Vers 28

Aanaa Amudhe Ayilvel Arase
Jnaanaakarane Navilath Thagumo
Yaanaagiya Ennai Vizhungi Verum
Thaanaai Nilai Ninradhu Tharparame


O unverderblicher himmlischer Nektar! O König mit dem scharfen Vel!
O Verkörperung von Weisheit! Was (gibt es) noch zu sagen?
Das was „mich“ das Individuum einfach geschluckt hat,
Als reine Existenz, war die transzendente Wirklichkeit.


„O unverderblicher himmlischer Nektar! O König mit dem scharfen Vel!  O Masse aus Weisheit! Kann (noch) etwas gesagt werden? (Nein! Weil) Indem (meine) Individualität geschluckt wurde, die die Ichheit bildet, war „Das“, was als „reine Existenz“ war, die transzendente Wirklichkeit selbst.“

Erklärung:

Dies ist ein wunderschöner Vers, indem der heilige Arunagiri die drei Erfahrungen in der letzten Stufe der Meditation offenbart, die der Erreichung des nicht dualen Zustands vorangehen, der nur erfahren, aber nicht ausgedrückt werden kann. Die drei Stufen der Erfahrung werden als „unverderblicher Nektar“, „König mit dem scharfen Vel“ und „Verkörperung der Weisheit“ beschrieben.

Wenn man sich, nachdem man die Sinnesobjekte zurückgewiesen hat, weil man ihre vergängliche Natur vollständig erkannt hat, mit ganzem Herzen Gott zuwendet, kommen im Laufe der Zeit und durch die Gnade Gottes, die oben beschriebenen Erfahrungen zu dem Sadhaka.

Maßloses genießen von Sinnesobekten erzeugt Ekel, trägt die Sinne hinweg und führt zu allerlei Nöten. Nicht so mit Gott. Je mehr man sich Gott hingibt, desto mehr Freude fühlt man. Es gibt keine abstoßende Reaktion von Gott wie im Falle der Objekte. Der Gedanke an Gott bringt eine spezielle Art der Freude, die man von keinem Objekt in der Welt bekommen kann. Der Geist, der an Gott denkt, geht mehr und mehr in Ihm auf und er wird als Göttlicher Nektar erfahren, der süßer und süßer wird, wenn man ihn kostet. Die Freude der Kontemplation über Gott ist so süß, dass der Verehrer ihn nicht einmal für einen Moment vergessen will. Dies ist die erste Erfahrung, wenn auch eines weit fortgeschrittenen Zustands in der Meditation. Hier wird Gott mit Nektar verglichen; wenn Du ihn einmal gekostet hast, wird er dir immer in Erinnerung bleiben und dich wieder und wieder anziehen. Ebenso ist es mit der Erfahrung Gottes, die den Geist durchdringt und ihn mehr und mehr zu sich hinzieht. Dies ist die erste Stufe.

Die zweite Stufe wird dann als „König mit dem scharfen Vel“ beschrieben. Der Vel repräsentiert Weisheit und wird oft mit Gott gleichgesetzt, der eine Verkörperung von Wissen ist. Der Vel ist immer mit Gott verbunden –eins mit Ihm und praktisch untrennbar von Ihm – und dennoch hat er eine eigene Individualität.

Der Vel (Speer) hat einen langen Schaft und sein Blatt ist in der Mitte breit und scharf an der Spitze. Das meditative Bewusstsein im höheren Bereich der Meditation ist wie der Vel – tief im Denken, breit in der Sicht und scharf im Verstehen. Die Freude, die auf der ersten Stufe erfahren wird, zieht den Jiva mehr und mehr zum Selbst. Die Seele sehnt sich nach einer tieferen Erfahrung und kommt dem Selbst näher, so dass sie jetzt praktisch auf dem Selbst ruht. Der gesammelte, einpünktige und vollständig konzentrierte Geist geht so in der Meditation auf, dass er Nähe und Einheit mit dem Selbst fühlt; er wird fast eins mit dem Gegenstand der Meditation, obwohl seine Individualität noch da ist, genau wie der Vel mit Gott verbunden ist. Dies ist die zweite Stufe.

Dann kommt die dritte und höchste Stufe der Meditation, in der Gott als „Jnaanaakaran“ erfahren wird, d.h. eine Verkörperung der Weisheit, ein Ozean von Satchidananda. Der vollkommen konzentrierte Geist, der in seiner Essenz auch Bewusstsein ist, verschmilzt aufgrund seines längeren Verweilens beim Selbst mit seiner Quelle, dem Selbst (Atman), dem Universalen Bewusstsein, dem Substrat aller Jivas. Wie ein Fluss sich mit dem Meer vereinigt und dabei seinen Namen und seine Form verliert, verliert das individuelle Bewusstsein (der Jiva) seine Individualität und bleibt eins mit dem Ozean – wird der Ozean selbst. Wenn das Flusswasser dabei ist, in den Ozean zu strömen, dann ruft es beim Zusammenfluss „O wie riesig ist der Ozean! Wasser und nur Wasser überall!“ Aber bevor es verstehen oder versuchen konnte etwas über seine weitere Erfahrung zu sagen, verschmilzt es vollständig mit dem Ozean, hat es sich selbst verloren und kann daher nichts mehr sagen. Der Fluss ist selbst zum Ozean geworden und darum erhebt sich die Frage nicht mehr, etwas über den Ozean zu sagen. Das ist der Zustand des Jiva in dieser letzten Erfahrung, sagt Arunagiri. Der Jiva, der dem Selbst nahe ist, wenn er seine Meditation vertieft, ist wie Flusswasser im Einfluss in das Meer. Der Jiva ruft „Jnaanaakarana“ – „O Verkörperung von Weisheit“ – „O, es ist Licht überall, auf allen Seiten!“ Und bevor er irgend etwas weiteres erkennen kann, ist er in dieser Masse aus Licht aufgegangen. Darum sagt Arunagiri „O Verkörperung von Weisheit“ und „Kann noch etwas weiteres gesagt werden?“

Die drei fortschreitenden Zustände der Erfahrung, nämlich Nektar, Gott mit dem Vel und Verkörperung von Weisheit, offenbaren die Reihenfolge der Erfahrungen in der Meditation, die der göttlichen Erfahrung vorangehen. Zu Beginn der Meditation gibt es eine dualistische Haltung – der Jiva und das Selbst oder der Verehrer und Gott – der Jiva meditiert über das Selbst und genießt die Wonne des Selbst. Der Begriff des Nektars drückt das aus, der von jemand anderem genossen wird. Auf einer höheren Stufe wird die dualistische Haltung in jene des „weder eines noch zwei“ transzendiert, wo der Jiva auf dem Selbst ruht, aber noch nicht mit diesem verschmolzen ist, wie der Vel und Gott. Die höchste Stufe ist der nonduale Zustand, worin der Jiva im Selbst aufgeht und das Selbst alleine ist, was als „Masse von Weisheit“ bezeichnet wird. So fängt Meditation mit Dualität an, geht durch einen Zustand der Nicht- Einheit und kulminiert schließlich in der nichtdualen Erfahrung des Absoluten – Dvaita (Zweiheit) und Visishtadvaita (Einheit mit Dualität) führen zu Advaita; Bhakti-Yoga und Raja-Yoga kulminieren in Jnana-Yoga, in der Verwirklichung des Absoluten.

„Das, was als reine Existenz ist und dieses kleine „Ich“, das Jiva-Bewusstsein in sich aufnimmt, ist das Absolute. Dies kann nur erfahren werden. Wie sollte man dies jemand anderem mitteilen?“, sagt Arunagiri. Und dennoch hat er eine Art Eindruck davon gegeben. Während man im Tiefschlaf ist, weiß man nicht, was einem geschieht, wo man ist usw. Man ist vollständig im Schlaf versunken. Wenn man jedoch in den Wachzustand zurückkehrt, sagt man „Ich habe selig geschlafen. Ich wusste von gar nichts.“ Das ist nur eine vage, schwache Erinnerung an das Erfahrene; es kann nicht die volle Bedeutung der tatsächlichen Erfahrung wiedergeben. Dies ist die Aussage des Heiligen. Nachdem er aus dieser absoluten Erfahrung zurückkommt, gibt uns Arunagiri einen kurzen Blick darauf, wie die Erfahrung ist und auch auf die Erfahrungen, die ihr voran gehen, so dass die kämpfenden Seelen, wenn sie ähnliche Erfahrungen haben, wissen, dass sie sich der großen Erfahrung nähern.

In der Meditation nimmt sich das Jiva-Bewusstsein von allen nach außen gehenden Tendenzen zurück und steht „stützenlos“ als eine konzentrierte Essenz und versucht, das Absolute zu ergründen, das reines Bewusstsein ist. Der Jiva kann mit einer Salzpuppe verglichen werden, die in ihrer Essenz Meerwasser ist, eine konkretisierte Form von Meersalz. Wenn die Salzpuppe die Tiefe des Ozeans ergründen will und in ihn hinein geht, was wird ihr passieren? Wenn sie ins Meer geht, beginnt sie sich im Wasser aufzulösen und schließlich bleibt nichts von der Puppe übrig, sondern es gibt nur noch Meerwasser. So ähnlich ist es mit der absoluten Erfahrung. Wenn das gesammelte Jiva-Bewusstsein in tiefer Meditation versucht, Gott zu erkennen, der Satchidananda ist, verschmilzt es schließlich mit diesem absoluten Sein-Wissen- Seligkeit, und nichts bleibt von dem Jivatva übrig, der dieser Erfahrung Ausdruck verleihen könnte. Wenn das Jiva-Bewusstsein dahingeschmolzen ist wie die Salzpuppe, wer ist dann da, um es zu sagen? Darum sagt der Heilige, dass dieser Zustand nicht beschrieben werden kann, weil nicht nur der erfahrende Jiva nicht da ist, um ihn zu beschreiben, sondern in diesem Zustand sind auch „die anderen“ nicht da, um zuzuhören. Es mag ein Zweifel entstehen, was mit den „anderen“ Jivas geschieht? Im Traum sehen wir sowohl uns selbst als auch viele andere Personen. Das Traumsubjekt hat Beziehungen und Geschäfte mit den anderen Traumobjekten. Was passiert jetzt, wenn wir aufwachen? Wacht das Traumsubjekt auf und lässt die anderen Objekte des Traums zurück? Nein. Wenn ersteres aufwacht, dann vergehen auch die letzteren. So ist es auch der Fall, wenn das Jiva-Bewusstsein mit dem Absoluten verschmilzt – es gibt weder „diesen“ Jiva (um es zu sagen), noch gibt es „andere“ Jivas (um es ihnen zu erzählen). Die gesamte Erscheinung geht in der Wirklichkeit auf, wie der Traum im Wachzustand. Das ist der Zustand der absoluten Erfahrung, die er „reine Existenz“ nennt. Auf Sanskrit heißt er „Kevala Asti“. Es ist reine Existenz – nicht die Existenz von etwas, sondern Existenz als solche, reine und einfache Existenz.

Auf diese „reine Existenz“ bezieht sich Arunagiri als „ Adhu“, was auf Tamil „Das“ heißt. Es ist nicht Er oder Sie, sondern Das. Unsere üblichen Konzepte von Göttern und Göttinnen als männlich oder weiblich werden alle in dieser Erfahrung transzendiert. Also weist der Heilige darauf hin, indem er „Das“ sagt. Das, was das Absolute ist, besteht als reine Existenz. Das ist alles. Mehr kann man nicht darüber sagen, sagt der Heilige.

Was ist jetzt die Natur dieser Absoluten Existenz, die so erlangt wird? Es ist nicht ein Zustand von Jadatva, Trägheit, des Bewusstseins beraubt. Das kann nicht sein. Es ist gleichzeitig ein Zustand von absolutem Bewusstsein und Glückseligkeit, denn Existenz ist identisch mit Bewusstsein. Nehmen wir einmal an, der Zustand absoluter Existenz wäre einer der Trägheit. Wie ist er dann bekannt? Wer kennt ihn? Weil er Jada, unbelebt ist, kann er sich selbst nicht kennen. Also muss es ein bewusstes Prinzip geben, das ihn kennt. Wenn es nun aber ein weiteres bewusstes Prinzip gibt, das die absolute Existenz kennt, dann muss auch dieses absolut sein, weil ein begrenztes, endliches Bewusstsein keine absolute Existenz kennen kann. Nur ein absolutes Bewusstsein kann eine absolute Existenz kennen. Aber es kann nicht zwei Absolutheiten oder Unendlichkeiten geben. Also müssen die beiden identisch sein, das heißt, die absolute Existenz ist selbst Bewusstsein. Sie muss auch Glückseligkeit sein. Da sie absolut ist, gibt es nichts Zweites, was sie begrenzen könnte und wo es keine Begrenzung irgendeiner Art gibt, gibt es Freiheit. Und Freiheit ist Seligkeit. Sie ist daher der Zustand von Satchidananda, absolutes Sein-Wissen-Glückseligkeit, auf die sich Arunagiri hier als den unbeschreibbaren Zustand der Erfahrung bezieht.

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Der Jiva, der begann, das Selbst zu sehen und die Seligkeit der Meditation zu kosten (Vers 27) bewegt sich näher und näher zum Selbst, bis er einen Schimmer des Kosmischen Bewusstseins erfährt. Dieser Prozess und sein Erreichen werden in diesem Vers anschaulich dargestellt. Mit der Einweihung durch den Guru (Vers 20) und dem folgenden, entschlossenen Kampf des Suchers, gepaart mit der Gnade Gottes, erlangt er jetzt einen flüchtigen Blick auf diese großartige Erfahrung, die erreicht werden soll. In diesem flüchtigen Blick auf das Gottesbewusstsein wird der Jivatava nicht zerstört, sondern „verschluckt“, weil Avidya, die Unwissenheit, die die Wurzel des Jivatava ist, noch besteht, wie im nächsten Vers klar wird. Der Jiva kommt daher wieder hinunter ins normale Bewusstsein. Also bezieht sich dieser Vers, obwohl er die Erfahrung des Absoluten des heiligen Arunagiri berichtet, im Falle des Suchers nur auf einen flüchtigen Blick auf das Kosmische Bewusstsein.