Kanda

Kanda, der Ursprung aller Nadis

In modernen Yoga-Büchern liest man viel von Nadis und Chakras. Wenig hingegen liest man in der heute populären Yoga-Literatur über den Kanda, der doch in den Hatha-Yoga-Schriften (beispielsweise in der Hatha-Yoga-Pradipika) immer wieder erwähnt wird. In den alten Hatha-Yoga-Schriften nehmen Sonne, Mond und Kanda einen sehr viel größeren Raum ein als die heute so häufig erläuterten sieben Chakras. Ich meine, es ist an der Zeit, dass Yoga-Praktizierende sich dieses machtvollen Energiebereichs bewusster werden.

Bedeutung des Kanda

Kanda heißt „Knolle“, „Wurzelknolle“. Der Kanda ist ein eiförmiges Energiezentrum im Beckenbereich. Im Inneren ist er golden, außen von einer weißen Membran bedeckt. Sein unteres Ende ist beim Mann im Perineum zwischen Hodensack und Anus, bei der Frau im hinteren unteren Bereich der Scheide. Das untere Ende wird auch als „Kanda-Punkt“ bezeichnet. Es gibt zahlreiche Hatha-Yoga-Übungen, um diesen Kanda-Punkt zu stimulieren beziehungsweise zu aktivieren. Der eiförmige Kanda geht durch die Prostata beziehungsweise die Gebärmutter nach oben bis zum Punkt zwischen Nabel und Wirbelsäule. Er ragt damit in den Bereich der Sonnenenergie hinein. Darum werden das japanische Energiezentrum Hara und der chinesische Tan Tien manchmal mit der Ha-Energie (Sonnenenergie) und manchmal mit dem Kanda in Beziehung gebracht.

Kanda und die 72.000 Nadis

Kanda gilt als der Ursprung der 72.000 Nadis, oder doch der meisten dieser Nadis. Im Kanda beginnen Ida, Pingala und Sushumna. Im Kanda entspringt das Muladhara-Chakra, welches der Sitz der Kundalini-Energie ist. Kanda als „Wurzelknolle“ ist ein von Erdenergie geprägtes Chakra. Es ist wichtig, den Kanda zu spüren, zu entspannen, zu aktivieren und sich im Kanda zu zentrieren, bevor man mit fortgeschrittenen Energiepraktiken beginnt. So bekommt man die notwendige Erdung, die notwendige Festigkeit.

Erdung und Kanda

Genauso ist es notwendig, sich nach einer intensiven Energiearbeit zu erden. Ein Schritt dafür ist es, sein Bewusstsein in den Kanda zu bringen. Damit kann das erweckte Prana auch aus den höheren Energiezentren in die verschiedenen Nadis fließen und sich somit im normalen Alltag manifestieren.

Die auf der Seite „Apana-Vayu“ beschriebenen Übungen Mula-Bandha und Ashwini-Mudra stimulieren auch den Kanda und helfen bei der Erdung.

Erdene Übung zur Kanda-Aktivierung

Hier eine weitere einfache erdende Übung:

Setze dich ruhig und gerade hin. Wenn du kannst, setze dich in Siddhasana (mit der Ferse unter dem Kanda-Punkt). Wenn du dich auf ein Kissen setzt, dann so, dass eine Kante des Kissens unter dem Kanda-Punkt spürbar ist. Wenn du dich auf einen Stuhl setzt, dann so, dass eine Kante des Stuhles unter dem Kanda-Punkt ist. Atme ein paar Mal normal ein und aus. Stelle dir den Kanda wie ein goldenes Ei zwischen Beckenboden und der Höhe des Nabels in der Bauchmitte vor. Bringe dein Bewusstsein ganz in dieses goldene Ei. Wenn du Mula-Bandha oder Ashwini-Mudra beherrschst, übe diese ein paar Mal, um den Kanda besser zu spüren. Stelle dir vor, der Kanda strahlt ein goldenes Licht aus. Werde dir bewusst, dass du über den Kanda mit Mutter Erde verbunden bist. Ruhe in dieser Festigkeit.

Nach ein paar Atemzügen stelle dir vor, dass von dem goldenen Ei Lichtlinien in den ganzen Körper gehen, in die Beine bis zu den Füßen, in den Rumpf bis zum Kopf, in die Arme bis in die Finger. Spüre, dass dein ganzes Energiesystem golden leuchtet. Wisse, dass du inmitten all dieser kreisenden Energien stets in diesem Kanda ruhen kannst.