Kundalini-Yoga bedeutet nicht die sofortige Erweckung der Kundalini. Das ist nicht möglich und auch nicht wünschenswert - genauso wenig, wie Bhakti-Yoga mit sofortiger grenzenloser Hingabe zum Göttlichen anfängt oder Jnana-Yoga mit der vollkommenen Erkenntnis der Einheit oder Raja-Yoga mit der vollständigen Herrschaft über den Geist. Du solltest im Kundalini-Yoga mittels der oben beschriebenen Techniken schrittweise und systematisch vorgehen.
Kundalini-Yoga trägt Elemente der verschiedenen Haupt-Yoga-Wege in sich. Hauptsächlich ist Kundalini-Yoga ein Praxisweg. Man kann seine Grundpraktiken in fünf Hauptkategorien einteilen:
Auf gewisse Weise entsprechen Mantra-Yoga, Yantra-Yoga und Laya-Yoga den drei Grundformen des menschlichen Denkens: Menschen denken entweder in Worten/Klängen oder in Bildern oder in Gefühlen. Bei manchen Menschen überwiegt das Wort- und Klangdenken. Diese Menschen werden als eher auditiv bezeichnet. Eher visuelle orientierte Menschen denken in Bildern. Kinästhetische Menschen „denken“ in Gefühlen. Welche Denkkategorie überwiegt, kann man oft an der Sprache „sehen“, „begreifen“ oder „verstehen“. Der eine „fühlt“, dass es so sein muss. Für den anderen ist es „glasklar“, dass es anders sein muss. Der nächste „versteht“ die verquere Logik der beiden anderen nicht…
So wird der Auditive bei der Energiearbeit schnellere Wirkungen spüren mittels Worten, Affirmationen, Mantras und Klängen. Der Visuelle wird mehr Erfolg haben mittels Visualisierung von Licht oder komplexen Yantras. Der Kinästhet wird einfach seine Achtsamkeit in bestimmte Regionen schicken und manchmal sogar willkürlich Energieempfindungen erzeugen können.
Als Beispiel sei hier die Stimulierung des Ajna-Chakras (Dritte Auge) durch diverse Formen der Chakra-Konzentration genannt:
Die meisten Menschen sind in ihrem Denken nicht so spezialisiert: Sie nutzen mal die eine, mal die andere Technik und sehr oft auch eine Kombination. Dann könnte es zum Beispiel heißen: „Richte deine Achtsamkeit auf das dritte Auge. Stelle dir dort das Zeichen Om ૐ vor. Wiederhole geistig Om. Vielleicht spürst du ein Pulsieren im dritten Auge. Wiederhole weiter Om im Rhythmus dieses Pulsierens.“
Es gilt dabei: Wer Schwierigkeiten mit Visualisierungen hat, braucht sich damit nicht unbedingt abmühen. Mit Mantras oder dem Spüren allein kann das Prana gesteuert werden. Und wer mit Mantras oder Worten nichts anzufangen weiß, kann auf Visualisierung oder allein auf die Achtsamkeitslenkung des Spürbewusstseins zurückgreifen.
Meist werden im Kundalini-Yoga die Hatha-Yoga-Übungen mit Techniken der vier anderen Kundalini-Sub-Yogas kombiniert und so besonders machtvoll: Angenommen, du willst das Vishuddha-Chakra in der Kehle aktivieren, öffnen und harmonisieren.
Dazu kannst du beispielsweise den Schulterstand (Sarvangasana) ausführen. In diesem Asana kannst du dich auf die Kehlgegend konzentrieren (Laya-Yoga). Eventuell kannst du beim Einatmen bewusst in die energetische Mitte der Kehle gehen und beim Ausatmen deine Spürbewusstheit in den ganzen Hals und den Bereich davor ausdehnen. Du kannst dabei das Bija-Mantra des Vishuddha-Chakras, Ham, geistig wiederholen.
Du kannst dich auf die Kehle konzentrieren und hören, ob du dabei einen inneren Klang wahrnimmst (Nada-Yoga). Du kannst dir in der Kehle ein leuchtendes Licht vorstellen oder sogar ein lila Dreieck mit einem weißen Kreis im Inneren (Yantra-Yoga). Und natürlich kannst du auch nach Art des Raja-Yoga mit einer oder mehreren Affirmationen arbeiten, beispielsweise: „Es ist meine Absicht, das Kehlchakra zu aktivieren. Es ist meine Absicht, besser zu kommunizieren. Es ist meine Absicht, Verbundenheit mit anderen zu spüren.“