Vers 8

Amarum Padhikel Agamaam Enumip
Pimarangkeda Meipporul Pesiyavaa
Kumaran Giriraasa Kumaari Magan
Samaramporu Dhaanava Naasagane

Den bewohnten Körper und die Verwandten als Ich zu betrachten
Um diese Täuschung zu vertreiben, hast Du von der Höchsten Wirklichkeit gesprochen.
O Kumara, Sohn von Parvati, der Tochter von Himavan!
O Zerstörer von Asuras, die sich erhoben, um zu kämpfen und zu siegen!


„O Kumara! O Sohn von Himavans (König des Himalaya) Tochter! O Zerstörer von Asuras, die gegen Dich kämpften! Es ist tatsächlich ein Wunder, O Gott, dass Du mir Upadesa (spirituelle Unterweisung) über die Höchste Wirklichkeit gegeben hast, so dass die Unwissenheit, die einen glauben lässt, dass der Körper, in dem der Atman (das höhere Selbst) wohnt und die Verwandten Ich (und mein) sind, zerstört wurde.“

Erklärung:

Kumara bedeutet einer, der ewige Jugend hat, der immer der Gleiche ist, der keine Veränderung kennt – das Absolute. Kumara bedeutet außerdem derjenige, der das Übel zerstört. Unwissenheit ist das größte Übel, die ursprüngliche Sünde und ist die Ursache des Jivatva (der Individualität). Aufgrund von Unwissen heit hält man sich selbst für den Körper, seine Frau, Kinder und Heim als wirklich, als geliebt und als zu einem gehörig. Gott zerstört diese Täuschung, indem er der ursprünglichen Ursache ein Ende macht, nämlich der Unwissenheit, durch sein Upadesa (Belehrung) über die eigene wirkliche Natur oder Identität.

Uma Devi, die göttliche Gefährtin Shivas, war ursprünglich die Tochter von Daksha und hieß Dakshayini. Nach der Schande, die sie durch Daksha (ihren Vater) bei dem berühmten Daksha-Yajna 11 traf, wobei Dakshas Ego von bezwungen wurde, schämte sie sich dafür, Dakshayini genannt zu werden und bat Shiva, ihren Namen zu ändern. Shiva gewährte ihr ihren Wunsch und bestimmte, dass sie als Tochter des Himalaya (des Königs der Berge) geboren werden sollte, der zu dieser Zeit Buße tat, um ein Kind zu bekommen. Dem ent sprechend lag Dakshayini als Kind im Himalaya, wo der König sie fand und liebevoll aufzog. Sie hieß Parvati– die Tochter von Parvataraja, dem Bergkönig des Himalaya. Von Kindheit an war sie Shiva hingegeben und sie begleitete gewöhnlich ihren Vater und half ihm bei Verehrungsritualen. Im Laufe der Zeit, als sie ins heiratsfähige Alter kam, war auch ihr Geist fest auf Shiva gerichtet. Eines Tages als sie Shiva verehrte, baten ihn die Devas, die von dem Dämonen Surapadma und anderen unterdrückt wurden, Parvati Devi zu heiraten und ihnen einen mächtigen Anführer zu geben, der alleine, so waren sie überzeugt, die Asuras töten könnte.

Shiva willigte ein und nahm Parvati zur Frau. Dann wurde Parvati Prasnat-Stani, d.h. eine Mutter, aus deren Brüsten Milch fließt durch das Tejas (Feuer), das aus dem dritten Auge Shivas hervorging, aus dem Lord Skanda im Saravanappoigai-Teich geboren wurde, wie es eingangs im Anrufungsvers erklärt wird. Als sie mit Shiva kam und die Babys nahm, nahmen diese einen einzigen Körper mit sechs Gesichtern und zwölf Händen an. Dies ist Skanda, der Sohn von Parvati, der Tochter des Himavan. Später kämpfte Lord Skanda mit den Asuras und zerstörte Surapadma und sein Gefolge. Er vernichtet auch die Dämonen der Unwissenheit, Lust, Gier usw. in der inneren Schlacht des Suchers. Darum spricht man von ihm als dem Zerstörer der Asuras.

Wie Arunagiri den Herrn in der zweiten Hälfte des Verses in drei verschiedenen Aspekten anspricht, hat eine große spirituelle Bedeutung: Gott ist (1) Kumara (der Ewigkeitsaspekt, weil er immer ist); (2) der Sohn von Parvati (der Avatara- Aspekt, d.h. die Materialisation des reinen Geistes auf der relativen Ebene zum „Wohle“ der Welt); und (3) der Zerstörer der Asuras (der Guru-Aspekt, der durch sein Upadesa die Asuras der Unwissenheit usw. zerstört). Er erklärt somit die Wahr heit, dass sich die Ewige Wirklichkeit als Avatara manifestiert und auch als der persönliche Guru kommt; und dennoch ist es die immer gleiche Wirklichkeit.

Gott, der also das Absolute und der Guru ist, gab Arunagiri spirituelle Unterweisung, was seine Täuschung zerstörte. Aufgrund von Unwissenheit wird der Körper mit dem Selbst oder „Ich“ verwechselt und umgekehrt; und als Folge 103 Vers 8  davon die Menschen, die mit ihm zu tun haben als „mein“. Aber der Körper ist Jada, unbelebt, weil er weder sich selbst noch andere Dinge kennen kann. Er scheint bewusst zu sein aufgrund des Atmans (Bewusstsein), der ihn zeitweilig belebt. Daher ist der Körper nicht das Selbst, sondern nur ein Wohnort davon. Auch der Geist und der Intellekt sind letztendlich nicht empfindungsfähig, weil sie Produkte der Prakriti (Natur, alle äußeren Erscheinungen) sind, die selbst ohne Bewusstsein ist. Das Selbst ist das einzige bewusste Prinzip, demgegenüber diese alle Objekte sind. Es ist das wirkliche „Ich“. Aber aufgrund von Unwissenheit, deren Natur unbeschreiblich ist, ist das Selbst dazu gekommen, sich als den Körper usw. zu betrachten. Dies heißt auf Sanskrit Bhrama, was sich in diesem Vers in „Pimara“ verwandelt hat, um mit der poetischen Grammatik überein zu stimmen. Das Upadesa des Guru vertreibt diese Unwissenheit. Der Guru bringt durch spirituelle Einweihung eine bestimmte Umwandlung im Bewusstsein hervor, durch die man plötzlich seine essentielle Natur erkennt und von den Fesseln der Modifikationen der Prakriti frei wird, mit denen man sich fälschlicherweise die ganze Zeit über identifiziert hat.

Arunagiri sagt nicht direkt, welches Upadesa ihm von Gott gegeben wurde. Wahrscheinlich ist es nicht dafür gedacht, enthüllt zu werden. Aber die Wirkung wird benannt – die Zerstörung der falschen Identifikation mit dem Körper und seinen Verbindungen, Ahamkara und Mamakara. Durch dieses Upadesa über die Natur des Selbst, des Atman, erkannte Arunagiri auf einmal, dass er Satchidananda (reines Sein, Wissen und Wonne) ist und mit dieser Erkenntnis verging seine Täuschung. Über diese besondere Gunst, die ihm gewährt wurde, bricht der Heilige in Freude aus und sagt: „Ein großes Wunder ist es tatsächlich, O Herr, dass Dein Upadesa über die Höchste Wirklichkeit meine Unwissenheit sofort zerstört hat.“ Die erste Zeile dieses Verses wird gewöhnlich interpretiert als: „...die Täuschung, aufgrund derer man fälschlicherweise denkt, dass dies mein geliebter Geburtsort ist, (dies meine) geliebten Verwandten (sind) und (dies mein) geliebtes Haus (ist), wurde zerstört.“

Wenn der Geist durch Wohltätigkeit und Kontemplation in einem gewissen Ausmaß gereinigt wurde, erscheint Gott als Guru. Der Guru ist Gott, der sich in menschlicher Gestalt manifestiert. Der Guru und Inkarnationen Gottes sollten deshalb nicht als rein menschliche Persönlichkeiten betrachtet werden, ein Fehler, den ein Schüler im Allgemeinen begeht. Krishna sagt: „Narren missachten mich, in menschliche Gestalt gekleidet, weil sie nicht mein höheres Wesen als den großen Herrn aller Wesen erkennen“ (Gita II-11). Der Neuling auf dem spirituellen Pfad kann nicht plötzlich auf einmal die höchste Wirklichkeit erkennen. Der Geist braucht auf den Anfangsstufen eine konkretere Form, die er wahrnehmen, bewundern, der er dienen, bei der er sein und über die er meditieren kann. Also kommt Gott als der Guru; und der Guru sollte als solcher betrachtet werden. Die Höchste Wirklichkeit nimmt Gestalt als Avatar an und kommt auch in einer menschlichen Gestalt als Guru um das Absolute zu lehren, denn nur das Absolute kann das Absolute lehren.

Er kommt jedoch in menschlicher Gestalt auf die Ebene, auf der wir sind, um uns auf seine Ebene zu bringen. Die vereinte Bemühung von Wohltätigkeit und göttlicher Kontemplation (Vers 7) zieht göttliche Gnade an, die in menschlicher Gestalt als der Guru kommt, der den Schüler über die (Natur der) Wirklichkeit belehrt. Durch den Rat des Gurus erkennt der Sucher, dass er nicht der Körper ist, sondern das, was darin wohnt. Diese Belehrung führt nicht zur tatsächlichen Zerstörung seiner Unwissenheit, sondern gibt ihm nur ein intellektuelles Verständnis, dass er das Selbst und nicht der Körper ist usw. Dies ist der erste Rat, der vom Guru gegeben wird, und es ist ein äußerlicher, d.h. eine verbale Anweisung. Dass die Gnade Gottes in Gestalt des Gurus gekommen ist und ihm die Belehrung gegeben hat, weiß der Schüler jedoch nicht; es wird ihm erst später, in Vers 13, klar.

Die Gnade Gottes als Guru kann auch in der Gestalt von Werken verwirklichter Seelen erscheinen, auf die der Schüler vielleicht stößt und aus deren Studium er erfährt, dass er in Wirklichkeit das Selbst und nicht der Körper ist. Wahrlich große Seelen „sprechen“ durch ihre Schriften. „Wenn Du durch die Lehren eines Heiligen beeinflusst wirst“, sagt Swami Sivananda, „dann ist er Dein Guru.“

*

Im Falle von Arunagiri war es tatsächlich so, dass das Upadesa Gottes seine Unwissen heit sofort zerstört hat und er die Selbstverwirklichung hatte. Aber so gesegnet wie er ist nicht jeder, besonders nicht der gewöhnliche Sadhaka, der Upadesa von einem Guru bekommt. Normalerweise erhebt die Unterweisung des Gurus den Geist des Sadhakas zeitweilig zu solchen Höhen, dass er fühlen mag, von der Maya befreit zu sein. Das geschieht aufgrund der mächtigen spirituellen Gegenwart des Guru und der Kraft, die von ihm auf den Schüler übertragen wird, selbst wenn der Guru Gott selbst ist. Aber der Schüler kehrt bald wieder in seinen alten Zustand zurück, natürlich mit einem Wissen über die Existenz und Natur höherer Wirklichkeiten, und um diese zu erreichen muss Sadhana ausgeübt werden. Ein offensichtliches Beispiel ist Arjuna, dem durch keinen Geringeren als Yoge shvara Krishna selbst, auf dem Schlachtfeld von Kurukshetra das höchste Evangelium gegeben wurde, das die Weisheit des gesamten Universums enthält. Arjuna schien in diesem Zeitpunkt alles klar zu sein und er erklärte auch, seine Unwissenheit sei verschwunden. Aber wie war sein Zustand nach dem Mahabharata-Krieg? Er war wieder der gleiche alte Arjuna! Dies ist so, weil die universelle Vision und die Weisheit nicht als Ergebnis seiner spirituellen Praxis erworben, sondern zeitweilig durch Gott, durch seine göttliche Kraft, als eine Ermutigung, „gegeben“ wurden.

Es ist daher klar, dass selbst nach der Belehrung des Guru die Maya nicht vollständig ihren Einfluss verliert, obwohl der Sadhaka jetzt ein klares Verständnis davon hat. Das bedeutet also im Falle des Aspiranten, dass der Guru Upadesa über die Natur der Wirklichkeit gibt, was im Laufe der Zeit seine Täuschung zerstören kann, weil es ihm das intellektuelle Wissen gegeben hat, dass er das Selbst und nicht der Körper ist usw. – ein Wissen, das er vorher nicht besessen hat und das von da an die Grundlage seines Sadhana bildet.

Die erste Instruktion durch den Guru ist wie ein Stein, der in ein Wasserbecken geworfen wird, dessen Wasser vollständig von Algen bedeckt ist. Die Kraft des Steinwurfes trennt die Algen für eine Weile und das Wasser wird vorübergehend für einen Moment lang sichtbar, aber es wird gleich wieder von den Algen bedeckt. Dies jedoch hat ein Wissen darüber gegeben, dass es Wasser unter den Algen gibt, was man vorher nicht einmal gewusst hat. So ist es auch mit der machtvollen Belehrung des Guru über die Wirklichkeit, die den Schüler fühlen lässt, zumindest für den Augenblick, dass er das Selbst ist. Beim ersten Kontakt gibt der Guru Hitopadesa, d.h. er spricht einige Worte der Weisheit, die dem Aspiranten gewaltigen Trost geben. Der Guru „spricht“ nur über die Natur der Wirklichkeit. Er gibt nicht sofort tatsächliche „Einweih - ung“, was Upadesa im wahren Sinne des Wortes ist und was er erst nach rechter Vorbereitung tut. (Vers 20) So verwendet der Heilige passenderweise das Wort „sprechen“ (Meipporul „Pesudhal“) in diesem Vers 8 und in Vers 11 und das Wort „initiieren“ (Upadesam „Unarthudhal“) in Vers 20.

11.Daksha veranstaltete ein großes Opferfeuer (Yajna), lud aber seine Tochter und ihren Gemahl Shiva nicht dazu ein, was ein großer Affront gegen sie war.