8. Kapitel - Unterweisung von Schülern

Der erste Jahresbericht der Divine Life Trust Society gibt ein aufschlussreiches
Bild, wie die Ashram-Bewohner von Swamiji selber ausgebildet wurden:

Im Jahr 1936 wurden sieben Vollzeit-Aspiranten aufgenommen, die der Welt entsagt und den Nivritti Marga (den Weg der Entsagung) eingeschlagen hatten. Ein Anfänger wird unter der persönlichen Führung von Swami Sivananda in allen Yogawegen unterrichtet. Den Aspiranten bietet sich ein weites Betätigungsfeld, um durch den Dienst an Sadhus und Sannyasins, Kranken und Anderen ihr Herz zu reinigen − eine einmalige Gelegenheit, Mitgefühl, universelle Liebe, Toleranz, Anpassungsvermögen, Atma-Bhava (das Göttliche in allen sehen) und viele andere Tugenden zu entwickeln. Für junge Menschen ist eine Kombination von selbstlosem Dienen und Meditation am besten. Praktische Erfahrung in allen Bereichen des selbstlosen Dienstes ist ein wesentliches Element des Werdegangs eines jeden Aspiranten. Manchmal muss auch ein Aspirant, der in Klausur lebt, kochen, waschen oder andere Arbeiten verrichten. Aspiranten, die zu Swamiji kommen, um Kundalini Yoga zu üben und die Kundalinienergie zu erwecken, sind verblüfft, wenn man ihnen die Aufgabe gibt, Alte und Kranke zu pflegen. Zunächst verziehen sie das Gesicht. Später erkennen sie, wie wichtig selbstloses Dienen ist.

Erst wenn das Herz geläutert ist, kann durch die entsprechenden Praktiken die Kundalini erweckt werden. Die Aspiranten werden darin unterrichtet, üben Asanas, Pranayamas (Atemübungen), Mudras (Haltungen zur Energielenkung) und Bandhas („Verschlüsse“, die das Entweichen der Energie verhindern), Konzentration und Meditation. Swamiji klärt ihre Zweifel und erklärt die besonders schwierigen Inhalte der Yoga- und Vedanta Philosophie. Er spricht nie viel. Er erklärt das Wesentliche in wenigen Sätzen. Aspiranten lernen zu Beginn, Texte für Veröffentlichungen abzutippen. Wer Swamijis Artikel sechs Monate lang abschreibt, eignet sich ein umfangreiches Wissen über die grundlegenden Aspekte des Yoga, Bhakti und Vedanta an. Dadurch erhält er die notwendigen Vorkenntnisse, um in die Tiefen der philosophischen Bücher einzusteigen. Swamiji unterrichtet die Aspiranten je nach Temperament, Fähigkeiten und Neigungen. Er verabreicht nicht allen die gleiche Medizin, so wie es manche andere machen. Ein Vedanta-Schüler bekommt Unterricht in Vedanta, ein Raja-Yoga-Schüler in Raja Yoga, einem Bhakta wird der Pfad der Hingabe gelehrt. Diejenigen, die in der Meditation bereits fortgeschritten sind, bekommen überhaupt keine Arbeiten zugewiesen. Sie versenken sich in tiefe Meditation. Jeder Aspirant lernt Erste Hilfe, Krankenpflege, die Ausgabe von Medikamenten, die Herstellung von Mixturen etc.

Die gemeinsame Meditation findet in den Räumlichkeiten des Ram Ashram um 4 Uhr morgens statt. Am Ende hält Swamiji kurze Vorträge über die Bhagavadgita und die Upanishaden, Sadhana und Meditation. Auch Externe können daran teilnehmen. Die Schüler werden dazu angehalten, Aufsätze über verschiedene spirituelle Themen zu verfassen. Außerdem lernen sie, spirituellen Unterricht zu geben und Vorträge zu halten, damit sie die Lehre weiter verbreiten können.

Der zweite Jahresbericht erwähnt außerdem Übungen, um den Geschmackssinn zu disziplinieren: Swamiji verordnet den Ashram-Bewohnern salzlose Kost an Sonntagen und ausschließlich Obst an Ekadashi-Tagen. Diese Selbstbeschränkung in der Ernährung hilft, den Geschmackssinn unter Kontrolle zu bringen.

Swamiji gibt uns Einblick in seine Lehrmethoden:
„Der frühe Morgen (zwischen 4 und 6 Uhr) ist eine besonders günstige Zeit für tiefe Meditation. Die Atmosphäre ist dann voll von sattvigen (reinen) Schwingungen. Ohne große Anstrengung kann man sich zu dieser Zeit wunderbar konzentrieren.

Von meiner Hütte aus sang ich immer laut: „Om Om Om, Shyam, Shyam, Shyam, Radheshyam, Radheshyam, Radheshyam“, um meine Schüler zum frühen Gebet und zur Meditation zu rufen. Bei trägen Aspiranten blieb dies allerdings wirkungslos. Daher traf ich die notwendigen Vorkehrungen, damit sie ihr Abendessen vor Sonnenuntergang erhielten. So fiel es einigen leichter, morgens früh aufzustehen. Wenn man abends spät isst, fällt das frühe Aufstehen schwer.

Wenn Anfänger früh aufstehen, um alleine zu meditieren, werden sie feststellen, dass sie wieder vom Schlaf übermannt werden und während der Meditation im Sitzen schlafen. Das brachte mich auf die Idee, eine gemeinsame Gebets- und Meditationsstunde zu Brahmamuhurta (Zeit zwischen 3/4 Uhr morgens bis Sonnenaufgang) einzuführen. Ein Schüler ging mit einer Glocke von Kutir zu Kutir, um die Aspiranten zu wecken. Ich selber nahm jahrelang jeden Morgen daran teil.

Die Sitzung begann mit Ganesha-Mantras, Guru Stotras und Mahamantra Kirtan. Ein Schüler las ein Kapitel der Bhagavadgita vor und erklärte die Bedeutung eines Verses. Ein anderer Schüler gab kurze Empfehlungen für Konzentration und Meditation. Am Ende sprach ich noch eine halbe Stunde lang darüber, wie man Fortschritte auf dem spirituellen Pfad machen kann, wie man die negativen Angewohnheiten des Geistes überwindet und die ruhelosen Sinne beherrscht. Auf ethische Vollkommenheit legte ich großen Wert. Die Sitzung wurde mit dem gemeinsamen Singen der Shanti Mantras (Friedensmantras) beendet. So blieben die Schüler auch bei der Arbeit während des Tages in diesem göttlichen Bewusstsein. Einige Schüler lebten im Brahmananda Ashram, etwa 200Meter von
meinem Kutir entfernt. Ich überraschte sie oft um 4 Uhr morgens, indem ich mehrere Male laut Om vor ihren Hütten sang und sie so zum morgendlichen Gebet weckte.“

Swami Paramananda erzählt:
„1934 wohnte ich in einem Raum im Brahmananda Ashram. Es war mitten im Winter. Eines Morgens um 4 Uhr kam Swamiji in der beißenden Kälte den ganzen Weg von Ananda Kutir zu meiner Hütte, um mich zu wecken. Die Entfernung betrug beinahe einen Kilometer. Er schaute durch das Fenster und rief: „Maharaj! Om! Maharaj! Om!“ Zweimal wurde ich ärgerlich und fragte: „Was willst du?“ Ich konnte nicht ausmachen, wer da an der Tür stand, denn Swamiji hatte anscheinend absichtlich seine Stimme verstellt. Wieder begann er: „Maharaj! Om...!“ Nun erkannte ich klar seine Stimme. Ich stand wie unter Schock auf und Swamiji sagte mit sanfter Stimme, „Maharaj, du schläfst. Es ist Brahmamuhurta.“ Ich erwiderte, dass ich am Abend zuvor bis spät dringende Arbeiten für den Ashram erledigt hatte. Swamiji bemerkte fröhlich, dass jemand, der in seinem Schlaf gestört wird, normalerweise wütend werde, ich hingegen antwortete sehr sanft und freundlich!“

Swamiji fährt fort:
„Ich zwang nicht alle Schüler, an der gemeinsamen Meditation teilzunehmen. Ich erlaubte ihnen auch, ihre eigene spirituelle Praxis in ihren Hütten zu praktizieren. Meine ganze Aufmerksamkeit galt ihrem spirituellen Fortschritt. Jetzt noch erzählen viele Schüler, die damals an den gemeinsamen Gebeten und Meditationssitzungen teilnahmen, wie sie durch meine kurzen Vorträge über Sadhana inspiriert wurden. Nachmittags zwischen 3 und 4 Uhr organisierte ich ebenfalls eine Unterrichtsstunde. Ich bat einen Schüler, ein Kapitel aus einem meiner Bücher vorzulesen. Am nächsten Tag stellte ich Fragen zu den wichtigen Punkten. So wurden die Schüler sehr vielseitig und breitgefächert unterrichtet. Sie konnten alle die Mantras in den Schriften singen, Kirtan anleiten und kurze Vorträge halten. Ich bat einen Schüler Fragen zu stellen und andere, diese zu beantworten. Im Unterricht am Nachmittag führte ich Likhita-Japa (Mantraschreiben) ein und am Morgen Tratak (Meditationstechnik: starr auf eine Kerzenflamme schauen) und andere Yoga-Übungen. Tagsüber verfassten sie Aufsätze über Yoga und Philosophie und schrieben auch über ihre eigenen Erfahrungen.“

Swamiji war von 4 Uhr morgens an bei allen Unterrichtsstunden anwesend, die gehalten wurden. Er ging immer zuerst zum Tempel und dann zur Meditation in der Bhajan Halle. Obwohl er um einiges älter war als seine Schüler und nicht viele Asanas machen konnte, band er sein Dhoti (Hüfttuch) fest und nahm am Unterricht teil. Er leitete den Unterricht nicht, noch musste er sonst aus irgendeinem Grund anwesend sein, aber dennoch kam er dazu. Wenn im Winter der Regen in Rishikesh einsetzte, wurde es fürchterlich kalt und wir hatten keine Heizungen. Sein Raum war direkt am Ufer des Ganges und zwischen 4 und 9 Uhr morgens blies ein eisiger Wind vom Himalaya herunter. Dann zog Swamiji seinen langen Mantel an, setzte seinen Turban auf, kam mit einer Sturmlaterne in der einen und mit ein paar Taschen in der anderen Hand aus seiner Hütte und ging zur Bhajan-Halle. Wenn es sehr stark regnete, kam es vor, dass niemand dort war – denn alle gingen davon aus, dass Swamiji nicht kommen würde, wenn es sehr kalt und regnerisch war. Er weckte dann die wenigen Leute auf, die in der Bhajan Halle schliefen. (Das waren die seltenen Gelegenheiten, bei denen er Leute aufweckte, ansonsten störte er vor 4:30 Uhr niemanden in seinem Schlaf.) Er bat einen von ihnen, alle anderen zu wecken und sie zur Bhajan Halle zu bringen. So streng war er am Anfang. Später machte er das nicht mehr.

Definition eines Schülers

In der Ausgabe des Divine Life Magazine vom Juni 1939 stand eine interessante Mitteilung, in der Swamiji eine aufschlussreiche Definition seiner Schüler liefert:

„Vorsicht: Einige Sannyasins sind in einen Laden in Rishikesh gegangen und haben dort Van Houten’s Kakao, ein Messer und einen Schirm in meinem Namen genommen. Sie haben dem Ladenbesitzer erzählt, dass sie meine Schüler seien. Bitte geben Sie keinem Sannyasin Geld, der zu Ihnen kommt und behauptet, mein Schüler zu sein. Meine Schüler betteln nicht um Geld. Daran könnt ihr sie erkennen. Gebt jedem Sannyasin nicht mehr als eine Mahlzeit. – Swami Sivananda.“

In einem Artikel im Divine Life Magazine vom März 1947 beschrieb Swamiji seinen idealen Schüler durch ein sehr lebendiges Bild:

Shivas Schüler hat göttliche Eigenschaften. Er ist edel, freundlich und sanft. Er ist voller Barmherzigkeit. Er bettelt nie. Er gibt immer nur. Er hat ein sehr weites Herz. Er gesellt sich zu allen, dient allen und liebt alle. Er singt den Namen Gottes. Er singt Kirtan. Er ist sehr effizient beim Dienen. Er ist ein Meister im Karma Yoga. Er vollzieht Puja (Ritual) im Tempel. Er singt Sri Rudram und nimmt an Akhanda Kirtan teil, indem er Akhanda Kirtan (ununterbrochen Mantras singen über einen gewissen Zeitraum) beginnt, wo immer er hingeht. Er übt Japa und Meditation. Er übt Asanas und Pranayama, Bandhas und Mudras. Er praktiziert den ganzheitlichen Yoga. Er weiß, wie er seine Gedanken kontrolliert. Er kennt sich in Yoga und Vedanta aus. Er lebt Vedanta stets in der Praxis. Er kocht, liest Korrektur, tippt, pflegt Kranke, verarztet und hält Vorträge. Er ist Schriftsteller. Er ist Journalist. Er gibt Unterricht in Yoga und Vedanta. Er ist unkompliziert und demütig. Er spricht jeden mit ‚Maharaj’ an und grüßt mit ‚Om namo Narayanaya’. Er grüßt zuerst. Er bedient die Armen mit Liebe. Er achtet jedes lebende Wesen. Er gebraucht niemals ordinäre oder grobe Wörter.

Er ist vollkommen tolerant gegenüber allen Religionen und Glaubensbekenntnissen. Er spricht wenig. Er ist still, aber dynamisch. Arbeit ist für ihn Gottesverehrung. Karma, Bhakti, Yoga und Jnana sind für ihn eins und untrennbar. Er ist ein Bhakta, ein Yogi und ein Jnani. Er ist stets eifrig bemüht, anderen Gutes zu tun. Der Geist des Dienens ist tief in ihm verwurzelt. So kannst du ihn leicht erkennen. So kannst du ihn klar verstehen.“

Swamiji legte immer große Bedeutung und großen Wert darauf, dass die Sadhakas (spirituelle Schüler) des Ashrams eifrig das kultivieren sollten, was er das ‚Sadhu Element’ nannte, im Gegensatz zum ‚Babu Element’. Zwei Bewohner hatten den Ashram unter Vorwänden und fadenscheinigen Begründungen verlassen. Auf sie bezog er sich (oder auf das, was ihnen fehlte), als er am 27. Oktober 1949 sagte:

Swami Sivananda„Vielleicht bist du ein sehr fleißiger Arbeiter. Vielleicht bist du ein herausragender Gelehrter. Vielleicht kannst du die Bhagavadgita, die Upanishaden und die Brahma Sutras von Anfang bis Ende zitieren. Vielleicht bist du ein Experte in Hatha Yoga Kriyas. All das nützt nichts, wenn du nicht das ‚Sadhu Element’ hast. Was nützt es uns, zu studieren, zu meditieren und Perlen durch die Finger gleiten zu lassen? Was nützt es uns, drei Stunden lang auf dem Kopf zu stehen? Seid euch immer bewusst, dass ihr ohne das ‚Sadhu Element’ als Sannyasins versagen werdet.

Das ‚Sadhu Element’ ist eine eigenartige Mischung aus verschiedenen edlen Eigenschaften. Es ist ein unbeschreibliches Etwas, das man sofort erkennt, wenn man jemanden sieht, der es besitzt. Es setzt sich zusammen aus Demut, Stärke, Geduld und Nachsicht, Versöhnlichkeit, Ruhe, dem Wunsch zu dienen, Anpassung, freudevolle Hingabe an Gott, Freiheit von Zorn, Wollust und Habgier und das vollkommene Fehlen von Klagen und Jammern. Jemand, der das ‚Sadhu Element’ besitzt, ist immer fröhlich und nimmt alles mit Ruhe. Für ihn ist alles Gottes Gnade. Er findet keinen Grund zur Klage.

Im Gegensatz dazu kennt das ‚Babu Element’ nur Klagen. Wenn einmal etwas weniger Zucker im Tee ist, wenn der Tee einmal spät serviert wird, gerät er in Wut. Er ist ein Halsabschneider. Sein Herz ist erfüllt von Hass, Eifersucht, Habgier und Wollust. Er strebt ständig nach Macht und Ruhm. Er zieht gern über andere her, beschwört Skandale herauf, pflegt Intrigen und schlechte Machenschaften. Sein Kopf ist eine Ränkeschmiede. Sein ganzes Wesen ist egoistisch. Wenn du einige Tage lang mit ihm zu tun hast, wirst du schnell merken, wie er ist. Sei auf der Hut vor solchen Menschen.

Euer ganzes Sadhana sollte darauf ausgerichtet sein, das ‚Sadhu Element’ in euch zu entwickeln und das ‚Babu Element’ auszulöschen. Selbst ein Analphabet oder jemand, der unfähig ist, auch nur ein paar Worte zu sprechen, aber das ‚Sadhu Element’ in sich hat, ist ein großer Weiser.“

Swamiji veranschaulichte durch seine eigene Lebensführung am besten, was das Sadhu-Element bedeutet. Es zeigte sich zum Beispiel, wenn er auf Tournee ging. Die Leute hängten ihm überall Blumengirlanden um, sobald er aus dem Zug stieg, aber er trug sein Gepäck immer selber.

Der Heiligenmacher

Swamiji war wie der legendäre Stein der Weisen, der alles Metall in Gold verwandelte. Er hatte die Gabe, Menschen in Juwelen zu verwandeln. Dies tat er, indem er seine Heiligkeit auf alle übertrug. Er übersah tausend Fehler und hob mit Nachdruck die eine Tugend hervor, die sich vielleicht in einem Winkel der Persönlichkeit des Menschen verbarg. Er verurteilte oder verachtete niemanden.

Für ihn gab es keinen schlechten Menschen auf der Welt, der nicht auch seine guten Seiten hatte. Niemand war unverbesserlich. In seinem Weltbild existierte kein ewiger Sünder. Er sah Gott und Göttlichkeit überall und der göttliche Funke in ihm übertrug sich durch die Erhabenheit seiner Seele und erweckte sofort das Gute, das in allen schlief. Er bestärkte Tugend, wo sie bereits vorhanden war. Derjenige, dem dies wiederfuhr, war sich dessen nicht bewusst.

Wie aus folgenden Briefen (1934 an Swami X geschrieben) hervorgeht, erwartete Swamiji von seinen Schülern, dass sie sich mit ganzem Herzen darum bemühten, die Tugend des „Nichts Schlechtes Sehen“ zu entwickeln und destruktive Kritik zu ignorieren:

„Vergiss alles vollständig. Mache dir keine Gedanken, sonst wird unsere Arbeit darunter leiden. Wenn Leute
über... sprechen, stelle dich taub. Schreibe keine Antwortbriefe an... Lasse die Vergangenheit ruhen. Grübele nicht. Wende deinen Geist davon ab und setze ihn für Arbeit, Mantrawiederholung und Singen ein. Selbst wenn tausend Leute meine Ohren und meinen Geist mit üblen Nachreden über dich vergiften wollen, werde ich es nicht glauben. Verschwende deine Kraft nicht durch unnötige Besorgtheit. Unsere Arbeit kommt Schritt für Schritt voran. Sollen wir uns um öffentliche Skandale und bösen Tratsch kümmern oder auf unserem yogischen Weg fortschreiten? Vergiss, vergiss. Vergib, vergib. Sei immer fröhlich. Sei tapfer. Stehe auf. Mache dich auf und lehre überall Vedanta, Yoga und Bhakti. Mache dir nicht die geringsten Sorgen. Niemand in der Welt kann dir Schaden zufügen. Du bist unbesiegbar. Brülle wie ein Löwe auf jeder Bühne, baue auf die Wahrheit. Deine wenigen Fehler werden bald verschwinden. Mache dir keine Gedanken. Atman (das Selbst) ist Reinheit. Es ist unbefleckt. Du bist unbefleckt. Halte diesen Gedanken fest. Alle Unreinheiten werden verschwinden. Das ist die positive Methode, alle Fehler auszumerzen. Stärke, Freude, Frieden, Glückseligkeit, Unsterblichkeit sind deine wahre Natur. Verwirkliche sie.“

Man sollte andere nicht kritisieren. Ebenso wenig sollte der spirituelle Aspirant sich um die schädliche, destruktive Kritik anderer kümmern. Er sollte immer auf positives, konstruktives Wirken ausgerichtet sein. Das ist das Ideal, das bei Swamiji an erster Stelle steht.

Sein äußerstes Bemühen um das Wohlergehen der Schüler und darum, ein Missverständnis nicht zu einem Streit anwachsen zu lassen, geht aus folgendem Brief hervor, den er zwei Tage später schrieb:
„Lasse alles los. Komme zu innerem Frieden. Bist du Atman oder Körper und Geist? Selbst wenn du tausend Mal alle meine Bücher und Artikel gelesen hast, identifizierst du dich immer noch mit deinem Körper und Geist. Du selbst magst deinen Körper und Geist nicht. Diejenigen, die deinen Körper kritisieren, sind deine Freunde. Warum ärgerst du dich also darüber? Du bist schwach. Schenke der Kritik keine Beachtung. Warum grübelst du über Vergangenes? Das ist eine schlechte Angewohnheit. So kannst du keinen inneren Frieden finden. Du musst über Kritik und bösen Kommentaren stehen. Sei gut zu demjenigen, der dich vergiften und umbringen will. Setze dies in die Praxis um.“ Im nächsten Brief zum gleichen Thema gibt er diese Anweisungen in klarsten Worten: „Ertrage Beleidigungen und Kränkungen. Das ist das Wesen eines Sannyasin. Das ist spirituelle Stärke. Das ist Ausgeglichenheit. Sich wegen Nichtigkeiten Gedanken zu machen, sich monatelang Sorgen zu machen und dadurch unnötig Energie zu verschwenden, ist nicht weise. Ein wichtiger Punkt in dieser knappen Anweisung ist, dass es zum Wesen eines Sannyasin gehört, Beleidigungen und Kränkungen zu ertragen. Es ist keine Frage der Diplomatie oder der Zweckmäßigkeit und auch keine spirituelle Übung. Es ist das höchste Ideal, auch wenn wir es als Sadhana üben sollten, um Vollkommenheit zu erreichen. In wenigen Worten hat Swamiji uns damit die Essenz der Bhagavad Gita und des darin von Krishna gelehrten Yoga erläutert.

Im letzten dieser Briefe können wir einen Blick auf die Methoden des strengen Meisters werfen, der zwar mit geduldigem Überzeugen und mit Liebe vorgeht, aber nicht zögert, dem Schüler die Lektion einzubläuen, falls notwendig:
„Veröffentliche keine persönlichen Angelegenheiten von B. Sei vorsichtig. Wenn die Gemüter schon erhitzt sind, wie kannst du dann die Angelegenheit immer wieder aufwühlen? Das ist nicht die Aufgabe eines Sannyasin. Bewahre einen kühlen Kopf und lasse dich nicht von unserer Publikation, Meditation und anderen Arbeiten ablenken. Diese Angelegenheit ist ernst. Ich möchte in Zukunft Stillschweigen darüber. Du musst jetzt deine Aufmerksamkeit darauf richten. Ich möchte keine Einwände und Rechtfertigungen hören. Die Angelegenheiten müssen vollständig gestoppt werden. Du musst mir keine Antwort schicken. Aber sieh zu, dass du meiner wiederholten Bitte sofort nachkommst. Sannyasa steht für Frieden und konstruktive Arbeit. Was sonst könnte ich dir schreiben?“

Swamiji sah einem Aspiranten auf dem spirituellen Weg jeden Fehler und jede Unvollkommenheit nach, es sei denn, es handelte sich um Verstöße gegen diese beiden grundlegenden Regeln der Mission: Frieden und konstruktive Arbeit.

1937 hatte jemand einen gefälschten Brief an Paramanandaji geschrieben, der angeblich von Swamiji stammen sollte und in dem dieser ihm angeblich mitteilte, dass er nicht mehr in den Ashram zurückzukommen brauchte, da seine Dienste dort nicht mehr erwünscht seien. Verständlicherweise war der treue Schüler entsetzt. Er schrieb Swamiji zurück. Hier ist Swamijis bewegende und spirituell erhebende Antwort, die nicht nur sein psychologisches Gespür veranschaulicht, sondern auch seine Prinzipien eines göttlichen Lebens, die wesentlichen Grundsätze des Sannyasa und die hohen Ideale, die er selber verkörperte und die er seinen Schülern vermitteln wollte. Der Brief stammt vom 7. August 1937:

„Ich habe keinen solchen Brief an dich geschrieben. Es ist ein gefälschter Brief, der möglicherweise von Swami B. oder Swami A. geschrieben wurde. Vergleiche die Unterschrift mit anderen. So wirst du den Übeltäter finden. Schick mir bitte den Brief als Einschreiben, damit ich ihn persönlich lesen kann. Ich vermute, es ist ein getippter Brief. Kannst du herausfinden, ob er auf unserer Schreibmaschine getippt worden ist oder auf einer anderen und von wem in der Gruppe? Vor einigen Tagen hatten wir hier Probleme. B. hat für Ärger gesorgt. Deshalb hatte ich ihn gebeten, den Ashram zu verlassen. A. musste auch gehen. Sie leben nun außerhalb des Ashrams. Sie haben das ausgeheckt, um das gute Verhältnis zwischen uns zu verderben und um Y von Ananda Kutir zu vertreiben. Du hättest sofort merken sollen, dass ich nie einen solchen Brief schreiben würde und dass wahrscheinlich jemand eine Intrige spinnt. Alles wird in Ordnung kommen. Mach dir keine Sorgen. Komm hierher, sobald deine Arbeit beendet ist, ohne auch nur einen Moment zu zögern. Verschwende keine Sekunde daran, dir über diese Sache Gedanken zu machen. Es ist nichts als das Werk von Intriganten. Der, der Übles tut, wird die Früchte ernten. Das Gesetz des Karma ist unerbittlich.

Ich wollte dir ein Telegramm schicken: ‘Keine Sorge, es ist eine Fälschung. Ich habe nie einen solchen Brief geschrieben. Es ist eine Intrige. Brief folgt.’ Dann dachte ich, ein ausführlicher Brief würde alles besser klarstellen.

Lass dich jetzt nicht von Gefühlen hinreißen. Sei zuversichtlich. Es ist alles nur eine Intrige. Jemand hat aus Eifersucht versucht, dir zu schaden. Es wird sehr schwierig sein, herauszufinden, wer es war. Solange du Arbeit dort hast, musst du nicht unbedingt herkommen, auch wenn dich diese Sache beunruhigt. Bleib gelassen. Vernachlässige deine Arbeit nicht, denn dieses ist das letzte Jahr für dich in Madras. Sammle deinen Geist und bleib ruhig. Vergiss die Vergangenheit. Arbeite so viel du kannst. Wenn sich die Arbeit wegen finanzieller Schwierigkeiten verzögert, kannst du am 4. September herkommen. Reg dich nicht auf. Diese kleinen Schwierigkeiten und Unstimmigkeiten helfen mir und dir, stärker zu werden. Wir sollten uns davon nicht irritieren lassen. Alle diese Ereignisse machen uns stark. Mir ist dabei aufgefallen, dass du dich leicht aufregst. Als ich deinen Brief erhielt, war ich völlig überrascht. Ich konnte mir nicht erklären, wem du da schreibst, denn ich hatte dir nie so etwas geschrieben. Auch wenn du geglaubt hast, meine Unterschrift und meine Handschrift auf dem Umschlag zu erkennen, hättest du sofort merken müssen, dass sich da jemand einen üblen Scherz erlaubt hat, auch wenn du davon ausgegangen bist, dass ich nur einen solch harten Brief schreiben würde, um dir oder jemand anderem letztlich Gutes zu tun. So solltest du aber nicht denken. Ich würde nie die Gefühle eines anderen Menschen verletzen, nicht einmal im Traum, nicht einmal die desjenigen, der versucht, mich zu vergiften und mir bis zum äußersten zu schaden. Ich bin dabei, diese Tugend zu entwickeln. Sei dir dessen immer gewiss, auch wenn so etwas in der Zukunft noch einmal passiert.

Dies ist eine seltsame Welt. Wir müssen viele Lektionen lernen. Einer der Jünger Jesu verriet ihn. Auf jedem Schritt seines Weges werden sich dem Aspiranten viele Hindernisse in den Weg stellen. Wir werden unsere Stärke unter Beweis stellen müssen. Reg dich nicht über Kleinigkeiten auf. Sei freudevoll. Lächle. Schreite tapfer voran. Denke und fühle, dass nichts passiert ist. Mach dir keine Sorgen wegen Kleinigkeiten. Du musst noch viel vollbringen. Prakriti (Mutter-Natur) bereitet dich auf sehr unterschiedliche Art und Weise darauf vor. Sei dir dessen bewusst. Sei der Mutter dankbar.

Diese Dinge sind nun mal passiert, dennoch kann ich weder A. noch Y. oder sonst jemanden verlassen. Durch das Begehen von Fehlern und Dummheiten sollten wir alle wachsen. Du musst die Vergangenheit vollständig vergessen. Nirgendwo auf der Welt kannst du schlechte Menschen auslöschen. Wo immer du hingehst, wirst du unter ihnen leben müssen. Wenn du aber das Gefühl hast, dass alle dein eigenes Selbst sind, wird alles ganz anders aussehen. Du solltest versuchen, alle zu lieben, sogar den schlimmsten Menschen, der versucht, dich zu zerstören. Das ist Sannyasa. Ein Sannyasin ist jemand, der fühlt, dass er keinen Körper hat. Wir müssen lernen, unter Menschen zu leben, die versuchen, uns zu schaden, unter widrigen Bedingungen und dort arbeiten und meditieren. Erst dann können wir wachsen. Erst dann können wir den unerschütterlichen Geist eines Weisen erlangen. Ändere nie deine Meinung. Ich bin dein Diener und wohlwollender Freund, dein Bruder. Selbst wenn du mich verlässt, kann ich dich nicht verlassen. Ich will dich nicht verlassen. Du bist immer in meinem Herzen. Du bist mir immer lieb und teuer. Ich kann zu niemandem etwas Böses sagen. Wenn ich jemals ein hartes Wort zu jemandem sage, so tue ich dies, weil mir die Person leid tut. Ich will sie nur auf den rechten Weg bringen. Das harte Wort kann sie nicht verletzen, sondern wird sie auf den rechten Weg bringen. Du kennst diese Erfahrung vielleicht. Ich bin Gott dankbar, dass er mich wenigstens mit einem Funken seiner Weisheit bedacht hat. Gott hat mir diese Eigenschaft gegeben durch seine Gnade. Ich grüße dich in Liebe, Freude und Frieden.

P.S.: Es ist sehr schwierig, den Geist eines Menschen zu verstehen, selbst wenn du über Jahre hinweg engen Umgang mit ihm pflegst. Es ist allein schon schwierig, den eigenen Geist zu verstehen. Gott allein kennt den wahren Schuldigen. Es ist sehr schwierig, ihn herauszufinden. Du kennst mich sehr gut. Es wäre weiser gewesen, mir nach dem Erhalt des gefälschten Briefes nicht zu schreiben, sondern mit mir persönlich zu sprechen, wenn du hierher kommst, auch wenn die Unterschrift und der Umschlag den Anschein der Echtheit erweckt hatten. All dies bereitet dir, mir und allen anderen nur unnötigen Ärger. Wir haben keine Zeit, uns mit solchen Dingen zu befassen. Wir sollten jede Sekunde nutzen, um Ihm zu dienen und an Ihn zu denken. Du hättest sicher wissen müssen, dass ich niemals einen solchen Brief schreiben würde. Darin besteht dein Fehler. Aber das ist nicht schlimm. Durch Fehler wachsen und lernen wir.“

Prüfsteine auf dem Weg des Aspiranten

Zu Beginn des Jahres 1953, kurz nachdem er Swamiji Sri... weggeschickt hatte, der die Arbeit und die Harmonie im Ashram empfindlich gestört hatte, kam er auf das zu sprechen, was er das ‚Rudra Element’ (das zornige Element) seiner Persönlichkeit nannte. Zu den versammelten Ashrambewohnern sagte er:

„Moralische Verworfenheit ist eines Sadhakas unwürdig und eine Schande für einen Sannyasin. Trotzdem würde ich jemanden, der einmal vom Weg abkommt, mit einer Warnung davonkommen lassen und ihm eine Chance zur Besserung geben. Wenn jemand hingegen versucht, die Harmonie im Ashram zu stören, der Mission Gottes zu schaden und Zwietracht unter den Menschen hier zu säen, nehme ich dies sehr ernst. Ihr solltet auf der Hut sein vor solchen Intriganten, die ein tödliches Geschwür in der Gemeinschaft darstellen und sie von euch fern halten. In ihrem Fall wende ich die Donnermethode an und ohne vorherige Warnung werden sie ausgeschlossen. Sie tun mir sehr leid. Ich verweigere niemandem, der den Weg der Entsagung eingeschlagen hat, die sichere Zuflucht vor den Bedrohungen durch Maya (Illusion; Täuschung). Ich bin Sri... auch dankbar für die Dienste, die er dem Ashram während seines Aufenthalts geleistet hat. Aber nichts, auch keine persönlichen Gefühle, die in meinem Herzen aufkommen mögen, können meinem alles überstrahlenden Wunsch entgegenstehen, Gottes Wille ausgeführt zu sehen, unbehindert durch intrigante Elemente. Wenn Unkraut gejätet werden muss, sollten wir keine Angst davor haben, denn es ist unsere Pflicht. Was diesen Menschen fehlt, ist der Sinn für Hingabe. Wenn ihr euch aufrichtig und von ganzem Herzen der Sache Gottes widmet, werden solche Situationen wie diese nie auftreten. Es ist das halbherzige Seva, das den alten, üblen Samskaras (alte Eindrücke im Geist) Raum gibt und sie immer größer werden lässt, um euch von eurem Weg abzubringen. Wenn ihr auch Tag und Nacht arbeitet, werdet ihr noch so lange in eurem Glauben und in eurer Hinwendung zum göttlichen Leben wankelmütig sein, werden Rückfälle euren Weg kreuzen, solange dieser Geist der Hingabe nicht vollständig in euren Herzen erwacht ist. Nur die Hingabe allein wird euch befähigen, das selbstbezogene Ego auszulöschen und rasch auf dem spirituellen Weg voranzukommen. Wenn ihr diesen Geist vollständig in euch entwickelt habt, werdet ihr die Bedeutung wahrer Demut verstehen. Gehorsam, Hingabe und spirituelle Führung sind miteinander verknüpft. Nur wenn ihr euch von ganzem Herzen der Sache widmet, werdet ihr fähig sein, inneren Kontakt zu mir herzustellen. Andernfalls werdet ihr vielleicht einige Jahre hier bleiben, wie ein Pferd arbeiten, aber nicht viel spirituellen Nutzen daraus ziehen. Kleinliche, persönliche Wünsche und persönlicher Ehrgeiz, Gefühle der Zu- und Abneigung und eure eigenen Vorstellungen vom spirituellen Leben stehen euch dabei im Wege. Ihr müsst täglich innere Einkehr halten und eure eigenen Fehler finden. Jeden Morgen
sollt ihr zu Mutter Ganges beten: ‘Dank deiner höchsten Gnade bin ich hier an deinem Ufer, während Millionen Menschen auf der Erde sich danach sehnen, einen Blick auf dich zu werfen und einen Tropfen deines heiligen Wassers zu haben. Mutter! Segne mich, damit mein Herz rein wird, damit ich an diesem Nivritti Marga festhalte, damit ich frei von allen Fehlern werde und mich von ganzem Herzen der göttlichen Sache widmen kann.’

Denkt daran: Wozu seid ihr alle hierher gekommen? Um euch wegen eines extra Bechers Milch oder einigen Früchten zu streiten? Um für Macht und gesellschaftliche Stellung zu kämpfen? Ihr seid hier, um die Selbstverwirklichung zu erreichen. Heftet euren Geist fest auf dieses große Lakshya (Konzentrationsobjekt). Lasst euch durch nichts davon ablenken. Selbst wenn ihr nicht die Selbstverwirklichung anstrebt, wenn ihr nur hergekommen seid, um den Frieden zu genießen, ist es eure erste Pflicht, einige sattwigeTugenden zu entwickeln, während ihr hier seid. Nur diese Tugenden werden euch inneren Frieden bringen. Wenn ihr stattdessen eure Zeit mit müßigem Tratsch und Skandalgeschichten verschwendet, wie wollt ihr dann inneren Frieden genießen? Und ihr werdet den Frieden der anderen auch stören. Löst sofort in diesem Moment all diese ‚Vedantischen Clubs’ auf. Wenn sich drei müßige Menschen, seien sie Sannyasins oder im weltlichen Leben Stehende, in einem Teehaus treffen, worüber werden sie sprechen? Über Gott oder Sadhana? Über den Dienst am Menschen oder Selbstverwirklichung? Nein. Es geht immer um andere Leute. Das mag Stalin oder Churchill sein oder ihr Guru-Bhais (Mitschüler) oder der Schriftführer des Vereins. Sie werden jeden in der Welt kritisieren, außer sich selbst. Und wenn dieses Grüppchen auseinander geht und die Einzelnen in andere Clubs kommen, werden sie über das vorherige Grüppchen lästern. Das ist eine Schande!

Ihr müsst immer beschäftigt sein. Arbeitet, arbeitet, arbeitet. Es gibt nichts Wirksameres als Arbeit, um den Geist immer beschäftigt zu halten und ihn davon abzuhalten, Schaden anzurichten. Ihr müsst euch stets von allen Seiten mit Arbeit eindecken. Ihr solltet immer Arbeit für einen Monat haben, die auf euch wartet. Ihr solltet nie Aussicht auf den Gedanken haben, dass ihr alle Arbeit erledigt habt, denn in diesem Moment gebt ihr eurem Geist den Freibrief, Unruhe zu stiften. Hier herrscht kein Mangel an Arbeit. Ich kann euch in diesem Augenblick genug Arbeit geben, um euch während der nächsten zwei Jahre 24 Stunden am Tag zu beschäftigen.

Ihr wollt mir aber nicht näher kommen. Ihr versteckt euch vor mir. Viele der Ashrambewohner sehe ich nicht. Ihr verschließt euch wie die Engländer in euren Zimmern und ich muss vor der Tür warten, bis ich euch Arbeit geben kann. Ihr wollt nicht zwei oder drei Aufgaben gleichzeitig übernehmen. Ihr habt das Gefühl, dass ihr damit überlastet seid und zusammenbrecht. Arbeit wird euch niemals schwächen. Arbeit wird euch neue Energie geben. Wenn eure Hände ruhen, wird euer niederer Geist aktiv. Wenn ihr glaubt, eure Arbeit erledigt zu haben, lauft ihr zum Ram Ashram, um die Zeitung zu lesen oder zum ‚Vedantischen Club’, um schlecht über andere zu reden.

Ihr glaubt, ich weiß nichts davon. Ich weiß alles. Ich weiß alles über jeden Ashrambewohner, sogar die neu Angekommenen. Ihr könnt nichts vor mir verbergen. Aber es liegt in meiner Natur, die Zügel locker zu lassen. Ich mache nicht viel Aufhebens um lächerliche kleine Vergehen, denn ich weiß, dass irren menschlich ist. Ich beobachte aber sehr genau, ob der Betreffende sich bessert oder ob er weiter auf seinem eigensinnigen Weg geht. Ohne viele Worte gebe ich ihm die passende Arbeit und die beste Gelegenheit, die Schriften zu lesen und sich der Meditation zu widmen. Ich habe nahezu unbegrenzte Nachsicht für menschliche Fehler. Aber ich speichere das Wissen über die Vergehen des Einzelnen in meinem Gedächtnis und wenn die Grenze überschritten ist, schicke ich ihn weg.

Ihr denkt, ich bin die reine Freundlichkeit und Liebe; ihr denkt, ich arbeite mit Begeisterung und bringe andere dazu, ebenso begeistert zu arbeiten. Ja, so bin ich. Aber ihr kennt meine Rudra-Seite nicht. Wenn ihr ein paar weise Sätze aufgepickt habt und euch stolz auf euer Wissen aufblast; wenn ihr glaubt, ihr seid unentbehrlich für die Mission, dann zeige ich euch ein bisschen von meiner Rudra-Seite. Nur ein Gandhi, nicht eine Institution, brachte Indien die Unabhängigkeit; ein Heiliger kann der ganzen Welt spirituelles Wachstum bringen. Die Institution ist nur das Instrument in seinen Händen und bietet anderen den Rahmen, in dem sie sich entwickeln können. Ich kann meine Arbeit auch ohne Institution weiterführen. Noch am heutigen Tag könnte ich die Divine Life Society auflösen, mich in eine Höhle zurückziehen, von Bhikshaleben und Wunder bewirken. Mir liegt nichts an Bachelors of Arts oder Masters of Arts. Wenn Bachelors of Arts heute aus dem Verein austreten, werden Masters of Arts morgen dazustoßen. Wenn zweitklassige Autoren heute den Verein verlassen, werden morgen erstklassige Autoren kommen. Nur die spirituelle Persönlichkeit zählt in der Welt, nicht Tausende von halbfertigen Aspiranten.

In diesem Augenblick kann ich euch ein Beispiel für Entsagung geben. Überarbeitung, finanzielle Sorgen und vor allem Diabetes zwingen mich dazu, meinem Körper ein paar Zugeständnisse zu machen. Ihr habt keine Vorstellung
davon, wie viel Energie ich täglich in unzählige Kanäle leite. Ich muss dem Körper ein Stück weit entgegenkommen und ihn in einem Zustand halten, in dem er fähig ist zu dienen. Aber trotzdem faste ich vollständig an Ekadasi und esse salzlos an mehreren Tagen pro Woche. Macht dies einer von euch? Im Gegenteil – ihr streitet um einen extra Becher Milch! Ihr zankt euch um Früchte. Wenn ihr nicht jetzt in eurem jungen Alter, mit der Fülle eurer Energie, Entsagung, Titiksha (Gleichmut) und Selbstaufgabe übt, wann wollt ihr es dann tun? Ihr kennt keine Genügsamkeit. Deswegen ist kein Brahma-Tejas (Feuer Brahmans) in euren Gesichtern. Wenn ihr genügsam seid, ist ein Strahlen in eurem Gesicht, ein Glänzen in euren Augen. Ihr strahlt Frieden und Glück aus. Aber wenn euer Herz zerrissen ist von Gier und Wünschen, wenn ihr ständig nach weltlichen Nichtigkeiten verlangt, wie könnt ihr dann spirituellen Fortschritt erfahren?

Für solche Menschen ist es besser, in die Welt zurückzugehen, zu heiraten und ein Familienleben zu führen. Andernfalls müsst ihr auf beides verzichten! Ihr versagt euch die Freuden des weltlichen Lebens und erreicht nichts im spirituellen Leben. Es macht keinen Sinn, hier herumzuvegetieren. Ihr müsst dynamisch sein. Ihr müsst von Begeisterung, geistiger und körperlicher Kraft erfüllt sein.

Angenommen, ihr würdet ein Familienleben führen. Hättet ihr täglich Milch und Obst? Stellt euch selber diese Frage. Wenn ihr 150 Rupien im Monat verdient und eine fünfköpfige Familie hättet, könntet ihr euch auch nur ein Mal im Monat den Luxus einer Banane leisten? Niemals. Ihr würdet denken, dass dies eine Verschwendung wäre. Ihr würdet nicht einmal auf den Gedanken kommen. Warum? Weil ihr euch für die Zukunft der Familie verantwortlich fühlt und es daher sinnvoller findet, Geld zu sparen, um euren Kindern eine Ausbildung zu ermöglichen. Aber hier habt ihr nicht dieses Verantwortungsgefühl. Die Institution kümmert euch nicht! Wenn es so wäre, gäbe es keine Probleme. Alle eure Bemühungen sollten dazu dienen, die Sache voranzubringen, Wege und Mittel zu finden, die Einnahmen des Ashrams optimal einzusetzen, um der Welt größtmöglichen Nutzen zu bringen. Ihr solltet euch vollständig mit der Sache identifizieren: erst dann werdet ihr verstehen, was Karma Yoga bedeutet.

Ihr habt aber kein wirkliches Interesse am Ashram. Ihr denkt, ihr könnt die Leitung des Ashrams täuschen und heimlich euren egoistischen Zielen nachgehen! Es ist euch wichtig, euer eigenes Geld zu besitzen, ein eigenes Bankkonto! Eigenes Vermögen und ein Scheckheft ist der größte Fluch für einen wahren Sadhaka (spirituellen Schüler). Sie werfen euch in den tiefen Abgrund des Samsara (Kreislauf von Geburt und Tod). Wenn ihr in einer Gemeinschaft lebt, in der ihr rundum versorgt seid und alles bekommt, was ihr braucht, wozu braucht ihr dann eigenes Geld? Wenn ihr der Gemeinschaft selbstlos dient und keine persönlichen Kontakte nach außen habt, woher bekommt ihr dann das Geld? Das Verlangen nach eigenem Geld vergiftet euch. Es treibt euch dazu, auf allen möglichen Wegen Geld für euer Konto zusammenzuraffen. Ihr dient den Besuchern als Ashrambewohner, zeigt ihnen euer breitestes Lächeln, klagt über den Ashram und nutzt dann ihr Mitleid aus, um ein paar Rupien von ihnen zu bekommen.

Was könnt ihr mit diesem Geld machen? Alle eure Bedürfnisse werden im Ashram gedeckt. Ihr pflegt schlechte Gewohnheiten. Eure alten, schlechten, unterdrückten Samskaras gewinnen wieder die Oberhand. Ihr erleidet einen Rückfall. Außerdem versucht ihr, andere mitzuziehen. Ihr bildet ein Grüppchen. Ihr kümmert euch nicht darum, was euer Guru sagt und kritisiert ihn sogar. Das bisschen Geld, das ihr habt, ruft in euch den Wunsch nach mehr wach.

Ihr versucht, einen Keil zwischen die Verantwortlichen im Ashram zu treiben und die Atmosphäre zu vergiften, um Macht und Geld zu erlangen. So werdet ihr ein gefährliches, destruktives Element. Das Verlangen nach Macht und Geld verdreht euch den Kopf. Ihr schafft Zwietracht. Ihr geht sogar soweit, euch gegen euren Guru zu wenden und seine Mission zu ruinieren. Solche Leute sind sich der schlimmen Folgen ihres Verhaltens nicht bewusst. Guru-Droha (Feindseligkeit gegenüber dem Guru) ist das schlimmste Verbrechen, die größte Sünde. Wer Guru-Droha verübt, wird im Alter fürchterlich leiden. Er wird einen langsamen, qualvollen Tod erleiden, geplagt von einer schrecklichen Krankheit wie Lepra, mit dem Mund voller Geschwüre, ohne Essen, ohne Kleidung, allein gelassen, von Hunger und Durst gequält, den Unbilden des Wetters ausgesetzt.

Was ist zum Dienst am Guru zu sagen? Ihr sollt von ganzem Herzen dem Ashram und der Institution dienen, die euch Essen und ein Dach über dem Kopf gibt. Dankbarkeit ist eine goldene Tugend. Wenn ihr nicht einmal diese grundlegende Tugend besitzt – die sogar Tieren eigen ist – wie könnt ihr dann hoffen, Gottverwirklichung zu erreichen? Von Anfang an habt ihr die falsche Lebenseinstellung angenommen. Wenn ihr allein je euren Eltern gedient hättet, wüsstet ihr, was Gehorsam ist, was Seva Bhava (Einstellung des Dienens) ist. Wenn euch hier die Gelegenheit gegeben wird zu dienen, denkt ihr: „Ich habe nicht einmal meinen Eltern gedient, wieso sollte ich diesen Leuten dienen?“ Euer Ego ist hart wie Granit. Es kann nur durch wiederholte Schläge und Stöße und durch die Gnade Gottes erweicht werden.

Denkt immer an Gott. Wiederholt ununterbrochen seinen Namen. Dient, dient, dient. Arbeitet, arbeitet, arbeitet. Wenn ihr nicht arbeitet, solltet ihr euch dem Studium der Schriften widmen. Wenn ihr weder das eine noch das andere tut, solltet ihr Japa und Meditation üben. Ich habe im Ashram das entsprechende Umfeld dafür geschaffen - viel Gelegenheit zu arbeiten und zu dienen, Bücher und Zeitschriften, die Bhajan-Halle, den Mandir (Tempel) und Kutirs für die Meditation. Und durch Gottes Gnade habt ihr Essen und Kleidung, ohne euch darum kümmern zu müssen. Besteht irgendeine Notwendigkeit, das Ashramgelände zu verlassen? Nur das Aufflammen eurer eigenen falschen Samskaras verleitet euch dazu, hinaus zu gehen, Grüppchen zu bilden und euch in Tratsch und Skandalgeschichten zu verlieren. Befreit euch von diesen Samskaras durch Dienen, Lernen und Meditieren, indem ihr das Gute in anderen seht und niemals an deren Fehler denkt. Kümmert euch um eure eigenen Angelegenheiten, kümmert euch um euren eigenen Geist. Entwickelt euch, entwickelt euch, entwickelt euch.

Was ich euch heute gesagt habe, ist genug, um euch für die nächsten drei Jahre wach und aufmerksam zu halten. Ich hege große Liebe zu euch. Ich bete Tag und Nacht zu Gott, damit er euch mit Weisheit, Gelassenheit und Einsicht segnet. Aus diesem Grund erzähle ich euch dies alles. Ich erlege euch keine harte Disziplin auf, denn ich weiß, dass die Menschen hier auf verschiedenenEntwicklungsstufen stehen und ich möchte jedem Aspiranten die Möglichkeit geben, in seinem eigenem Rhythmus zu wachsen, völlig unbehindert seine schlummernden Fähigkeiten zu erwecken, Raum zu finden, seine Begabungen zu entfalten und spirituell zu wachsen. Das bedeutet nicht, dass ich zu nachsichtig bin. Ich beobachte aufmerksam euer Verhalten. Ich kann in euer Herz sehen, indem ich beobachte, wie ihr schaut, wie ihr sprecht, indem ich auf jede Einzelheit in eurem Verhalten achte. Ich kann euch hier und da auf eure Fehler hinweisen und eure Zukunft formen. Aber ich möchte nicht, dass ihr Angst vor mir habt. Ich möchte nicht, dass ihr mir aus Angst gehorcht. Gehorsam sollte auf Liebe und Hingabe gründen, auf dem ureigenen Wunsch, sich zu entwickeln und spirituell zu wachsen. Gehorsam, der durch Angst und Furcht erzwungen wird, ist nicht von Dauer; er ist nicht aufrichtig und kommt nicht von Herzen. Ihr werdet nur auf die Gelegenheit warten, vor der Disziplin zu flüchten. Daher möchte ich euch mit Liebe auf eurem Weg leiten.

Lebt und arbeitet hier in Harmonie. Kritisiert niemanden. Versucht nicht, die Atmosphäre zu zerstören. Wie viel gute Arbeit werden die Leiter leisten können, wenn ihr ihnen Nörgeleien und Sorgen erspart? Jetzt verbringen sie die meiste Zeit damit, Streit zu schlichten und sich um die kleinlichen, nichtigen Wünsche von Mitarbeitern zu kümmern. Wenn ihr alle harmonisch zusammenarbeitet, könnt ihr Wunder bewirken. Gott segne euch mit Weisheit und innerer spiritueller Kraft!“