Swami Krishnananda:

Antwort auf deine Fragen

Kapitel 42

Fragen der Suchenden

Satoko aus Japan: Wie kann ich auf OM meditieren?

Swamiji: OM ist kein Wort, sondern eine Schwingung. Es ist der Name für die Universale Schwingung. Der ganze Kosmos schwingt auf die gleiche Weise, und diese Schwingung ist der Beginn der Schöpfung. Versuche Dich darauf zu konzentrieren. Man kann die Universale Schwingung wie eine elektrische Energie, die von der Spitze des Universums bis in das Herz hinein fließt, überall wahrnehmen, denn ES vibriert überall. Wenn man tief in sich hinein fühlt, kann man die Schwingung des Universums wahrnehmen.

Du bist nicht die vor mir sitzende Person, sondern nur ein kleiner Tropfen im Ozean der Universellen Kräfte; da man dies gedanklich nicht richtig erfassen kann, erschafft man sich im Verstand ein Symbol. Wenn man OM, OM, OM singt, muß man eine Erregung und Schwingung innerhalb jeder Zelle des Körpers verspüren. Alle Pranas erzeugen so etwas wie ein Schütteln, so als würde ein elektrischer Schock ausgelöst, und man fühlt sich sozusagen mit der Universellen Energie verbunden. Um dieses Gefühl hervorzurufen, wiederholt man OM auf diese Weise. Man sollte es richtig singen, nicht zu schnell, mit einem direkten und tiefen Gefühl aus der Mitte des Herzens heraus.

Man beginnt mit tiefer wohlklingender Stimme, wird langsam immer leiser und hört schließlich so auf, wie das Kräuseln auf der Wasseroberfläche. Wenn man einen Stein in das Wasser wirft, verursacht dieser an der Wasseroberfläche Kreise, die immer weiter und weiter werden. Genau so beginnt man hier mit der Schwingung. Dann fühlt man, wie ES sich kreisförmig immer weiter ausdehnt, bis ES den Höhepunkt des Universums erreicht.

Eva: Nach meinen eigenen Erfahrungen verwirklichte ich bei der Erleuchtung durch den Verstand im Zusammentreffen mit meinem Guru etwas anderes als den Verstand, etwas, von dem mein Leben und alles Existierende abstammt.

Swamiji: Wenn Du vom „Ich“ und „Mein“ sprichst, dann ist es der Verstand, auf den Du Dich dabei beziehst. Wenn Du vom „Ich“ und „Mein“ sprichst, hast Du bereits akzeptiert, daß es einen Verstand und alles andere gibt. Es ist nicht das Universale Bewußtsein, das hier spricht, denn ES wird nicht vom „Ich“ und „Mein“ usw. sprechen. Du hast bereits gefolgert, daß Du ES durch Deinen Verstand erreicht hast, denn Du erinnerst Dich an ES, und doch hast Du immer noch einen Verstand, der noch nicht verschwunden ist.

Es gibt eigentlich keine Probleme mit dem Verstand. Es ist nichts Schlechtes an ihm, obgleich die Leute immerzu sagen, daß der Verstand kontrolliert und transzendiert werden muß usw., doch die tatsächliche Beschaffenheit der Dinge wird von den Leuten kaum verstanden.

Der Verstand ist weder etwas Gutes noch etwas Schlechtes. Ich sagte bereits, daß er wie ein Spiegel ist, der die Sonne reflektiert, und man kann durch den Spiegel einige Vorstellungen über die Sonne entwickeln, obgleich sich die Sonne nicht im Spiegel befindet. Das Spiegelbild ist nicht die Sonne, und doch kann man dadurch einige Vorstellungen über die Sonne entwickeln. Wenn man sich selbst als Spiegelung empfindet, kann man auf das Original kontemplieren und darüber das Original erreichen.

Wie die Spiegelung das Original erreichen kann, so kann der Verstand auf die gleiche Weise das Absolute erreichen. Dagegen gibt es nichts einzuwenden. Der Verstand ist nichts Schlechtes, sondern ein Medium für den schrittweisen Aufstieg. Man sollte ihn nur nicht zu persönlichen Zwecken mißbrauchen. Es ist wie mit dem Geld. Ist Geld gut oder schlecht? Man kann nichts darüber sagen, denn es ist unpersönlich, und es hängt von Dir ab, wie Du es einsetzt.

Besucher: Ich würde mich wundern, wenn es irgendwelche Unterschiede im Erreichen des Absoluten zwischen Männer und Frauen gäbe.

Swamiji: Nein. Es gibt keine Unterschiede, denn das, was das Absolute erreicht, ist weder Mann noch Frau. Das, was das Absolute erreicht, ist die erleuchtete Seele, und die Seele ist weder Mann noch Frau vielmehr ist sie wie eine leuchtende Flamme; darum gibt es keinen Unterschied. Gott ist weder Mann noch Frau, sondern ER ist vollkommenes Licht, und nur das Licht in Dir wird zum Universalen Licht gehen. Dieses Licht ist weder männlich noch weiblich.

Besucher: Vielen Dank.

Vilaidan: Im Hinduismus sagt man, daß man das Ego zerstören muß. Doch, wie kann man ohne Ego Initiative entwickeln?

Swamiji: Die Initiative sollte sich aus dem Universalen Sein, in dem alle Egos enthalten sind, erheben. Auf diese Weise steht hinter der Initiative eine größere Macht als dies bei der individueller egoistischen Motivation der Fall ist. Man muß wissen, daß Gott mehr Dinge als der Mensch bewirken kann. Gott ist kein Ego, sondern Universale Existenz. Dies besagt, daß, je kleiner das Ego ist, desto größer ist das Eindringen der Universalität in den Menschen und desto größer ist auch die Kapazität für Erneuerung, Motivation oder Initiative. Je größer das Ego oder die Selbstbestätigung ist, desto geringer ist die Macht eines Menschen. Ein egoistischer Mensch ist ein schwacher Mensch, denn je kleiner das Ego, desto größer ist die Kraft aufgrund des Hineinfließens der Universalität in den Menschen. Ego ist keine Tugend, sondern im wirklichen Sinne ein Hindernis für jede Art von richtiger Initiative.

Luciano: Wenn sich also jemand entscheidet, den spirituellen Weg zu gehen, ist es dann das Ego, welches entscheidet, oder ist es die Gnade Gottes?

Swamiji: Der spirituelle Weg ist die Technik, bei der das Ego damit beschäftigt ist, sich selbst zu verkleinern, und die Universalität schrittweise immer mehr zuzulassen. Man kann nicht sagen, ob der spirituelle Pfad durch das Ego oder das Universale Sein betreten wird. Es ist eine duale Handlung, die gleichzeitig stattfindet. Wenn man gesünder wird, verschwindet die Krankheit. Was kommt nun zuerst, - geht zuerst die Krankheit oder kommt zuerst die Gesundheit? Diese Ereignisse finden im Menschen gleichzeitig statt. Die Nacht vergeht und der Tag kommt. Welches Ereignis kommt zuerst, - geht zuerst die Nacht oder kommt zuerst der Tag? Man kann nicht festlegen, was zuerst und was danach kommt, vielmehr ist es ein Ereignis, das gleichzeitig stattfindet. Genau so verhält es sich mit dem Universalen in Dir und dem Ego, das sich verkleinert. Es kommt weder etwas zuerst noch danach, sondern es ist eine gleichzeitige Aktion und eine vollkommene Entwicklung.

Luciano: In diesem Fall ist das Ego im Einklang mit dem Willen Gottes.

Swamiji: Sicherlich. Wenn es im Einklang mit dem Willen Gottes ist, hört es auf ein Ego zu sein. Gott Selbst handelt durch das sogenannte Individuelle.

Ein Amerikanischer Besucher: In den USA gibt es ein großes Interesse an spiritistischen Kanälen (Medien), - Menschen fallen in Trance oder schließen ihre Augen und sprechen Wörter, die andere als Weisheit bezeichnen. Sie sprechen alle möglichen Dinge, wobei sich die Stimme in eigenartiger Weise ändert.

Swamiji: Sie kommen mit Mächten in Verbindung, durch die sie sprechen. Es gibt nichts Falsches daran. Meistens handelt es sich bei diesen Kräften um entkörperte Seelen.

Besucher: Warum sollte sich eine Seele eines höheren Seins herablassen, um durch ein Medium zu sprechen?

Swamiji: Vielleicht steigst Du zu ihrer Ebene auf, anstelle, daß sie zu Deiner Ebene herunterkommen. Es bedeutet nicht unbedingt, daß sie auf Deine Ebene herunterkommen wollen. Du richtest Dein Bewußtsein auf einen höheren Zustand aus und kommst dann mit Ihnen in Kontakt.

Besucher: Ist es die höhere Seele, die spricht?

Swamiji: Ja, sie ist höher als Deine gegenwärtige Ebene. Wenn Dein Verstand rein genug ist, ist es möglich, nicht nur mit höheren Seelen in Verbindung zu treten, sondern mit Gott selbst. Gott kann, was Dein letztendliches Ziel ist, durch Dich sprechen. Warum willst Du mit gewöhnlichen Seelen in Verbindung treten? Es ist besser, mit dem Letztendlichen in Kontakt zu kommen.

Ein Amerikanischer Besucher: Gibt es irgendwelche Vorteile dadurch, daß wir unsere bisherigen Leben kennen?

Swamiji: Es gibt dadurch keinen Vorteil. Es ist unnötige Neugier. Du hattest viele tausend Geburten; möchtest Du alles über diese Tausenden von Geburten wissen? Es würde sich um eine Aufstellung aller unvergnüglichen Dinge handeln, die Dich innerhalb einer Sekunde unglücklich machen würden. Gott war freundlich genug, all jene Erinnerungen wegzuwischen und Dein Bewußtsein auf die gegenwärtige Geburt zu begrenzen.

Wenn man alle die Schrecken vergangener Existenzen kennen würde, könnte man in dieser Welt nicht einmal einige Sekunden lang leben. Vielleicht war man ein Räuber. Wie schrecklich, sich all dieser Dinge zu erinnern! Gott ist sehr barmherzig, uns diese Erinnerungen wegzunehmen und uns gesund zu erhalten. Ein jeder ist durch jede Art von Spezies in der Existenz hindurchgegangen. Ein jeder war kriechendes Reptil, Küchenschabe, Eidechse, ein guter und ein schlechter Mensch. Dies ist ein furchterregendes Drama, an das man sich nicht so gerne erinnern möchte.

Man erinnert sich nicht einmal der vielen Dinge, die man selbst in diesem Leben erfahren hat. Vielleicht hat man fünfzig Prozent vergessen, und würde sich auch ungern all dieser Dinge erinnern. Darum ist Erinnerung sowohl eine gute Sache, als auch in vielen Fällen eine schlechte.

Besucher: Ist Reinkarnation eine fortschreitende Entwicklung?

Swamiji: Sie wird normalerweise als fortschreitende Entwicklung betrachtet: Vom Mineral zur Pflanze, dann zum Tier, zum Menschen und zum Übermenschen. Und selbst darüber mußt Du noch hinauswachsen. Du führst derzeit ein begrenztes menschliches Dasein, doch es wird von Dir erwartet, eine fortgeschrittene Göttlichkeit und nicht nur ein gewöhnlicher Übermensch zu werden. Der Aufstieg vom Menschen zum göttlichen Menschen liegt vor Dir, und um ihn mußt Du Dich durch die Meditationspraxis, Yoga oder Religion bemühen. Du mußt ein Gottmensch werden - letztendlich vielleicht Gott Selbst.

Besucher: Einige glauben, daß wir uns nicht besonders bemühen müssen, vielmehr sollten wir nur mit dem Strom schwimmen, so, wie uns das Leben trägt.

Swamiji: Das ist eine mögliche Denkweise, doch sollte man den normalen Prozeß nicht durch irgendwelche selbstsüchtigen Handlungen behindern. Wenn man in seinem Verhalten, seinen Handlungen und Gedanken vollkommen selbstlos ist, wird der natürliche Prozeß Dich vorwärtsbringen, doch wenn man ihn durch irgendwelche Selbstsüchtigkeiten behindert, ist es schwierig, sich fortzubewegen.

Roger: Jeder intelligente Mensch kann sehen, daß das Leben in Indien durch das exzessive Bevölkerungswachstum erstickt wird. Indien ist ein sehr religiöses Land....

Swamiji: Wie Du siehst, spreche ich nicht über Indien.

Roger: Swamiji, bitte laß mich ausreden, und dann sag mir Deine Meinung. Warum predigen die Heiligen Männer Indiens nicht zu den Massen, daß sie ihre Familien begrenzen sollten, um damit wieder Glück in das Land zurück­zubringen.

Swamiji: Die Heiligen tun nichts anders. Sie kümmern sich ausschließlich darum. Sie sagen es nicht so plump, wie Du es vorschlägst, dennoch tun sie es nach dem höchsten kulturellen Muster, und Du wirst überrascht sein, daß sie nichts anders tun als dies. Sie tun dies ausschließlich zum Wohlergehen der gesamten Menschheit.

Roger: Und hören die Menschen denn nicht zu?

Swamiji: Sie hören zu. Aber es ist wie bei einem Kranken, dem man erzählt, er möge nichts essen, und sobald man ihn verlassen hat, fängt er an zu essen. Es geschieht langsam. Die Menschen verstehen, doch die Instinkte sind sehr stark, und die sozialen, biologischen Instinkte stellen sich manchmal auf die Hinterbeine, obgleich guter Rat empfangen wurde.

Das bedeutet also nicht, daß die Heiligen nichts tun. Sie machen ihre Sache sehr gut, doch, um den ganzen Ozean zu süßen, bedarf es einer großen Menge Zucker. Wenn wir zehn Zentner Zucker in den Ozean schütten, haben wir etwas Gutes getan, doch er ist so salzig, daß es nicht ausreicht, um ihn wirklich süß werden zu lassen. Es ist also nicht so, daß die Heiligen nicht genug tun, doch das Werk geht langsam voran und schließlich muß man Gott vertrauen. Eines Tages wird es erfolgreich sein, weil es so sein muß. Wenn Gott groß ist, wird alles gut sein.

Ein Amerikanischer Besucher: Es gibt viele Probleme in dieser Welt, die niemals vorher da waren.

Swamiji: Es wird immer so sein. Es wird sich nicht ändern. Die Welt wird immer so sein, denn das ist ein Teil des Evolutionsprozesses. Wo etwas kommt, geht und sich irgendwo etwas anderes ereignet. Du siehst nur diese Erde hier, doch Du weißt nicht, was sich im gesamten Kosmos ereignet. Wenn Du Deinen Blick auf die ganze Schöpfung ausdehnst, wirst Du danach niemals mehr eine solche Frage stellen.

Man sagt, daß der Entwicklungsprozeß wie das Drehen eines Rades ist. Die Speiche, die oben ist, wird herunterkommen und diejenige, die unten ist, wird nach einiger Zeit hochkommen, - nichts bleibt an seinem Platz. Es ist ein Kreislauf, wo sich alles bewegt. Heute befindet sich die Welt in einer Bedingung und morgen in einer anderen. Nichts ist gleichbleibend, statisch oder nur in einer Position befindlich, denn alles bewegt sich auf das Ziel der Selbstverwirklichung des Universums zu. Das Universum zielt auf die Selbstverwirklichung hin, die die Selbstverwirklichung von allem und jedem im Universum beinhaltet. Ein vollkommenes Eintauchen des Universums im Absoluten ist der Zweck der Entwicklung.

Besucher: Viele westliche Menschen befürchten, daß wir aufgrund der Selbstsüchtigkeit der Menschen, die Zivilisation, ohne sie ausreichend entwickelt zu haben, zerstören werden. Wir werden uns selbst zerstören, anstatt besser zu werden.

Swamiji: Die Welt kann sich nicht selbst zerstören. Jede Minute zerstören sich Zellen im Körper, damit man besser wird. Die Zerstörung ist auch ein Prozeß, um neuer und frischer zu werden, sonst würde man immer ein Baby bleiben und niemals Erwachsen werden.

Man sagt, daß der ganze biologische Prozeß eines Menschen sich alle sieben Jahre ändert. Man wird alle sieben Jahre ein Neuer Mensch. Zellen werden zerstört, denn wäre es nicht so, bliebe man ein verkümmertes Individuum und nicht der Mensch, der man heute ist. Die biologische Entwicklung ist ein Indiz dafür, was im ganzen Kosmos vonstatten geht. Zellensterben und Zellenveränderung ist ein natürlicher anabolischer und katabolischer Prozeß in den Dingen, der zur gleichen Zeit stattfindet. Man kann nicht immer im selben Zustand bleiben, sonst gäbe es keine Bewegung, kein Wachstum und keine Verbesserung. Im Tod liegt die Bedeutung für ein besseres Leben; es ist ein Teil der Entwicklung.

Die Welt bewegt sich weiter und muß sich weiter bewegen, und obwohl es manchmal wie ein Rückschritt erscheint, ist es letztendlich ein Fortschritt.