Studien über vergleichbare Philosophie

 

G. W. Leibniz

Leibniz propagiert einen pluralistischen metaphysischen Idealismus, in dem er die Wirklichkeit des Universums zu Zentren der Macht reduziert, die letztendlich alle in ihrer Natur spirituell sind. Jedes Machtzentrum ist eine Substanz, - ein Individuum -, dass sich von anderen Machzentren unterscheidet. Leibniz bezeichnet sie als Monaden (Einheiten). Diese Mächte sind weder lenkbar noch gehören sie zu irgendwelchen Subjekten im Raum. Nichts außer Gott kann diese Monaden zerstören, und darum werden sie in ihrem Wesen als unsterblich bezeichnet. Eigentlich ähneln sich diese Monaden und doch unterscheiden sie sich voneinander. Da die Monaden spirituelle Einheiten sind, werden sie trotz ihrer inneren Verschiedenheit durch einen spirituellen Charakter bestimmt. Diese Verschiedenartigkeit gibt ihnen ihre unterschiedliche Individualität. Wir werden hier an die Viseshas (an das Unterscheidungsmerkmal) der Atome in den Nyaya und Vaiseshika Philosophien erinnert, wo die Viseshas den Atomen eine bestimmte Individualität geben. Die Monaden von Leibniz sind die Subjekte für die Veränderungen in der Wahrnehmung und dem Geschmack, wobei jede Monade nach immer klarerer Wahrnehmung strebt. Dieser Prozess hat für die Monade das Ziel, zu einem Bewusstsein von einer immer besseren Wahrnehmung von sich selbst zu kommen. Die Vielfältigkeit der Monaden und die Art und Weise wie sie angeordnet sind, ist der Grund für die vielschichtige Welt. Diese Monaden sind überall in der Welt gegenwärtig, - in Menschen, Tieren, Pflanzen und sogar in unbeseelter Materie. Für Leibniz gibt es weder tote Materie noch blinde Macht. Materie ist durch und durch lebendig. Da alle Monaden verschieden sind, unterliegen sie einer Hierarchie. Von der Materie bis hin zum Menschen gibt es im Bewusstsein einen Drang nach Vollkommenheit. In der Materie sind die Monaden unbewusst; im Menschen erheben sie sich zu einem reflektierenden Bewusstsein.

Jede Monade ist wie ein Spiegel, der das ganze Universum reflektiert. In einer Monade kann ein universales Geschehen abgelesen werden. Die Ebenen der Klarheit, in der die Monaden das Universum reflektieren, unterscheiden sich entsprechend der Rangstufe, die sie in der Hierarchie einnehmen, die durch die Klarheit der Wahrnehmung bestimmt wird. Ihre Rangfolge wiederum wird durch die Klarheit ihres Bewusstseins bestimmt. Je mehr man sich dem Ebenbild Gottes nähert, desto weniger spiegelt sich das Universum wider. Obgleich die Monaden die Fähigkeit besitzen, unendlich zu erscheinen, so sind sie es doch keinesfalls, denn um sie herum gibt es weitere Monaden. Leibniz sagt, dass in einer Monade die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ablesbar ist; das Wissen einer Monade gibt uns das Wissen des ganzen Universums. In der Hierarchie gibt es unendliche Abstufungen; von der niedrigsten bis zur höchsten Stufe gibt es, - ohne Sprünge oder Lücken zwischen den Monaden, - eine schrittweise Abfolge spiritueller Einheiten oder Mächte. Gott ist die höchste Monade. Leibniz weist die Existenz auf fünffache Art und Weise nach; durch den ontologischen Beweis (Lehre vom Sein), den kosmologischen Beweis der Einsicht, den teleologischen Beweis (Kausalmechanismus), durch das Gesetz einer Grundharmonie und durch den epistemologischen Beweis (Erkenntnistheorie), der einen Hintergrund für die ewig notwendige Wahrheit erfordert, die in der Welt sichtbar ist.

Wie bei den Entelechies (sein Ziel in sich selbst haben) von Aristoteles, werden die Monaden von Leibniz durch einen inneren Drang und nicht durch Einflüsse von außen gesteuert. Man möge sich daran erinnern, dass diese Monaden fensterlose Wesen sind, die keinen Zugang von außen zulassen. Keine Monade kann eine andere beeinflussen. Wahres Wissen, das von innen und nicht von außen kommt, ist unendlich. Die Möglichkeiten einer Monade ruhen versteckt in sich selbst, so wie ein Baum in einem Saatkorn verborgen ist. Evolution ist der Prozess der Verwirklichung des inneren Potenzials der Monaden, wobei die höheren Stufen im Evolutionsprozess eingeschlossen sind und die niederen Stufen durchdrungen werden. Das ganze Leben einer Monade ist darum eine lange Kette mit vielen Stufen der Selbstdurchdringung. Das Vergangene ist in der Gegenwart überholt, und die Gegenwart wird in der Zukunft transzendiert. In der Sichtweise von Leibniz werden wir an Aristoteles erinnert, d.h., dass in der Evolution die Stufen der Zukunft einer Monade das Ergebnis oder die Folge der vorhergehenden Stufen sind, sodass für die Evolution keine Handlung von oben oder außen nötig sind. Obwohl sich eine Monade von der anderen unterscheidet, hat jede Monade ein harmonisches Verhältnis zu allen anderen Monaden. Man kann an dieser Stelle brillant die Keimzelle der Philosophie des Organismus erkennen, wie sie später von Whitehead propagiert wird. Leibniz versucht eine Verbindung zwischen Mechanismus und Teleologie in so weit herzustellen, wie der physikalische Bereich durch ein striktes ‚Law and Order- Prinzip‘ regiert wird, was mechanisch erklärbar ist, doch das System des Universums wird durch ein absolutes Ziel gesteuert, in das es selbst eingebunden ist. Mechanik wurzelt für Leibniz in Metaphysik; die mathematischen und mechanischen Gesetze der Physik deuten direkt auf Gott hin. Wissenschaft und Religion werden auf diese Weise zusammenge-führt. Wir erhalten ein organisches Ganzes eines Universums, wo jede Tatsache oder jedes Ereignis sein eigenes Verständnis davon hat, was oder warum es existiert oder geschieht, an welchem Ort und zu welcher Zeit es stattfindet. Nicht jeder muss es so verstehen, dass er es überprüfen könnte, doch jedes Objekt sollte sein eigenes Verständnis besitzen. Für Leibniz war es das Gesetz von einem ‚ausreichenden Verständnis‘, was sofort ebenso logisch wie metaphysisch ist. Dieses Gesetz führt zu einer Art von Bestimmung und lässt kaum Raum für einen freien Willen, für Ursachen von Ereignissen oder für Tatsachen, die bereits durch die Umstände vorherbestimmt waren, in die jeweils eine Monade in der Hierarchiestufe platziert ist, und selbst ein scheinbar freier Wille wäre nur das Ergebnis einer gemeinsamen Aktion der unterschiedlichen Bedingungen der vergangenen und gegenwärtigen Faktoren, die die Monade zu dem werden lassen, was sie ist. Doch Leibniz lässt ein wenig freien Willen zu, ohne richtig zu erklären, wie dies mit dem Absoluten und der Allmacht Gottes in Einklang gebracht werden kann. Das Gesetz von einem ausreichenden Verständnis erfordert von einem Universum, ein rationales Ganzes zu sein, wo logische und metaphysische Wahrheiten identisch werden.

Die individuellen Seelen, die eine göttliche Hierarchie der Monaden bilden, haben viel mit dem göttlichen Urbild gemein. Der Verstand des Menschen ist im Wesentlichen mit dem Bewusstsein Gottes eins, doch der menschliche Verstand unterscheidet sich von IHM in seiner Intensität. Das Königreich Gottes hat darum zwei Aspekte: die Hierarchie der Monaden und das physikalische Universum. Dies alles arbeitet auf Grund der harmonischen Grundhaltung parallel zusammen. Die selbe parallele Zusammenarbeit findet, mit einer differenzierten Bewertung in der Philosophie von Leibniz, bei Geist und Körper statt. Gott hat gemäß Leibniz Geist und Körper so angeordnet, dass sie in Harmonie miteinander arbeiten. Gott hat alle Monaden mit gleichen Inhalten ausgestattet. Die Theorie von fensterlosen Monaden verhindert einen Austausch untereinander. Der Zustand Harmonie zwischen dem psychischen und dem physikalischen Zustand ist durch Gott voreingestellt. Obwohl die Monaden verschiedenartige Wahrnehmungen haben, gibt es aus Sicht des Organismus des Universums für alle – Geistorgane und Körper – einen einzigen Hintergrund. Obwohl die Glieder des universalen Organismus durch kausale Beziehungen miteinander verbunden sind, sollte man nicht vergessen, dass diese Beziehungen durch Gott strikt vorbestimmt sind und nicht im Sinne eines Austausches untereinander verstanden werden dürfen.

 Es gibt bei den Seelen und den Körpern einen Unterschied in der Handlungsweise. Die Seelen werden durch ein teleologisches Gesetz gesteuert; die Körper werden durch mechanische Bewegungen bestimmt. Doch wirken beide durch die voreingestellte Harmonie zusammen. Leibniz fügt hinzu, dass die spirituellen Monaden, wenn sie von den Sinnen wahrgenommen werden, wie das phänomenale Universum erscheinen; mit anderen Worten: Materie ist Geist, der durch die Sinne wahrgenommen wird.

Gott als höchste Monade ist unveränderlich. ER ist absolutes wirkliches Sein. Doch das Wichtigste, was Leibniz der Logik und Mathematik zuordnet, dass er sie als Beispiele ewiger Wahrheit betrachtet, was ihn glauben lässt, dass die Gesetze der menschlichen Gedanken auch an Gott gebunden sind.

Leibniz hält daran fest, dass es Monaden innerhalb von Monaden gibt. Es gibt sogar lebende Organismen in einer scheinbar toten Materie. Jedes Materienpartikelchen beinhaltet mehrere lebende Organismen. Jeder Organismus ist wiederum die Heimstatt vieler anderer Organismen usw. Seine Theorie von der universalen Gegenwart lebendigen Seins wird als Panpsychismus (Allbeseeltheitslehre) bezeichnet.

Über die Beziehung zwischen Gott und den Monaden spricht Leibniz auf verschiedene Art und Weise. Manchmal glaubt er an ihre Ewigkeit und manchmal, dass sie von Gott erschaffen sind; wer sollte sie sonst zerstören, wenn ER es will, und manchmal glaubt er, dass die Monaden Offenbarungen von Gott selbst sind. Wenn sie ewig sind, müssen sie sich von Gott unterscheiden und haben nichts mit IHM zu tun; in diesem Fall können sie nie die Vollkommenheit Gottes erreichen. Und wenn die Monaden beschränkte Einheiten sind, können sie nicht ewig sein. Wenn sie nicht ewig sind, müssen sie vergänglich sein und haben keine inneren Werte. Wenn ihr Ziel Gott ist, muss Gott in ihnen wohnen; mit anderen Worten, sie müssen eine Erscheinung Gottes sein, und es sind keine Einheiten, die Gott erschaffen hat, DER sie sogar zerstören kann. Die Monaden sind entweder existent oder nicht existent. Falls sie existieren, dann sind sie wirklich und können darum nicht zerstört werden; wenn sie nicht existieren, gibt es nichts zu zerstören.

 Die Mehrheit der Monaden im System von Leibniz sind ein großes Hindernis bei einer befriedigenden Erklärung zur Verwirklichung Gottes. Wenn sie ihrem Wesen nach wirklich vielfach sind, dann werden sie zu ewigen unabhängigen Einheiten, deren Ewigkeit nur eine Bezeichnung sein kann. Denn es kann keine Ewigkeit von vielen Dingen geben; Individualität ist ein Zeichen von Räumlichkeit und darum veränderlich. Leibniz ist ängstlich, das Universum zu einem harmonischem Ganzen zu machen, doch dies macht er mit dem hoch künstlichen Gebilde einer harmonischen Voraussetzung. Diese Voraussetzung kann nicht ohne die Doktrin einer Vielheit von Monaden aufrecht erhalten werden, was wiederum nicht ohne die Voraussetzung von Harmonie möglich ist. Die Begründungen drehen sich im Kreis. Das es eine Wechselbeziehung zwischen Geist und Körper und zwischen Individuen gibt, kann nicht bestritten werden. Whitehead macht es viel später klar, dass im universalen Fluss jede Einheit in die an-dere fließt, und dass es keine isolierten Einheiten gibt. Vielmehr, wenn die Monaden sich voneinander unterscheiden, müssen sie sich in einem Raum befinden, denn es gibt keine Unterscheidungsmöglichkeit ohne Raum. Doch für Leibniz sind die Monaden unkörperlich und ohne Ausdehnung. Wenn sie sich im Raum ausdehnen würden, wären sie materielle Körper; wenn sie ohne Ausdehnung und spirituell sind, können sie nicht vielfach sein. Nur ein universales ungeteiltes Ganzes, wobei die Vielheit transzendiert wird, kann eine Spiritualität der Monaden rechtfertigen. Anderenfalls wären sie lediglich physikalische Atome, die irgendwo im Raum schwebten.

In der Vedanta-Philosophie haben ein Vielzahl absoluter Substanzen keinen Platz. Sie lässt eine Vielzahl von Jivas oder individuelle Seelen zu, doch sind sie dann keine absoluten Wesen der Existenz. Das Wesenhafte der Jivas ist der Atman, der reines Bewusstsein ist. Es gibt nur einen Atman als die Eine Wirklichkeit, die mit Gott oder dem Absoluten identisch ist. Bei Leibniz können wir eine Verwirrung zwischen Geist und Seelen feststellen. Die Vedanta macht einen Unterschied zwischen dem Geist und der Seele. Die Seele ist im Sinne von Jiva eine Offenbarung des absoluten Atman durch den Geist als Medium. Der Geist ist genauso körperlich wie der Körper, jedoch viel subtiler als er. In diesem Sinne kann es eine Vielzahl individueller Seelen geben. Dieses ist nicht bei dem absolut Wesenhaften oder der Wirklichkeit möglich. Eine Vielzahl von Wirklichkeiten würde die Wirklichkeiten zu Individuen und konsequenterweise vergänglich machen. Wenn die Monaden von Leibniz unterscheidbare Individuen sind, dann können sie nicht ewig und unsterblich sein. Wenn Leibniz unter diesen Monaden Geiststoffe und nicht die spirituellen Wesen im Sinne von Atman versteht, würde die Vedanta mit Leibniz dahingehend übereinstimmten, dass es eine Vielzahl von Monaden gibt. Doch als absolute Wirklichkeiten kann es nicht so sein, denn es gibt nur eine Wirklichkeit. Eine Pluralität ist ohne Raum unmöglich, und die Wirklichkeit steht über der Räumlichkeit.

Leibniz scheint zu glauben, dass die Monaden durch Gott zerstört werden könnten. Hier widerspricht er sich selbst, denn ein zerstörbares ‚Subjekt‘ kann nicht unsterblich sein, weil Unsterblichkeit ewige Existenz voraussetzt. Das Ewige kann keine Folge oder gar ein Produkt von irgendetwas sein. Ewiges beginnt nicht zu irgendwann. Natürlich muss die unerschaffene Ewigkeit zeitlos und raumlos sein, und sie muss als die absolute Wirklichkeit (Gott) erkannt werden. Zerstörung im Sinne von Veränderung kann durch Gott bezüglich der phänomenalen Objekte herbeigeführt werden, jedoch nicht bezüglich unsterblicher Wesen, wie die Monaden von Leibniz. Die Jivas sind andererseits unzerstörbares Sein, obwohl deren relativen Bestandteile sich im Laufe des Evolutionsprozesses verändern. Selbst hier ist es die psychische Hülle der Jiva, die sich verändert; denn sein Wesen, der Atman, befindet sich jenseits aller Veränderungen. Wenn es heißt, dass die Jivas sich im Evolutionsprozess verändern, so muss man sich daran erinnern, dass sich nur die biologischen Faktoren und nicht die Jivas selbst verändern. Und doch gibt es für die Vedanta die Evolution der relativen Jivas, aber nicht die Evolution der absoluten Wirklichkeit. Nicht einmal ein Wunder könnte das absolute Wesen der Dinge zerstören.

Es ist für Leibniz schwierig, die Theorie eines organischen Universums mit der Annahme aufrecht zu halten, dass die Monaden, die das absolute Wesen der Dinge darstellen, voneinander getrennt sind. Wie kann es zwischen den fensterlosen Individuen, die sich auf keine Verbindung einlassen, organische Beziehungen geben? Doch Leibniz wagt solch eine Theorie, indem er die Monaden zu Spiegeln macht, die sich gegenseitig reflektieren. Wie muss man sich eine Reflexion ohne Beziehung vorstellen? Leibniz benutzt offensichtlich den Begriff der Reflexion an Stelle von Wechselwirkung, denn was wäre die Reflexion ohne eine gegenseitige Handlung? In der Vedanta-Philosophie beinhaltet jedoch die organische Einheit des Universums Individuen, die einander beeinflussen, nicht im Sinne der Kausalität wie bei einem Raum-Zeit-Gebilde, sondern durch den universalen Einfluss mit einer gegenseitigen Auswirkung. Mit anderen Worten, jedes Individuum im Universum wird beeinflusst und übt gleichzeitig auf alle anderen eine Beziehung (und umgekehrt) aus. In ihrer Theorie über das phänomenale Universum der Individuen ist sie nicht weit von der Theorie Whitehead’s entfernt, der die Philosophie eines vollkommen organisierten Universums der Einheiten propagiert, wobei die Einheiten aufeinander zufließen, um eine größere Verbundeinheit zu formen und dabei aufhören Individuen zu sein. Die Monadologie von Leibniz ist auf die Vedanta-Philosophie des relativen Universums der phänomenalen Individuen, jedoch nicht auf ihre Theorie der absoluten Wirklichkeit anwendbar.

Für Leibniz, so wohl als auch für die Vedanta, gibt es in dem von Individuen bevölkerten Universum kein Vakuum. Für beide existiert keine tote Materie, Materie ist von Leben durchdrungen, obwohl dieses für die Sinne nicht wahrnehmbar ist. Für die Vedanta sind die Individuen, die das Universum bevölkern, keine fensterlosen Einheiten, sondern beeinflussen sich gegenseitig außerordentlich. In einem organischen Universum kann es keine unbeeinflussten Körper geben, denn, wenn irgendetwas unberührt bliebe, dann würde es von dem organischen Universum beeinträchtigt werden. Die Jivas spiegeln in sich selbst das Universum, und verhindern nicht als fensterlose Substanzen jegliche Kontakte. Das Universum ist wie eine Familie, wobei die Familienmitglieder wechselseitige, harmonische und ausgeglichene Beziehungen pflegen. Für die Vedanta ist das ganze Universum nicht nur mit Denkorganen angefüllt, sondern das universale Selbst, was unteilbares Bewusstsein ist. Obwohl es heißt, dass die Monaden von Leibniz spirituell sind, scheint er damit zufrieden zu sein, dass sie sich ihrem Wesen entsprechend nur bis zur Gefühlsebene erheben, was die Vedanta als Geist und nicht als Bewusstsein bezeichnen würde. Wir sollten den Geist nicht mit dem spirituellen Bewusstsein verwechseln, denn der Erste ist ein sich veränderndes Subjekt, er wirkt im Raum-Zeit-Komplex und er bildet das individuelle Sein; das Bewusstsein hingegen durchdringt das Individuelle und existiert als allgemeines Wesen und als Wirklichkeit, das allem Individuellen unterliegt.

Leibniz beharrt darauf, dass die Monaden von innen und nicht von außen gesteuert werden. In der Vedanta findet sich eine umfangreich Synthese von subjektiven und objektiven Einflüssen, wobei der innere Drang und der äußere Zwang ein und dasselbe sind. Durch einen inneren Drang müssen wir das Gesetz des Absoluten verstehen lernen, das uns von innen her als das Selbst - wie bei allen Dingen - antreibt, das aber ohne Druck seitens der Allgegenwart handelt. Das Individuum ist nicht wirklich vom äußeren Universum getrennt; das Universum ist seine eigene äußere Umgebung. Da es nur ein Selbst im Universum gibt, kann es nicht nur auf ein Individuum beschränkt sein, um von innen her, losgelöst von äußeren Einflüssen, zu handeln. Das eine Absolute ist gleichermaßen innerlich und äußerlich spürbar. Für die Vedanta ist Ishvara die eine Wirklichkeit des Universums und der Individuen, die sich nicht von IHM unterscheidet. Darum verhält Er sich universell und ist nicht nur auf ein Individuum beschränkt. Der Unterschied zwischen innen und außen ergibt sich auf Grund eines Fehlers der individuellen Wahrnehmung, die immer auf der Grundlage falscher Vorstellungen beruht, wobei das Subjekt der Wahrnehmung sich vom wahrgenommenen äußeren Objekt unterscheidet. Individuelle Handlung und kosmisches Gesetz, ‚freier Wille‘ und universale Bestimmung, Mühe und Gnade müssen ein und dasselbe in einem einheitlichen Universum sein, das sich auf dem absoluten Selbst gründet.

Die Vedanta stimmt mit Leibniz darin überein, dass es in der Anordnung der individuellen Seelen keine Brüche irgendwelcher Art gibt. Alles ist organisch miteinander verbunden. Es gibt nirgendwo etwas Privates, Geheimnisvolles oder Verstecktes im Universum. Alle Gedanken und Handlungen sind bereits in der Entstehung öffentlich. Selbstsucht ist darum eine Illusion, die keine Bedeutung hat. Das individuell Gute ist zwangsläufig das Gute des Universums, und falls irgendetwas Individuelles in seiner Unwissenheit versucht, etwas als Persönlich zu betrachten, wird es in seiner Bemühung bekämpft. Jede Handlung führt aus dem äußeren Universum zu einer Reaktion; das Universum bewahrt immer sein Gleichgewicht und lässt keine Zerstörungen von irgendwoher zu. In dieser Theorie beruft sich die Vedanta auf das Absolute als die Seele des Universums, die der Grund für die organische Einheit zwischen den Individuen ist. Ohne das absolute Selbst gäbe es weder eine Erläuterung zur organischen Einheit noch deren Existenz. Die Existenz des Absoluten versetzt ein Individuum unter den gegebenen Umständen seiner phänomenalen Existenz in die Lage, eine universale Situation zu repräsentieren.

Auch in der Vedanta gibt es eine hierarchische Abstufung der Wahrnehmungen und der Stellungen der individuellen Seelen. Doch diese Hierarchie ist rein relativ und gilt nur im veränderlichen Universum. Die Vedanta versteht mit Universum nicht nur das sichtbare körperliche Phänomen, sondern auch den subtilen und kausalen Hintergrund dieses Phänomens jenseits der Sinneswahrnehmungen. Die Hierarchie beginnt mit dem Körper von Virat und endet bei Ishvara, der die Ursache des Universums ist. Hier muss wieder darauf hingewiesen werden, dass diese Hierarchie nicht aus den absoluten Wirklichkeiten, sondern aus den phänomenalen Individuen besteht. Die Individuen bilden, je mehr sie sich dem Bewusstsein des Absoluten nähern, eine stufenweise immer größer werdende Wahrheitsnähe zur Vollkommenheit. Jede höherstehende individuelle Seele durchdringt auf Grund ihrer größeren Wahrheitsnähe alle niedrigeren Seelen in ihrem Wissen, ihrer Macht und in jedem anderen Aspekt ihres Seins.

Die Vedanta sagt nichts über zwei steuernde Elemente, nämlich der teleologischen Hierarchie der Seelen und dem mechanischen Phänomen des körperlichen Universums, aus. Diese beiden Aspekte des Universums wirken nicht unabhängig voneinander, doch sie bilden zwei Phasen oder Erscheinungen eines miteinander verbundenen Ganzen. Selbst gemäß Leibniz ist Materie geistig, die gefühlsmäßig wahrgenommen wird. Auf Grund dieser Sichtweise bedarf es keiner zwei Steuerelemente, sondern es ist das eine Gesetz, das auf die gleiche Weise im physischen und psychischen Universum wirkt. Was auf die Körper anwendbar ist, gilt auch für die Geistorgane, obwohl die Körper, die sich in Raum und Zeit befinden, scheinbar durch mechanische Gesetze regiert werden und scheinbar auch keinen Hinweis auf den Sinn und Zweck ihrer Bewegung geben. Die Mechanik und der Sinn scheinen auf Grund ernsthafter Wahrnehmungsfehler unterschiedlichen Gesetzen zu unterliegen, wobei das Raumzeit-Phänomen und das Gefühl getrennt betrachtet werden, obwohl der Körper ein Ausdruck des Geistes ist. Das psychische Universum hat zwei Aspekte: den kosmischen und den individuellen Aspekt. Der kosmische Geist wird zur Ursache der physikalischen Körper, während die individuellen Geistorgane, die die Grenzen und Reflexionen des kosmischen Geistes darstellen, zu Schöpfern zweiten Grades werden, nämlich zu Schöpfern von körperlichen Beziehungen und den daraus resultierenden Erfahrungen. Das Universum ist als Ganzes eine unteilbare Konstitution, wobei es letztendlich keinen Unterschied zwischen mechanischem und teleologischen Gesetzen geben kann. Die Erscheinung dieser zwei Gesetze entsteht auf Grund der zwei Phasen, in denen sich das Universum dem wahrnehmenden Menschen gegenüber präsentiert. Leibniz versucht einen Einklang zwischen der mecha-nischen und der teleologischen Welt herzustellen, was aus Sicht der Vedanta akzeptabel ist.

Logische Wahrheiten werden nur dann mit metaphysischen Wirklichkeiten übereinstimmen können, wenn sich die Logik nicht nur auf menschliches Gedankengut beschränkt. Die Ausdehnung des menschlichen Denkens hin zum Universalen bringt Leibniz zu der Annahme, dass das Universum den logischen und mathematischen Gesetzen entsprechend arbeitet, woran die Menschen fest halten. Er glaubt sogar, dass auch Gott an diese mathematischen und logischen Gesetze gebunden ist, und dass eine möglicherweise erschaffene Welt nicht über diese Gesetze hinausgeht. Man muss sich daran erinnern, dass es einen großen Unterschied zwischen der Arbeitsweise der individuellen Geistorgane und den universalen Gesetzen gibt. Obwohl der Mensch ein Teil der Natur ist, so stimmt er von seinem  Wesen qualitativ nicht mit den universalen Objekten überein. Physisch betrachtet, ist der Mensch ein Teil des physischen Universums, und hier stimmt er mit den Objekten des physischen Universums überein. Doch der menschliche Geist stimmt qualitativ nicht mit dem kosmischen Geist überein, denn der menschliche Geist unterliegt nicht nur eine quantitative Beschränkung, sondern ist auch ein Spiegelbild des kosmischen Geistes, was den kosmischen Geist entblößt. Der Geist ist in Wahrheit von unabhängiger und unteilbarer Natur. Das Universum in sich und Gott, der die Seele des Universums ist, durchdringt die Gesetze des relativen Gedankengutes des menschlichen Geistes. Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass das Universum lediglich ein zusammengewürfeltes Ganzes ist, das aus verschiedenen Einzelteilen besteht, was den Einzelnen zur falschen Schlussfolgerung verleitet, dass das menschliche Gedankengut der kosmischen Wirklichkeit entspricht. Gott ist jenseits mathematischer und logischer Gesetze, die nur in einer Raumzeit-Welt gelten. Das göttliche Gesetz durchdringt selbst die Gesetze der lebendigen Organismen, obwohl auch diese sich auch von der mathematischen und logischen Art unterscheiden. Wenn die göttlichen und menschlichen Gesetze eins wären, hätte der Mensch mit Leichtigkeit die wirkende Gegenwart Gottes wahrgenommen. Die Wahrheit ist, das Gott sich selbst jenseits menschlichen Begriffsvermögens befindet; selbst die Natur des Universums lässt nicht zu, zu einem Inhalt des menschlichen Gedankengutes zu werden. Die universalen und die göttlichen Gesetze trotzen dem menschlichen Denken, was ein klarer Beleg dafür ist, dass es einen Unterschied zwischen den menschlichen und den objektiven universellen Gesetzen gibt.

Leibniz glaubt, dass dieses die beste von mehreren von Gott erschaffenen Welten ist. Die Vedanta sagt, dass es verschiedene Welten von unterschiedlicher Natur gibt, und dass diese Welt nicht notwendiger Weise als die bestmögliche Welt betrachtet werden muss. Bhuloka oder die physische Welt ist die niedrigste in einer Serie, die in Satyaloka oder der höchsten Welt der Wahrheit gipfeln. Es gibt transparente durchlässige Welten, die das göttliche Bewusstsein auf einer höheren Stufe reflektieren als die physische Welt. Die Welten werden von Ishvara in Verbindung mit den latenten Eindrücken erschaffen, die ruhend in den nichtoffenbarten Geistorganen der unbefreiten Individuen eingebettet sind, und die am Ende des vorhergehenden Zyklus zur Offenbarung bereit sind. Die Welt wird von Gott nicht auf willkürliche Art und Weise erschaffen, sondern Er bezieht den Stoff für die Welt von den nichtoffenbarten Kräften der zu erschaffenden Individuen, die zum Inhalt des möglichen Universums werden sollen. Wir können solange nicht behaupten, dass irgendeine Welt die Beste ist, solange sie nicht die höchste Annahme der absoluten Wahrheit hervorbringt. Die erschaffenen Welten dienen lediglich den Erfahrungen der unterschiedlichen Jivas oder Individuen, die das Universum bevölkern. Die Natur der erschaffenen Welt ist nur dazu geeignet, um die notwendigen Bedingungen zur Evolution herzustellen und sie den die Individuen für die bestimmte Stufe ihrer Existenz bereitzustellen. Gott erschafft nicht die Welt, weil sie gut oder schlecht ist, sondern weil sie für die kosmische Evolution notwendig ist.

Die Monaden-Theorie ist innerhalb der Monaden mit der Theorie der Yoga-Vasishtha verwandt, die besagt, dass es Welten innerhalb der Welten gibt. Die Welten unterscheiden sich untereinander nicht nur in der Quantität, sondern auch in der Qualität, und die Yoga-Vasishtha sagt aus, dass diese Welten sich gegenseitig durchdringen können, ohne sich dabei zu beeinflussen oder zu bemerken. Wie weit Leibniz auf dieser Linie weitergeht ist unklar, obwohl er es für möglich hält, dass Organismen in anderen Organismen enthalten sind.