von Swami Sivananda
Bhakti
Bhakti
steht jedem offen
Der
einfachste Weg zu Gott
Einpünktigkeit
in der Hingabe
Hingabe
und Wunsch
Wie
man Hingabe pflegt
Bhavas
im Bhakti Yoga
Apara
Bhakti und Para Bhakti
Para
Bhakti und Jnana
Bhakti
heißt, in Gott sein. Bhakti ist das Fließen von Hingabe
wie das Fließen eines Flusses. Bhakti ist Kontinuität von
Hingabe, so wie Öl kontinuierlich aus einem Gefäß in
ein anderes fließt. Bhakti ist das Hingezogensein des Jivas zu
Gott, so wie die Nadel zum Magnet hingezogen wird.
Bhakti
ist Liebe um der Liebe willen. Der Gläubige will Gott und nur Gott.
Es liegt darin keine selbstsüchtige Erwartung. Es gibt auch keine
Angst. Hat der Sohn Angst vor seinem Vater, der Richter ist? Hat die
Ehefrau Angst vor ihrem Gatten? So hat auch der Gläubige nicht
im mindesten Furcht vor Gott. Die Angst vor Vergeltung verschwindet
in ihm. Er spürt, glaubt, denkt und stellt sich vor, daß
sein Ishtam (Gott) ein Ozean von Liebe oder Prem ist.
Bhakti
verändert den Menschen in Göttlichkeit. Sie infiziert den
Gläubigen mit göttlichem Prem (Liebe). Sie gibt ihm ewige
Befriedigung. Sie macht ihn vollkommen. Sie lenkt den Geist von Sinnesobjekten
weg. Sie läßt ihn in Gott frohlocken.
Emotionale
Erregung ist nicht Hingabe an Gott. Hingabe ist reine Liebe. Fanatismus
ist keine Hingabe. Fanatismus ist Wahnsinn. Fanatismus ist bloße
Erregung.
Bhakti
ist nicht nur Emotionalität, sondern das Einstimmen sowohl des
Willens als auch des Denkvermögens auf das Göttliche. Bhakti
ist höchste Liebe zu Gott. Sie erblüht später zu Jnana.
Sie führt zu Unsterblichkeit und Gottverwirklichung.
Bhakti
ist die direkte Annäherung an das Ideal durch das Herz. Liebe ist
jedem Menschen natürlich.
Bhakti
steht jedem offen
Bhakti
kann unter allen Umständen und von jedem gleichermaßen praktiziert
werden. Lernen, strenge Askeseübungen, Studium der Veden und ein
brillanter Verstand sind nicht nötig, um Bhakti oder Hingabe zu
erlangen. Es bedarf hingegen des ständigen und lebendigen Denkens
an Gott gepaart mit Glauben. Daher steht der Pfad von Bhakti jedem offen.
Nishada
stammte aus einer niedrigen Kaste; Sabari war eine Bauersfrau; Dhruva
war ein ungebildeter Junge; Vidura und Sudama waren sehr arm; Vibhishana
war ein häßlicher Rakshasa; Hanuman war ein Affe; Jatayu
war ein Vogel; Gajendra war ein Elefant; die Gopis von Vrindavan waren
nicht in die vedischen Riten eingeweiht; aber sie alle erreichten Gottverwirklichung
aufgrund ihrer Hingabe und Selbstaufgabe.
Der
einfachste Weg zu Gott
Bhakti
ist einfacher als irgendein anderer Weg der Annäherung an Gott.
In Jnana und Raja Yoga besteht das Risiko, daß man fällt.
Auf dem Pfad der Hingabe gibt es kein Risiko, da der Gläubige volle
Unterstützung und Hilfe von Gott erhält.
Menschen,
die den Weg von Jnana und Raja Yoga beschreiten, sind der Gefahr ausgesetzt,
stolz auf ihre Kräfte und ihre Weisheit zu sein. Bhaktas sind bescheiden.
Bescheidenheit ist die Grundlage für Bhakti Yoga.
Jnana
Yoga ist der Yoga der Weisheit. Es ist der Weg der Analyse und Verweigerung.
Es ist der Pfad der endlosen Negation. Dies ist ein sehr schwieriger
Weg.
Raja
Yoga ist auch schwierig. Es ist, als wollte man die Wellen des Ozeans
glätten. Man muß alle Gedankenwellen zum Stillstand bringen.
Karma Yoga ist auch schwierig. Es ist wie das Erklimmen des höchsten
Gipfels. Man braucht enorme Willenskraft. Nur Bhakti Yoga ist leicht.
Gott streckt seine Hände aus, um Dich aus dem Sumpf von Samsara
zu erheben. Du mußt seine Hand fest erfassen. Aber eines ist dabei
absolut wesentlich: Du darfst keinen anderen Gedanken haben als den
an Gott und Gott allein.
Einpünktigkeit
in der Hingabe
Das
Kind denkt allein nur an die Mutter. Ein leidenschaftlich liebender
Ehemann denkt allein nur an seine Frau. Ein habgieriger Mensch denkt
allein nur an sein Geld. So sollte auch der Gläubige in seinem
Herzen allein nur das Bild seines Ishtam (Gott) haben. Dann kann er
leicht den Darshan (Vision) Gottes haben.
Du
darfst nicht zuviel an den Körper und seine Bedürfnisse denken.
Gedanken an den Körper, Gedanken an Nahrung und Gedanken an Mann,
Frau und Kinder lassen Dich Gott vergessen. Du kannst keine göttlichen
Gedanken haben, wenn Du Gedanken an Anatma- (Nicht-Selbst) Dinge hast.
Wenn
der Gläubige Mensch manchmal Gott liebt und manchmal auch Frau,
Mann, Sohn, Geld, Haus, Vieh und Eigentum, ist er ein Vyabhicharini
Bhakta. Die Liebe ist geteilt. Ein kleiner Teil des Geistes gehört
Gott. Der Rest gehört der Familie und dem Besitz.
Gott
wird nur dann Sklave des Bhakta, wenn letzterer sich vollkommen und
bereitwillig hingegeben hat. Gott unterzieht den Gläubigen strengen
Proben und Prüfungen.
Im
allgemeinen hält der Aspirant, bewußt oder unbewußt,
wissentlich oder nicht, einige Wünsche nach Belohnung aufrecht.
Er will nicht ganz und gar mit seinen Wünschen brechen. Deswegen
wird die Hingabe nicht vollkommen und bedingungslos. Deshalb kommt die
Gnade Gottes nicht herab. Wenn auch nur ein Atom von Wunsch oder Ichdenken
vorhanden ist, gibt es keine Möglichkeit für vollständige
göttliche Gnade.
Hingabe
und Wunsch
Der
selbstsüchtige Wunsch steht dem Wachsen von Hingabe im Weg. Die
Hingabe an Gott wächst, wenn man weltlichen Wünschen entsagt.
Entsagung
ist die Quintessenz hingebungsvoller Liebe. Göttliche Liebe trägt
kein Element des Wunsches in sich.
Hingabe
kann nicht neben irgendeiner Form von Wunsch bestehen, nicht einmal
neben dem Wunsch nach Befreiung. Der Gläubige Mensch will nur Gott
allein und Ihm dienen.
Der
Gläubige Mensch liebt Gott und dient Ihm und Seiner Schöpfung.
Er bemüht sich nicht mehr bewußt um Mukti (Befreiung). Aber
Gott sendet dem, der an Ihn glaubt, Mukti unaufgefordert.
Wie
man Hingabe pflegt
Manche
Menschen fragen: “Wie können wir Gott lieben, den wir nie gesehen
haben?”
Lebe
in der Gesellschaft von Heiligen. Höre die Lilas (Geschichten der
Spiele) Gottes. Lies die heiligen Schriften. Verehre Ihn zuerst in Seinen
verschiedenen Formen, die in der Welt offenbar sind. Verehre jedes Bild
von Gott oder dem Guru. Wiederhole Seinen Namen. Singe Seinen Ruhm.
Besuche Ashrams und Tempel. Du wirst Liebe zu Gott entwickeln.
Alles
muß getan werden, um das Gefühl von Bhakti zu erwecken. Baue
einen Altar in Deinem Zimmer auf. Halte ihn sauber. Schmücke ihn
mit Blumen, Pflanzen, Statuen, Bildern, Symbolen. Brenne Räucherwerk
ab. Zünde eine Öl-Lampe an. Trage eine Rudrasksha- oder Tulsimala.
All das wirkt günstig auf den Geist und erhebt ihn. All das erzeugt
Hingabe. Es hilft, das nötige Bhava oder Gefühl zu erzeugen,
um die Gottheit, die verehrt werden soll, anzurufen. Der Geist wird
sich dann leicht konzentrieren.
Die
Praxis rechten Verhaltens, von Satsang, Japa (Wiederholung des Mantras),
Smarana (Erinnern an Gott), Kirtan (Mantra-Singen), Gebet, Gottesdienst
und Rituale, der Dienst an Heiligen, der Aufenthalt an Wallfahrtsorten,
der Dienst an Armen und Kranken mit göttlichem Bhava (Gefühl,
Hingabe), die Einhaltung der Pflichten des täglichen Lebens, das
Opfern aller Handlungen und deren Früchte an Gott, das Gefühl
der Gegenwart Gottes in allen Wesen, das Verneigen vor dem Bild und
vor Heiligen, der Verzicht auf weltliche Freuden und weltlichen Reichtum,
Wohltätigkeit, Mäßigung und Gelübde, das Praktizieren
von Ahimsa, Satyam und Brahmacharya - all das wird Dir helfen, Bhakti
zu entwickeln.
Bhavas
im Bhakti Yoga
Es
gibt fünf verschiedene Bhavas im Bhakti. Im Shanta Bhava ist der Gläubige Shanta, friedvoll. Er sieht das Göttliche
in allem gleichermaßen. Er hüpft nicht und tanzt nicht. Er
ist nicht hochgradig emotional. Sein Herz ist voller Liebe und Freude.
Bhishma war ein Shanta Bhakta.
Shri
Hanuman war ein Dasya Bhakta. Er hatte Dasya (Diener) Bhava.
Er diente Gott Rama mit ganzem Herzen. Er wollte seinen Meister in jeder
erdenklichen Weise erfreuen. Er fand Freude und Glück im Dienst
an Gott als seinem Meister.
Im Sakhya Bhava ist Gott der Freund des Gläubigen. Arjuna hatte
dieses Bhava Shri Krishna gegenüber. Der Gläubige bewegt sich
mit Gott auf gleicher Ebene. Arjuna und Krishna pflegten wie enge Freunde
zusammenzusitzen, zu essen, zu reden und zu gehen.
In Vatsalya Bhava sieht der Gläubige Gott als sein Kind. Yasoda
hatte dieses Bhava zu Shri Krishna. In diesem Bhava ist keine Furcht,
denn Gott ist das Kindlein. Der Gläubige dient Gott, füttert
und umsorgt Ihn, wie eine Mutter es mit ihrem Kind tut.
Das
letzte ist Madhurya Bhava oder Kanta Bhava, die Beziehung zu
Gott als seinem Geliebten. Dies ist die höchste Form von Bhakti.
Dies war die Beziehung zwischen Radha und Krishna. Dies ist Atmasamarpana.
Liebender und Geliebte werden eins. Der Gläubige Mensch und Gott
fühlen sich als eins und halten trotzdem eine Getrenntheit aufrecht,
um die Wonne des Liebesspiels miteinander zu erfahren. Dies ist Einheit
in Getrenntheit und Getrenntheit in Einheit. Die Beziehung ist die von
Ehemann und Gattin. Jayadeva, Mira und Andal hatten dieses Bhava.
Apara
Bhakti und Para Bhakti
Es
gibt zwei Arten von Bhakti, Apara Bhakti und Para Bhakti. Apara Bhakti
ist niedrige Bhakti. In Apara Bhakti ist der Gläubige Mensch
Anfänger. Er führt Rituale und Zeremonien aus. Sein Herz ist
nicht weit. Er ist Anhänger einer Religionsgemeinschaft. Er sieht
auf Anhänger anderer Religionen herab.
Ein
Gläubiger vom Para Bhakti Typ umfaßt alles und schließt
alles mit ein. Er besitzt kosmische Liebe oder Vishwaprem. Die ganze
Welt ist für ihn Vrindavan (Garten Gottes). Er besucht keine Tempel
zum Gottesdienst. Er fühlt, daß die Welt eine Manifestation
Gottes ist und alle Bewegungen und Aktivitäten Seine Lila (Spiel).
Er empfindet keinen Ekel vor Fäkalien und Schmutz, dem Obdachlosen,
Kastenlosen, dem Straßenkehrer, dem Bettler, der Prostituierten
oder dem Dieb. Er sagt: “Ich sehe meinen Gott überall. Hari (Gott)
spielt die Rolle der Prostituierten, des Diebes, des Schurken!” Seine
erhabene innere Einstellung ist allumfassend und alles einschließend.
Das kann mit Worten nicht adäquat ausgedrückt werden. Man
muß es fühlen. Mira, Gauranga, Hafiz, Tulsidas, Kabir, Ramdas
- sie alle erfreuten sich dieses Zustandes.
Namdev
sagte zum Hund: “Oh Vittala (Gott), mein Lieber, in Gestalt eines Hundes,
lauf nicht mit dem trockenen Brot weg. Es wird Deinem zarten Hals schaden.
Bitte laß mich noch etwas Ghee (Butter) auf das Brot schmieren.”
Er rannte mit einer Tasse voll Ghee zu dem Hund. Shri Ramakrishna Paramahamsa
verbeugte sich vor einem unberührbaren Mädchen: “Oh Mutter
Kali! Ich sehe Dich in diesem Mädchen.” Eknath, ein Maharashtra
Bhakta, gab dem Dieb freiwillig auch seinen Ring, als jener in sein
Haus kam: “Oh Dieb! Nimm auch diesen Ring. Deine Pflicht ist es, Dinge
zu stehlen. Du bist Krishna. Halte diese Lila aufrecht.” Hast Du den
hohen Zustand dieser erhabenen Bhaktas verstanden, die einen neuen Blickwinkel
haben? Der wird auch für Dich kommen. Bemühe Dich. Streng
Dich an.
Para
Bhakti und Jnana
Para
Bhakti ist nichts anderes als Jnana. Para Bhakti und Jnana sind eins.
Shri Shankara, ein Kevala-Adwaita-Jnani, war ein großer Bhakta
von Vishnu, Shiva und Devi. Shri Ramakrishna Paramahamsa betete zu Kali
und erhielt Jnana von Swami Totapuri, seinem Adwaita Guru. Appayya Dikshitar,
ein berühmter Jnani aus Südindien, war ergebener Bhakta von
Gott Shiva.
Para
Bhakti und Jnana sind eins. Der einzige leichte Unterschied ist: ein
Bhakta gebraucht sein Gefühl; ein Jnani gebraucht seinen Willen
und seinen Verstand. Bhakti beginnt mit Liebe und Jnana mit Denken und
Selbstanalyse. Das Ende beider ist dasselbe, die Vereinigung mit dem
Göttlichen.
Ein
Gläubiger zieht sich zusammen. Ein Vedantin weitet sich. Jener
zieht sich zusammen und geht durch Selbstaufgabe in Gott ein. Dieser
weitet sich und wird eins mit Brahman durch Anstrengung und Identifikation.
Die
Frucht von Bhakti ist Jnana. Jnana intensiviert Bhakti. Selbst Jnanis
wie Shankara, Madhusudana und Sukadev wandten sich nach ihrer Verwirklichung
Bhakti zu, um die Süße der liebenden Beziehung zu Gott zu
genießen.
Wissen
und Weisheit werden von selbst heraufdämmern durch das Praktizieren
von Bhakti Yoga. Bhakti ist der angenehme, glatte, direkte Weg zu Gott.
Bhakti ist schön und freudevoll am Anfang, in der Mitte und am
Ende. Sie bringt höchste, unvergängliche Wonne.
Entzünde
göttliche Liebe in Deinem Herzen, denn das ist der unmittelbare
Weg in das Reich Gottes.
Bete
zu Gott. Singe Seinen Ruhm. Wiederhole Seinen Namen. Werde ein Mittler
Seiner Gnade.
Suche
Seinen Willen. Tu Seinen Willen. Gib Dich Seinem Willen hin. Du wirst
eins werden mit dem kosmischen Willen.
Gib
Dich Gott hin. Er wird Dein Wagenlenker auf dem Schlachtfeld des Lebens
werden. Er wird Deinen Wagen gut lenken. Du wirst das Ziel erreichen,
den Wohnsitz unsterblicher Wonne.
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Inhaltsverzeichnis des Buches "Göttliche Erkenntnis"

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