Göttlicher Erkenntnis


Jainismus

Jainismus

»Jain« oder genauer gesagt »Jaina« bedeutet Anhänger von Jina, und damit sind Menschen gemeint, die die niedere Natur, Leidenschaft, Haß, usw. bezwungen haben. Das Wort ‘Jain’ kommt von ‘Jina’, Eroberer. ‘Jina’ kommt aus der Wurzel ‘Ji’ - ‘erobern’. Es bedeutet das Bezwingen der Leidenschaften. Es bedeutet nicht das Erobern von Nationen. Die Leidenschaften werden als die Feinde der Seele betrachtet. Sie verderben die natürlichen Eigenschaften der Seele, verdüstern rechten Glauben und verursachen falsches Wissen und falsches Verhalten. Lust, Zorn, Stolz und Habsucht werden als die Hauptleidenschaften betrachtet.

Die Jaintheorie basiert auf Vernunft. Sie basiert auf rechtem Glauben, rechtem Wissen und rechtem Verhalten vermischt mit Güte. Der Jainismus ist kein theistisches System im Sinne eines Glaubens an die Existenz eines Gottes als Schöpfer und Beherrscher der Welt. Das höchste Wesen in der Jainphilosophie ist eine Person und kein eigenschaftsloses Wesen wie das Brahman der Vedanta.

Der Hauptpunkt im Jainaglauben ist die Ehrfurcht vor heiligen Menschen, die sich durch lange Disziplin zu göttlicher Vollkommenheit erhoben haben. Der Jina, der ‘siegreiche Heilige’, der alle weltlichen Wünsche bezwungen hat, ist für die Jains das, was der Buddha, der vollkommen erleuchtete Heilige, für die Buddhisten ist. Er heißt auch Jinesvara (Höchster der Jinas), Arhata (der Verehrungswürdige), Tirthankara (der Heilige, der der Welt den Weg bereitet hat), Sarvajna (allwissend) und Bhagavan (der Heilige). ‘Tirtha’ bedeutet wörtlich Furt, eine Möglichkeit zum Überqueren. Methaphorisch bezeichnet es einen spirituellen Führer oder eine Philosophie, die den Menschen in die Lage versetzt, den Ozean der wiederkehrenden Geburten in dieser Welt zu überqueren. ‘Kara’ bedeutet ‘der Handelnde’. Das Wort Tirthankara bedeutet ein ‘heiliger Jainlehrer’.

Nach dem Jainglauben können nur die Allwissenden richtige Verhaltensregeln für das Leben geben. Sie sind reine göttliche Seelen, die zur Vollkommenheit gelangt sind. Sie nehmen nie mehr eine menschliche Geburt an.

Mahavira ist nicht der Begründer des Jainismus. Er belebte die Jainlehren neu. Er war eher ein Reformer als ein Glaubensgründer. Er war der erste aktive Verbreiter. Er war der vierundzwanzigste Tirthankara. Es wird von ihm behauptet, er wäre allwissend gewesen. ‘Maha’ bedeutet ‘groß’ und ‘Vira’ bedeutet ‘Held’. Parasvanath war der dreiundzwanzigste. Der erste von den vierundzwanzig hieß Rishabha Dev. Die Zeit wird in Zyklen unterteilt. In jedem halben Zyklus, predigen vierundzwanzig Tirthankaras in langen Abständen von neuem die Lehre.

Die Zeit verläuft für Jains in zwei immer wiederkehrenden Zyklen von ungeheuer langer Dauer, die jede menschliche Kalkulation übersteigt: 1) Utsarpini, der aufsteigende Zyklus. 2) Avasarpini, der absteigende Zyklus. Jeder hat sechs Phasen.

Die Darstellungen der Tirthankaras sind wie die des Buddha in Meditationsstellung. Der Jainismus ist ein Repräsentant buddhistischer Gedanken. Er hat viel mit dem Buddhismus gemein. Er ist ein naher Verwandter des Buddhismus, wenn nicht überhaupt ein Nachkomme.

Es gibt zwei Arten von Jainas, nämlich Sravakas (in der Welt Beschäftigte) und Yatis (Mönche, Asketen, Sadhus, die ihr Haupt rasieren und in Mathas, Klöstern, leben.) Die Mönche geben jede weltliche Verbindung auf. Sie legen lebenslange Gelübde absoluter Entsagung ab. Sie legen fünf Gelübde ab. Sie teilen sich in zwei Hauptsekten, die Svetambaras (in weiße Gewänder Gekleidete) und Digambaras (Unbekleidete, Nackte).

Die Jain-Philosophie

Die Jain-Philosophie basiert ihre Lehre darauf, daß es absolut notwendig ist, die niedere Natur zu bezwingen, um die Wahrheit zu verwirklichen.

Die Jains anerkennen die Veden nicht als Autorität. Der Jainismus teilt das gesamte Universum in zwei Hauptteile, nämlich Wesen mit Bewußtsein (Chetana, auch Jiva oder Seele genannt) und Dinge ohne Bewußtsein (Jada, auch Ajiva, Nichtseele, genannt). Die Seele ist das Element, das denkt, weiß und fühlt. Es ist das göttliche Element im Lebewesen. Die wahre Natur der Seele ist rechtes Erkennen, rechter Glaube und rechtes Verhalten. Die Seele unterliegt der Evolution und der Involution, solange sie der Seelenwanderung unterworfen ist. Das, was nicht Seele ist, ist Nichtseele (Ajiva).

Die Verbindung von Jiva und Ajiva verursacht alle Unterschiede in diesem Universum. Ihr Zusammenwirken oder Zusammenspiel ist die Ursache des Weltenlaufes, der Evolution. Wenn die Seele von all ihren Ajivabindungen befreit ist, wird sie rein und erlangt endgültig Mukti.

Es gibt fünf Tore des Wissens. Das erste sind die Sinne. In der niedrigsten Lebensform gibt es nur einen Sinn, den Tastsinn. Es gibt zwei, drei, vier und fünf Sinne in höheren Lebensformen. Die zweite Quelle ist Studium. Die dritte ist Avadhi, die psychische Fähigkeit, durch die Subtileres erfahren wird. Die vierte ist der Geist; wenn man ihn kennt, kennt man die geistigen Vorgänge anderer. Die fünfte ist absolutes Wissen.
Die Jainkanon teilt sich in zwei Teile, nämlich 1) Sruta Dharma, die Philosophie und 2) Charitra Dharma, die Ethik. Das Sruta Dharma hinterfragt die Natur der neun Prinzipien, der sechs Arten von Lebewesen und die vier Seinszustände. Die ersten vier Prinzipien sind: Seele (Jiva), Nichtseele (Ajiva), Verdienst, der den Menschen glücklich macht, und Fehler, durch den der Mensch Kummer leidet. Der fünfte ist der Zustand, der Verdienst und Schuld bringt. Der sechste ist Samvara, der das Einfließen fremder Energien anhält. Der siebente ist die Zerstörung von Handlung. Der achte ist die Bindung der Seele an die Handlungen. Der neunte ist völlige und dauerhafte Freiheit der Seele von jeder Handlung.

Dharma ist das, was die Seele vor dem Fallen bewahrt. Die Bande, die sie an das Universum ketten, sind die des Karmas, der guten und schlechten Handlungen. Die vier Seinszustände sind Devas (himmlische Wesen), Manushyas (menschliche Wesen), Tiryanch (untermenschliche Wesen, Pflanzen, Tiere, Vögel, usw.) und Naraka (der niedrigste Seinszustand, der der Höllenbewohner).

Die Lebewesen teilen sich in sechs Gruppen, nämlich Einorganer (die nur den Körper haben); Zweiorganer (mit Körper und Geschmackssinn); Dreiorganer (mit Körper, Geschmacks- und Geruchssinn); Vierorganer (mit Körper, Geschmacks-, Geruchs-und Sehsinn); Fünforganer (mit Körper, Geschmacks-, Geruchs-, Sehsinn und Gehör); und Tiere und Menschen.

Jiva-Ajiva (Seele-Nichtseele)

Das, was weiß, ist die Seele. Das, was nicht weiß, ist die Nichtseele. Jiva und Ajiva haben keinen Ursprung. Sie haben in der Vergangenheit existiert. Sie existieren jetzt. Sie werden auch in der Zukunft existieren. Man kann nicht sagen, wann die Verbindung der beiden stattgefunden hat. Sie wurden vor unerdenklicher Zeit bereits verflochten vorgefunden. Jivas und Ajivas sind unzählbar. Die Seelen sind unendlich. Jede Seele bewahrt ihre Individualität. Jede Seele muß Geburten und Wiedergeburten annehmen, bis sie alles Karma zerstört hat.Mit Hilfe von richtigem Wissen, richtiger Erkenntnis, richtiger Lebensweise und Selbstkontrolle oder Buße können die Fesseln der angesammelten Karmas gelockert und zerstört werden.Jiva (Seele): Jivas, die Lebewesen oder Seelen, werden in zwei Gruppen geteilt: 1) Siddha, befreit, und 2) Samsari, weltliche Wesen.Die Jainphilosophie lehrt, daß jede Seele eine andere Individualität besitzt, unerschaffen ist und von ewiger Existenz. Die Seele entwickelt sich durch das Gesetz des Karma, Ursache und Wirkung, von einem niedrigen zu einem höheren Zustand. Sie nimmt nach dem Tod solange neue Körper an, bis die Karmas, die in früheren Leben erzeugten Kräfte, völlig abgebaut sind. Schließlich entfaltet sie ihre absolute Reinheit, indem sie die Fesseln des Karmas zerstört und Vollkommenheit, Nirvana, Mukti erlangt. Die Individualität geht nicht in irgend etwas auf. Sie wird auch nicht zerstört. Die vollkommen gewordene Seele ist weder männlich noch weiblich noch sächlich. Jede Seele ist potentiell allwissend. Bewußtsein ist die eigentliche Natur der Seele. Die Seele ist die reine Verkörperung von Wissen. Die Seele hat unendlich viele Entwicklungsmöglichkeiten. Sie hat unendliche Fähigkeiten zur Beseitigung von Karma.

Ajiva (Nichtseele): Es gibt fünf Hauptunterteilungen, nämlich Dharmastikaya (die Substanz, die Seele und Materie sich bewegen läßt), Adharmastikaya (die Substanz, die Seele und Materie zur Ruhe bringt), Akasasti, der Raum (die Substanz, die den Lebenden und Nichtlebenden Schutz bietet), Kala (Zeit) und Pudgala (Materie).

Gott

Gott im Sinne eines zusätzlichen kosmischen personenhaften Schöpfers findet in der Jainphilosophie keinen Platz. Aber es gibt eine subtile Essenz, die allen anderen Substanzen, bewußten und unbewußten, zugrundeliegt, und die zur Ursache aller Modifikationen wird. Das wird als Gott bezeichnet. Die Vorstellung von Göttlichkeit ist in der Jainphilosophie die vollkommene Seele (Siddha), die befreite Seele (Mukta). Die Jains verehren diese befreiten Seelen (Tirthankaras), die alle Karmas zerstört und Erlösung erlangt haben, als ihren Gott. Sie akzeptieren nur jene erleuchteten Seelen, die alle weltlichen Verbindungen aufgegeben haben, die als wahre Sadhus leben und alle selbstsüchtigen Wünsche unter ihrer Kontrolle haben, als ihre spirituellen Lehrer. Sie akzeptieren nur das als wahre Religion, was sie verkünden.

Tirthankaras

Der Jain Tirthankara ist ohne jeden Fehler. Er ist wahrhaftiger Gott. Er weiß alles und ist der Verkünder von Dharma. Er ist frei von den achtzehn Arten des Makels, nämlich Hunger, Durst, Altersschwäche, Krankheit, Geburt, Tod, Furcht, Stolz, Bindung, Abneigung, Verblendung, Sorge, Eitelkeit, Haß, Unbehaglichkeit, Schweiß, Schlaf und Überraschung.

Die Welt

Der Jainismus sieht die Dinge auf zwei Arten, die eine heißt Dravyarthi Kanaya, die andere Paryayarthi Kanaya. Die erste besagt, daß die Welt ohne Anfang und Ende ist, die zweite aber behauptet, daß es in jedem Moment Schöpfung und Zerstörung gibt. Die Jains sagen, daß das Universum, da es aus ewigen Atomen besteht, immer bestanden hat und ewig existieren wird.

Die Welt baut sich aus sechs realen Substanzen auf. Das sind Raum, Zeit, Materie, Seelen, Dharmastikaya (der Drehpunkt der Bewegung) und Adharmastikaya (der Ruhedrehpunkt). Der Raum dient als Behälter für andere Substanzen. Er ist unendlich. Die Zeit ist real. Sie ist ohne Anfang und ohne Ende. Materielle Dinge bestehen aus Atomen. Es gibt keinen außerkosmischen Schöpfer oder Beherrscher der Welt. Es gibt in der Welt nichts außer Substanz. Es gibt viele Arten von Substanz. Existenz kann nicht von Substanz getrennt werden.

Die Karmalehre

Die Karmalehre nimmt in der Jain-Philosophie einen sehr wesentlichen Platz ein. Ein Schüler der Karmaphilosophie der Jains kann jede Wirkung auf ein bestimmtes Karma zurückführen. Wer durch rechten Glauben, rechtes Wissen und rechtes Verhalten alle Karmas zerstört, erlangt Vollkommenheit. Er wird göttlich und heißt Jina. Diese Jinas, die in jedem Zeitalter das Gesetz predigen und die Ordnung wiederherstellen, heißen Tirthankaras.

Die Jain-Lehren werden in einem Lehrsatz zusammengefaßt: ‘Ahimsa Paramo Dharmah’. Ahimsa ist die grundlegende Stütze des Jainismus. Der Jainismus versucht immer, die Interessen aller Lebewsen zu schützen und zu fördern. Die universellen Prinzipien des Jainismus sind Ahimsa, Satya, Asteya, Brahmacharya und Aparigraha. Rechter Glaube, rechtes Wissen und rechtes Verhalten stellen das dreifache Juwel dar, den Weg zu Nirvana.

Die Jainphilosophie besagt, daß alle Übel auf Raga und Dvesha beruhen (auf Verhaftung und Haß). Alle Verhaltensregeln basieren auf Daya (Barmherzigkeit). Daya hat vier Formen: 1) liebevoll handeln, und dafür keinen Lohn erwarten 2) sich am Wohlstand anderer erfreuen 3) mitfühlen mit Verzweifelten, und ihre Probleme beseitigen 4) Erbarmen haben mit den Kriminellen.

Der Jainismus predigt universelle Brüderlichkeit und die Gleichheit aller Wesen. Er verlangt von allen Anhängern die Praxis größtmöglicher Selbstbeherrschung. Das Individuum setzt durch seine eigenen Bemühungen alle verborgenen Eigenschaften frei, die durch Fremdelemente verdüstert sind. Der Zustand der Reinheit oder Vollkommenheit wird im menschlichen Leben nur durch das dreifach Juwel, nämlich rechter Glaube, rechtes Wissen und rechtes Verhalten erlangt. Die befreite Seele geht zum Sitz von Siddhakshetra, der sich an der Spitze dieser Welt befindet.