Der Mensch ist ein hoch komplexes Wesen, das zu einer Vielzahl von Erfahrungen fähig ist. Unser Alltagsbewusstsein, in dem wir die physische Welt wahrnehmen, in Worten und Bildern denken, Gefühle haben, die sich auf tatsächliche oder eingebildete Erfahrungen begründen, ist nur eine der vielen Möglichkeiten des Bewusstseins. Meist unreflektiert denken die meisten Menschen, dass dieses „Alltagsbewusstsein“ das Normalbewusstsein ist. Wenn Menschen andere Erfahrungen machen, die dem Alltagsbewusstsein nicht entsprechen, bekommen sie Angst und befürchten, verrückt zu werden beziehungsweise in eine Psychose zu geraten.
Jeder Mensch hat nicht nur eine Bewusstseinserfahrung, sondern recht viele. Yogis unterscheiden vier Hauptbewusstseinsformen und zahllose Zwischenbewusstseinsformen. Die vier Hauptbewusstseinsebenen sind Wachbewusstsein, Traumbewusstsein, Tiefschlafbewusstsein, Überbewusstsein.
Die tranceartigen, ekstatischen Bewusstseinszustände stehen zwischen Traumbewusstsein, Überbewusstsein und Wachbewusstsein. Der Mensch erfährt die Wirklichkeit auf veränderte Weise. Er kann unempfindlich gegenüber Schmerzen, Hitze und Kälte werden. Er kann gesteigerte Kreativität erleben, neue Erkenntnisse gewinnen, Zugang zu Astralwelten erhalten, Engel und Geister sehen, in frühere Leben gehen, heilerische Fähigkeiten entwickeln. Er kann aber auch Halluzinationen bekommen und Trugbilder erfahren. Die Unterscheidung zwischen Halluzination und Schau einer anderen Wirklichkeit ist gar nicht so einfach. Manchmal erinnert man sich nachher nicht mehr an die Erfahrung während der Ekstase, sie ist oft nur wie ein unwirklicher Traum vorhanden. Auf das Verlassen dieser tranceartigen Bewusstseinszustände folgt oft eine Phase der Erschöpfung. Die Tranceerfahrungen können zwar durchaus heilend sein, sind aber für den spirituellen Weg nicht notwendig. Man kann zur Gottverwirklichung kommen, ohne jemals tranceartige Bewusstseinszustände erfahren zu haben. Im klassischen ganzheitlichen Yoga werden Tranceerfahrungen nicht besonders geschätzt, erzeugt oder gar für notwendig erachtet. Gelegentlich in langen Tiefenentspannungen, manchmal auch während enthusiastischem Mantra-Singen in großen Gruppen, in seltenen Fällen auch bei langem Pranayama können auch Yoga-Übende in Trance oder Ekstase fallen. Dabei können die Übenden heilende Erkenntnisse gewinnen und sie sind danach auch wieder ganz „normal“.
Die erweiterten, höheren Bewusstseinszustände stehen zwischen Wachbewusstsein und Turiya, Überbewusstsein. Der Mensch ist voll bewusst, ja die Bewusstheit ist um ein Vielfaches gesteigert. Obgleich Bewusstsein an sich keine Eigenschaften hat, wird es erfahren als Satchitananda, als absolutes und damit unendliches Sein (Sat), Wissen (Chit) und unendliche Glückseligkeit (Ananda). Im Tiefschlaf erfährt der Mensch dieses Satchitananda fast gar nicht. Er weiß (Chit) nicht, dass er existiert (Sat) und erfährt keine bewusste Wonne (Ananda). Im Traumschlaf gibt es ein klein wenig mehr Satcidananda. Im Wachbewusstsein ist das Satchitananda stärker: Der Mensch weiß, dass er existiert (Sat), wenn auch als beschränktes Wesen (daher beschränktes Sein). Er ist sich bewusst und weiß einiges von der Welt (Chit). Er erfährt verschiedene Formen von Vergnügen und Freude (vorübergehendes und beschränktes Ananda). Im höchsten Überbewusstsein gibt es absolutes Sein und damit die Erfahrung der Unendlichkeit. Es gibt absolutes Bewusstsein und unendliches Wissen. Es gibt reine, unendliche, ewige Wonne. Jede Form des höheren Bewusstseins ist eine Ausdehnung in Richtung Satchitananda. Das ist auch das Merkmal, mit dem man höhere Bewusstseinszustände von Trancezuständen unterscheidet.