Einleitung

Dieses kleine Buch ist eine dokumentarische Sammlung von primär autobiographischen Quellen und Erinnerungen von Schülern und Freunden über das Leben des verstorbenen „fliegenden Swamis“ Vishnu-devananda aus Indien und Kanada, Hindumönch und Pilot. Swami Vishnu war einer der ungewöhnlichsten Aktivisten für den Weltfrieden des 20. Jhd., für Gerechtigkeit, für Gewaltlosigkeit, offene Grenzen und die Verwirklichung einer weltweiten Staatsbürgerschaft für die ganze Menschheit, was er als eine „wahre Weltordnung“ bezeichnete und so die spirituelle Reifung der Menschheit erwartete.

Swami Vishnu war einer der bemerkenswertesten Menschen unseres Zeitalters an zahlreichen Fronten der 50er Jahre in Kanada und überall auf der Welt bis zum Zeitpunkt seines Todes 1993 in Indien. Er plante und orga nisierte eine Menge prophetische und symbolische Veranstaltungen als Teil seiner weltweiten Friedensmissionen, meistens an höchst brisanten Plätzen dieser Welt. In den USA, Europa, der Karibik, im Mittleren Osten, Indien und Teilen von Asien war er führend in der Verbreitung seines Wissens über Yoga Vedanta (der Yoga-Philosophie der Einheit), der Praxis des Yoga für die Gesundheit sowie über Gewaltlosigkeit, inneren und äußeren Frieden und die versteckten Potentiale der menschlichen Seele und des Geistes, um „Dunkelheit zu Licht zu machen“ und mitzuhelfen, dass unser Planet überlebt und unsere Welt ein besserer Platz zum Leben wird.

Er war ein wahrer Freund und während der 70er und 80er Jahre bat er um meine Unterstützung bei der Organisation von internationalen Konferenzen und Veranstaltungen, um die Aufmerksamkeit auf Yoga zu lenken (und auf die alte Kosmologie, Lebensphilosophie und Psychologie, auf der Yoga gründet) und um neue Wissenschaften von Bewusstsein, neue Heilkünste, neue Medien, neue Therapien und das wachsende planetarischökologische Bewusstsein aufzuzeigen. Meines Erachtens verstand er den tieferen Sinn unseres gesteigerten Interesses im Westen an Berichten verschiedener Personen, die die menschliche Unsterblichkeit bestätigten, nachdem sie verschiedene, außerordentliche psychische und spirituelle
Erfahrungen gemacht hatten.

Einer seiner frühen Events, an dem ich 1977 teilnahm, war eine unvergessliche 45tägige Pilger- und Vortragsreise nach Indien über Spanien mit dem Thema „Yoga und psychische Entdeckungen“. Dabei nahmen ein Hindumönch teil (Swami Vishnu selbst), ein christlicher Priester (ich), eine Psychiaterin (Dr. Marilyn Rossner, meine Frau, Kindertherapeutin und Sonderpädagogin, außerdem praktizierende Yogini und äußerst feinfühlig) und ein Astronaut (Dr. Edgar Mitchell, der ein erfolgreiches ESP Experiment zwischen seiner Mondkapsel und der Erde durchgeführt hatte).

Swami Vishnus beständiger Genius und sein Gespür dafür, einfalls reich und zum richtigen Zeitpunkt die Öffentlichkeit auf sich aufmerksam zu machen, war tief spirituell motiviert. Wohin er auch ging, gründete er Ashrams und Zentren, wodurch er in der Lage war, das Leben der Menschen zu berühren, ihren Lebensstil zum Besseren zu verändern und das Bewusstsein der Welt für das dringende Bedürfnis nach positivem Denken, gesundem Leben, wahrer Spiritualität und einer dramatischen Verbesserung im menschlichen Verhalten zu verstärken.

Als er 1957 als junger Hindumönch das erste Mal von Indien über Südasien nach Nordamerika kam, hatte er kein Geld, keinen, der ihn aufnahm und herzlich wenig praktisches Wissen über westliche Lebensart oder überzeugende Sprachfertigkeit im Englischen, was ihm den Weg erleichtert hätte.

Was er allerdings besaß, war eine leuchtende, konzentrierte, hingebungsvolle, bejahende Seele, die in seinen Lehrjahren bei einem der größten Yogis und Weisen des Himalaya geformt worden war, bei Swami Sivananda aus Rishikesh, einem Mediziner und Hindumönch, der den Massen auf diesem Subkontinent als der „Heilige Franziskus des Modernen Indiens“ galt. Sivananda war eine wichtige Persönlichkeit bei der Wiedergeburt der indischen Spiritualität im 19. und 20. Jahrhundert. Swami Vishnu besaß ebenfalls den wahren Geist und die Inspiration der Ghandischen Doktrin des gewaltlosen Zeugnisses des Friedens und der Gerechtigkeit an Orten des menschlichen Leidens und der Not. Diese Gaben und die Früchte seines Geistes waren sein einziges Kapital und sein Glanz.

Swami Vishnu hatte in seinem Leben den klaren Auftrag seiner Lehrer, der Menschheit zu dienen. Er sah diesen Auftrag als Inspiration aus göttlich-eingegebener Quelle. Diese Quellen und diese Inspiration verließen ihn nie. Er blieb ihnen mit heroischer Entschlossenheit durch dick und dünn bis zu dem Tag treu, an dem er zurück in Indien diese Welt verließ, wo sein Körper schließlich dem heiligen Fluss Ganges übergeben wurde. Swamiji hatte diese Aufgabe mit den Worten Sivanandas an den Wänden der Ashrams und Zentren verewigt: „Diene, liebe, gib, reinige Dich, meditiere, verwirkliche!“

Von seinem geliebten Guru Swami Sivananda bekam er den Auftrag, die Philosophie und die Praxis des Yoga selbst zu leben und sie seinen Schülern zu lehren, so dass sie alle das Ziel des Yoga für sich selbst erreichen konnten: göttliche Selbstverwirklichung – die Integration von Körper, Geist und Seele mit dem Ursprung des Seins, Gott, Brahman, der Ewigen Quelle allen Lebens, Gesundheit, Freude, Wonne – und die wahre Inspiration und Stärke, in sanatana dharmazu leben, dem ewigen, universellen, göttlich spirituellen Gesetz.

Swami Vishnu selbst war ein authentischer Guru und ein großer spiritueller Lehrer. Er war in seiner äußeren Erscheinung eher un scheinbar und bescheiden. Oft schockierte er Schüler und Gäste, indem er sich niederwarf und um Vergebung bat, wenn er ungeduldig gewesen war, in Wut geriet, Fehler machte oder jemanden beleidigte. Er besaß große Liebe für die Menschen, war aber ungeduldig, richtiges und sinnvolles Handeln voranzutreiben, so wie er es verstand. Wo auch immer er einen Einzelnen in menschlicher Not oder eine große Welttragödie sah, wollte er zu Hilfe eilen oder irgendetwas zur Unterstützung tun, auch wenn alles, was er tun konnte, darin bestand, sein Leben durch symbolische und prophetische Handlungen
zu riskieren, nur um die Aufmerksamkeit der Menschheit auf diese Not oder Tragödie zu lenken.

Auf den folgenden Seiten wirst du lesen, dass er während des Krieges im Mittleren Osten 1971 mit seinem kleinen zweimotorigen Flugzeug über die arabisch-israelische Grenze flog und jede Seite mit Blumen und Friedensbroschüren „bombardierte“: „Blumen statt Gewehre, um Kriege zu stoppen!“ Er flog mit dem britischen Schauspieler Peter Sellers nach Nordirland, um sich mit protestantischen und katholischen Führern zu treffen. Ein Hindumönch – mit brauner Haut und in orange Gewänder gekleidet – der den christlichen Führern freundlich die Notwendigkeit der
Liebe, des Friedens und christlichen Verhaltens lehrte! Er flog mit einem Ultraleichtflugzeug über die Berliner Mauer nach Ostdeutschland und übermittelte so der ostdeutschen Polizei die Nachricht, dass alle von Menschen erstellten Hindernisse für den Frieden, die die Menschheit teilen – wie die Mauer selbst – vom göttlichen  Geist in uns überwunden werden können. Dann gab er ihnen eine Yogastunde und hielt einen Vortrag über Meditation. Dafür gaben sie ihm ein Käsesandwich, weil er Vegetarier war und eine Karte für die U-Bahn für die Rückreise nach Westberlin!

Was Mahatma Ghandi tat, um die Welt zu inspirieren und ihr Bewusst sein zu verändern, spielte sich fast ausschließlich auf dem indischen Subkontinent ab, mit einer kurzen Zeit in Südafrika. Von diesem Schauplatz aus verbreitete sich die großartige Geschichte von Ahimsa, dem Prinzip der Gewaltlosigkeit und die Achtung vor den Rechten allen fühlenden Lebens über den ganzen Globus und damit seine innewohnende, sanfte Kraft, rassistische und religiöse Bigotterie endlich zu beenden.

Was Swami Vishnu in seinem Leben für das gleiche edle Ziel getan hat (obwohl viel weniger veröffentlicht), wurde tatsächlich auf einem sehr viel größeren Schauplatz dieser Welt ausgetragen, auf vielen Kontinenten und Ländern und auf sehr  spektakuläre Art und Weise. Er organisierte während der letzten 4 Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts eine inspirierende Reihe von unglaublichen, symbolischen und prophetischen Veranstaltungen. Eines Tages – wenn die Menschheit etwas erwachsener geworden ist und ihr Verständnis für das wirklich Wesentliche sich ausgeweitet hat – wird es ohne Zweifel eine Buch- und Filmbiographie über das Leben dieses unbesungenen Helden unseres Zeitalters geben. Bis dahin ist dieses Buch eine Quelle der Erinnerungen seiner Freunde und Schüler, welches seine Lehren an die Welt weitergibt.

Rev. John Rossner, O.Tr.,Ph.D.
Professor der vergleichenden Religion und Kultur
Concordia Universität, Montreal
Präsident des International Institute of Integral Human Sciences