13. Kapitel - Hingabe

Swamiji ermutigte jeden, seine Hingabe zu Gott auszudrücken, indem er die religiösen Regeln praktizierte, mit denen er sich am wohlsten fühlte. Er sagte immer, dass Yoga selbst keine Religion sei sondern eine Lebensform, die sich dem religiösen Glauben eines jeden angleichen kann. Er war der festen Überzeugung, dass alle Religionen in ihren Ursprüngen  grundsätzlich das Gleiche sagen, dass es nur einen Gott gebe und dass die Unterschiede in den Religionen sich nur in der Form der Verehrung ausdrückten. Er betonte auch, dass keine Religion besser sei als die andere, dass nicht eine einzige Religion für alle das Richtige sei und dass man darauf achten müsse, in keine fanatische oder ausschließende Art und Weise des Denkens und Handelns hineingezogen zu werden.

In diesem Leben kann die natürliche Entwicklung in einer sehr kurzen Lebensspanne gesteigert werden und wachsen. Wir bewegen uns alle in dieselbe Richtung und diese Richtung ist Gott entgegen oder der Gottheit entgegen, wie auch immer ihr es ausdrücken wollt.

Es regnet heute und der Regen fällt auf eine weite Fläche, von der Spitze zum Fuß der Berge und überall dazwischen, auf die Bäume, die Seen und die Wiesen. Dieses Wasser sammelt sich langsam, ganz langsam und wird zu kleinen Bächen, die Ströme werden schließlich zu größeren Flüssen. Die Flüsse tragen dasselbe Wasser langsam zu den Stromschnellen, durch Gebirge und Felsen, durch schwierige Pfade, neue Wege durchbrechend, um Hindernisse herum. Der reißende Fluss mündet im unermesslichen Ozean. Seine Reise ist zu Ende; keine Turbulenzen mehr, kein Fließen mehr wie in der ganzen Zeit, seit er die Berge verlassen hat, um Tausende von Meilen in vielen verschiedenen Formen verschiedenste Geländeformen zu durchqueren und viele Hindernisse zu überwinden. All dies hat der rastlose Fluss überwunden und ist ständig unterwegs gewesen, seiner Quelle entgegen, woher er ursprünglich kam. Das ist der Ozean. Der Ozean wird zum Wasserdampf und formiert sich zu Wolken und wenn diese zu Regenwolken werden, verteilen sie sich auf verschiedene Erdteile und kommen als Regen zur Erde zurück.

Das Wasser war nicht glücklich, weder am Himmel noch auf der Spitze des Berges; es war rastlos. Es wollte zu seinem Ursprung zurück, dem Ozean. Erst wenn der Fluss seine Quelle erreicht hat, wird er wieder majestätisch, universell. Er verliert seinen Namen und seine Form. Dieser Fluss, der vom Himalaya kommt und Ganges genannt wird, erreicht nach einer Reise von 3.000 Meilen den östlichen Teil von Indien und wenn er sich mit dem Ozean vereint, verliert er sowohl seinen Namen als auch seine Form. Er wird nicht länger Ganges genannt, er hat auch keine Form mehr. Er vereint sich mit dem riesigen Ozean, sein Name, seine Form und seine Eigenschaften sind verloren. So ergeht es auch dem Colorado River, dem Mississippi und dem Nil, alle Flüsse erreichen den Ozean, und wenn sie ihn erreichen – egal, woher sie kommen – verlieren sie alle Namen und Form. Niemand nennt ihn nun noch Colorado River oder Mississippi oder Ganges. Es ist einfach ein einziger Ozean. Niemand behauptet: „Oh, das ist mein heiliger Ganges. Ich liebe ihn. Ich verehre meinen heiligen Ganges.“ Andere verehren andere Flüsse und lieben sie. Aber hier behauptet niemand: „Er gehört mir.“ Er ist allumfassend geworden.

Im Yoga und Vedanta wird diese universelle Erfahrung Gottesverwirklichung genannt oder, wenn ihr nicht an Gott glaubt, Selbstverwirklichung. Mit dem gewöhnlichen menschlichen Verstand, dem gewöhnlichen menschlichen Intellekt können wir den
unendlichen Ozean nicht erfassen, wie groß er ist, wie lang er ist, wie tief er ist und wie weit entfernt. Mit seinen gewöhnlichen Sinnen kann der Mensch das Ende des Ozeans nicht sehen, wie weit und wie tief er ist, wieviele Millionen und Millionen Kreaturen in ihm leben und welche Stürme toben. Nichts von alledem können wir mit unseren Sinnen erfassen, wenn wir auf das Meer schauen. Wenn es also schon so schwierig ist, den gewöhnlichen Ozean mit unseren Sinnen, unserem Verstand und Intellekt zu ergründen, wie können wir dann Gott erfassen?

Gottes unendliche Natur geht weit über unser Verständnis hinaus. Sogenannte religiöse Führer, besonders die fanatischen, sprechen von Gott, als wäre er auf ihrer Seite; sie verstehen seine unend liche Natur nicht. Gott ist weder auf der Seite der Russen oder der Amerikaner noch auf der der Moslems, Israelis oder Hindus. Gott ist ein unendlicher Ozean der Liebe, des Mitgefühls, der Gnade, der Wahrheit, der Freude und des Friedens. Wir können nicht ermessen, wie groß er ist, wie mitfühlend dieses höchste Wesen ist. Noch können wir die unendliche Schöpfung ermessen, die er erschaffen hat.

Obwohl ihr gebildet seid, denken die meisten von euch immer noch, dass Gott nur den Planeten Erde erschaffen hat, vielleicht noch die Sonne und den Mond. Und auf diesem Planet Erde nahm er sich viel Zeit, um euch Menschen zu erschaffen. Er erschuf Adam und Eva und sie benahmen sich nicht rechtmäßig. Sie aßen den Apfel und dann bevölkerten sie diesen Planeten Erde. Dann kamen einige Milli onen Juden, einige Millionen Christen, einige Millionen Hindus, Araber, Amerikaner, Russen usw. So gibt es jetzt ungefähr 5 Milliarden Menschen auf diesem Planeten Erde. Und dann teilen wir diesen Gott in verschiedene Sektionen auf: den Gott der Hindus, Gott der Christen, Gott der Katholiken, Gott der Protestanten, Gott der Israelis, Gott der Moslems, Gott der Buddhisten. Das ist nicht Gott. Wir teilen dieses Höchste Wesen und machen aus ihm ein endliches Objekt.

Dieser Gott, dieses unendliche Wesen, das wir nicht durch unseren Intellekt oder durch unseren Verstand erkennen können, wird so aufgespalten, dass er in unseren geistigen Zustand passt. Wir pressen dieses Höchste Wesen in einen schmalen, winzigen Umschlag. Ein Hindu denkt: „Gott ist nur da, um mich zu beschützen, weil ich ein Hindu bin. Ich verehre Gott Krishna, also wird Krishna nur mir helfen, einem Hindu, der Krishna verehrt und vielleicht auch den Hare Krishna Leuten. Auch sie verehren Krishna.“ Aber Krishna wird nicht den Christen, Moslems, Juden, Arabern, Russen, Gläubigen oder Ungläu bigen helfen, weil sie ihn nicht Krishna nennen. Und die Moslems: „Oh nein! Nein, nein!

Der Name Gottes ist Allah, nicht Krishna. Euer Krishna ist ein Nichts. Unser Allah ist der Höchste Gott. Er wird nur Moslems beschützen oder diejenigen, die ihn Allah nennen und ihn so verehren, wie Moslems es tun. Sonst wird Allah euch nicht helfen. Er wird euch zerstören. Also seid bei uns dabei.“ Und Israelis und Juden sagen: „Oh nein, nein, nein! Gott ist auf unserer Seite. Solange ihr nicht diesen besonderen Weg geht, wird Gott euch keinerlei Erlösung geben.“ Protestanten sagen: „Oh nein, nein. Nein! Das stimmt nicht! Wir haben einen Höchsten Vater, und Jesus kam und nur durch ihn werdet ihr Gott erkennen. Kommt zu uns.“

Jeder Religionsführer kam und sagte: „Gott ist Eins und er ist auf meiner Seite.“ Jede Religion – Christentum, Judentum, Islam, Hinduismus – ganz egal. Sie sagen alle, dass es nur einen Gott gibt. Aber wenn du diesen Gott verehrst, heißt es: „Oh nein! Wir sind gespalten. Es gibt nicht nur einen Gott. Der Gott der Hindus ist verschieden vom Gott der Christen oder der Juden.“ Das ist Ignoranz. Das ist nicht das Ziel von Yoga und Vedanta.

Erinnert euch an den Fluss. Der Ganges vereint sich mit dem Ozean und dieser Ozean enthält das Wasser von Tausenden von Flüssen auf der ganzen Welt. Nicht nur das Wasser des heiligen Ganges erreicht diesen Ozean sondern auch das Wasser aller Flüsse, die nicht verehrt werden, die zum Fischen benutzt werden und auch die, die verschmutzt und nicht heilig sind. Wenn sie zum Ozean kommen, macht er keinen Unterschied bei dem heiligen Hinduwasser. Der verschmutzte und der heilige Fluss werden eins. Das ist der Weg der Gottesverwirklichung.

Unterscheidung ist im Yoga und Vedanta ein Widerspruch. Wenn ihr die Vorstellung auflöst: „Ich bin von dir verschieden, meine Religion ist von deiner verschieden, mein Gott ist von deinem verschieden“, dann habt ihr Yoga und Vedanta. Weil die Menschen nicht in der Lage sind, diese Unterscheidungen aufzulösen, sind wir in unserem gegenwärtigen Zustand auf diesem Planeten Erde, in dieser speziellen Phase der Geschichte. Der Mensch hat einen Zustand erreicht, in dem er fast tot ist. Die Schlinge liegt um seinen Hals. Er steht ganz oben auf seinen Zehenspitzen. Der Tisch unter ihm ist sehr wackelig. Jeden Moment kann er sich erhängen. Die menschliche Rasse ist verdammt, bis uns eine göttliche Macht rettet. Und diese göttliche Macht wird nicht kommen, um nur Hindus zu retten oder Juden oder Christen oder Moslems oder irgendeine andere Gruppe. Diese göttliche Macht wird uns alle aufnehmen wie der Ozean.

Swamiji lehrte uns immer die Gleichheit aller Religionen und die Notwendigkeit der hingebungsvollen Praxis. Obwohl er von Geburt Hindu war, begrenzte er sich nicht auf irgendeine bestimmte religiöse Praxis. Zu Weihnachten und Ostern wurden oft katholische Messen gefeiert. Ein Baptistenchor kam regelmäßig zu den Yogaretreats in Nassau, um dort zu singen. Rabbi Shlomo Karlbach kam, um uns singen und tanzen zu lehren. Auf der Yoga Ranch in Woodbourne wurden oft typische aramerikanische Schwitzhütten abgehalten.

Menschen sind von Natur aus emotional und müssen diese Seite ihrer Persönlichkeit ausdrücken können. Swamiji ermutigte uns, unsere emotionale Natur, welche wir anderen gegenüber ausdrückten, in bhakti (Hingabe) umzuwandeln, in den Ausdruck der Liebe zu Gott. Zweimal am Tag im satsang sangen wir Mantras und damit den Namen Gottes. Religiöse Feiertage wurden mit besonderen pujas (Ritualen) gefeiert. In den ashrams waren überall Schreine und Tempel.

Swamiji zögerte niemals, seine eigene Hingabe auszudrücken. Er brach oft in Tränen aus, wenn jemand das Bhagavatam sang oder wenn Schüler Stücke über das Leben von Krishna, Rama oder anderen Charakteren aus den Schriften aufführten. Swamiji ging auch regelmäßig auf Pilgertouren, besonders als er älter wurde und seine Hingabe an die Göttliche Mutter immer stärker wurde.

Pilgerfahrt in den Himalaya - *Schüler:

„Der Zweck einer Pilgerfahrt ist Reinigung“, sagte Swamiji, als er auf seinem Lieblingsplatz auf der linken Seite neben dem Eingang seiner Höhle „Sivananda Guha“ saß, mit dem Gesicht zu dem tosenden Ganges und den gigantischen felsigen Bergen. „Ich habe alle Möglichkeiten auf dieser Welt, Nassau, New York, Kanada usw., aber nichts ist vergleichbar mit diesem Ort hier“, rief Swamiji aus. „Ich muss den ganzen Weg hierhin kommen, um am Ufer von Mutter Ganges zu sitzen!“

Reinigung. Unsere Vorstellungen loslassen, unsere Anhaftungen, all diese kleinen Würmer und Insekten unserer Gedanken, die uns lebendig auffressen, Tag und Nacht. Loslassen und Frieden finden. Diese wundervolle, magische Energie einatmen, die uns kräftigt und uns jeden Moment als einzigartig und ewig fühlen und schmecken lässt.

Einzigartig und ewig ist dieses kleine Dorf Gangotri, tibetisch anmutend mit seinen alten Stein- und Felshäusern, seinen engen Dorfstraßen, die gesäumt sind mit winzigen Hütten, Bazaren und Läden, die religiöse Gegenstände, Süßigkeiten, Opfergaben und Flaschen mit Gangeswasser verkaufen. Einzig und ewig der alte Tempel von Mutter Ganges, wo Swamiji uns zuerst hinbrachte, sich vor der Mutter niederwarf, vom pujari (Priester) Prasad bekam und ein bis dreimal um den Tempel herumging, um ihren Segen zu erhalten. Einzig und ewig dieser Spaziergang am Ufer des Ganges, an den blanken Felsen entlang, auf ihrem (sehr heiligen wie Swamiji sagte) grauen Sand, im kühlen Wind des Himalaya.

„Alle Sünden werden abgewaschen, wenn man einmal in Gangotri (das letzte Dorf auf dem Weg hoch zur Gangesquelle) in Mutter Ganges eintaucht“, so heißt es. „Wie ist es dann mit einem Bad in Gomukh (die Quelle des Ganges, 15 Meilen von Gangotri entfernt und nochmal 5.000 Fuß höher)?“ – vielleicht sogar alle Sünden und die der vorigen Leben, da das Wasser eiskalt ist und direkt aus dem Gletscher kommt.

„Ihr müsst ein sehr gutes Karma haben, dass ihr von so weit hierher kommen könnt, um ein Bad im Ganges zu nehmen“, sagte Swamiji. „So viele Menschen träumen davon und können nicht kommen, auch wenn sie in Indien leben. Was wollt ihr noch? In den Schwingungen von Heiligen und Weisen verweilen. In ihren Fußstapfen laufen. In ihrer Gegenwart sein. Man fühlt sich so winzig und unbedeutend, wenn man diese heiligen Plätze besucht, diese heiligen Tempel.“

Tempel zu besuchen, ist wie mit unseren physischen Augen die Herrlichkeit, die Farben und das Licht unseres inneren Tempels zu sehen. Ihre Hügel hinaufzusteigen und ihre Stufen zu erklimmen, ist wie der Aufstieg, das Erklimmen der inneren Stufen zum Tempel unseres Herzens. Durch dunkle Labyrinthe und erhabene Innenhöfe der Tempel zu gehen, ist wie sich vorzubereiten, das Innere zu erreichen und den darshan (Vision) Gottes zu erfahren! Von Angesicht zu Angesicht in seiner
Herrlichkeit!

Geleitet von mystischen Kräften, ohne große Planung im voraus, erreichte Swamiji unerwartet Kedarnath via GauriKund, wo der Fluss Mandakini sein Lied singt und wo es keine Autos mehr gibt. Wir brauchten 5 Stunden mit den Pferden, um an der Spitze anzukommen. Wir mussten 1.800 Meter hoch auf der 17 km langen Strecke.Wir ritten auf Pferden und diese gingen langsam in einer Reihe, den jungen Männern und ihren Führern folgend.

„Welch ein Karma, so ein Pferd zu sein, nicht wahr, Swamiji?“, fragte C.R., unser Begleiter. „Es ist alles Gottes Wille“, antwortete Swamiji. Und er fuhr fort: „Der eine oben, der andere unten und der eine vorne sind eins. Wer trägt wen und wer führt wen?“

Nach einigen Teebuden näherten wir uns langsam der Stätte Shivas. Das Schauspiel war sehr erhebend. Die Berghänge waren mit üppiger tropischer Vegetation bedeckt, durchzogen von Flüssen und Wasserfällen. Endlich erreichten wir Kedarnath und gingen zum Tempel.

Was die Augen im Herzstück des Tempels sehen, ist eine dreieckige Form eines schwarzen Felsens, der vom Boden nach oben ragt. Was der Geist erkennt, ist der heilige Shivalingam, der einst von Sri Adi Shankaracharya aufgestellt wurde. Was das Herz fühlt, ist sofortige Hingabe, die Augen wollen diese liebliche Erscheinung verschlingen, die Ohren sind erfüllt von überirdischen Liedern und Hymnen. Swamiji saß für die Puja direkt neben dem Shivalingam. Er saß mit gekreuzten Beinen und meditierte, während wir eine Verehrungszeremonie durchführten. Sein Körper zitterte und er weinte und schluchzte. Seine Hände waren zum Gebet und demütigen Gesten gefaltet. Was er sah, können wir niemals erahnen und er kann es niemals beschreiben. Alles, was wir sahen, war dieser wonnevolle und fremde Ausdruck auf seinem Gesicht, als er versuchte, es uns zu beschreiben: „Ich brauchte 60 Jahre meines Lebens, um diese Vision zu haben. Es ist unbeschreiblich, diese Vision von Shiva und Parvati in einer Einheit zu sehen, der kosmische Vater und die kosmische Mutter. Es ist als ob Mutter und Vater auf mich gewartet haben, um mir in diesem Moment diese Vision zu geben.“

2 Tage später während der frühmorgendlichen Puja in Badrinath, im heiligsten der heiligen Tempel Indiens, geschah Swamiji das Gleiche. Er sprach nicht viel darüber, außer dass er dem 1. Priester des Tempels, dem Rawal, einem Mann aus Kerala, der seit 25 Jahren seinen Dienst tat, erzählte, wie wunderschön Gott Badri Narayan sei. Er wurde königlich behandelt. Der Rawal gab ihm eine große Tasche voller Prasad (gesegnete Opfergaben) direkt vom Abishekam, außerdem das goldene Tempel tuch selbst.

Badrinath ist im Gegensatz zu Kedarnath mit dem Auto erreichbar. Der Tempel hat einen wunderschönen, majestätisch dekorierten Eingang mit einer großen Glocke. Unten am Eingang gab es zwei natürliche, sehr heiße Quellwasserbecken (Napta Kund), wo wir vor der Puja ein reini gendes Bad nahmen.

„Als 19jähriger habe ich Badrinath zum ersten Mal besucht“, sagte Swamiji. „Gott erlaubt mir, es 40 Jahre später noch einmal zu sehen. Nun bin ich ein 60 Jahre alter Mann.“ Er erzählte uns Geschichten von seiner ersten Pilgerfahrt, wie er barfuß und ohne Essen auf den Bergwegen von Rishikesh nach Badrinath unterwegs war, mit dem Gelübde, kein Geld anzurühren.

„Narada, Sarada, Sri Shankaracharya, alle haben sie hier meditiert! Sie kamen alle hierher!“, rief Swamiji mit leuchtenden Augen, während er die Straße den Hügel hinunterging.

Swamiji hat buchstäblich seine eigenen Fußspuren in dieser Region des Himalaya hinterlassen. Er blieb mit seinen Füßen im geschmolzenen Asphalt an der Seite der Straße stecken. Es dauerte einige Zeit, den Asphalt von seinen Füßen zu entfernen, selbst mit Benzin!

Später im Auto, als wir herunterfuhren, lachte er von ganzem Herzen. „Sitaramananda! Erzähl jedem, dass Du der erste Schüler bist, der padapuja (rituelle Verehrung der Füße des Gurus) mit Benzin gemacht hat!“

Swami Sitaramananda

Swamiji ermutigte jeden, der eine bestimmte Religion praktizierte, bei dieser zu bleiben. Priester, Mönche und Rabbis waren regelmäßig Gäste und Redner in den Ashrams. Die Feiertage der verschiedenen Reli gionen wurden geehrt und gefeiert. Er sagte immer, dass die Philosophie des Yoga den Lehren anderer Religionen nicht widerspreche und dass die Yoga praxis die persönliche religiöse Praxis nur stärken würde. Gleichzeitig zögerte er nicht, den Schülern die wahre Bedeutung der Lehren ihrer jeweiligen Religion nahe zu bringen.

Ich war erst seit kurzem Mitarbeiter im ashram und war in Swamijis Haus damit beschäftigt, den Weihnachtsbaum aufzustellen. Swamiji war mit im Zimmer. Ich hatte immer noch Scheu vor ihm und war nervös, so zwanglos mit ihm zusammen zu sein.

Ich hatte meine Aufgabe fast beendet, als Swamiji sagte: „Jaya, mach den Weihnachtsbaum feuersicher.“ Ich sah mir den Baum an. Die Lichter waren alle sicher und er stand 6 Meter vom Kamin entfernt. Es erschien mir sicher genug, also machte ich einfach mit meiner Arbeit weiter.

Einige Minuten später sagte Swamiji wieder: „Jaya, mach den Weihnachtsbaum feuersicher!“ Diesmal war er etwas eindringlicher. Ich sah mir den Baum an und konnte immer noch nichts Falsches entdecken. Ich sagte Swamiji, dass ich ihn so, wie er wäre, gut finden würde. Da wurde Swamiji noch erregter: „Nein, nein. Argumentiere nicht. Mach den Weihnachtsbaum feuersicher!“, schrie er.

Ich war sehr verwirrt. Ich verstand nicht, was er wollte. Ich zeigte ihm, dass die Kabel alle unversehrt waren und der Baum weit entfernt vom Kamin aufgestellt war. Er wurde noch aufgeregter: „Nein! Nein! Jaya. Du musst ihn mit dem Feuerschutzspray einsprühen. Mach den Weihnachtsbaum feuersicher!“

Ich wusste überhaupt nichts von einem solchen Spray. Ich sagte: „Swamiji, ich bin Jude, was weiß ich von Weihnachtsbäumen!“ Er antwortete: „Ich bin ein Hindu, was weiß ich von Weihnachtsbäumen!“ Dann lachten wir beide und ich fühlte mich ihm näher als je zuvor.

Jaya
Atlanta, Georgia

Als Swamiji zu unserem Haus kam, um meine Yogaschüler zu treffen, war gerade das Passahfest, der jüdische Feiertag, der an die Befreiung der Juden aus der Sklaverei in Ägypten erinnert. Meine Herkunft ist für meine Familie und mich wichtig und Swamiji bemerkte unsere religiösen Feierlichkeiten.

Also sprach er an diesem Abend über die Teilung des Roten Meeres, als die Juden flüchteten und die gesamte Armee des Pharaos dabei ertrank. „Freut Euch nicht darüber, dass die Ägypter gestorben sind“, mahnte er. „Glaubt Ihr, dass Gott sie weniger geliebt hat als Euch? Auch sie waren seine Kinder.“ Als Jüdin und Yogini lehrte er mich, meine Feinde zu lieben und jeden Menschen als einen Botschafter Gottes zu sehen.

Sarabess Forster,
Silver Springs, Maryland

Swamiji ermutigte jeden, zu beten, ob er nun einer bestimmten Religion angehörte oder nicht. Gebete waren ein regelmäßiger, täglicher Bestandteil bei jedem satsang und vor und nach jeder Yogastunde.

Eines Tages, gerade als wir vom Ashram wegfuhren, kam Swamiji den Weg entlang. Wir hielten an, um uns zu verabschieden. Er wies uns an, das Om Tryambakam jedesmal 3x zu singen, wenn wir den Wagen starteten. Dieses Gebet würde uns auf unserer Reise beschützen. Natürlich beteten wir sofort mit ihm zusammen und fuhren dann los.

Als ich später über diese Situation nachdachte, erkannte ich, dass Swamiji uns mehr als eine Ebene gelehrt hatte. Oberflächlich gesehen glaubte er aufrichtig daran, dass uns das Sprechen des Gebetes vor der Abreise beschützen würde. Auf einer subtileren Ebene aber half er uns, immer an Gott zu denken. Er nahm eine weltliche, alltägliche Handlung wie das Starten eines Autos und machte daraus etwas Spirituelles.

Swamiji betonte immer, wie wichtig es sei, sich unaufhörlich an Gott zu erinnern und immer zu versuchen, Gott im Geist zu bewahren. Indem er eine einfache Aktion wie das Starten eines Autos mit der Erinnerung an Gott verband, half er uns, den Geist zu disziplinieren. Anstatt einfach in den Wagen zu springen und loszudüsen, sollten wir uns regelmäßig einige Augenblicke Zeit nehmen und nachdenken.

Die Aktion, die er auswählte, um sie mit den Gedanken zu verbinden, war nicht so wichtig. Was er wirklich bei uns erreichen wollte, war ein regelmäßiges Innehalten und Erinnern an Gott. Es kann alles sein, was wir normalerweise tun, mit dem Bus fahren, den Herd anschalten oder sogar die Toilettenspülung betätigen. Jede Aktion kann ein spiritueller Akt werden. Alles, was du tun musst, ist, dich an Gott zu erinnern, wenn du etwas tust.

Gopala Krishna

Eine besondere Erinnerung hat ihre Spuren hinterlassen und wurde mit der Zeit immer bedeutungsvoller. Swamiji hatte mich gebeten, ihm bei der Herausgabe seines Buches „The Complete Illustrated Book of Yoga“ zu helfen. Bevor ich mit meiner Arbeit begann, musste ich mit aller Ehrlichkeit klarstellen, dass ich nicht an Gott glaubte und dass ich schon lange diesbezüglich meinen Frieden mit der Entscheidung gemacht hatte, dass ich selbst Gott sei. Wenn ich für irgendetwas beten musste, sollte ich besser zu mir selber beten, wenn ich etwas dafür tun wollte. Swamijis sanftes „Das ist genau das, woran wir Yogis glauben“, blieb an mir haften und es brauchte Jahre, um zu reifen und Früchte zu tragen.

Sylvia K
New York, NY