Yoga Geschichten

Die Schlange und das Seil

In Indien, wo es viele Schlangen gibt, kam abends ein Mann nach Hause und trat in seinem Vorgarten auf eine Schlange. Schnell sprang er zur Seite, doch er merkte schon, dass ihn die Schlange gebissen hatte. Und da er wusste, dass es eine Giftschlange gewesen sein musste, rief er sofort den Priester für die letzten Ölungen und die letzten Riten. Er spürte, wie ihn seine Lebenskräfte langsam verließen.

Da kam eine alte Frau vorbei, die Dorfweise und schaute sich die Wunde an. Sie stutzte, dann nahm sie eine Lampe und ging hinaus in den Vorgarten. Und was sah sie dort? Ein Seil! Und neben dem Seil wuchs ein Dornenbusch. Als der Mann erschrocken zur Seite gesprungen war, hatte er sich an dem Busch die Wunde zugezogen und gedacht, es sei ein Schlangenbiss.

Die Frau ging wieder hinein und rief dem Mann zu: „Du stirbst nicht. Das ist kein Schlangenbiss, das war nur ein Seil da draußen. Und deine Wunde ist nur eine Dornenwunde.“

Die ganze Zeit war nur das Seil wirklich gewesen. Woher kam die Schlange? Die Schlange existierte nur in der Einbildung, in der Vorstellung des Mannes.

Brahman entspricht dem Seil, es ist immer da. Die Welt, so wie wir sie sehen, ist eine Einbildung. Sie existiert nicht wirklich in der Form, wie wir sie wahrnehmen. Wir legen die Vorstellung einer Welt über das reine Bewusstsein. Das Seil ist niemals zur Schlange geworden, Brahman ist niemals zur Welt geworden. Brahman existiert immer weiter als reines Bewusstsein.