Swami Krishnananda:

Antwort auf deine Fragen

Kapitel 56

Nachdem der Guru seinen Körper verlassen hat

John: Mein Problem ist, daß ich mich in meinem Herzen niemals sicher gefühlt habe, am richtigen Platz zu sein. Mein Guru, Paramahansa Yogananda, ist nicht in seinem Körper, so daß ich nur mit seinen Vertretern zusammen getroffen bin und mich dabei nie wirklich sicher gefühlt habe......

Swamiji: Er wäre selbst dann nicht in seinem Körper gewesen, wenn Du ihn gesehen hättest. Selbst da war er nicht im Körper. Die Menschen verehren ihre Eltern und hängen zur Erinnerung ein Photo an die Wand ihres Hauses; doch wenn die betreffende Person ihren Körper verläßt, wird das, was auf dem Foto abgebildet ist, entweder begraben oder verbrannt. Wer war nun derjenige, den man verehrte? War er die, für die Augen sichtbare und anhand der Photographie verehrte Person oder war sie etwas ganz anderes?

Wenn man jene Person als diejenige betrachtet, die man mit eigenen Augen gesehen hat, und wenn sie keine Bedeutung mehr hat, dann ergibt es keinen Sinn, diese Person quasi als wert- und bedeutungslos dem Fluß, dem Feuer oder der Erde zu übergeben; wenn der Mensch jedoch, an den man sich erinnert, nicht derjenige ist, den man mit eigenen Augen gesehen hat, dann beantwortet sich die Frage von selbst.

Es ist wie mit dem Wert eines Geldscheines, - ein auf Wahrnehmung beruhender Unterschied. Ein Geldschein ist nur ein Stück Papier, dessen Wert geringer als ein halber Pfennig ist, und dennoch kann es für Dich ein Tausenddollarschein sein. Woher kommt dieser Wert? Wenn der substantielle Wert, den man in der Hand hält, nicht einmal ein halber Pfennig ist, wie kommt es zur begrifflichen Aufwertung auf Eintausend Dollar? Der Wert ist also begrifflich und auf Wahrnehmung beruhend und abschätzbar, - nicht materiell, physikalisch und auf den Augenschein bezogen. Dies ist auf alles anwendbar, was wir in der Welt sehen, einschließlich des menschlichen Daseins und Gott Selbst.

Das Sichtbare entspricht nicht der Wirklichkeit; das Unsichtbare ist die Wirklichkeit. Dies erfordert einige Zeit der Überlegung und Abschätzung. Normalerweise denken wir nicht in diesen Mustern. Wir denken in den Bedingungen der Sinnesorgane, der physikalischen Objekte, der greif- und sichtbaren Dinge und glauben nicht, daß der tatsächliche Wert der Dinge nicht in dem ist, was sichtbar ist, sondern nur in unserem Denken.

Der Wert des Geldscheins ist in den Gedanken. Es handelt sich dabei nicht um den Wert der physikalischen Substanz. Man mag sogar ein Zertifikat mit einer Unterschrift des Bankdirektors über eine Einlage von der Bank haben, und doch befindet sich das Geld nur auf der Bank und nicht in der eigenen Hand. Man hat nur eine Unterschrift des Bankdirektors, und dennoch betrachtet man dieses Papier, als hätte man die ganze Welt in der Hand. Das Papier ist wertlos, es sei denn, man glaubt mit seinem Verstand an diesen Wert.

Alle Werte sind geistig, psychologisch, ideell und basieren auf dem Bewußtsein. Letztendlich sind nicht die sichtbaren Dinge, sondern nur das Bewußtsein Wirklichkeit. Du selbst bist nicht der Mensch, der vor mir sitzt und zu mir spricht. Keines dieser beiden abgegrenzten Bereiche der Beziehung in dieser Konversation kann als das Sprechen eines Körpers mit einem anderen betrachtet werden, - nichts dieser Art. Es spricht weder ein Körper mit dem andern, noch hört ein Körper dem anderen zu, vielmehr ist es das eigene Bewußtsein, das wahrnimmt, in welcher Art und Weise das andere Bewußtsein handelt. Es ist eine Konversation zwischen zwei abgegrenzten Bereichen des Bewußtseins, und diese können auf ewig dort sein, selbst wenn die Sichtbarkeit nicht mehr gegeben ist. Verstehst du diesen Punkt?

John: Ich nehme an, daß das Bewußtsein des Meisters vollkommen ist. Das Problem besteht darin, daß ich es nicht weiß.

Swamiji: Der Unterschied liegt nur darin, daß es ihm bewußt und Dir nicht bewußt ist, doch die Sache bleibt sich gleich. Du bist auch eine unsichtbare Wirklichkeit, obgleich es Dir möglicherweise nicht bewußt ist.

John: Sollte ich darum meine Bemühungen im Sadhana verdoppeln?

Swamiji: Ja, ja. Wir versuchen viele gute Dinge in dieser Welt zu erreichen, damit wir möglicherweise in einer besseren Zukunft die Früchte dafür ernten. Wenn uns keine Früchte aus den guten Taten zufallen, haben diese guten Taten keine Bedeutung. Wann will man nun die Früchte der guten Taten ernten, wohl wissend, daß die physikalische Existenz in dieser Welt widerruflich ist? Niemand weiß, wie lange er lebt. Wer wird in Kenntnis der Zerbrechlichkeit des physikalischen Körpers im Vergleich zur Hoffnung, diese Früchte guter Taten in der Zukunft zu ernten, wirklich ernten? Es ist nicht dieser Körper, was eine offenkundige Demonstration dafür ist, daß man selbst nicht der Körper ist.

Wenn man davon spricht, daß man die Früchte seiner guten Taten ernten wird, so spricht nicht der eigene Körper. Der Körper kann so etwas nicht sagen, denn er wird es nicht erleben, die Früchte jener guten Taten zu ernten. Er wird nicht einmal dorthin gehen können, wo die Früchte verteilt werden. Aus diesem Grunde ist es der Geist, das Bewußtsein, das spricht. Es ist das Bewußtsein, das uns sagt, daß man Gutes tun sollte, damit man eine gute Zukunft hat, und diese Zukunft ist für das Bewußtsein und nicht für den physikalischen Körper. Darum hat der physikalische Körper letztendlich keinen Wert. Er ist nur ein Fahrzeug, und der Lenker des Fahrzeugs ist wichtiger als das Fahrzeug selbst.