniken das gewünschte Nasenloch öffnen. Es gibt folgende Möglichkeiten, um das linke Nasenloch zu öffnen und damit Ida-Nadi und die Mondenergie zu aktivieren. Um das rechte Nasenloch zu öffnen, musst du einfach die unten stehenden Anweisungen seitenverkehrt ausführen. Für verschiedene Menschen wirkt die eine Technik besser als die andere. Wenn du ein paar Mal geübt hast, geht die bewusste Umpolung der Nasenlochaktivität immer leichter.
Jetzt wäre es aber verfehlt, den ganzen Tag ständig die Nasenlochaktivität willkürlich ändern zu wollen. Bei zu viel Manipulation kann das Energiegleichgewicht durcheinandergeraten. Aber eine gelegentliche Beeinflussung der Energiedominanz kann vieles im Leben mit wenig Aufwand viel effektiver werden lassen.
Menschen, die regelmäßig Pranayama, Yoga-Atemübungen, praktizieren, werden oft feststellen, dass sich das dominante Nasenloch automatisch an die Aktivität anpasst, dass sich beispielsweise beim Essen automatisch das rechte Nasenloch öffnet. Eine besondere Rolle spielt beim Ausgleich der Nadis die Wechselatmung, Anuloma Viloma („Ein-Nasenloch-anderes-Nasenloch-Atmung“) oder auch Nadi Shodhana („Reinigungsübung für die Nadis“) genannt. Diese Übung geht wie folgt:
Setze dich gerade hin, Augen geschlossen. Hebe die rechte Hand. Beuge Zeige- und Mittelfinger. Schließe mit dem rechten Daumen das rechte Nasenloch. Atme durch das linke Nasenloch vier Sekunden lang ein. Dabei geht der Bauch nach vorne. Fülle die Lungen zu etwa 3/4. Schließe beide Nasenlöcher mit Daumen und Ringfinger und halte die Luft vier Sekunden lang an. Öffne das rechte Nasenloch und atme durch das rechte Nasenloch acht Sekunden lang aus. Leere die Lungen dabei (fast) vollständig. Halte das linke Nasenloch geschlossen und atme durch das rechte Nasenloch vier Sekunden lang ein. Schließe beide Nasenlöcher und halte die Luft vier Sekunden lang an. Öffne das linke Nasenloch und atme acht Sekunden lang durch das linke Nasenloch aus. Dies ist eine Runde. Übe mindestens drei bis acht Runden. Du kannst bis auf zwanzig bis dreißig Minuten steigern, wenn du willst. Beginne mit dem Verhältnis Einatmen: Anhalten: Ausatmen von 4:4:8. Steigere es langsam auf 4:8:8, dann auf 4:12:8, schließlich 4:16:8. Fortgeschrittene können sogar auf 5:20:10, 6:24:12, 7:28:14, 8:32:16 ausbauen.
Diese Übung hilft, die drei Haupt-Nadis Ida, Pingala und Sushumna zu reinigen und auszugleichen. Wer regelmäßig die Wechselatmung macht, wird feststellen, dass sich der ein- bis zweistündige Wechselrhythmus von Sonnen- und Monddominanz bald wie von selbst einstellt. Energieungleichgewichte werden behoben. Das Energiesystem kann sich auch leichter auf die zu erledigenden Aufgaben einstellen (dann öffnet sich beispielsweise beim Essen das rechte Nasenloch von selbst). Vom Yoga-Standpunkt aus besonders wichtig: Die Sushumna öffnet sich stärker, nämlich beim Anhalten des Atems, was die Fähigkeit zu Meditation und Konzentration steigert.