Wie man Befreiung erlangt

  1. Unsterblichkeit, die durch objektive Umstände oder durch gute Taten erlangt wurde, ist endlich.
  2. Unsterblichkeit kann nicht durch materiellen Reichtum erlangt werden.
  3. Selbstverwirklichung ist nicht das Ergebnis einer Leistung.
  4. Gehe von der Zeit in die Ewigkeit über. Das ist Freiheit oder Befreiung.
  5. Ein Mensch, der spirituellen Durst hat, trinkt den Nektar der Unsterblichkeit.
  6. Befreiung ist der Hafen ewigen Friedens.
  7. Brahman ist die Quelle aller Erkenntnis. Es ist die Quelle der Tätigkeit des Geistes und der Sinne.
  8. Suche die Erkenntnis des Atman, und sei es in der Arktis oder der Antarktis.
  9. Das, was frei ist von Dualität; das, was die Ursache der Vielfalt ist und zugleich das Eine und Einzige, ist Brahman.
  10. Alles Lebende ist eins. Das Individuum und das Göttliche sind eine Einheit.
  11. Wenn du Unterschiede schaffst, ist Furcht in dir.
  12. Wo keine Dualität ist, gibt es weder Krankheit, noch Verfall, noch Tod.
  13. Derjenige, dessen Geist zerstreut ist, der lasterhaft und ruhelos ist, der keinen inneren Frieden hat, kann niemals Selbstverwirklichung erreichen, auch nicht mit allem Wissen dieser Welt.
  14. Nach der Philosophie des Advaita Vedanta (Philosophie der Einheit) ist Befreiung das Verschmelzen der individuellen mit der kosmischen Seele.
  15. Wissen aus Büchern und Gelehrsamkeit sind nutzlos. Die Erkenntnis des Atma allein ist wesentlich.
  16. Unsterblichkeit oder ewiges Leben ist der Zustand jenseits der Zeit.
  17. Die Philosophie des Vedanta zeigt, dass alle Religionen im Kern eins sind.
  18. Jesus sagte: „Gott ist im Himmel.“ Dann sagte er: „Das Himmelreich ist in eurem Herzen.“ Und schließlich sagte er: „Der Vater und ich sind eins.“
  19. Wir sind alle eins; eine göttliche Flamme.
  20. Unglück und Leid sind die Folge von Unwissenheit.
  21. Suche die innere Sonne, das innere Licht des aus sich selbst heraus strahlenden Atma, der der höchsten Seele.
  22. Die Vedanta spricht von dem einen Brahman ohne ein Zweites und einer abhängigen Maya.
  23. Keine Philosophie kann ohne Selbstanalyse begriffen werden.
  24. Erkenne das Eine, durch welches alles andere erkannt wird.
  25. Wahrhaftig golden und diamanten ist die Weisheit.

Studium der Gita:

Als der Meister auf seiner Indien-Tour in Colombo war, wurde er von einem jungen Mann angesprochen, der ihn bat, ihn in das Studium der Bhagavad Gita (klassische indische Schrift) einzuführen.
Ein freundliches Lächeln erhellte das Gesicht des Meisters, als er dem jungen Mann erwiderte: „Wenn du ein Gelehrter werden möchtest, dann geh in die Bibliothek und lies alle Kommentare zur Bhagavad Gita. Wenn du aber Befreiung erlangen möchtest, dann nimm einen Vers der Schrift in dein Herz auf und lebe danach.“

Wie man Gott in allem sieht:

Als der Meister noch im Swarg Ashram lebte und Sadhana und Askese praktizierte, pflegte er in dieser Zeit auch unermüdlich die kranken Mahatmas (Meister).
Eines Tages, als die Glocke zum Abendessen läutete, sah der Meister, dass keiner der Sannyasins den üblichen Weg zur Küche nahm, die ein paar Meilen entfernt lag, um seine Mahlzeit zu holen. Der Grund war, wie er herausfand, dass ein cholerakranker Swami in seiner Hütte, die auf dem Weg zur Küche lag, im Sterben lag. Deswegen hatten alle diesen Weg gemieden.
Der Meister wies die Sannyasins zurecht: „Ihr seid alle hierher gekommen, um Gott zu erschauen. Ihr sprecht davon, dass ihr das Selbst seid, dass ihr Brahman seid, aber seht ihr Gott in allem? Gott liegt im Sterben auf eurem Weg, doch ihr macht einen Umweg, um ihn zu meiden!“
Dann ging der Meister sofort zu dem Swami, um ihn zu pflegen.

Finanzielle Krise:

Einmal war der Ashram in ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten. Die Essenszeit stand kurz bevor. Der Meister saß noch in seinem Büro auf einem Sofa und schrieb, während einige der Schüler arbeiteten.
Ein Mensch, der wie ein Bettler aussah, kam in das Büro. Er kannte den Meister nicht, aber hatte zufällig durch einen seiner Schüler von ihm gehört. Er kam und legte etwas zu Füßen des Meisters. Die Schüler dachten, es wären Süßigkeiten, wie sie oft von Leuten als Geschenk gebracht wurden.
Auf Geheiß des Meisters hob sein persönlicher Gehilfe die vermeintlichen Süßigkeiten auf, um sie zu verteilen. Zu seiner Überraschung fand er aber ein Bündel Geldscheine im Wert von 20.000 Rupien.
Der Meister sah auf und sagte: „Gut, unser finanzielles Problem ist gelöst.“

Ein großes Herz:

Während der Indien-Tour des Meisters wurde dieser von einem Arzt untersucht, der ihm eine Hypertrophie des Herzens diagnostizierte. Der Meister fragte ihn, was dies in der Sprache der Laien bedeutete und der Arzt sagte, es handle sich um eine Vergrößerung des Herzens.
Darauf lachte der Meister und sagte: „Ah! Und das betrachtet man also als Krankheit!“

Wie man mit allen teilt:

Eine Anhängerin hatte entdeckt, dass der Meister eine bestimmte, aus Milch hergestellte südindische Süßigkeit besonders gern aß. Also bereitete sie diese Süßigkeit zu, verpackte sie schön und legte den ganzen Weg von Bombay zurück, um sie dem Meister zu bringen. Mit großer Ehrerbietung verneigte sie sich, gab dem Meister das Geschenk und stellte sich neben ihn.
Der Meister bat jemanden, das Päckchen zu öffnen und sagte, als er den Inhalt sah: „Oh! Sehr gut, sehr gut.“
Es waren einige Besucher aus Südindien anwesend. Er wandte sich ihnen zu und sagte: „Die wurden sicher extra für euch gebracht, sie kommen genau richtig.“
Er ließ die Süßigkeit herumreichen. Zuerst bekam der Mann davon, dann seine Frau, dann die Kinder und die anderen Anwesenden, bis kaum noch etwas für den Meister selber übrig war. Die Frau, die die Süßigkeiten gebracht hatte, war den Tränen nahe. Jemand bemerkte es und gab dem Meister ein Zeichen.
Der Meister bat diejenige, die die Süßigkeit herumreichte, sie ihm zu bringen. „Ich werde es essen.“
Die Frau strahlte - allerdings nicht lange! Der Meister nahm nur einen Löffel und ließ es dann wieder herumreichen. Es war ihm immer eine große Freude, alles zu teilen, was er bekam, vor allem Essen.

Charakterstudien:

Eines Tages saß der Meister in seinem Büro und arbeitete, als er plötzlich Schritte auf der Treppe neben seinem Büro hörte. Er nahm seine Brille ab und sah aus dem Fenster. Er wandte sich seinen Schülern zu und sagte lächelnd: „Ich wollte nur wissen, wer da trottet wie ein Pferd.“
Dann erklärte er, dass er von der Gangart eines Menschen auf dessen Charakter schließen könne.
„Dieser Mann ist derb und ungebildet“, sagte er.
Der Meister selbst war sehr fein und sanft in seinen Bewegungen, sogar wenn er ein Tuch um sich legte. Wenn er eine Dose schloß, war kein Laut zu hören. Seine Schritte waren stets bedächtig und würdevoll.

Liebevolles Verzeihen:

1948 verließ ein langjähriger Bewohner nach einigen Problemen den Ashram. Er hatte sogar die Unterschrift des Meisters gefälscht und der Meister musste vor Gericht aussagen. Nach ein paar Jahren kam der Swami zurück.
Der Meister saß am Straßenrand und ein anderer langjähriger Schüler kam gerade zufällig vorbei. Er rief ihn und sagte: „Weißt Du, Swami X. ist zurückgekommen. Er ist jetzt ein großer Mann. Es gab so eine Geschichte vorher mit ihm.“
Während er sprach, hatte der Meister ein Auge geschlossen. Der Schüler wollte es dem Meister ersparen, im die Geschichte zu erzählen und sagte: „Ja Swamiji, ich habe davon gehört.“
„Oh, Du weißt Bescheid? Aber das war früher. Er hat sich jetzt vielleicht geändert. Ein schlechter Mensch ist nicht immer schlecht.“

Eine neue Art Sanskrit:

Einmal reiste der Meister in Begleitung einiger seiner Schüler nach Benares. Diese Stadt ist das indische Zentrum der Sanskritstudien. Ein Programmpunkt der Reise war ein Empfang durch die Pandits (brahmanische Schriftgelehrte).
Einer der Begleiter, ein Swami, der alles immer sehr ernst nahm, war ziemlich aufgeregt und sagte: „Swamiji schreibt Kommentare zur Gita, den Upanishaden, den Brahma Sutras und vielen anderen Sanskrit-Texten. Wenn einer der Pandits ihn auf Sanskrit anspricht, blamieren wir uns fürchterlich.“ Jemand riet ihm, einfach abzuwarten, wie der Meister reagieren würde.
Während des Empfangs standen all die bärtigen heiligen Männer und Gelehrten in einer Reihe und der Meister ging an ihnen vorüber. Wie befürchtet, begann einer von ihnen ein Gespräch auf Sanskrit.
Der ernste Swami kniff einen der Schüler in den Arm und fragte: „Was nun?“
Ohne auch nur einen Moment zu zögern, wandte sich der Meister um und sprach zwei Sätze auf Französisch, die ihm jemand beigebracht hatte. Der Pandit war so verblüfft, dass ihm die Kinnlade herunterklappte.
Dieses Mal lachte der Meister erst, als er wieder im Freien war. Der Gelehrte fragte sich wahrscheinlich, welchen neuen Sanskrit-Ausdruck der Meister zu ihm gesagt hatte.

Die Macht einer Ehefrau:

Ein Philosophieprofessor, ein sehr intelligenter Mann von ausgezeichnetem Charakter, kam eines Tages in das Büro des Meisters und setzte sich ihm gegenüber.
„Swamiji“, fing er an, „was ist der Unterschied zwischen Savikalpa Samadhi und Nirvikalpa Samadhi (Savikalpa Samadhi = Bewusstseinszustand der Einheit, jedoch im Gegensatz zu Nirvikalpa Samadhi bleibt noch eine Spur von Dualität, die das vollständige Aufgehen im Ganzen verhindert)?“
Die drei jungen Schüler, die im Büro saßen, waren auch sehr an der Antwort auf diese Frage interessiert. Sie unterbrachen ihre Arbeit, um dem Meister zuzuhören.
Der Meister legte seinen Stift nieder, schob seine Brille hoch und sah den Professor an.
„Hm! Möchten Sie eine Tasse Tee oder Kaffee?“, fragte er ihn.
Nachdem zehn Minuten vergangen waren, kam der Kaffee schließlich. In der Zwischenzeit hatte die Frau des Professors ihren Mann gesucht und gefunden, nachdem sie ein Bad im Ganges genommen hatte. Sie kam in das Büro und sah ihn dort seinen Kaffee trinken. Vielleicht hatte sie auch Hunger.
„Wie lange willst du hier noch bleiben?“, fragte sie ihn. „Steh auf!“
Der Professor stand eilig auf, dankte dem Meister und ging.
„Seine Frau schaut ihn einmal an und sagt „Steh auf!“ und er steht ohne ein Wort auf und folgt ihr. Und er möchte den Unterschied zwischen Savikalpa und Nirvikalpa Samadhi wissen!“, sagte der Meister. Alle lachten herzlich, aber keiner herzlicher als der Meister selber.

Eine Lösung für alle Probleme:

Ein bekannter Politiker kam 1953 in den Ashram. In jener Zeit stellte der Meister immer einen großen Tisch und einige Stühle für Besucher bereit. Der Mann saß auf einem dieser Stühle.
„Swamiji, ich würde dir gern meine Ansicht über Indien und die Welt unterbreiten.“
Der Mann sprach 45 Minuten lang. Der Meister saß mit dem Armen auf dem Tisch da und hörte sich alles mit vorbildlicher Geduld an, wobei er dem Besucher gerade in die Augen blickte.
Der Mann hielt einen wunderbaren Vortrag über die Weltlage, über Armut, Hunger und Wirtschaftskrisen überall – und fragte am Ende den Meister, welche Lösung er für diese Probleme hätte.
Der Meister schaute alle Anwesenden an und sagte: „Allein der Name Gottes ist die Lösung für all dies.“

Wahre Meditation:

In der Anfangszeit, als der Ashram noch recht neu war, meditierte eine kleine Gruppe von Schülern jeden Morgen zusammen.
Der Meister gab ihnen folgende Anweisung: „Versucht, auch nach der Meditation euren Geist ruhig zu halten und inwendig das Mantra weiter zu wiederholen.“
Üblicherweise dauerte die Übung ungefähr eine halbe Stunde und danach ging jeder seinen morgendlichen Pflichten nach.
Ein Mann aus Südindien war in den Ashram gekommen, um, wie er sagte, Yoga zu lernen. Er meditierte außerordentlich fleißig und regelmäßig. Er stand stets gegen halb 4 Uhr morgens auf, wusch sich und setzte sich dann auf einen Felsen am Ufer des Ganges. Er kam nicht zur gemeinsamen Meditationsstunde, die um halb 7 zu Ende war, sondern blieb bis 7 Uhr auf dem Felsen sitzen.
Eines Morgens sprach der Meister nach der Meditation in der Halle zu den Schülern. Als der Mann kurz nach 7 hereinkam, sah er den Meister dort sitzen und ging zu ihm.
Der Meister fragte: „Wo warst du? Hast du meditiert?“
„Ja, Swamiji.“
„Du meditierst sehr regelmäßig, nicht wahr?“
Der Meister schien begeistert und alle glaubten, seine Bewunderung für den Mann zu spüren.
„Wie lange bist du dort gesessen?“
„Von 4 bis 7 Uhr. Das mache ich jeden Morgen, sommers wie winters.“
„Genießt du die tiefe Meditation?“
Wie immer schloß der Meister beide Augen und öffnete das eine dann wieder.
„Hm! Tiefe Meditation? Samadhi, nicht wahr?“
„Ja, Swamiji.“
Das eine Auge des Meisters schien zu funkeln, als er sagte: „Weißt du, was Meditation bedeutet? Es bedeutet, Gott zu berühren, das unendliche Wesen zu berühren.“
Dann öffnete er das andere Auge und lächelte.
„Schau ihn an, er ist schläfrig. Ist das Meditation? Wenn du das unendliche Bewusstsein berührt hast, wärst du fähig, das ganze Universum zu nehmen und aufzurollen! Diese Macht hättest du! Und hier sitzt du, dumpf und schläfrig!“
Der Meister ging innerhalb weniger Minuten durch all diese Stimmungswechsel. Schließlich blieben nur noch tiefstes Mitgefühl und Liebe übrig.
„Gib es auf. Setz dich hier zu uns und übe eine halbe Stunde lang Japa. Das ist genug. Während der restlichen Zeit kannst du ein paar Eimer nehmen, Wasser vom Fluss in die Küche bringen und den Tank auffüllen. Dann wirst du erfahren, was wahre Meditation ist. Dann wirst du erfahren, was Samadhi ist.“

Eine Gotteserfahrung:

Im Ashram war ein junger Aspirant, der eine Biographie über den Meister schrieb. Er begann, den Meister nach Details zu fragen.
„Swami Venkatesananda kennt alle Einzelheiten“, sagte der Meister zu ihm.
Swami Venkatesananda gab ihm alle biographischen Aufzeichnungen, die er gesammelt hatte. Er kam mit dem Schreiben gut voran, bis er zu der Zeit im Swarg Ashram und den asketischen Praktiken des Meisters kam. Der junge Mann nahm es sehr genau und stellte alle möglichen Fragen.
„Diese vagen Antworten sind mir nicht genug. Ich brauche konkrete Tatsachen. Welche Meditationstechniken praktizierte er? Welche Erfahrungen hat er damit gemacht? Hatte er Visionen?“
„Das weiß ich nicht“, antwortete Swami Venkatesananda.
Kurz danach kam der Meister zufällig selber vorbei und fragte: „Wie läuft die Arbeit?“
Der junge Mann sagte: „Swamiji, ich möchte keine schwammigen Beschreibungen. Ich möchte wissen, was Selbstverwirklichung genau ist.“
„Hm! Was das ist? Es ist tiefster Frieden, Freude, beständige Fröhlichkeit, Heiterkeit. Man hat immer inneren Frieden.“
Zu seinem Glück machte der Mann eine schöne Bemerkung: „Aber Swami Venkatesananda ist auch glücklich und in Frieden mit sich. Können wir ihn also als selbstverwirklicht bezeichnen?“
Von da an sprach der Meister vier Stunden lang ohne Unterbrechung!
„Selbstverwirklichung bedeutet nicht nur, friedvoll und fröhlich zu sein.“ Er gebrauchte die Worte „kosmisches Bewusstsein“ ein oder zweimal, ließ dann aber auch diese Worte weg.
„Es ist etwas Unbeschreibliches. Wenn das ganze Lebensspiel vom Ich-Bewusstsein gespielt wird, gründet sich auch deine Erkenntnis auf das Ich-Bewusstsein. Alles, was du tust, wird von ihm getan, was du weißt, wird vom Ich-Bewusstsein gewusst, was du siehst, wird von ihm gesehen, was du erlebst, wird von ihm erlebt. Wenn du Frieden erfährst, ist es die Friedenserfahrung des Ich-Bewusstseins, wenn du Freude erlebst, ist es das Freudenerlebnis des Ich-Bewusstseins.“
Niemand konnte genau wiedergeben, was der Meister in diesen vier denkwürdigen Stunden gesagt hatte! Die zwei Schüler hörten gebannt zu. Schließlich brach der Meister ab und sagte: „Ich gehe jetzt in mein Zimmer zurück.“

Empfehlungsschreiben:

Ein Mann kam zum Meister und bat ihn um ein Empfehlungsschreiben an einen Regierungsbeamten.
Der Meister riet ihm: „Genauso wie du mir die Fakten geschildert hast, solltest du sie deinem Beamten erklären. Ich kenne ihn, er ist ein guter Mensch. Wozu brauchst du also meine Empfehlung? Ich kenne dich nicht. In einem Streitfall zwischen zwei Parteien ist es normal, dass jede Partie die Punkte darstellt, die für sie sprechen und die Schwachstellen ausspart. Ein Urteil kann nicht gefällt werden, ohne dass beide Parteien angehört wurden. Ich habe nichts dagegen, ein Urteil zu treffen, vorausgesetzt du bringst den anderen Betroffenen auch hierher. Andernfalls kann ich leider nicht in die Sache eingreifen. Es ist deine Privatangelegenheit.“
Als der Mann gegangen war, sagte der Meister: „Die Leute kommen zu mir mit der Erwartung, dass ich ihnen Empfehlungen gebe. Wozu brauchen sie überhaupt anderer Leute Empfehlungen? Gute Charaktereigenschaften, Ehrlichkeit und Tüchtigkeit sprechen doch für sich.“

Ein lebensspendendes Mantra:

Ein Mann berichtete dem Meister, dass er sich mit Tuberkulose angesteckt hatte und gab eine detaillierte Beschreibung seiner Krankheit.
Der Meister hörte ihm aufmerksam, geduldig und mit aufrichtigem Mitgefühl zu.
Der Mann schloss mit den Worten: „Ich habe weder Husten noch Fieber, aber ich fühle mich schwach und mein Röntgenbild zeigt einen dunklen Flecken. Ich gebe mir Mühe, mich ganz normal zu fühlen.“
„Du bist auch in ganz normaler Verfassung“, sagte der Meister. „Deine Furcht ist nur in deiner Vorstellung begründet. Nimm ein paar sanfte, tiefe Atemzüge.“
Der Master demonstrierte ihm die Atemübung und riet ihm außerdem, morgens spazieren zu gehen, Sonnenbäder zu nehmen und sich gut zu ernähren. Dann sagte er: „Das beste Heilmittel ist das Maha Mrityunjaya Mantra (das Om Tryambakam).“
Er wiederholte das Mantra und gab dem Mann ein Blatt mit dem Wortlaut des Mantras. Er forderte ihn auf, das Mantra zehn Minuten lang morgens und zehn Minuten lang abends zu wiederholen. Er erzählte auch von Wundern, die das Mantra bewirkt hatte:
„In Bangalore lebte einmal ein Beamter der Gesundheitsbehörde. Er war sehr krank und die Ärzte erklärten seinen Fall für hoffnungslos. Als ich während meiner Indien-Tour in Bangalore war, führte ich ihn in das Maha Mrityunjaya Mantra ein. Er praktizierte regelmäßig Japa und wurde geheilt.
Bei einem Flugzeugabsturz in Teheran kamen alle Passagiere ums Leben, außer einem einzigen. Er hatte während des Absturzes das Maha Mrityunjaya Mantra wiederholt und wurde gerettet.
Viele Leute schreiben mir, um mir Neuigkeiten über ihre Krankheiten mitzuteilen. Ich praktiziere dreimal am Tag Japa mit diesem Mantra für alle, mit denen ich korrespondiere.“
Der Besucher verneigte sich. Als er ging, lag ein Ausdruck großer Freude auf seinem Gesicht.

Sich lösen:

„Nimm kein Geld von deinen Verwandten an. Schreibe ihnen keine Briefe. Wenn du Briefe bekommst, zerreiße sie, ohne sie gelesen zu haben“, riet der Meister einem Schüler, der in den Ashram gekommen war und sich entschlossen hatte, zu bleiben.
Der Aspirant las jedoch, den Ratschlägen des Meisters entgegen, einen Brief von seinem Vater. Dadurch bekam er Heimweh und verlor allmählich das Interesse an seiner Arbeit und am Satsang.
Der Meister sagte ihm eines Tages: „Wenn dich allein schon der Gedanke, nach Hause zurückzukehren, so traurig macht, wie traurig wärst du erst, wenn du tatsächlich nach Hause zurückkehren würdest!“

Vedanta und Dienst:

Ein Swami, ein Vedanta-Schüler, kam zum persönlichen Gespräch mit dem Meister. Dieser begrüßte ihn und fragte: „Hast du die Panchadasi (indischer philosophischer Text) gelesen?“
„Ja, Swamiji.“
„Und die Brahma Sutras (Sammlung von Aphorismen der Vedanata-Philosophie; Sutra = Faden, Leitfaden)?“
„Nein, Swamiji.“
Der Meister gab ihm ein Buch und fragte einen anderen Schüler: „Sind solche Menschen von Nutzen für die Welt?“ Der Schüler schwieg.
„Erfülle deinen Dienst und praktiziere auch Bhakti (Hingabe, Anbetung)“, riet der Meister dem Vedanta-Schüler, der sich verneigte und ging.

Bindung an Ram-Nam:

Eine Besucherin verneigte sich vor dem Meister und sagte: „Ich lebe ohne jede Bindung.“
Der Meister entgegnete ohne Umschweife: „Binde dich an Ram-Nam.“

Liebe gemäßigt, aber lang:

Eine Frau hatte eine Zeit lang gute Beziehungen zum Ashram gepflegt, aber später wurde das Verhältnis gespannt. Der Meister bemerkte dazu: „Das liegt in der Natur der Dinge. Menschen lieben sich eine Zeit lang. Dann kommen Spannungen auf. Das ist nicht gut. Liebe gemäßigt, aber für lange Zeit. Nur ein Heiliger kann alle für immer lieben.“

Die Wissenschaft Sivanandas:

Swami Sadananda hatte ein Lied über den Meister komponiert und hatte es Swami S. gegeben, einem herausragenden Musikschüler. Dieser sang das Lied jedoch weder beim Satsang (dafür war es ihm gegeben worden), noch teilte er dem Meister mit, dass er es erhalten hatte.
Eines Morgens gab Swami S. dem Meister eine Kopie des Liedes, woraufhin ihn dieser fragte: „Warum gibst du mir das Lied erst jetzt? Ich hatte keine Ahnung, dass Swami Sadananda es komponiert hat. Man sollte alles sofort erledigen. Das ist eine Wissenschaft. Nicht die akademische Wissenschaft, sondern die Wissenschaft Sivanandas. In Zukunft werde ich niemandem Sannyas verleihen, der nicht die Wissenschaft Sivanandas kennt. Verstehst du?“
„Ja, Swamiji.“
Darauf sah der Meister die Schüler an, die um ihn herumsaßen und sagte: „Jeder sollte die Wissenschaft Sivanandas kennen. Wisst ihr, was das heißt? Das heißt, dass man regelmäßig, pünktlich und schnell sein muss und alles sofort erledigen. Man sollte nicht so viel Aufhebens um das Essen machen, man sollte den Ashram nicht oft verlassen, man sollte keinen Bart tragen, man sollte sich nicht auf der Straße vor mir verneigen und dadurch den Weg versperren und mich aufhalten, man sollte ein bisschen Japa üben, etwas meditieren und etwas arbeiten. Daraus besteht die Wissenschaft Sivanandas.“
Der Meister selber war sehr regelmäßig, was seine Anwesenheit morgens im Büro und abends beim Satsang betraf. Er war außerordentlich pünktlich. Er erledigte seine Arbeit rasch und konnte sehr schnell schreiben. Er beantwortete Briefe stets ohne Verzögerung.
Wenn er in seinem Büro war und Papiere für Swami Venkatesananda erhielt und dieser nicht in seinem Raum war, schickte er immer wieder jemanden dorthin, um nachzuschauen, ob er zurückgekehrt war, damit ihm die Papiere gebracht werden konnten.
Eines Tages kam der Meister aus seinem Büro, um zu seiner Hütte zu gehen. Am Wegrand stand ein Besucher. Der Meister rief Swami Nityananda und wies ihn an, dem Besucher einige Bücher zu geben. Dann ging er weiter. Er hatte kaum ein paar Schritte getan, da blieb er stehen, bat Swami Nityananda, ihm selbst die Bücher zu bringen und wartete. Als die Bücher gebracht wurden, gab er sie dem Besucher persönlich. Dann erst ging er zu seiner Hütte.
Während des Satsangs begann der Meister immer mit dem Kirtan, sobald er sich auf seinen Stuhl gesetzt hatte, ohne sich die nötige Ruhepause nach dem anstrengenden Weg von seiner Hütte herauf zu gönnen. Im letzten Teil des Satsangs begann er den Kirtan genauso rasch, sofort nachdem das Lied auf der Schallplatte zu Ende war oder das vorangegangene Gebet oder der Vortrag abgeschlossen waren.
Um nicht die Zeit anderer zu verschwenden, wies der Meister denjenigen, der für das Abspielen der Schallplatten verantwortlich war, an, alles vor dem Satsang immer gut vorzubereiten – die Schallplatten vorher auszuwählen, die Nadeln auszuwechseln, das Grammophon aufzuziehen etc. Er wies diejenigen, die aus der Bhagavata (kurz für Bhagavata Purana; heiliger Text, beschäftigt sich u.a. ausführlich mit dem Leben Krishnas) oder der Ramayana (Epos über das Leben Ramas und Sitas) lasen, sich bereit zu halten, den Stoff, der immer über den Büchern ausgebreitet war, zurückzuschlagen und die Stellen, die gelesen werden sollten, mit Lesezeichen zu versehen, um keine Zeit mit Suchen zu verschwenden.

Die Schwierigkeit:

Ein Schüler brachte Süßigkeiten aus gebratenen Kichererbsen. Sie waren hübsch in einer Plastiktüte verpackt und wurden dem Meister liebevoll überreicht.
„Werden wir davon Durchfall bekommen, Doktor?“, fragte der Meister Swami Hridayananda.
„Nein, Swamiji, nicht, wenn wir vorsichtig sind und nur ein bisschen  davon essen.“
„Meine Güte! Genau das ist das Schwierige daran! Unser Problem ist, dass wir nicht nur ein bisschen nehmen können.“
Alle lachten.

Immer bei der Wahrheit bleiben:

Einige Schülerinnen des Meisters kamen in den Ashram und blieben drei oder vier Tage dort. Eine von ihnen hatte geplant, früher als die anderen nach Hause zurückzukehren, weil ihre Schule bald wieder anfangen würde. Die anderen aber wollten sie noch einen Tag dort behalten. Sie gingen alle zum Meister und erzählten ihm die Angelegenheit.
„Warum möchtet ihr, dass sie bleibt?“
Sie antworteten nicht, denn sie wollten nur, dass sie ihnen Gesellschaft leistete.
„Worum geht es also?“, fragte der Meister wieder.
„Wenn ich zurückkomme, werde ich sagen, dass ich krank war“, sagte die Frau, die gebeten worden war, zu bleiben.
„Du solltest nicht lügen“, gab der Meister zu bedenken.
„Dann werde ich mir einen Tag frei nehmen.“
„Ja, das kannst du machen“, sagte der Meister.


Der Meister saß im Büro umgeben von einer Besuchergruppe, darunter Pushpa Anand aus Dehra Dun.
Er unterbrach seine Arbeit für einen Moment und fragte Pushpa: „Wo war dein Geist gerade eben?“
Sie musste über die unerwartete Frage lächeln und sagte: „Swamiji weiß, wo mein Geist war.“
Der Meister stellte einem anderen Schüler dieselbe Frage, der mit einem Lächeln antwortete. Darauf meinte er: „Es ist nicht einfach zu wissen, wo unser Geist gerade ist. Praktiziert deshalb Japa mit Sri Ram. Wenn der Geist diesen Klang hört, wird er nicht umherirren, sondern an einem Ort bleiben.“